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PONYFREUND/001: Darf ein Pferd gewaschen werden? (SB)


Ein Pferd in der Badewanne?

Brrrrr.....


Wasser und Seife ist nichts für deinen Ponyfreund, sage ich dir. 'tschuldigung, ich habe mich noch nicht vorgestellt: Mein Name ist Silver. Ich bin ein Welsh-Mountain-Schimmelhengst und gerade 12 Jahre alt. Silver ist englisch und bedeutet Silber. Meine Freundin Sabine nennt mich so, weil mein Fell im Sonnenlicht wie blankes Silber glänzt. Doch das hat überhaupt nichts damit zu tun, daß mein prächtiges Fell regelmäßig mit Badewasser malträtiert wird. Iiii, bewahre.

Im Land meiner Ahnen, den Welsh Mountains in Großbritannien, leben Ponys wie ich in großen Herden monatelang ganz allein auf sich gestellt, ohne daß sich überhaupt eine Menschenseele blicken läßt. Gras gibt es in den Bergen ausreichend. Was die Fellpflege betrifft, so kraulen sich die Familienmitglieder einer Herde gewöhnlich gegenseitig die Mähnen und den Rest besorgen Wind und Regen sowie ein gelegentliches Sandbad.



Sandbad?

Ganz recht, Sandbad! Vielleicht hast du ja schon einmal gesehen, wie sich ein Pony am Boden wälzt und dabei genüßlich seinen Rücken schubbert. Das ist noch die Erinnerung an ein richtiges Sandbad, und so etwas ist herrlich, sage ich dir. Der Sand dringt dir bis auf die Haut, schmirgelt dort die juckenden Stellen und reibt abgestorbene Hornhautteilchen oder auch lästige Insekten einfach fort. Anschließend steht man auf und schüttelt sich von vorn bis hinten, daß Staub, Haare und Sand in hohem Bogen aus dem Pelz fliegen. Sollte noch Sand zwischen den Haaren kleben bleiben, dann pustet ihn der Wind aus dem Fell oder er fällt nach einer gewissen Zeit einfach von selbst heraus. So lasse ich mir Fellpflege gern gefallen.



Aber Wasser und Seife?

Eines Tages kam sie doch tatsächlich mit einem Eimer und einer verdächtig aussehenden Flasche an - Sabine, meine ich. Neugierig und arglos lief ich auf sie zu, denn meistens hat sie irgend etwas Schönes für mich in der Tasche stecken - einen Apfel, eine Wurzel oder manchmal sogar einen Ponywürfel. Diesmal steckte sie mir mit einem zuckersüßen Lächeln einen Ponywürfel zwischen meine suchenden Lippen, herzte und koste mich überschwenglich, was schon ahnen ließ, daß sie nichts Gutes im Schilde führte...

Wollte sie mich doch tatsächlich waschen! Ich war von den Socken. Ich sähe ganz fürchterlich aus mit dem ganzen Stroh und Mist in meinem Schweif, säuselte sie honigsüß. Ich war beleidigt. Und das nach allem, was ich schon für sie getan habe! Na, der habe ich aber meine Meinung geblasen. Über die ganze Weide mußte sie mich jagen. Das hat mir allerdings Spaß gemacht und meine Stimmung besserte sich zunehmend, so daß mir meine Freundin Sabine wieder beinahe ein bißchen leid tat und mich die unflätigen Schimpfworte über mein Aussehen, die sie inzwischen gar nicht mehr honigsüß zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervorstieß, nicht mehr verletzen konnten, schweißgebadet und staubverkrustet wie sie selber war.

Schließlich war sie völlig aus der Puste; und in aufgekratzter und somit großzügigster Stimmung, in der ich gerade war, ließ ich mich auf einen Kompromiß ein, der auch keinem anderen Pony schaden wird. Schließlich gibt es hierzulande kaum noch geeignete Sandlöcher auf den Weiden für ein herzhaftes Sandbad, so daß wir ohnehin auf Striegel und Bürste und die Hilfe unserer Menschenfreunde angewiesen sind.

Meinen manchmal doch recht schmuddeligen und verklebten Schweif darf Sabine jeder Zeit mit warmem Wasser und einem "Pferdepflegeshampoo" waschen. Wenn es im Sommer richtig heiß ist, lasse ich sie auch an meine Mähne. Dabei paßt sie auf, daß mir kein Shampoo in die Augen rinnt. Wenn es lange nicht geregnet hat, ist eine sanfte, kühle Dusche aus dem Wasserschlauch sogar recht wohltuend. Allerdings darf das Wasser nicht zu kalt sein, sonst können Pferde, die durch Arbeit oder Sonnenwärme erhitzt sind, einen Kreislaufkollaps erleiden.

Seife soll trotz alledem niemals für das ganze Pony verwendet werden. Seife zerstört das schützende Körperfett im Fell, und das ist ja gerade wichtig, damit wir Ponys auch einen Regenguß im Freien unbeschadet überstehen. Das Wasser perlt nämlich an unserem Haarfett ab. Nach einer natürlichen Regendusche schüttele ich mich einmal kräftig und bin in Nullkommanichts wieder trocken.

Pferdebrüder, die im Stall schlafen und nicht, wie ich, das ganze Jahr über auf der Weide leben, haben es da nicht so leicht. Ihr Fell ist oftmals so dünn, daß jeder Wasserguß gleich bis auf die Haut geht. Wenn sie da an einen verantwortungslosen Reiter geraten, der sie nicht ordentlich trockenrubbelt und solange herumführt, bis das Fell nicht mehr naß ist, können sie sich im zugigen Stall böse erkälten. Da ist es denn doch besser, ihnen noch eine Weile eine dünne Decke überzulegen, auch wenn sie dann ein beleidigtes Gesicht ziehen. Mit einem Pferdeschnupfen oder -husten ist man doch um einiges schlimmer dran.

So, genug gewiehert, es zieht mich mächtig zu einem Büschel Gänseblümchen dort drüben, in die ich jetzt meine Nase stecken werde.

Erstveröffentlichung im Jahr 2000

6. Juni 2008