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PONYFREUND/009: Reiter in die Schule ... den Pferden zuliebe! (SB)


Ein klasse Reitlehrer ?

Oder wie finde ich die richtige Reitschule?


Danke für den Applaus, Freunde,
doch keine Vorschußlorbeeren bitte!

Sicher kennt ihr alle die Redewendung "das Denken soll man den Pferden überlassen, die haben den größeren Kopf"? Ehrlich gesagt ist gerade "denken" eine Tätigkeit, die uns Pferden völlig abgeht. Wir handeln und reagieren instinktiv. Doch wie ich schon das letzte Mal sagte, ein Pferd spürt sehr wohl die innere Einstellung oder die Absicht seines Reiters und ob er sich bemüht, unsere Eigenheiten zu verstehen. Das ist dann schon etwas, was von uns mit dem nötigen Respekt honoriert wird, der ihn zum ranghöheren Artgenossen macht, dem wir bedingungslos folgen. Nur deshalb habe ich mir auch in "PONYFREUND/008: Warum eigentlich reiten lernen?" das Maul ganz schön fusselig geredet. Denn es muß ja für jeden guten Reiter wichtig sein, sich von Anfang an   G e d a n k e n   über die ganze Reiterei zu machen und vor allem über sein Verhältnis zum Pferd, damit er sich nicht bloß mit roher Gewalt und Schlägen, sondern mit entschlossenem Auftreten und der natürlichen Autorität eines ranghöheren Pferdefreundes durchsetzen kann.

Die ganze Autorität nützt nur nichts, wenn man sich noch nicht im Sattel halten kann. Also was soll's, um nicht vom Pferd oder Pony zu fallen muß ein Ponyfreund die Grundtechniken lernen. Das ist für unsereinen nicht besonders angenehm, kann ich euch sagen.

Moment, Sabine sagt gerade, ich soll nicht so egoistisch sein. Denn schließlich sei es auch für den Reiter nicht gerade erholsam, vom Pferd zu fallen, und das kann allen, die reiten oder zu reiten versuchen, gelegentlich einmal passieren. Deshalb ist das Reiten nicht unbedingt gefährlich, denn die meisten schmerzhaften Stürze werden durch Unfähigkeit oder Unwissenheit verursacht. Schon deshalb sollte man sich bemühen, gut und sicher im Sattel zu sitzen.

Es gibt allerdings auch noch die andere Seite der Medaille und hier möchte ich doch wieder für mich selbst sprechen: Ungeübte Reiter können ein Pferd aus Unwissenheit falsch behandeln und ihm dadurch erhebliche Schmerzen, ja sogar Schäden, zufügen. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, daß schon allein der falsche Sitz im Sattel zu unerträglichem Druck auf den Rücken oder die Hinterhand des Pferdes führt. Die Kameraden auf den Pony- und Reiterhöfen, die aufgrund ihrer unermeßlichen Freundlichkeit als sogenannte Anfängerpferde Hunderte von ungeschickten und unkoordinierten Kindern in das ABC der Reiterei einführen, können davon ein Lied singen, und zwar kein besonders lustiges!

Wenn ihr also reiten lernen wollt, dann beschwert euch gefälligst auch nicht über den Muskelkater oder die harten Regeln der Reitkunst, die euch euer Reitlehrer abverlangt, denn all das sind nur Maßnahmen, die vor allem das Wohlbefinden des Pferdes im Auge haben. Nur unter diesen Bedingungen sind nämlich die netten Kollegen von der Reitschule auch bereit, immer wieder Reitanfänger unter der strengen Aufsicht eines Reitlehrers auf ihrem Rücken zu dulden. Sie bieten durch ihren Liebesdienst auch der Unsitte Einhalt, daß einem enthusiastischen Anfänger schon zum Reitenlernen das Turnierpferd seiner ehrgeizigen Träume gekauft wird (von liebenden Eltern zumeist). Statt die Dressur- oder Spring-Talente dann liebevoll zu fördern, reitet er sie in Grund und Boden.

Raute

Reitlehrer mäßigen rabiate Erstreiter
oder wie man die richtige Reitschule findet!

Der Olympia-Goldmedaillen-Gewinner Hans-Günter Winkler soll einmal gesagt haben, das Wichtigste im Leben eines Reiters sei, gleich zu Beginn der Ausbildung den richtigen Reitlehrer zu bekommen. Doch das ist falsch zitiert. In Wirklichkeit war es sein Zauberpferd "Halla", das ihm zugeflüstert hatte, daß es doch ein Glück für jedes Pferd sei, wenn der Reiter zu Beginn seiner Ausbildung gleich den richtigen einfühlsamen Reitlehrer fände. Denn schließlich ist es der Reitlehrer, der von Anfang an darauf achtet, daß der Schüler sein Pferd nicht mit den Hacken malträtiert und im Sattel herumhopst wie ein Mehlsack usw. und der ihm schließlich auch sagt, wie er den nötigen Halt im Sattel findet, um all das seinem Pferd nicht mehr zuzumuten.

Ein echter Pferdefreund achtet natürlich von selbst darauf, daß er seinem Pferd nicht schadet, aber wer denkt noch daran, wenn ihm selbst das Kreuz so weh tut? Sucht man sich also eine Reitschule und einen Reitlehrer aus, dann sollte man sich seinen Unterricht ansehen. Läßt er die Sache langsam angehen und ist sparsam mit seinem Lob, oder wird der Reitschüler von Anfang an als stürmischer Held gefeiert, der innerhalb von zwölf Monaten zu einer Gefahr für sich selbst, die Pferde und seine gesamte Umgebung wird?

In vielen Reitschulen herrscht noch ein Ton wie in der Kaserne: "Abteilung Schierrit", "Abteilung haaalt", "Hacken rrrunter du Esel! Ihr sitzt ja da wie die letzten Pfeifen! Kauft euch besser Kühe! Abteilung marsch! Abteilung halt Aaabteilung ...!"

Das hält ja kein Pferd aus. Dieser Umgangston ist auch gar nicht mehr zeitgemäß. Hier müßt ihr euch einfach ein Herz fassen und mit dem Ausbilder sprechen. Fragt ihn, wozu man im Zirkel reitet oder, wozu "Schulter herein" gut ist. Wieso es dauernd "Absätze runter" heißt usw. Erstens werdet ihr etwas viel schneller begreifen, wenn ihr wißt, warum das wichtig ist - vielleicht schont es ja euer Pferd. Und wenn der Reitlehrer auf diese Fragen keine einleuchtenden Erklärungen weiß oder ein Gespräch von vornherein abwürgt, dann ist ganz sicher etwas faul an der Sache.

Beobachtet außerdem die Pferde: Bleiben sie ruhig stehen, während der Reitanfänger aufsitzt, oder treten sie unruhig hin und her, ohne daß der Reitlehrer eingreift und den Reiter korrigiert. Vorsicht auch bei scharfen Zäumungen und komplizierten Hilfszügeln (ausgenommen Ausbinder, Stoßzügel und Martingal)! Ein gut ausgebildetes Schulpferd muß ohne solche Hilfsmittel geritten werden können. Pferde, die mit derartigen Dingen zum Unterricht gezwungen werden, weil sie sonst steigen, buckeln oder schlagen würden, solche Pferde sind meist zu bedauern, weil sie ein schweres Schicksal hinter sich haben und gehören in verständnisvolle Hände, jedoch nicht in die Hände eines unsicheren Reitanfängers, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist und eventuell sogar Angst vor ihnen hat.

Ich will euch zwar in meinen nächsten Berichten allmählich das Reiten beibringen, doch kein Pferd der Welt kann das alles in Worten ausdrücken, was man erst aus eigener Erfahrung lernen kann. Ich kann nur helfen, die Techniken, die man in einer Reitschule übt, aus meiner Sicht besser zu verstehen. Ein geduldiges und verständnisvolles Pferd, auf dessen Rücken ihr die ersten Begriffe der Reiterei kennenlernt und ein ebensolcher Reitlehrer, der Interesse an seinen Schülern und ihren Fortschritten hat, sind jedoch in dieser Phase der Ausbildung das Wichtigste.

Und noch eins: Während es lange Zeit nur den traditionellen Turniersport gab, gibt es inzwischen viele Möglichkeiten der Reiterei. Ja, es muß nicht einmal zwangsläufig auf Pferdesport hinauslaufen. Man kann schließlich auch nur aus gegenseitiger Freundschaft ein wenig durch die Gegend reiten. Sabine und ich tun das oft. Wenn einem das zu wenig ist, gibt es außer Springreitern und Dressurreitern inzwischen auch Westernreiter, Wanderreiter, Jagdreiter oder Freizeitreiter, die sich in ihrem Können bei vielzähligen unterhaltsamen Ponyspielen messen (doch auch darüber sprechen wir ein andermal). Für all diese Richtungen gibt es inzwischen entsprechende Ausbildungsstätten, Verbände oder Vereine, wenn auch häufig nicht direkt in eurer Nähe. Es reicht jedoch, wenn man die normale reiterliche Grundausbildung in einer naheliegenden Reitschule absolviert, später kann man sich dann immer noch spezialisieren.

In diesem Sinne solltet ihr also die künftige Reitschule ganz genau unter die Lupe nehmen und entscheiden, welche am besten euren Vorstellungen und Zielen entspricht.

Doch bitte nicht die Pferde vergessen! Werden sie gut gepflegt und machen sie einen gut genährten und zufriedenen Eindruck? Kinder fassen meist zu kleineren Pferden oder Ponys leichter Vertrauen als zu großen Pferden. Wenn ein Schulpferd gleich die Ohren anlegt, wenn man sich ihm nähert, ist Vorsicht geboten. Ganz gleich, welche schwerwiegenden Gründe es dafür hat, sie sprechen nicht für diese Reitschule. Ist das Fell glatt und glänzend, die Augen ruhig und freundlich? Druckstellen in der Gurt- und Sattellage oder Scheuerstellen am Kopf deuten auf nachlässig angepaßtes Lederzeug hin. Eitriger Nasenausfluß weist auf eine Infektion der Atemwege durch zugige Ställe und falsche Pflege hin. Auch ein Blick auf die gepflegten und sauberen Hufe und ordentlich frisierten Mähnen und Schweife kennzeichnen den gut geführten Stall. Es sei denn, es handelt sich um einen Reitstall, in dem die Pferde ganzjährig auf der Weide bleiben und nur für den Reitunterricht gestriegelt und gesattelt werden. Dann muß man natürlich ein paar Abstriche an das gepflegte Äußere machen. Schaut auch mal in die Sattelkammer. Das Sattelzeug sollte sauber und geschmeidig sein, damit sich unsereiner nicht daran verletzt. Bei aufgerissenen Nähten, verklebten Riemen, schmutzigen Gebissen - igitt - und Satteldecken sollte sich jeder Pferdefreund einmal selbst fragen, ob    e r     das selber tragen möchte.

Schließlich solltet ihr noch fragen, wie häufig am Tag die Schulpferde gehen müssen und ob sie von Zeit zu Zeit auch einmal von einem erfahrenen Reiter geritten werden. Mehr als vier Stunden am Tag sollte kein Pferd arbeiten müssen. Schließlich muß es seinen natürlichen 24-Stunden-Rhythmus (Fressen, Dösen und soziale Fellpflege) auf knappe 20 Stunden einschränken.

In diesem Sinne mache ich nun auch endlich Schluß, sonst komme ich noch in Terminschwierigkeiten. Außerdem geht dieses Kapitel auch etwas über meinen Pferdeverstand hinaus. Wie gesagt, ein Pferdekopf ist nicht gerade für geistige Tätigkeiten geschaffen, und ich muß sagen, mir brummt jetzt ganz schön der Schädel.

Bis die Tage ... euer Silver



Erstveröffentlichung im Jahr 2000

13. Mai 2009