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PONYFREUND/010: Wie kommt man in den Sattel? (SB)


Der weite Weg in den Sattel
... und was man dabei beachten muß


Aaaaabteilung aufgesessen,

ha, hab ich euch erschreckt? Tja, was ein Reitlehrer kann, kann ich schon lange. Schließlich bin ich mit meiner Sabine ja auch jahrelang in die Reitschule gegangen - hauptsächlich ihretwegen. Mit dem Kommando "aufsitzen" fängt also gewöhnlich eine Reitstunde an. Dabei ist das Aufsitzen nicht einmal die erste Lektion, die ein Reitschüler lernen muß. Wie ich schon einmal beim Thema "Satteln" erwähnte, ist es für das Pony oder Pferd wichtig, sich zunächst ohne Reiter zu bewegen, um seine Muskeln auf die kommende Anstrengung vorzubereiten. Ein Pferd, das unter freiem Himmel auf der Weide lebt, hat natürlich keinerlei Einschränkung, seine Muskeln auf natürlichste Weise in Bewegung zu halten und so ist es hier nicht ganz so wichtig wie bei den Kollegen im Mietstall oder in der Reitschule, die den ganzen Tag in der Box vor sich hindumpfen (Entschuldigung: stehen) und völlig steif vor lauter Langeweile werden. Aber auch nach dem Putzen und Satteln, bei dem ein Pferd unnatürlich lange auf einem Fleck steht, sollte es vor der Arbeit erst ein paar Schritte entspannt am Zügel gehn.

In den ersten Reitstunden wird dem Reitanfänger meist ein fix und fertig geputztes und für den Unterricht aufgezäumtes Pferd zur Verfügung gestellt, das er dann nur noch in den Hof oder in die Halle führen muß, um dort aufzusitzen. Wird das Pferd mit den Zügeln über dem Kopf geführt, hält man die Zügel etwa 15 cm vom Gebiß in der rechten Hand, wobei man Zeige- und Mittelfinger zwischen die beiden Zügel schiebt. Die Zügelenden sollten mit der linken Hand gehalten werden. Laßt euch das einmal zeigen, dann vergißt man das nicht so schnell wieder. Achtet jedoch darauf - das soll ich euch von Sabine sagen - daß ihr die Zügel nie um das Handgelenk oder den Arm schlingt, aus Angst vielleicht, euer wertvolles Pony könnte euch verloren gehen. Das ist nämlich mordsgefährlich. Wenn das Pferd erschrickt oder davonläuft, könntet ihr möglicherweise nicht schnell genug loskommen und das ist für das Pferd ebenso gefährlich wie für euch. Wir Pferde sind von Natur aus Fluchttiere und unsere Füße reagieren daher oft schneller als der Verstand: Wenn uns etwas Angst macht, eine ungewohnt flatternde Plastiktüte beispielsweise, geben wir sogleich Fersengeld. Das sollte euch mit einem guttrainierten Anfängerpferd, das nichts mehr so leicht aus der Ruhe bringt, nicht so schnell passieren, aber es ist gut, sich von vornherein an diese Sicherheitsmaßnahme zu gewöhnen.

Ein gutes Schulpferd sollte auch mit einem fremden Schüler bereitwillig mitgehen, wenn ihr euch entsprechend anständig vorgestellt habt. Ein bißchen schnuppern und schnaufen von der vierbeinigen Seite, ein wenig Mähnekraulen und ein freundlicher Klaps auf den Hals von der Zweibeinigen, naja, wir hatten das ja schon ... Es sollte danach also nicht nötig sein, das Pferd aus dem Stall herauszuzerren. Ist man dazu gezwungen, gibt es nur einen Rat: so schnell wie möglich die Reitschule wechseln! Denn der Kollege hat sicher seine Gründe, den Unterricht zu verweigern.

Bei einer kurzen Strecke läßt man die Zügel über dem Hals liegen, nimmt sie ebenfalls in die rechte Hand, auch hier wieder gut 15 cm hinter dem Gebiß, und fordert das Pferd auf, vorwärts zu gehen. Ein freundliches "Na komm" oder ein Schnalzer reicht für uns alte Hasen meisten aus. Eine Anspielung auf das Alter oder die Figur des eigenen Ponys, wie Sabine es immer mit ihrem lächerlichen "Komm, Alter", oder "Komm schon, Dicker", macht, muß ja zwangsläufig auf Widerstände stoßen. Ich jedenfalls stelle mich da stur. Schließlich sollte jeder Reiter überprüfen, ob die Zügel weit genug auf dem Hals liegen und nicht lang herunterhängen.

Sind alle glücklich in der Reithalle eingetroffen, heißt es tatsächlich "aufgesessen". Wohl dem, der sportlich ist oder schon mal ein bißchen voltigiert hat. Allerdings kann man letzteren schon kaum mehr als blutigen Anfänger bezeichnen, da er von dem Voltigierpferd auch schon einige Grundbegriffe des Reitens nahegebracht bekommen hat. Doch davon ein andermal.

Spätestens vor dem Aufsitzen werden die Zügel über den Hals gestreift. Ihr solltet bei jedem Aufsitzen eine Stelle mit rauhem, rutschfestem Untergrund suchen - kein Steinboden, auf dem unsereiner ausrutschen kann. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme (laut Sabine) besteht darin, das Pferd auch bei den Vorbereitungen zum Aufsitzen immer festzuhalten, indem der Zügel über einen Arm gelegt bleibt. Seltsamerweise beruhigt mich und meine Artgenossen dieser ständige Kontakt zum Reiter über den Zügel. Es ist geradezu sträflich leichtsinnig, ein unbekanntes oder noch relativ fremdes Pferd loszulassen. Es kann dadurch sehr nervös werden oder sogar durchgehen. Es gibt allerdings auch derart ausgebildete und geschulte Pferde, die lange Zeit auf Befehl des Reiters stehenbleiben, ohne daß sie angebunden wären oder der Reiter ständig seine Anwesenheit deutlich machen müßte. Ein solcher "Gehorsam" ist jedoch Vertrauenssache und nur möglich, wenn sich der Reiter für sein Pferd entsprechend Zeit nimmt. Sabine und ich haben ja ein ausgesprochen gutes Verhältnis, doch ich könnte nicht dafür garantieren, daß ich nicht zappelig würde, wenn beispielsweise so eine hübsche Stute vorbeikommt oder mich eine freundliche Butterblume anlacht ...

Die Vorbereitungen des Reiters bestehen darin, daß er noch einmal Sattelzeug und Sattelgurte kontrolliert: Sitzt alles richtig? Ist alles korrekt verschnallt? Drückt auch nichts? Außerdem werden vor dem Aufsitzen die Bügel auf die richtige Länge gebracht. Als Faustregel soll ich euch von Sabine ausrichten: Der Bügel ist richtig verschnallt, wenn Bügelriemen plus Bügel genau die Länge eures ausgestreckten Armes von den Fingerspitzen bis zur Achselhöhle haben. Aber das ist, wie gesagt, nur ein Anhaltspunkt. Zum Springen werden die Bügel drei bis vier Loch kürzer geschnallt, damit Knie und Fußgelenk den Schwung abfedern können. Dressurreiter schnallen die Bügel dagegen eher zwei Loch länger, damit sie den Körper ihres Pferdes mit ihren Schenkeln umfassen können, "langes Bein" nennen sie das. Bei Ponys ist das nun wiederum ganz anders, hier werden die Bügel auch eher lang geschnallt. Nach einigen Reitstunden hat man für sich jedoch die passende Bügellänge herausgefunden. Am Anfang quält der Reitlehrer außerdem seine Schüler gerne damit, sie völlig ohne Bügel reiten zu lassen. Das ist oft auch für uns eine Tortur, aber wenn's zu doll wird, hat man hier als Pferd die Möglichkeit, seinen Reiter einfach runterrutschen zu lassen. Ansonsten ist die Übung durchaus für einen ruhigen, ausbalancierten und für den Pferdekörper angenehmeren Sitz sehr zu empfehlen. Besser noch ist das Reiten ganz ohne Sattel, das auch für unsereinen eine gewisse Erleichterung bedeutet.

Das gut erzogene Pferd soll beim Aufsitzen wie die berühmte "Eins" stehen. Aber auch das geduldigste Mustertier fängt allmählich an, unruhig hin und her zu trippeln, rückwärts zu kriechen oder einfach loszugehen, wenn es jedesmal damit rechnen muß, daß der Reiter ihm entweder die Stiefelspitzen in die Rippen stößt oder sich nach Mehlsackmanier mit seinem gesamten Gewicht in den Sattel plumpsen läßt. Die Höhe aber ist - man stelle sich vor -, wenn er seine dreckigen Stiefel an meiner frisch gestriegelten Kruppe entlangschleift, weil er zu faul ist, den (Entschuldigung) Hintern hochzuheben.

Am Anfang wird meist ein Helfer zur Stelle sein, der den jeweiligen Vierbeiner festhält und als Gegengewicht auf der rechten Seite am Bügel zieht, während der Zweibeiner zwischen Himmel und Erde auf einem Steigbügel akrobatische Übungen turnt. Dauert die ganze Aufsitzerei nämlich allzu lange, dann findet man am Ende einen erschöpften Reiter auf dem Pferd, aber den Sattel auf der Bauchseite. Du liebe Güte - ich kann euch da Stories erzählen ...

Doch jetzt übergebe ich Sabine mal wieder den Federkiel, denn wie es der Reiter schließlich schafft, aufs Pferd zu gelangen, ohne ihm zu schaden, weiß sie besser als ich.


*


Hallo auch!

Um den Vorgang des Aufsitzens zu verdeutlichen, habe ich ihn
einmal in verschiedene Phasen aufgeteilt, wie sie einem im
herkömmlichen Reitunterricht beigebracht werden:

1. Phase:
Man tritt von links an das Pferd heran und überprüft, ob die Sattelgurte festgeschnallt sind. Mit dem Körper zum Schweif bzw. zur Kruppe des Pferdes gewandt, nimmt man beide Zügel in die linke Hand, wobei man einen leichten Kontakt zum Pferdemaul halten soll (das Pferd kaut dabei gemütlich auf dem Gebiß). Am besten faßt man zusätzlich in die Mähne am Widerrist oder den Vorderzwiesel des Sattels. Letzterer verrutscht dabei jedoch leicht zur linken Seite, deshalb ist die Mähne besser ("Ts, ts, ziept besser, würde ich sagen!", Silver.). Jetzt ergreift man mit der rechten Hand den hinteren Rand des Steigbügels und dreht ihn sich so zu, so daß der Bügel quer zum Pferdekörper steht.

2. Phase:
Man hebt den linken Fuß an und setzt ihn in den Steigbügel, während die rechte Hand an den Sattelkranz oder das Sattelblatt der anderen Seite greift.

3. Phase:
Man verlagert sein Gewicht auf den linken Fuß und stützt seinen Oberkörper dabei mit der linken Hand am Widerrist ab. Beinahe gleichzeitig stößt man sich mit dem rechten Fuß vom Boden ab, gibt sich also Schwung, wobei die linke Fußspitze im Steigbügel nach unten gerichtet ist, damit sie nicht dem Pferd in die Flanken stößt.

4. Phase:
Während man zum Sattel hochkommt, wobei aus der Grundstellung heraus eine Vierteldrehung vollendet wird, greift man mit der rechten Hand über die Sattelmitte hinaus und nutzt den letzten Schwung dafür, sein rechtes Bein weit über den Pferderücken zu grätschen ohne dabei die Kruppe zu berühren, wohlgemerkt. ("Hört, hört!", Silver.) Dann läßt man sich so sanft und so behutsam wie möglich in den Sattel gleiten. Man nimmt die Zügel auf und schiebt den rechten Fuß in den entsprechenden Steigbügel. Nach etwas Übung gelingt das auch ohne hinzuschauen.

5. Phase: Jetzt prüft man abschließend, ob die Bügelriemen nicht verdreht sind und ob eventuell schon nachgegurtet werden muß. Dazu legt man das linke Bein vor den Sattel auf die Pferdeschulter, so daß die Sattelklappe hochgehoben werden kann und man leicht an die Schnallen bzw. Strupfen kommt. Meistens muß, aber erst nach einigen Runden, der Gurt angezogen werden.

Das Ganze kann man nur nachvollziehen, wenn man schon eine gewisse Vorstellung davon hat. Es lohnt sich also, vor der ersten Reitstunde Reiter zu beobachten oder auch, sich das Aufsitzen einmal aus erster Hand langsam vormachen zu lassen. Wenn man sich dann die oben beschriebenen fünf Phasen einmal im Geiste vorstellt - mentales Training nennen das die Sportler -, hat man es bei seiner ersten Stunde nicht nur weniger schwer, vor allem schont man sein Pferd, je eher man es begriffen hat und je schneller man im Sattel sitzt.

Zum Absitzen beide Füße aus den Steigbügeln nehmen, die rechte Hand vorne auf den Sattel aufstützen, den Oberkörper also das Gewicht nach vorn auf die Hände verlagern und weich aber rasch abspringen bzw. heruntergleiten, wobei man das rechte Bein wieder weit über den Pferdrücken schwingt.

Auch dabei soll das Pferd nicht einfach losgelassen werden. Nach dem Absitzen werden die Bügel hochgeschoben. Wer sein Pony oder sein Pferd nun ein längeres Stück führen muß, lockert den Gurt und nimmt die Zügel vom Hals. Wenn ihr außerdem den Nasenriemen lockert, fühlt sich das Pferd wesentlich wohler ("Das kannst du ruhig unterstreichen!", Silver.)

Mit dem Aufsteigen von der linken Seite, könnte ein extremer Linkshänder vielleicht Schwierigkeiten haben. Doch unter Pferdeleuten ist dieses Thema inzwischen recht umstritten. Das Erklimmen des Sattels ist hierzulande noch immer von der militärischen Exerzierform geprägt, obwohl die Zeiten der Kavallerie längst vergangen und vergessen sind. Beim Militär bestand man darauf, daß die berittenen Soldaten von links aufsaßen, um damit bei größeren Parade-Formationen oder in großen Kavallerie-Einheiten einen schnellen und reibungslosen Ablauf zu gewähren. Außerdem sollten die vielen Reiter und Pferde, die im gleichen Augenblick auf einen Befehl hin die gleichen Bewegungen ausführten, einfach eindrucksvoll und gut aussehen.

In den Reitschulen heute wurde diese alte Methode einfach übernommen, obwohl sie gar keinen Sinn mehr macht. So spräche beispielsweise sehr viel dafür, wenn man wechselweise von beiden Seiten auf- und absitzen würde.

Zum einen trainiert der Reiter dann beide Seiten und steigert damit seine Geschicklichkeit. Er kann sich dann in einer schwierigen oder gar gefährlichen Situation freier und schneller für die besser geeignete Seite entscheiden und ist nicht so sehr darauf festgelegt, daß beim Auf- oder Absitzen auf der linken Seite seines Pferdes Platz sein muß.

Auch das Pferd wird nicht stur auf links gedrillt und wird gelassener, wenn wieder mal etwas Ungewohntes auf seiner rechten Seite vonstatten geht. Und schließlich werden die Steigbügelriemen auf Dauer gleichmäßig gedehnt. Ein gedehnter Steigbügelriemen kann nämlich auf Dauer zum Einknicken der rechten Hüfte des Reiters führen. Deshalb sollte man nie nur die Löcher beim Steigbügelriemen abzählen, sondern von Zeit zu Zeit wirklich die Länge vergleichen.

Ob nun von rechts, von links oder beidseitig, das Auf- und
Absitzen soll man solange üben, bis man es blind beherrscht.


*


Hoppla, da hab' ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Sabine hat ja keine Ahnung, wie lange so ein Reiter manchmal braucht, bis er das Aufsitzen geschnallt hat. Bis dahin hat sich unsereiner die Beine in den Bauch gestanden. Kein Wunder, daß wir von Zeit zu Zeit beim schnellen Absitzen mal ein bißchen nachhelfen, um auch etwas Spaß an der ganzen Reiterei zu haben. Also, macht ruhig zwischendurch mal Pause und reitet ein paar Runden im Kreis. Oder macht nach 10-mal Auf- und Absitzen was anderes. Es gibt ja noch so viel zu lernen für einen Reitanfänger. Zum Beispiel wie man einem Pferd ordentlich - und wenn ich ordentlich sage, dann meine ich ordentlich - die Kruppe krault ...

Bis bald ... euer Silver



Erstveröffentlichung im Jahr 2000

25. Mai 2009