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TIERE/110: Ich bau' mir ein Nest - verlockendes Dekor ... (SB)



Schon lange bevor der Mensch die Erde bevölkerte, hatten sich Tiere in den verschiedensten Regionen beheimatet. Von jeher bauten sie ihre Wohnungen bzw. ihre Brutstätten, ihren Unterschlupf und ihren Schutz vor Hitze oder Kälte, vor Wind und Wetter.

Je nachdem welche klimatischen Bedingungen in ihrem Lebensraum vorherrschen, gestalten sie ihre Nester am Boden, an Berghängen, in Bäumen oder unter der Erde in Höhlen, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. In dieser kleinen Reihe werden ein paar besonders geschickte oder auch auffällige Bauweisen beschrieben.


Der Hüttengärtner

Was mag das wohl für ein Wesen sein? Ein Mensch, der um seine Hütte herum einen Garten angelegt hat? Nein, es handelt sich um einen eigentlich recht unscheinbaren Vogel. Während die meisten männlichen Vögel ein mehr oder weniger prächtiges Federkleid ihr eigen nennen, hat der Hüttengärtner selbst nichts Besonderes vorzuweisen. Man könnte ihn glatt übersehen. Aber dieser kleine Vogel weiß, wie er die Aufmerksamkeit eines Weibchens auf sich lenken kann.

Seine Heimat ist der tropische Regenwald Neuguineas und dort lebt er in nur schwer zugänglichen Regionen. Das mag auch der Grund sein, warum das Verhalten dieses Vogels bislang vergleichsweise wenig erforscht ist. Ein Ortsunkundiger hat es schwer, auf so einen Vogel zu treffen und ist auf die Hilfe von den dort lebenden Menschen angewiesen. Sie wissen, wo sie suchen müssen. Der Hüttengärtner-Vogel (Amblyornis inornatus) zählt zu den sogenannten Laubenvögeln und ist mit seinen ca. 25 Zentimetern etwa so groß wie eine Drossel.

Ein Laubenvogel? Diese Bezeichnung leitet sich aus seinem sehr eigenwilligen Baltzverhalten ab, denn er baut aus Moos, kleinen Stöckchen und Zweiglein eine Laube. Da der Vogel selbst unscheinbar ist, schmückt er sie bunt und farbenprächtig aus. Aber schon die Art und Weise, wie er ein solches Kunstwerk errichtet, ließe annehmen, ein Architekt hätte ihm einen Bauplan vorgelegt. Natürlich stimmt das nicht, aber das Geschick und sein Sinn für Gestaltung von Innenräumen, eben seiner Laube, und die Pflege derselben und seines davor angelegten Gartens haben Wissenschaftler so beeindruckt, dass sie ihn zu den intelligentesten Vögeln zählen.


Der Hüttengärtner-Vogel sitzt auf einem Ast, sein Gefieder ist braun und am Bauch etwas heller - Foto: 2014 by Daniel Giraud Elliot [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Zeichnung von 1873
Foto: 2014 by Daniel Giraud Elliot [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons


Ein bunt dekorierter "Konzertpavillion"

Die Vogeldamen sind mit der kunstvollen Architektur allein nicht zu beeindrucken. Das Hüttengärtner-Männchen weiß genau, dass das Ausschmücken der Laube dazugehört, die den einzigen Zweck haben wird, ein Weibchen anzulocken, um sich mit ihm zu paaren. An einem geeigneten noch relativ dünnen Baum mit einer Höhe von 3 bis 6 Metern errichtet der Vogel den sogenannten Maibaum aus kleinen Zweiglein und Stängeln, die er geschickt ineinander steckt und sie an dem Stamm befestigt. Der Maibaum befindet sich ziemlich exakt in der Mitte der zukünftigen Laube. Der Boden wird aus einem weichen Moos- und Laubgeflecht gewebt. Doch damit nicht genug. Darüber wird nun ein Dach gebaut, ebenfalls aus kleinen Zweiglein, zum Beispiel aus Stängeln von Orchideen oder Bärlappfarnen. Wenn die Laube fertiggestellt ist, misst sie schon mal einen Meter Höhe und schaut aus wie eine halbe Kuppel.

Dann beginnt der Hüttengärtner mit dem Schmücken. Dabei erweist der Vogel sich als äußerst einfallsreich. Er drapiert kleine Beeren, alle in gleicher Farbe, beispielsweise rot, und in etwa gleicher Größe, sowie Blätter, Früchte, fremde bunte Federn, Pilze oder Blüten und fügt alles zu einem eindrucksvollen farbenprächtigen Gebilde zusammen. Es fällt auf, dass er die kleineren "Schmuckstücke" weit nach hinten dekoriert, die größeren weiter nach vorn. Das hat den Effekt, dass der Innenraum der Laube vom Eindruck her an Tiefe und Ausmaß gewinnt. Auch dieser Trick dient dazu, das Weibchen zu beeindrucken. Alles was glitzert und glänzt wird gern verarbeitet und dazu gehört auch schon mal Zivilisationsmüll wie Medikamentenampullen oder Cola-Dosen. Das Hüttengärtner-Männchen sammelt alles ein, was seinen Vorstellungen von schön entspricht und geeignet erscheint. So entsteht über einen langen Zeitraum - Hüttengärtner werden recht alt und so kann der Bau seiner Laube Jahre dauern - Stück für Stück ein Gesamtwerk von beeindruckender Vielfalt und leuchtender Farbenpracht.

Doch damit ist seine Arbeit noch nicht erledigt. Ständig ist er damit beschäftigt, Ausbesserungen am Bau vorzunehmen. Die Blüten welken und müssen durch frische ersetzt werden, ebenso die Beeren. Irgendwann begibt sich das Männchen in seine Laube und beginnt mit dem Balzgesang. Er entfaltet ein wahres Imitationstalent. Er ahmt die Rufe beziehungsweise den Gesang anderer Vögel nach oder auch Geräusche, die in seiner Umgebung vorkommen. Dazu zählt das Holzhacken, bellende Hunde oder das Geräusch von Maschinen. Dabei erweist sich die kuppelförmige Laubenkonstruktion als vorteilhaft. Sie verstärkt seinen Gesang gleich einem Konzertpavillion in einem Kurpark. Erscheint nun ein Weibchen, dass durch den Anblick seiner Laubenpracht entzückt ist, folgt sie ihm bereitwillig und die Paarung kann vollzogen werden. Das war 's dann auch schon. Kurz darauf verlässt das Weibchen den Ort und baut sich, gut versteckt, ein schlichtes, sicheres Nest. Die Brutpflege übernimmt sie ganz allein. Das Männchen baut unermüdlich weiter an Laube und Garten, um noch weitere Weibchen anzulocken.


Skizze des Prinzips einer Laubenkonstruktion - Zeichnung: © 2017 by Schattenblick

Skizze des Prinzips einer Laubenkonstruktion
Zeichnung: © 2017 by Schattenblick


Laubenbauen will gelernt sein - aber wie?

Über das Brutverhalten der Hüttengärtner-Weibchen konnte bislang noch wenig in Erfahrung gebracht werden. Diese kleinen Vögel verstehen es gut, sich versteckt zu halten. Nach dem Ausbrüten der Eier, versorgt das Weibchen ganz allein die Jungen mit Nahrung. Beobachtet wurde, dass die männlichen Jungvögel, sobald sie flügge geworden sind, sich längere Zeit in der Nähe eines erwachsenen Hüttengärtner-Männchens aufhalten, um sich abzugucken, wie ein solches Bauwerk errichtet wird. Da sie erst sehr spät geschlechtsreif werden, haben sie also reichlich Zeit. Ob sie dann das Laubenbauen schon mal üben oder wie sie es eigentlich schaffen, eine so anspruchsvolle und schwierige Aufgabe zu erlernen, bleibt noch im Ungewissen. Kann es wirklich sein, dass sie durch bloßes Zusehen verstehen, worauf es beim Flechten und Weben von Zweigen und Moos ankommt? Vielleicht verständigen sie sich mit Lauten, die von Wissenschaftlern gar nicht als "Gespräch" zwischen Vater und Sohn erkannt werden? Auf jeden Fall verdienen diese Tiere höchsten Respekt und Anerkennung. Man stelle sich nur einmal vor, wie es wäre, ohne weitere Hilfsmittel, nur durch aufmerksame Beobachtung und vielleicht durch das Nachahmen von Bewegungen, ein Handwerk wie das des Tischlers zu erlernen. Immer noch gibt es vieles im Verhalten, was bislang nicht geklärt werden konnte, wie es auch noch Unklarheiten bezüglich der Bautechnik und des verwendeten Materials gibt.

Obgleich die Nichtregierungsorganisation IUCN (International Union für Conservation of Nature and Natural Ressources/Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen) die Bestandssituation des Hüttengärtner-Vogels Papua-Neuguineas als "ungefährdet" einstuft, macht eine besonders zerstörerisch wirkende Entwicklung nachdenklich. Immer mehr Regenwald auf Papua-Neuguinea wird abgeholzt. Besonders ein großer Holzkonzern lässt weite Gebiete abholzen und verschifft die geschlagenen Bäume ins Ausland, hauptsächlich nach China, wo für das Tropenholz Millionenbeträge erzielt werden. Nicht nur die im Wald lebenden Menschen Papua-Neuguineas verlieren ihre Heimat, auch unzählige Tiere des Waldes. Zwar lebt der Hüttengärtner im Verborgenen, doch ist anzunehmen, dass die Bulldozer auch vor diesen Regionen nicht halt machen werden.

Es gibt unendlich viele Gründe sich für den Schutz und Erhalt der Regenwälder einzusetzen, auch um die vielen Lebewesen zu retten, von denen man nur wenig oder noch gar nichts weiß.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/234593/bemerkenswerte-vogelnester-nestmulde-oder-luxus-villa

http://www.sueddeutsche.de/wissen/tierische-architekten-kunst-am-bau-1.1876890

http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article106207194/Irrer-Laubenvogel-begnadeter-Innendekorateur.html

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/papua-neuguinea-der-geraubte-regenwald-1.3199966


11. Oktober 2017


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