Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → SPIELE

SCHACH - SCHACHFREUND/001: Vorwort zur Anfängerfibel (SB)



Komm' herein, tritt deine Füße ab und setz' dich zu mir an den runden Tisch. Zu diesem Raum haben nur Schachfreunde Zutritt. Alle anderen gehen ohnehin achtlos an meiner Tür vorbei, ohne auch nur zu ahnen, daß hier ein Schachfreund wohnt. Du aber sei willkommen in meinem kleinen Reich. Hier ist ein einziger Gedanke so groß wie die ganze Welt und doch so winzig, daß Hundert davon durch ein Nadelöhr schlüpfen könnten, ohne sich die Köpfe anzustoßen.

Wer das Schachspiel wirklich erlernen will, der sollte einen Freund haben, der ihn auf seinen Weg begleitet, ihm über die ersten Stolpersteine und Schwierigkeiten hilft und sich auch nicht zu schade ist, Lektionen mehrmals und von verschiedenen Seiten zu durchleuchten. Nichts ist unwichtig, was Menschen miteinander tun.

Das Schachspiel ist eine ernste Angelegenheit, und es ist dennoch kein Widerspruch, daß gerade diese Ernsthaftigkeit großen Spaß macht. Das Schach ist eine Geschichte zwischen zwei Menschen, die miteinander spielen. Beide erleben das gleiche, aber jeder erzählt die Geschichte aus seiner Sicht. Es ist wie Sprechen nur mit Zügen. Auf dem Brett wird diese Geschichte dann Wirklichkeit.

Du hast sicherlich schon einmal zugeschaut, wenn dein großer Bruder, dein Vater, vielleicht auch dein Pfeife rauchender Opa, tief in Gedanken versunken, an einem Schachbrett saß, stundenlang vor sich hinschwieg, den starren, stechenden Blick auf die Figuren geheftet, während seine Stirn sich vor lauter Furchen kräuselte wie eine vom Wind angefauchte Regenpfütze.

Was mag wohl hinter solch einer Stirn vorgehen, wirst du dich gefragt haben und wohl auch, warum es so lange dauert, um sich nur einen einzigen Zug zu überlegen. Dir wird sicherlich schon vom bloßen Zusehen schwindlig geworden sein, nicht wahr? Doch wenn du ehrlich bist, wirst du zugeben müssen, daß von diesem Spiel und seinen schöngeschnitzten Figuren ein unerklärlicher, geheimnisvoller Zauber ausgeht, dem man sich nicht entziehen kann. Und du irrst dich nicht, das Schach ist auf seine Art und Weise wirklich Zauberei, und daher ist es auch so wichtig, die Regeln und ersten Lernschritte mit viel Umsicht und Geduld beigebracht zu bekommen, ohne daß du zu Anfang mit allzuviel theoretischem Kram überladen wirst.

Fragen hast du mit Sicherheit in Mengen und ich werde mich bemühen, sie dir ohne Fachlatein auf einfachen und leicht zu verstehenden Wegen zu beantworten - bis auch du schon bald von dir sagen kannst: Ich bin ein Schachspieler und habe von seinem Zauber gekostet.

Die Regeln sind nämlich leicht zu erlernen und mit ein wenig Handwissen kannst du schon in Kürze deine erste Partie spielen. Was du dann noch brauchst, um dein Können zu entwickeln, darüber werden wir beide später noch des langen und breiten reden. Nichts ist schöner, als den anderen Menschen und damit sich selbst ernstzunehmen. Du siehst also, Schach ist nicht bloß ein Spiel zum Zeitvertreib, man wächst daran wie ein Geranke hoch und höher, und wer die Geduld nicht verliert, der betritt irgendwann auch jene Zauberwelt, von der die alten Geschichten erzählen.

Bis dahin muß du jedoch lernen, nicht mehr auf die kleinen Tricks und Schlichen hereinzufallen, mit denen ein fortgeschrittener Spieler die Anfänger gerne leimt. Lernen wirst du auch, die vielen Vergeßlichkeiten in den Griff zu bekommen. Denn die meisten Fehler sind Vergessensfehler, Folge eines Mangels an Konzentration. Diese ersten Hürden muß jeder Schachspieler zu Beginn seiner Wanderung meistern. Davon bleibt keiner verschont.

Auf deinem Weg werde ich dich also begleiten, und dir mit allen mir zu Gebote stehenden Ratschlägen helfen, bis du fest und sicher auf deinen eigenen Füßen stehen kannst und deine Reise ins Land der Schachgeheimnisse beginnt.

Bevor für dich diese Reise zu den unbekannten Orten voller Rätsel und Abenteuer beginnt, über Täler und Hügel hinweg, entlang vieler Einöden und sumpfiger Moräste, aber auch auf Blumenwegen schreitend, sollst du zuvor einiges Wissenswerte darüber erfahren, woher das Schachspiel eigentlich stammt und welchen langen Weg es durch die Geschichte genommen hat, um schließlich zu uns zu gelangen. Denn es hat nicht in Deutschand und nicht einmal in Europa seine Wurzeln.

Das Schachspiel ist eine alte Kunst, die wahrscheinlich vor mehr als tausend Jahren in Indien zum vergnüglichen Zeitvertreib der Kriegsleute und der adligen Hofgesellschaft erfunden wurde. Nur hatte das damalige Schach mit unserem heutigen nur eine entfernte Ähnlichkeit. Brett und Figuren waren so ziemlich die gleichen, aber in den Regeln unterschieden sie sich doch sehr voneinander und auch in der Art und Weise, wie die Figuren sich bewegten. Andere Länder, andere Kulturen und Sitten, so sagt man zu Recht.

Jedenfalls brachten die Inder das Schachspiel schließlich zu den Persern, die damals ein großes Reich beherrschten, das heutzutage unter den beiden Staaten Irak und Iran aufgeteilt ist; und wenn du im Atlas nachschlägst, wirst du sehen, daß Indien und das alte persische Reich nicht allzu weit voneinander entfernt liegen.

Die Perser waren immer schon ein kriegerisches Volk gewesen, aber auch sehr wißbegierig und hatten daher großes Gefallen am Schachspiel gefunden. Und da sie auf dem Brett miteinander kämpfen konnten, ohne sich zu verletzen oder gar töten zu müssen, wurde es zum beliebtesten Spiel ihrer Kultur.

Aber es gab da noch ein anderes Volk, das lebte in Wüsten und grünen Oasen und ritt auf Kamelen schnell wie der Wind. Diese Wüstensöhne waren die Araber, die sich zum Schutz gegen die Sandstürme ihrer Heimat Tücher um den Kopf wickelten. Als sich dies in den weiten Einöden der Wüste zerstreute Volk unter der grünen Fahne des Propheten Mohammed sammelte, begann es Krieg mit seinen Nachbarländern zu führen. Diese waren in der Vergangenheit nicht immer gut mit den Wüstensöhnen umgegangen. Das sollte sich nun rächen, und so eroberten die Araber das persische Großreich.

Die Araber waren damals gerade Moslems geworden. Ihre Religion, den Islam, brachten sie zu den Persern, die von alters her das Feuer und die Sonne angebetet hatten. Die Perser wiederum lehrten den Arabern das Schachspiel. Und da man es nicht mit Würfeln spielte, denn ihre Religion verbot strikt das Glücksspiel, nahmen die Araber das Schachspiel dankend an.

Als ein Volk von Kameltreibern saßen die Araber nachts gern an prasselnden Lagerfeuern, wärmten ihre Knochen - denn wenn die Sonne in der Wüste untergeht, wird es dort klirrend kalt - und verscheuchten im Schein der Flammen ihre Angst vor den Geistern, die bei ihnen Dschinne heißen. Auch spielten sie dann miteinander Schach.

Das Brett war ein kariertes Tuch bei diesen Wüstennomaden, und verschieden geformte Steine bildeten die Figuren. Nur die reichen, arabischen Kaufleute konnten sich ein Schachspiel aus edlem Holz und Figuren aus kostbarem Mineralien oder Metallen leisten. Aber all diese Figuren waren ohne Gesichter, denn der Islam verbot es, Gesichter von Menschen auf Leinwand, Glas oder andere Materialien zu malen.

Auf ihren Kriegszügen kamen die arabischen Heere bis nach Spanien und Sizilien und sorgten so für die Verbreitung des Schachspiels von Persien bis nach Europa. So also kam das Schachspiel der alten Araber zu uns, wo es den letzten Schliff erhielt und zu dem wurde, was es heute ist - ein Denkspiel für jung und alt.

Sieh', auf dem Tisch liegt ein altes Schachbuch. Ganz gelb und vergilbt ist es von der vielen Zeit, die an ihm vorbeigegangen ist. Auch ich habe diese Anfängerfibel einst gelesen, als ich, noch ganz grün hinter den Ohren, mein erstes Schachspiel geschenkt bekommen hatte. Jung war ich damals, zehn freche Jahre alt, aber das Schachspiel wollte ich unbedingt lernen, wollte so schlaue Züge machen wie Opa und auch 'Schach' und 'Matt' sagen können und wissen, was es bedeutet.

Damals traf ich meinen Schachonkel Jussuf, der kam aus Syrien, einem Land, das nahe bei Arabien liegt, aber eine eigene Sprache hat. Dieser Onkel Jussuf war ein großer Meister in seinem Land und hatte viele alte Bücher über das Schach, aus denen er mir regelmäßig vorlas, und Geschichten erzählen konnte er, daß mir die Ohren ganz spitz wurden, so spannend waren sie.

All diese Geschichten, die er mir erzählte, habe ich in meinem Gedächtnis bewahrt, um sie, wenn die Zeit gekommen ist, an meine kleinen Schachfreunde weiterzugeben. Alles, was ich über das Schach weiß, habe ich Onkel Jussuf zu verdanken. Wenn ich also mit dir spreche, spricht durch meinen Mund auch immer Onkel Jussuf mit. Das Schach ist nämlich weitaus mehr als das, wozu es die Menschen heute gemacht haben, weil sie vieles von dem alten Wissen wieder vergessen haben.

Schau dir das Schachbrett einmal genauer an, das wird die erste und heutige Lektion für dich sein. Es besitzt je acht Felder in der Länge und in der Breite, und so ergibt sich ein Quadrat von insgesamt 64 abwechselnd weißen und schwarzen Feldern. Das Spielfeld teilt sich in Linien, die laufen senkrecht von oben nach unten und von unten nach oben, in Reihen, die waagerecht von links nach rechts und von rechts und links gehen, und Diagonalen, die schräg und immer in einer Farbe verlaufen.


SCHACH - SCHACHFREUND/001: Vorwort zur Anfängerfibel (SB)

Die meisten Schachbretter haben Nummern und Buchstaben an den Rändern. Sie dienen dazu, die Züge in einer besonderen Schriftsprache, von der ich dir später noch erzählen werde, zu notieren. Für dich ist zunächst einmal wichtig, daß das linke Eckfeld, von dir aus gesehen, immer schwarz ist. Dann steht das Schachbrett richtig.

Auf der dir zugewandten Seite des Brettes kannst du Buchstaben erkennen. Links beginnend mit A und dann das Alphabet voran bis H auf der rechten Brettecke. Das sind die Bezeichnungen der Linien, also A-, B- bis H-Linie. In der Senkrechten von unten nach oben verlaufen die Zahlen 1 bis 8 und bezeichnen so die Reihen, also erste, zweite und so weiter bis zur achten Reihe.

Jedes einzelne Feld auf dem Brett läßt sich nun mit einem Buchstaben und einer Zahl beschreiben. Du brauchst nur auf den Buchstaben der Linie sowie auf die Nummer der Reihe zu schauen, auf der das Feld steht, und schon kannst du jedem Feld einen Namen geben, zum Beispiel a1 - das ist das schwarze Eckfeld zu deiner Linken. Ganz schräg gegenüber auf der langen schwarzen Diagonalen entlang, im oberen rechten Eck ist das Feld h8. Mache dich mit dem Brett vertraut, indem du die Feldernamen lernst. Später wird dir damit vieles leichter verständlich werden.


So mein lieber Schachfreund, damit sind wir auch schon zum Ende der ersten Lektion gekommen. Du hast das Brett kennengelernt, jedoch noch nicht die Figuren. Damit beginnen wir in der zweiten Stunde, bis dahin jedoch wünscht dir dein Schachfreund viel Spaß an den kleinen und großen Wundern dieser Welt.


12. Januar 2013