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MELDUNG/067: Brandhorst Stiftung erwirbt drei Werke von Francesco Clemente (Die Pinakotheken)


Die Pinakotheken im Kunstareal und das Museum Brandhorst - 14. Dezember 2010

Udo und Anette Brandhorst Stiftung erwirbt drei Werke von Francesco Clemente


Francesco Clementes Gemälde "Sound and Shadow, I-III", jüngste Neuerwerbungen der Udo und Anette Brandhorst-Stiftung, entstanden 2002 in New Mexico und zeigen eine Wüstenlandschaft in extrem wechselnden Stimmungen. Möglicherweise wird auf die Tageszeiten angespielt. Das zentrale, die Komposition beherrschende Motiv wird jeweils leicht variiert und ist als lockere Verknüpfung von riesigen und abnorm verformten Händen und Füßen zu deuten. Körper und Kopf, dem Sitz von Sinnlichkeit und Gefühl, sind demgegenüber auf ein Minimum reduziert. Haltung und Geste der grotesk verzerrten Figur lassen sich entweder als Knien und Anbeten oder als Ergreifen und Zusammenpressen bzw. als Kriechen und Laufen verstehen. Welt- und Naturerfahrung sind damit gleichsam auf Körpererfahrungen zurückgeführt, d.h. Psyche und Geist sind an die Physis und die entsprechende Motorik gebunden. Der Künstler diagnostiziert diese Verbindung allerdings als tief greifend gestört und verdichtet den erschreckenden Befund zeichenhaft. Vielleicht sind die Bilder so zu verstehen, dass es dem Menschen aufgrund seiner zweckrationalen Vernunft möglich ist, alles immer größer, immer schneller, immer effektiver zu machen, wobei er extremen Deformationen seiner Gestalt und starken Beschränkungen seine emotionalen, moralischen und mentalen Fähigkeiten unterliegt. Diese Widersprüchlichkeit drückt sich auch im Titel aus: Der große, strahlende Klang ruft tiefe Schatten hervor, die bedrohlich wirken. Der prägnant herausgearbeitete Gegensatz könnte auf das problematische Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zur Natur verweisen. Damit wäre den Bildern ein latent zivilisationskritischer Impuls eingeschrieben. Durch radikale Transformation traditioneller Motive gelingt es Clemente, das anschaulich zu machen. Festzuhalten bleibt indessen, dass der Maler nicht Einsichten illustriert, sondern in der ästhetischen Erscheinung der Gemälde vieles offen lässt, so dass auch andere Sichtweisen möglich sind.

Die Werke werden im Museum Brandhorst mit Arbeiten Andy Warhols kontrastiert, die die Veränderung und Entleerung eines Symbols gesellschaftlichen Wandels zeigen. Warhols Variationen von "Hammer und Sichel" entstanden zu einer Zeit, als die kommunistische Utopie noch von Bedeutung war. Clementes 25 Jahre später gemalte Bilder vergegenwärtigen demgegenüber die Gefahr der Aufspaltung des Individuums und den Zerfall der menschlichen Identität.

Francesco Clemente (geb.1952) wird aufgrund seiner figurativ-expressiven Bildsprache ähnlich wie Chia, Cucchi oder Paladino der italienischen Transavanguardia zugerechnet. Ab 1980 lebt er überwiegend in New York, immer wieder unterbrochen von längeren Aufenthalten in Indien. Theosophie, Hinduismus, Astrologie und die Tiefenpsychologie C.G. Jungs haben ihn ebenso inspiriert wie zeitgenössische Literatur, Musik und Kunst. Seine Darstellungen schöpfen aus verschiedenen Kulturen des Ostens und Westens, der Vergangenheit und Gegenwart und kreisen immer wieder um den menschlichen Körper, um Sexualität, Mythos und Spiritualität. Die transkulturelle Ausrichtung führte wiederholt zur Zusammenarbeit mit anderen Malern (Basquiat, Warhol) und Dichtern (Ginsberg, Creeley u.a.). Metamorphose ist eines der zentralen Gestaltungsprinzipien seiner imaginären Bildwelten, die zwischen Rätselhaftigkeit und Evidenz, Figuration und Abstraktion, Gestalt und Ornament angesiedelt sind.

Die Bilder sind ab sofort im Museum Brandhorst zu sehen.


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Quelle:
Pressemitteilung "Werke von Francesco Clemente" - 14. Dezember 2010
Die Pinakotheken im Kunstareal und das Museum Brandhorst
(Kunstvermittlung, Kulturveranstaltungen, Pressestelle)
Barer Str. 29, 80799 München
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010