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BERICHT/059: documenta, Fragen und Kritik - von der Kunst gegen die Kunst leben ... (SB)



Der rechte Ellbogen auf ein Fenstersims gestützt, der nackte Oberkörper und kahle Schädel schutzlos der von fahlem Feuerschein beleckten Trümmerlandschaft ausgesetzt, lastet das ganze Gewicht der Tragik erlittener Zerstörung auf dem "Mann in Ruinen". Die Greuel der kommenden Katastrophe fallen dem Betrachter 80 Jahre, nachdem das Bild geschaffen wurde, zuerst ein. Doch der Maler Karl Hofer wußte 1937 bereits von der Zerstörung der baskischen Stadt Guernica am 26. März des Jahres durch deutsche Bomber, er bedurfte des prophetischen Blicks nicht, um aus dem Vollen vollzogener Grausamkeiten Hitlerdeutschlands zu schöpfen. Hofer verläßt Deutschland nicht, seine erste Frau Mathilde wird 1942 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Ihre Ehe wurde 1938 geschieden, und auch wenn sogenannte "Mischehen" zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern keine Überlebensgarantie waren, boten sie doch bis gegen Ende des Krieges einen gewissen Schutz vor der Deportation ins KZ.


Gemälde mit Publikum - Foto: © 2017 by Schattenblick

Karl Hofer "Mann in Ruinen" in der Neuen Galerie
Foto: © 2017 by Schattenblick

Der Kölner Kunstexperte Klaus Stein freut sich ganz besonders darüber, daß dieses Bild in der Neuen Galerie in Kassel hängt, und das nicht nur zur documenta 14, sondern als Teil der permanenten Sammlung. Für ihn weist der 1878 geborene und 1955 verstorbene Maler eine geradezu exemplarische Biografie auf. Wie er einigen Besucherinnen und Besuchern der documenta erklärt, die einen Tag darauf an einer Konferenz der Marx-Engels-Stiftung anläßlich der alle fünf Jahre stattfindenden Großausstellung für zeitgenössische Kunst teilnehmen werden, wurde Karl Hofer als Hochschullehrer für Bildende Künste bereits 1933 entlassen. Einige seiner Gemälde werden als Beispiele für "Entartete Kunst" in der gleichnamigen Ausstellung 1937 gezeigt, zugleich werden zahlreiche seiner Arbeiten aus den Museen entfernt.

Von 1945 bis 1955 wiederum war Karl Hofer einer der führenden kulturpolitischen Funktionäre des Landes. Als Vizepräsident des von ihm mitbegründeten Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, einer von der Exil-KPD initiierten, aber parteineutralen antifaschistischen Sammlungsbewegung, war er Mitglied einer zentralen Vorläuferorganisation der DDR-Kulturinstitutionen. In dieser Funktion war er auch an der Ausrichtung der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung 1946 in Dresden beteiligt, der letzten gesamtdeutschen Schau dieser Größe vor 1990. 1949 und 1953 wurden die Ausstellungen in Dresden von westdeutschen Kulturinstitutionen boykottiert, der Gegenentwurf war dann die nicht zufällig an der Systemgrenze in Kassel stattfindende documenta 1 im Jahr 1955.

Als Mitherausgeber der Zeitschrift bildende kunst war Hofer auch in die Formalismusdebatte involviert, die an den in Exilkreisen geführten Streit um die Positionen von Bertolt Brecht und Georg Lukács anknüpfte. In diesem sich insbesondere an der jeweiligen Haltung zu literarischen Werken entzündenden Disput vertrat der ungarische Literaturwissenschaftler und Philosoph Lukács , den bürgerlichen realistischen Roman des 19. Jahrhunderts zum Vorbild für den realistischen sozialistischen Roman zu machen. Setzten sich bürgerliche Autoren dieser Epoche für Fortschritt und Demokratie ein, dann vertraten sie im ideellen Kampf zwischen Humanismus und Barbarei für Lukács die Seite der Menschlichkeit, demgegenüber er experimentelle Formen der Literatur etwa von James Joyce, Franz Kafka oder Alexander Döblin unter Dekadenzverdacht stellte. Brecht wiederum plädierte für den Fortschritt der künstlerischen Produktivkräfte gerade am Beispiel einer Literatur, die Lukács als Bruch mit dem Erbe bürgerlicher Emanzipation kritisierte. Die Kulturbürokratie der jungen DDR verfolgte zumindest vorübergehend die staatsautoritäre Strategie, den sozialistischen Realismus von oben durchzusetzen. Die Zeitschrift bildende kunst, bis dahin noch Organ für eine gesamtdeutsche Kulturdebatte, wurde eingestellt, um 1953 unter dem Titel Bildende Kunst als Zeitschrift des Verbandes Bildender Künstler der DDR wieder zu erscheinen.

Zugleich wird Hofer, so Klaus Stein in der UZ [1], "1949 wegen einer Unterschrift unter ein Begrüßungsschreiben an den Weltfriedenskongreß kommunistischer Propagandaaktionen beschuldigt. Sein Kollege Ehmsen verliert das Lehramt. Aber 1950 wählt ihn der Kongress des neugegründeten Deutschen Künstlerbundes zum Präsidenten. Schließlich wird er 1955 nach einer polemisch verkürzten Wiedergabe eines Aufsatzes im 'Berliner Tagesspiegel' über die gegenstandslose Kunst von Will Grohmann heftig angegriffen. Baumeister, Nay und Winter treten protestierend aus dem Deutschen Künstlerbund aus. Am 3. April stirbt Hofer an einem Schlaganfall. Der Weg für den Durchmarsch der Abstrakten ist frei."

Dieser Durchmarsch, der zum Teil von den gleichen Akteuren gefördert wurde, die unter dem NS faschistische Kunst unterstützt hatten, wurde von einer antikommunistischen Ideologie befeuert, die den schönen Schein der neuen Freiheit auch aus staatsapologetischen Gründen entfachte. In einer Bundesrepublik, in deren Regierung und Ministerialbürokratie, Kulturinstitutionen und Redaktionen zahlreiche demokratisch gewendete Nazis saßen, machte es sich gut, nach der Diffamierung und Verfolgung nonkonformistischer Kunstschaffender durch das NS-Regime nicht nur die als "entartet" stigmatisierte Kunst zu rehabilitieren, sondern auch die abstrakte Malerei als Ausweis der Freiheit und Autonomie des bürgerlichen Individuums zu feiern.

Die erste documenta wurde am 15. Juli in Kassel im teilweise noch zerstörten Museum Fridericianum eröffnet. Die 670 dort gezeigten Werke, die zwischen 1905 und 1955 entstanden, sollten als "Ausdruck unserer neuartigen zeitgenössischen Erfahrungen", so der damalige Katalog, "die heranwachsende Jugend" mit einer Avantgarde bekannt machen, die ihnen unter den Nazis vorenthalten worden war. Das Radical Culture Research Collective, "eine Gruppe von AutorInnen, AktivistInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen", die "sich mit politischen und militanten künstlerischen Praxen und Formen des Widerstands, die auf eine Kritik des kapitalistischen Kunstsystems abzielen", beschäftigt, hat 2007 anläßlich der documenta 12 einen erhellenden Blick auf die Anfänge der inzwischen größten Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst geworfen:

Documenta, die weltweit bekannte Megaausstellung für Gegenwartskunst, die alle fünf Jahre in Kassel stattfindet, hat schon immer eine politische Agenda verfolgt. 1955 erstmals von Arnold Bode organisiert, sollte die Documenta der internationalen Kunstwelt signalisieren, dass die dunklen Tage der nationalsozialistischen Kulturlosigkeit endgültig vorbei waren. Deutschlands demonstrative Offenheit für "Avantgarde"-Kunst bestätigte die Zuverlässigkeit der Bonner Republik als Partner der Westalliierten im Kalten Krieg. Doch die demokratische Verfassung, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hatte, mündete nicht notwendiger Weise auch in einen kritischen Umgang mit der eigenen faschistischen Vergangenheit. In vielerlei Hinsicht setzte die neue Demokratie den Imperativ des Antikommunismus einfach nur mit anderen Mitteln um. So widmete sich die erste Documenta ganz der Rehabilitation der "Entarteten Kunst". Allerdings ging es dabei höchst selektiv zu: Denn die politisch engagierte Kunst der Linken wurde zu Gunsten abstrakter Werke einfach übersehen. Im spezifisch deutschen Kontext stand die Unterstützung nicht-figurativer Kunst zwar für die Nähe zur "degenerierten Kunst," wie sie von den Nazis verdammt worden war - ohne dabei allerdings auch die antifaschistische Avantgarde (Grosz, Heartfield, etc.) mit aufzunehmen. Auf internationaler Ebene dagegen spielte die Orientierung an der vor allem in New York ansässigen abstrakten Kunst klar der Kulturpolitik des Kalten Kriegs in die Hände, die dem sozialistischen Realismus eine universelle kapitalistische Kunst entgegensetzte. Mit wenigen Ausnahmen wurde dieses Kulturmodell auch von den Documentas der ersten Jahrzehnte vertreten. Wobei die implizite Logik nationaler Restauration zunehmend kommerzielle Großsponsoren und offizielle Fördermittel anlockte. [2]


Bei der Diskussion - Foto: © 2017 by Schattenblick

Hans-Joachim Keller
Foto: © 2017 by Schattenblick

"Von Athen lernen will gelernt sein"

Schon 2012 dienten die großzügigen Räume des Cafés Buch-Oase in der Kasseler Germaniastraße als Treffpunkt für die Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung zur damals 13. Ausgabe der documenta. Die von Carolyn Christov-Bakargiev kuratierte Ausstellung konnte das Rekordergebnis von 860.000 Besucherinnen und Besuchern für sich verbuchen, was dieses Mal nur durch die gemeinsame Kraftanstrengung zweier Städte, sprich das Aufaddieren des jeweiligen Publikums, zu toppen sein dürfte. Da derartige Rekorde betriebswirtschaftlich und PR-technisch stets von Belang sind, muß wohl in Zukunft mit einer neuerlichen Ausweitung des documenta-Konzeptes in die Fläche gerechnet werden.

Nicht wenig erstaunt war das Publikum, als es von dem ersten Referenten Hans-Joachim Keller vernahm, er halte die documenta 14 für die schlechteste Ausstellung unter den vielen Documenten, die er besucht hat. Keller ist seit über 40 Jahren in der Kulturpolitik und im Kunstbetrieb aktiv, er begann seine Laufbahn in der gewerkschaftlichen Kulturentwicklungsarbeit, wurde zum Leiter des Institutes für Publizistik und Kunst berufen und war bei der Gründung der IG Medien zuständig für den Bereich Bildende Kunst. Das vernichtende Urteil aus seinem Munde wiegt also schwer, wiewohl es auf das Gesamtkonzept bezogen ist und nicht die einzelnen Exponate. Jedenfalls ist er sich mit dem Ästhetikprofessor Bazon Brock einig, der bereits an der Konzeption der documenta 5 mitgearbeitet hat und kein gutes Haar an den Kuratoren der documenta 14 läßt [3].


Powerpoint-Projektion, Referent, Stehpult - Foto: © 2017 by Schattenblick

Hans-Joachim Keller über "Gedanken zur Rezeption von künstlerischen Arbeiten"
Foto: © 2017 by Schattenblick

Keller hält Künstlerinnen und Künstler für hochsensible Menschen, die auf ganz eigene Weise die Brüche und Verwerfungen im sozialen Gewebe der Gesellschaft bearbeiten. Sie mit der Aufforderung abzuspeisen, gefälligst froh zu sein über die Möglichkeit, ihre Kunst zeigen zu können, um auf diesem Wege Käufer zu finden, negiert jegliche Auseinandersetzung mit Kunst zugunsten des damit aufgerufenen Marktmechanismus. Bei der Aktion "Künstler für Ausstellungshonorare" wurden gelbe Kreise um Museen gezogen, um dem Publikum vor Augen zu führen, daß der Bereich im Innern des Kreises "ausstellungshonorarfrei" sei. Künstler müßten vom Präsentieren ihrer Kunst leben können und nicht auf deren Vermarktung angewiesen sein, fordert Keller. Der Kunstmarkt bringe Kriterien hervor, nach denen Kunst bewertet wird, die ökonomischen Zwängen nachgeordnet sind. Um sich diesen zu entziehen, bevorzugten Künstler heute häufig Projektarbeiten und Installationen, doch wie könne Kunst über konkrete Verhältnisse von Wirklichkeit entstehen, wenn sie sich der Wirklichkeit entzieht?

Die verbreitete Weltflucht versteht Keller auch als Folge der allgegenwärtigen Digitalisierung. Sie entfessele Medienstürme und setze Dezentralisierungsmaschinen in Gang, die den Arbeitsplatz in den Körper der Menschen selbst verlagern und sie zu ihren eigenen Auftraggebern machen. Wie könne ein Künstler unter diesen Bedingungen glaubwürdig gesellschaftliche Probleme umsetzen, so Kellers Frage an eine documenta 14, die die rasante, durch informationstechnische Systeme induzierte Veränderung in der Produktionsweise nicht einmal thematisiere und zum Problem erhebe?


Referent präsentiert Bild - Foto: © 2017 by Schattenblick

Demo gegen Zwangsräumungen in Athen zu Beginn der documenta 14
Foto: © 2017 by Schattenblick

Kellers Kritik am sogenannten Arbeitstitel "Von Athen lernen" ist auch Ergebnis seines Besuches in der griechischen Hauptstadt zu Beginn der documenta 14. Der Widerstand vieler Bürger und Aktivistinnen gegen diesen Kulturimport, seine Abgehobenheit von den alltäglichen Problemen der Bevölkerung, satt zu werden, erschwinglichen Wohnraum und ein Einkommen zu haben, hat den Referenten spürbar beeindruckt. Wenn die Lebenspartnerin des künstlerischen documenta-Leiters Adam Szymczyk selbst kuratiert und in Athen eine wesentliche Rolle spielt, während sich dieser bei der Pressekonferenz zur Eröffnung stark genervt von seiner Tätigkeit zeigt, dann entsteht schon eine erhebliche Dissonanz zwischen politischem Anspruch und bourgeoiser Selbstherrlichkeit.

Szymczyks Einschätzung, die documenta 14 spiele eine wichtige Rolle in Athen, hält Keller für unzutreffend, hätten doch viele Menschen dort nicht einmal gewußt, daß ihre Stadt Ausstellungsort ist. Die soziale Diskrepanz zwischen aus Deutschland anreisenden documenta-Touristen und dem in Athen herrschenden Elend werde auf der documenta 14 ebensowenig thematisiert wie die imperiale Politik einer Bundesrepublik, deren Flughafengesellschaft Fraport sich die lukrativsten Airports des Landes unter den Nagel reißt, sich den Kauf von griechischen Banken finanzieren läßt und dann die Flughafensteuer in einem Land erhöht, dessen zahlreiche Inseln den Flugverkehr zu einem wichtigen Verkehrsmittel auch weniger betuchter Menschen machen.

Kunst finde stets im Kopf des Betrachters statt, lautet Kellers zentrale Aussage in seinem Exkurs zur Rezeption von Kunst. Kunst sei eine Ausdrucksform von Produzenten, die sensibel für gesellschaftliche Problemstellungen sind, und kein fertiges Produkt. Sich mit ihr auseinanderzusetzen ist ein lebendiger Prozeß, der Neugier und Interesse voraussetzt. Szymczyk jedoch benutze die Künstler, um seine eigene Philosophie zu illustrieren, und stelle sich damit weit über sie, so Kellers zentraler Vorwurf an die Adresse des prominenten Kurators.

"Von Athen lernen will gelernt sein" - die Ironie im Titel des Vortrages kann auch so gelesen werden, daß tatsächlich nichts gelernt wurde. Die aversen Reaktionen vieler griechische Künstlerinnen und Bürger auf den Kasseler Kulturexport widerlegen den politisch gefälligen Eindruck, hier sei der deutsche Neokolonialismus gegenüber Griechenland durch kritische künstlerische Interventionen umgekehrt oder zumindest aufgehoben worden. Positiv gewendet könnte gelernt werden, das hierarchische System des Kunst- und Kulturbetriebes und sein von politischen und ökonomischen Zwängen bestimmtes Außenverhältnis selbst auf die Spitze der Kritik zu nehmen.

Im Rahmen seines umfassenden Vortrags präsentierte der Referent zahlreiche Beispiele für partizipative künstlerische Ansätze und Experimente, mit Hilfe derer die immanenten Zwangsverhältnisse künstlerischen Schaffens aufgespürt und zur Strecke gebracht werden können. Am Beispiel der documenta 14 weit auszuholen, um desto zielsicherer auf den Punkt zu kommen, mag für manche im Publikum eine Geduldsübung gewesen sein. Mit Hans-Joachim Keller auf eine Zeitreise durch mehrere Jahrzehnte bundesrepublikanischer Kunst und Kultur zu gehen, um sich der documenta 14 mit Erkenntnisgewinn nähern zu können, erwies sich für die meisten jedoch als äußerst gehaltvoll und anregend.


Im Vortrag - Foto: © 2017 by Schattenblick

Reiner Diederich
Foto: © 2017 by Schattenblick

Bildergespräche für unvoreingenommenen Erkenntnisgewinn

Der Vorsitzende der KunstGesellschaft Frankfurt, Prof. Reiner Diederich, stellt den aufklärerischen Anspruch, den die documenta seit jeher emblematisch vor sich her trägt, in den Spiegel der Kritischen Theorie. Deren Vordenker Theodor W. Adorno und Max Horkheimer hätten die documenta zweifellos als Paradebeispiel für die Beschwichtigungsfunktion der Kulturindustrie betrachtet. Allerdings hätten sie auch den Tauschwertcharakter zeitgenössischer kulturindustrieller Produkte bis zur Widerspruchslosigkeit getrieben. Die Klage, daß alles zur Ware, zum Event, zum Spektakel wird, führt nicht weiter, so Diederich. Auch die kritische Polemik gegen Kunst erscheint in einer Zeitung und wird so selbst zur Ware, diesem Verhängnis entkommt man mit moralischen Argumenten nicht.

Ohnehin stellt sich die Frage, wie inmitten der Totalität des warenproduzierenden Kapitalismus der Warencharakter einzelner Produkte oder Arbeitsergebnisse skandalträchtig sein kann. Idealistische Ausflüchte haben ihrerseits Beschwichtigungsfunktion, und wenn Diederich vor falschem Beifall aus kulturkonservativer Ecke warnt, dann wäre er hier zweifellos indiziert. Die Problematik der Beurteilung von Kunst, der Bewertung ihres kitschigen, epigonalen oder authentischen Charakters, erschließt sich in Picassos Formel, mit Lügen die Wahrheit zu sagen, mit dem schönen Schein das Wesen der Verhältnisse und ihre Veränderbarkeit zu zeigen, vielleicht noch am ehesten. Für Diederich sind die Ambivalenzen, Widersprüche und subjektiven Einschätzungen zur Wirkung von Kunstwerken jedenfalls nicht durch theoretische oder politische Werturteile aus der Welt geschafft. Kunst sei Anschauungssache, und es stelle sich erst nach geduldiger Aneignung von Kunstwerken heraus, ob und inwieweit sie den Interessen und Bedürfnissen der Betrachter entsprechen.

Daher schlägt der Referent als beste Methode einer solchen Aneignung im Geist einer Ästhetik des Widerstandes von Peter Weiss das Bildergespräch vor. Die Schilderung seiner "Erfahrungen mit der documenta", so der Titel seines Vortrages, beginnt in den 1960er Jahren, als der Zugang ganzer Gruppen, die eigene Führungen veranstalteten, zur documenta noch freizügig gehandhabt wurde. Dies sei allerdings irgendwann nicht mehr möglich gewesen, dann wurden solche Aktivitäten anmelde- und kostenpflichtig. Das Bildergespräch in einem öffentlichen Kunstraum, also die Versammlung vor einem Exponat mit öffentlicher Diskussion seines Gehaltes, war nicht mehr erwünscht, denn die Museen und Ausstellungen wollten die Interpretationshoheit behalten.

Reiner Diederich verfaßte 2007 dazu eine Glosse in der Zeitschrift Ossietzky unter dem Titel "Kunst und Geld und Freie Rede" [4], in der er dazu auffordert, sich die Freiheit, über Kunst zu sprechen, selbst zu nehmen. Oder, mit dem Künstler Kerry James Marshall gesprochen: "Kunstwerke sind nicht harmlos, sie sind auch nicht immun, ein Museum ist kein hermetischer, geschützter Raum." [5] Das "Regime des betreuten Sehens", so der Literaturwissenschaftler Heinz Schlaffer, versuche mit Führungen, Audio-Guides, Katalogen und Vorträgen Kunst auf eine Art und Weise zu erklären, mit der sich Unsicherheit und Schock, die ein unbefangenes Betrachten und ein unbewaffnetes Auge auslösen könnten, vermeiden lassen, so Diederich.

So wurde der Referent bei der documenta 13 im Kasseler Kulturbahnhof bei einem Bildergespräch vom Personal aufgefordert, seinen Personalausweis zu zeigen, um eine "Schadensmeldung" aufzunehmen. Nun besitze er das einzigartige Dokument einer Schadensmeldung der documenta, wobei der angerichtete Schaden darin bestanden haben soll, eine Gruppe ohne Anmeldung durch die Ausstellung geführt zu haben. Tatsächlich waren sie lediglich beim Rundgang vor einer Arbeit stehengeblieben und hatten begonnen, über sie zu reden, versichert Diederich. Als er dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, neben dem er in einer Schlange stand, von dem Vorfall berichtete, war dieser der Ansicht, der Regelverstoß hätte geduldet werden müssen. Daß dies für die zum Zeitpunkt des Vortrages noch bevorstehenden Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg nicht gelten würde, ist heute allgemein bekannt.

Wer immer Deutungsmacht beansprucht, scheitert schon daran, daß es richtig und falsch in der Kunst nicht geben könne. Sie richte sich ihrem Wesen nach immer gegen Wahrnehmungstereotype, Vorurteile und dogmatische Festlegungen. Tue sie dies nicht, handle es sich um Bildpropaganda, epigonalen Abklatsch oder Kitsch. Sich der Kunst unbefangen und ohne besondere ästhetische Bildung zu nähern wird den Menschen allerdings auch aus Gründen ausgetrieben, die mehr mit dem Distinktionsgewinn vermeintlicher Experten als einem Interesse an Erkenntnis zu tun haben, das auch herrschaftskritisch und revolutionär sein könnte, also die priesterliche Deutungs- und Auslegungsautorität prinzipiell verwirft. Peter Weiss habe in der "Ästhetik des Widerstands" das Kunstgespräch von unten gegen den expertenhaften Blick von oben gesetzt. Dies gilt heute, da "Informationen" als jederzeit abrufbares Datenartefakt die Verfügbarkeit eines Wissens vorgaukeln, das erst in der eigenen Bemühung um Struktur und Verknüpfung zu praktisch anwendbarer Erkenntnis führt, vielleicht noch mehr als in Zeiten, da der emanzipatorische Anspruch, sich von Funktions- und Bildungseliten nicht indoktrinieren zu lassen, zum Selbstverständnis einer ganzen Generation gehörte.


Exponate mit Publikum - Fotos: © 2017 by Schattenblick Exponate mit Publikum - Fotos: © 2017 by Schattenblick

Piotr Uklanski "Real Nazis" und Joseph Beuys "Das Rudel"
Fotos: © 2017 by Schattenblick

Auch die Choristen, die die von der documenta angebotenen Spaziergänge moderieren, verkörpern durchaus eine Expertenschaft, die sie erklärtermaßen nicht beanspruchen. So nahm eine Choristin vor der Fotowand "Real Nazis" von Piotr Uklanski den dort mit einem Porträtfoto vertretenen Stukaflieger Joseph Beuys mit den Worten in Schutz, er sei eben auch nicht unfehlbar gewesen, und wer ohne Fehl und Tadel sei, der werfe den ersten Stein. Das alte Lied von den Menschen und den Verhältnissen, die nun mal so sind, wie sie sind, kam im Bildergespräch, an dem Diederich beteiligt war, jedenfalls nicht auf. Auch die Deutung der Choristin, die die in einem Nebenraum ausgestellte Installation "Das Rudel" von Joseph Beuys auf ökologische Weise als gerade heute aktuelle Botschaft auslegte, man könne auf die Schlitten zurückgreifen, wenn einmal das Benzin ausgehe, fand der Referent nicht nur nicht einleuchtend, sondern geradezu reaktionär. Im Bildergespräch sei jedenfalls niemand auf die Idee der Choristin gekommen.

Anhand eines Textes der documenta 14 von Paul B. Preciado zum Parlament der Körper führt Diederich den Konferenzteilnehmern noch einmal den spezifischen Duktus einer avancierten Kritik vor Augen, die wesentliche Elemente kapitalistischer Herrschaft unbenannt läßt:

Die Welt durchläuft einen Prozess der "Gegenreform". Diese hat zum Ziel, die weiße männliche Vorherrschaft wiederherzustellen und demokratische Errungenschaften rückgängig zu machen, für die die Bewegungen von Arbeiter_innen, die antikolonialen, indigenen, ökologischen, feministischen, sexuellen und anti-psychiatrischen Bewegungen in den vergangenen zwei Jahrhunderten gekämpft haben. (...)

Nach acht Monaten mit Aktivitäten in Athen tagt das Parlament der Körper erstmals in Kassel und ruft zur Bildung einer antifaschistischen, transfeministischen und antirassistischen Koalition auf. Das Parlament der Körper richtet W. E. B. Du Bois' Frage: "Wie fühlt man sich als Problem?" als mögliche Interpellation an die "99 Prozent" der Weltbevölkerung - unter Berücksichtigung des Prozesses, den der afrikanische Philosoph Achille Mbembé als das "Schwarzwerden der Welt" beschrieben hat. Während das moderne koloniale und patriarchale Regime die "Arbeiter_in", die "Hausfrau", den "Schwarzen", das "Indigene" und den "Homosexuellen" erfand, bringen heutige Regierungsmethoden neue Formen der Unterwerfung hervor: von kriminalisierten Muslim_innen bis zu Migrant_innen ohne Papiere, von prekär beschäftigten Arbeiter_innen bis zu Obdachlosen, von Menschen mit Behinderung und den Kranken als Konsument_innen der Industrie der Normalisierung zu sexualisierten Arbeiter_innen, zu Transsexuellen ohne Papiere.

Wir haben keine gemeinsamen Identitäten, sondern wir sind mehr durch die verschiedenen Formen der Unterdrückung, Vertreibung und Enteignung miteinander verbunden, als durch unsere Hautfarben, Geschlechter, Gender oder Sexualitäten. Das Parlament der Körper besteht nicht aus Identitäten, sondern aus kritischen Prozessen der Ent-Identifikation.[5]

Ob diese gegen neurechte Vorstellungen von ethnischer Identität und gesellschaftlicher Normalität gerichtete Kampfansage mehr als ein auf gutwillige Mittelschichtler wie wir mit Multikulti-Orientierung zugeschnittenes Programm sei, müsse sich zeigen, meint Diederich. Der Sprachgebrauch solcher Erklärungen lasse vermuten, daß ihnen ein Denkmuster zugrundeliegt, nach denen die gesellschaftlichen Differenzierungen und Diskriminierungen eher durch die Macht und Manipulation der Eliten - den berühmten 1 Prozent - zustandekommen und nicht durch den Charakter der kapitalistischen Ökonomie selbst bedingt seien.


Kopp, Diederich, Keller - Foto: © 2017 by Schattenblick

Hermann Kopp führt durch die Diskussion
Foto: © 2017 by Schattenblick

Wenn von prekär beschäftigten Arbeiter_innen die Rede ist, während die Normalausbeutung gar nicht mehr zur Sprache kommt, dann haben Klassenverhältnisse keine Bedeutung mehr. Differenziert wird nurmehr nach arm und reich, nicht jedoch dem materialistischen, historischen und politischen Hintergrund dieser Gewaltverhältnisse. Daß der Fokus der documenta 14 vor allem auf die Ausbeutung des Globalen Südens, auf Sklaverei, Kolonialismus, Patriarchat, Rassen- und Geschlechterdiskriminierung gerichtet ist, hat seine Berechtigung, weil der Reichtum westeuropäischer Metropolengesellschaften imperialistischen Aneignungsstrategien geschuldet ist, die sich in der Ära der Globalisierung legalistischer und neoliberaler Strategien bedienen, deren Gewaltcharakter zu erkennen immer mehr Menschen unmöglich gemacht wird. Dazu bedarf es aber auch einer Kapitalismuskritik, die sich nicht nur am individuellen Kontostand oder an korporatistischen Manipulationen abarbeitet.

Ingeborg Ruthe habe in der FR den Nagel unabsichtlich auf den Kopf getroffen, meint Diederich und zitiert: "Sei diese 14. Doppel-documenta mit noch so viel antikapitalistischen Thesen beladen. Am Ende heißt es doch: Es lebe das Event." [6] Was zu machen sei, um dieses Fazit zu verhindern, lautet die seinen Vortrag abschließende Frage.


Im Vortrag - Foto: © 2017 by Schattenblick

Jürgen Meier
Foto: © 2017 by Schattenblick

Mit der Kunst gegen die Kunst

Der Autor Jürgen Meier aus Hildesheim widmet den dritten und letzten Vortrag des Tages der Bildenden Kunst, die eine Randerscheinung auf documenta 14 bleibe. Inwiefern sie ein "Medium der Erkenntnis" sein könne und solle, lotet der Referent anhand einer ausführlichen Analyse der Wahrnehmung von Bildern und des Widerspiegelungscharakters kognitiver Prozesse aus. So existierten Objekte unabhängig vom Subjekt und dessen Bewußtsein, doch die Bilder, die wir uns machen, seien allesamt Schöpfungen des Subjekts. Ob sie deshalb auch Objekte der Bildenden Kunst seien, untersucht der Referent anhand des materialistischen Charakters des alltäglichen Denkens, des Herstellens lebenswichtiger Zusammenhänge und der daraus resultierenden Fragen an Ethik, Ästhetik und Naturwissenschaft.

Insbesondere die dialektische Beziehung von Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit als vom Bewußtsein unabhängige Seinskategorien dient ihm als Achse seiner Argumentation. An ihr entfaltet Meier Differenzierungen des gesellschaftlichen Seins, dem sich der einzelne Mensch in einem Ausmaß entfremdet habe, daß er sich nicht mehr als gesellschaftlich-sinnliches Wesen erfährt. Als partikulares Teil eines Betriebes, eines Vereins, einer Familie, einer Nation, einer Kirche oder einer Partei glaube er, ohne seinen Wir-Fetisch die Motivation zum Weiterleben zu verlieren.

In der Kunst stehe der Mensch als Subjekt seiner eigenen Geschichte und seiner Beziehung in und zu der Natur im Mittelpunkt. In heutigen Medientheorien allerdings werde der Mensch des Alltags, der Wissenschaft, der Kunst oder Philosophie, der sich in Subjekt-Objekt-Beziehungen mehr und mehr von Naturgewalten und Entfremdung zu emanzipieren versuche, nicht mehr in den Mittelpunkt gestellt, sondern zum Objekt seiner Apparate, mit denen er Kommunikation betreibt. So beständen soziale Systeme laut Niklas Luhmann nicht aus Menschen oder Handlungen, sondern aus Kommunikationen. Die Produkte seiner eigenen Erkenntnis und Arbeit verwandelten moderne Medientheoretiker in Fetische. Bilder, Zeitungen und Computer seien aber nur Objekte, mit deren Hilfe der Mensch als Subjekt richtiges oder falsches Bewußtsein über das von ihm unabhängige Sein vermittele.


Kopp und Meier auf dem Podium, Diederich von hinten - Foto: © 2017 by Schattenblick

Engagierte Debatte zu komplexen Fragen
Foto: © 2017 by Schattenblick

Den Medientheoretikern zu folgen hieße denn auch, die Wirklichkeit auf den Kopf zu stellen. Wenn soziale Systeme wie der Kapitalismus nicht aus Menschen bestehen, sondern aus einem Geist, der Kommunikation genannt wird, dann müsse der Mensch auch gar nicht wissen, was ihn in seinen Befreiungsversuchen aus Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung behindert und welche Möglichkeiten die Kunst auf diesem Weg der Emanzipation zu liefern in der Lage sei.

Für den Referenten sind die Bilder der Kunst, deren Quelle immer der Alltag der Menschen sei, Widerspiegelung der Kategorien Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit. Wissenschaften und Kunst spiegelten auf besondere Weise die eine objektive Wirklichkeit wider, in der materiell alles mit allem unabhängig von unserem Bewußtsein zusammenhänge. Anders als in der Wissenschaft lebe die Kunst vom ewigen Aufheben des Allgemeinen und Einzelnen im Besonderen. Während Wissenschaft das allgemeine Gesetz der materiellen Welt zu erkennen versuche und zu diesem Zweck alles entferne, was mit den Verhaltensweisen der menschlichen Subjektivität in Beziehung steht, wolle die Kunst gerade Menschen in ihrer vom Bewußtsein unabhängigen Objektivität, in einer Welt, in der die Spuren der menschlichen Tätigkeit objektiviert sind, widerspiegeln.

Der Künstler müsse das Besondere, das Bestimmte, die Typik in der wirklichen Welt erkennen, um die eigene Welt der Kunst zu schaffen. So stehe die Kategorie der Besonderheit im Mittelpunkt jeder echten Kunst. Während das Besondere in der Wissenschaft sich auf ein objektiv Wirkliches stütze, sei das Besondere in der Kunst eine subjektive Widerspiegelung der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem. Die in der persönlichen Partikularität vorhandenen Eigenschaften der Menschen, die sinnliche Empfänglichkeit, feine Sensibilität gegenüber Eindrücken und Phantasien seien die Basis jeder künstlerischen Begabung.

In dieser Dominanz der Subjektivität liege aber auch der Irrtum begründet, die Bilder der Kunst seien spontane Entäußerungen der einzelnen Künstler, die alles nur aus ihrer Innerlichkeit heraus zauberten. Zu behaupten, ein Außen sei in der Kunst ohne Bedeutung, lasse Künstler in die Falle des subjektiven Idealismus tappen und verbaue ihnen trotz vorhandenen Talentes die Möglichkeit, echte Kunst zu schaffen. So betone Theorie und Praxis der spätbürgerlichen Ästhetik stets die Einzelheit, die als Einzigartigkeit, Unwiederholbarkeit und Unauflösbarkeit fetischisiert werde. Tatsächlich betone die Fetischisierung des Einzelnen lediglich die unmittelbare Einzelheit, weil Künstler oft trotz großer Begabung die Fähigkeit verloren hätten, über die Einzelheit hinauszugreifen und zur wahren Konkretheit, zu einer Parteilichkeit in der Kunst, die kontemplativer Teil der unabhängig vom Subjekt bestehenden Wirklichkeit wäre, zu gelangen.

Die Philosophie des dialektischen Materialismus stelle anders als Wissenschaft und Kunst keine der Kategorien Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit in den Mittelpunkt, sondern versuche stets die Totalität des Seins zu erfassen. Sie differenziere dementsprechend die verschiedenen Ebenen der Erkenntnis der Totalität des Seins, um den menschlichen Weg der alltäglichen Befreiung aus den Gewalten der Natur und der gesellschaftlichen Entfremdung zu begleiten.


Kunstwerke im öffentlichen Raum auf der documenta 14 - Fotos: © 2017 by Schattenblick Kunstwerke im öffentlichen Raum auf der documenta 14 - Fotos: © 2017 by Schattenblick

Marta Minujin "Parthenon der Bücher" und Röhren-Skulptur von Hiwa K.
Fotos: © 2017 by Schattenblick

Die Künstler der documenta 14 wollten den Problemen der Epoche zwar nicht ausweichen, bissen sich mit ihrer Kritik jedoch zu sehr am herrschenden Recht und der empfundenen Ungerechtigkeit fest, wie im Parthenon der verbotenen Bücher von Marta Minujin oder den Röhren des Hiwa K. Das herrschende Recht sei immer das Recht der auf ökonomischer Herrschaft basierenden Klasse einer Gesellschaft, die die allgemeinen, legalen Verhaltensregeln schaffe, nach der die Moral des einzelnen Menschen geformt und gefügig gemacht werden soll. Wer Gerechtigkeit einfordert, tue es daher immer auf der allgemeingültigen Ebene des herrschenden Rechts.

Doch bei alledem sei keine Naturgewalt, kein Gott, kein Kaiser oder Tribun im Spiel. Allein Menschen prägten und gestalteten als Subjekte ihr gesellschaftliches Sein, so Jürgen Meier, dem vor allem wichtig ist, irrationale Praktiken und Formen vermeintlicher Erkenntnis als solche herauszustellen und zu kritisieren. Bei allen Kontroversen, die nach diesem Vortrag insbesondere um die Bedeutung von Georg Lukács für den heutigen Kunstbegriff geführt wurden, konnte man sich sicherlich darauf einigen, daß die auf der documenta 14 vollzogene Reduktion der Herrschaftsfrage auf die Autonomie des künstlerischen Individuums nicht ausreicht, um die hochambitionierte Thematisierung erforderlicher Widerständigkeit mit praktischer Wirkung zu erfüllen.


Fassade hinter geparkten Autos - Foto: © 2017 by Schattenblick

Veranstaltungsort Café Buch-Oase in Kassel
Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] Von Athen nach Kassel - Selbstverkörperung oder gesellschaftliche Verantwortung
https://www.unsere-zeit.de/de/4929/kultur/6073/Von-Athen-nach-Kassel.htm

[2] Ein Hauch von Kritik - Anmerkungen zur Documenta XII
http://transform.eipcp.net/correspondence/1189078355?lid=1196344233#redir

[3] http://www.monopol-magazin.de/kulturtheoretiker-bazon-brock-greift-documenta-14-an-kuratoren-zur-hoelle

[4] http://www.sopos.org/aufsaetze/469b9bef3beb9/1.phtml

[5] https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/heulen-sie-bloss-nicht-zur-person

[6] https://www.documenta.de/de/news

[7] http://www.fr.de/kultur/kunst/documenta-14-100-tage-selbsterkenntnis-a-1294222


Bisherige Beiträge zur documenta 14 im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → KUNST → REPORT:

BERICHT/053: documenta, Fragen und Kritik - zähflüssig ... (SB)
BERICHT/054: documenta, Fragen und Kritik - zwiebetracht ... (1) (SB)
BERICHT/055: documenta, Fragen und Kritik - Untiefen rechts ... (2) (SB)
BERICHT/056: documenta, Fragen und Kritik - Januskopf läßt grüßen ... (3) (SB)
BERICHT/057: documenta, Fragen und Kritik - Pfad der Künste, Weg der Zweifel ... (4) (SB)
BERICHT/058: documenta, Fragen und Kritik - notästhetisch ausgewichen ... (5) (SB)

22. August 2017


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