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ARBEITERSTIMME/265: 80 Jahre Zerschlagung der Gewerkschaften


Arbeiterstimme Nr. 179 - Frühjahr 2013
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

80 Jahre Zerschlagung der Gewerkschaften
"Angriff soll nun die Losung sein für das neue Jahr 1933"

Von Jörg Wollenberg



Die Arbeiterbewegung zwischen Selbstpreisgabe, Zerschlagung und antifaschistischem Widerstand 1933 bis 1945. Das Beispiel Bremen(1)

Mit folgendem Aufruf läutete der Vorstand der SPD Bremen das "Schicksalsjahr" 1933 ein: "Abwehr war die große Aufgabe der Partei im Jahre 1932. Dieses Ziel wurde voll und ganz erreicht. Weder das 'Dritte Reich' Hitlers, noch Thälmanns 'Sowjetdeutschland' wurde Wirklichkeit, und auch Papens Junkerherrschaft nahm noch in diesem Jahr ein Ende. Alle Anstürme der Reaktion und der Kommunisten sind von der Sozialdemokratie im Bunde mit den Gewerkschaften und den der Eisernen Front angeschlossenen Verbänden siegreich zurückgeschlagen. Allen Kämpfern deshalb unseren wärmsten Dank. Angriff soll nun die Losung sein für das neue Jahr 1933. Einig und geschlossen, kampferprobt und opferwillig, stehen wir gerüstet, um den Vorstoß zu führen gegen das System der kapitalistischen Misswirtschaft". Der optimistische, die Realität verkennende Aufruf des Vorstands vom 31. Dezember 1932 in der Bremer Volkszeitung (BVZ) endete kämpferisch: "Auf zu neuen Kämpfen und Siegen im neuen Jahr! Es lebe die Eiserne Front! Es lebe die Sozialdemokratie! Hoch das Banner des Sozialismus!"

Diese Losung zum entschiedenen Kampf gegen den Faschismus stieß nicht nur in Bremen auf Zustimmung bei den Mitgliedern. Und dennoch setzten die Vorstände der SPD und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) nach der Machtübertragung an Hitler weiter auf die Selbstzerstörung der Nazis. Noch am Abend der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte der ADGB-Bundesausschuss in Berlin allen Forderungen nach Kampfmaßnahmen oder gar eines Generalstreiks eine Absage erteilt. Vergeblich warteten die Funktionäre vor Ort auf Anweisungen von oben.(2) "Kühles Blut und Besonnenheit" seien das "erste Gebot". Und "Organisation, nicht Demonstration: das ist das Gebot der Stunde".(3) Dem folgten auch viele Bremer Gewerkschaftsfunktionäre. Auf der letzten Versammlung der Vertrauensleute des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) vor dem Verbot erklärte der Bremer Multifunktionär Oskar Schulze, Vorsitzender des dortigen ADGB, des DMV, Syndikus der Arbeiterkammer und Abgeordneter der SPD-Bürgerschaftsfraktion: "Die werden schon abwirtschaften".(4) Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erschien die Bremer Volkszeitung (BVZ), das von Alfred Faust und Hans Hackmack redaktionell geleitete Organ der SPD und der Freien Gewerkschaften, am Dienstag, 31. Januar 1933 mit dem Aufmacher: "Kanzler von Barons Gnaden. Hitler im Schlepptau von Papen und Hugenberg - Eine Regierung der Schwerindustrie und der Junker - Sozialdemokratischer Mißtrauensantrag gegen die neue Regierung." (Nr.26, 45. Jg.). Die Arbeiter Zeitung (AZ), das Organ der KPD, Bezirk Nordwest, rief dagegen am gleichen Tag auf der ersten Seite den ADGB, SPD und Reichsbanner zum gemeinsamen "Generalstreik gegen die faschistische Terrorherrschaft" auf. "Heute überall heraus zu Massendemonstrationen", forderte die von Edgar Bennert am Buntentorsteinweg geleitete Redaktion (13.Jg., Nr.27). Der Chefredakteur der BVZ und SPD-Reichstagsabgeordnete Alfred Faust sah dagegen seit den Novemberwahlen von 1932 "Hitlers Stern im Sinken" (BVZ, 7.11.1932, Nr. 262, S.1). Deshalb setzte er mit der Führung seiner Partei auf Wahlen, nicht auf offenen Kampf. "Laßt Euch nicht provozieren!", mahnte die BVZ noch am 25. Februar 1933: "Die Hakenkreuz-Kapitalsknechte müssen in Gröpelingen auf eisige Ablehnung stoßen!" Deshalb wurden die Genossen und Gewerkschafter aufgefordert, sich nicht an den Demonstrationen der KPD gegen den Nazi-Aufmarsch zu beteiligen: "Straft sie durch eisige Verachtung! Die Gesellschaft muss morgen wie die Polizeigefangenen durch die Straßen Gröpelingens eskortiert werden. Sie muß den Eindruck erwecken, als bewegten sich die Nazis unter polizeilichem Schutz direkt nach Oslebshausen..." (BVZ, 25.2.1933). Diese Politik der Anpassung und des Überwinterns scheiterte. Bald danach sollten sich SPD-Mitglieder und Gewerkschafter, unfreiwillig vereint mit Kommunisten, auf dem Weg in das Zuchthaus Oslebshausen oder in das KZ Mißler bewegen, eskortiert von der SA. Denn nach dem freiwilligen Rücktritt der drei sozialdemokratischen Senatoren Kaisen, Kleemann und Sommer am 6. März 1933 - wegen der Hissung der schwarz-weiß-roten Fahne auf dem Rathaus - begann die neue, ab 17. März 1933 tätige Bremer Regierungskoalition von NSDAP und DNVP ihre Terrorherrschaft in Bremen. Schnell folgten Massenverhaftungen von NS-Gegnern aus allen Reihen der Arbeiterbewegung. Am 18. April 1933 wurde das Bremer Bollwerk der Arbeiterbewegung, das Volkshaus der Gewerkschaften, besetzt. Die Polizei nahm Oskar Schulze und weitere Bremer Spitzenfunktionäre in "Schutzhaft". Einen Tag später flatterte auf dem Volkshaus die Hakenkreuzfahne, und am 25. April 1945 tagte die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) im jetzt zum "Haus der deutschen Arbeit" umbenannten Volkshaus. Noch bevor Stoßtrupps des faschistischen "Aktionskomitees zum Schutze der deutschen Arbeit" in ganz Deutschland am 2. Mai 1933 die deutsche Arbeiterbewegung demütigten, indem sie die Gewerkschaftshäuser und Filialen der Arbeiterbank besetzten und die Funktionäre des ADGB, des Allgemeinen Freien Angestelltenbundes (AfA-Bund) und der Einzelverbände in "Schutzhaft" nahmen, waren in Bremen die Zentralen der Arbeiterbewegung zerschlagen. Und dennoch folgten 60.000 Bremer, darunter zahlreiche Gewerkschafter, dem Aufruf zum Massenaufmarsch am 1. Mai 1933, dem von den Nazis zum "nationalen Feiertag der deutschen Arbeit" umbenannten Kampftag der internationalen Arbeiterbewegung. Der im "Führerkreis" von den jungen rechten Funktionäre um Lothar Erdmann und Walter Pahl vorbereitete Aufruf des ADGB-Vorstands hatte am 15. April 1933 dazu aufgefordert, sich als "ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft"(5) an den Demonstrationen zum 1. Mai zu beteiligen. Schon im März und erneut im April 1933 hatten die Gewerkschaftsleitungen alle Widerstandshandlungen gegen den SA-Terror verboten. Man begnügte sich mit Beschwerdebriefen. Und das zu einem Zeitpunkt, als in dem Ende März 1933 eingerichteten Bremer Konzentrationslager Mißler schon zahlreiche Gewerkschafter einsaßen, für die das Verhalten der ADGB-Führung die große Enttäuschung war.(6) "Arbeiter Bremens! Arbeiterblut ist in den Straßen Bremens gefloßen! (...) Nieder mit dem Mordgesindel, das in der Sipo und in der blauen Polizei(7) sein Unwesen treibt", hieß es in dem "Aufruf an die Arbeiter Bremens", den die KPD Bremen am 4. März 1933 in der Hamburger Volkszeitung veröffentlichte: "Nieder mit dem hochverräterischen Senat! (...) Es lebe die Einheitsfront! Es lebe der gemeinsame Kampf!"(8) Zu spät kamen diese Forderungen zum einheitlichen "Protest gegen den Mordfaschismus", den in Bremen der KPD-Bezirk Nord-West auf den Kundgebungen und Wahlveranstaltungen seit dem 17. Februar 1933 verkündete.

Im Bremer KZ Mißler befanden sich Ende März 1933 unter den ersten 100 bis 150 "Schutzhäftlingen" vornehmlich Kader der KPD und Redakteure der Arbeiter-Zeitung wie Edgar Bennert. Bald gesellten sich zu ihnen die "November-Verbrecher", prominente Bremer Sozialdemokraten wie der Reichsbannerführer Oskar Drees, der Sekretär Josef Böhm, der Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft Emil Theil und der SPD-Reichstagsabgeordnete Alfred Faust. Sie wurden besonders von den Peinigern der SA und SS misshandelt und beschwerten sich darüber vergeblich bei den Bremer Justizbehörden.(9)

Einen Höhepunkt der "Umerziehung" im KZ erlebten die Häftlinge am 1. Mai 1933. Die Inhaftierten aus Mißler mussten nicht nur antifaschistische Parolen entfernen, die am 1. Mai auf Straßen gemalt worden waren. Darüber hinaus wurden einige von ihnen - im Anschluss an eine Rede des Polizeisenators Theodor Laue im KZ Mißler zur "Bedeutung des 1. Mai als 'nationaler Feiertag Arbeit'" - durch die Stadt gefahren. Heinrich Buchholz, der verhaftete Zeitungsobmann der KPD-Bezirksleitung und illegale Kurier für den Bezirk Nord-West zu den Stadtteilgruppen, gehörte zu ihnen. Am 4. Mai 1933 teilte er seiner Frau aus Mißler sein Mai-Erlebnis mit: "Eine Abwechslung haben wir ja schon gehabt. Am ersten Mai habe ich und noch ein Kamerad mit dem Adjutanten von Polizeisenator Laue eine kleine Autotour durch die Stadt gemacht. Wir sollten uns mal alles anschauen. Na, ich muß sagen, gestaunt habe ich ja über all die Fahnen und Girlanden. Vor allen Dingen in der Hansastraße und dem Steffensweg".(10) Diese Fahrten gingen in die traditionellen Arbeiterviertel wie Walle und Gröpelingen und sollten den Gefangenen deutlich machen, wie schnell sich die Arbeiterschaft auf das neue System eingestellt hatte. Eine andere Gruppe von KZ-Häftlingen wurde zum Polizeihaus in die Innenstadt gebracht, um sich von dort aus den Mai-Umzug anzusehen.(11) Gleichzeitig gab die Polizeidirektion die Entlassung von zehn Häftlingen bekannt, wobei deren Zugehörigkeit zum "einfachen Arbeiterstand" in der Presse besonders betont wurde.(12) "Am Abend waren wir alle in dem größeren Tagesraum versammelt. Die Teilnehmer der Fahrt sollten uns berichten", erinnerte sich Albert Flachmann von den Roten Kämpfern.

"Wir standen in größeren und kleineren Gruppen um unsere 'Kundschafter in das neue Deutschland' herum. Hitler versprach ja einen langen Frieden und eine alle Deutschen umfassende Volksgemeinschaft (...) Nicht ganz geleugnet wurde, daß alles groß aufgemacht worden war. Wir erfuhren aber auch, daß die Führung der Gewerkschaften zur Teilnahme an der faschistischen Kundgebung aufgerufen hatte. Mancher versuchte, diese Tatsache noch im Glauben an eine klassenbewußte Arbeiterschaft zu verdrängen. Ich dachte daran, daß meine politischen Freunde doch recht behalten sollten mit ihrer These, wonach die Instanzen der Gewerkschaften ohne eine eindeutige sozialistische Zielsetzung, ohne Halt und völlig hilflos den geschichtlichen Aufgaben der Stunde gegenüber stehen würden. Und so würden sie in ihrer Anpassung an die faschistische Entwicklung bis zum letzten gehen: bereit, sich gleichschalten zu lassen wie alle bürgerlichen Parteien und Gruppen bis zur völligen Unterwerfung. Sie erhielten allerdings bereits am nächsten Tag den Fußtritt". (13) Auch wenn sich die von den Nationalsozialisten erhoffte demoralisierende Wirkung unter den Gefangenen nicht einstellte, so erzeugten die Berichte der Häftlinge über ihre Erfahrung doch eine große Betroffenheit. Die öffentliche Anerkennung der "nationalen Revolution" war Mitte 1933 offensichtlich größer, als die Gegner des NS-Systems vermuteten.


"Erzwingt die Einheitsfront!"

Wie konnte es zu dieser Selbstpreisgabe und Zerschlagung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung auch in Bremen kommen?

Vergeblich hatte das Kampfsignal der SAP-Bezirksleitung den Ortsausschuss des ADGB, den Vorstand der SPD und die Bezirksleitung der KPD am 14. Februar 1933 aufgefordert, "rechtzeitig die aktive Einheitsfront herzustellen": "Erzwingt die Einheitsfront", heißt es in dem Aufruf von SAP und KPO. Denn "zunächst hat sich der Terror nur gegen die Genossen der KPD und SAP gerichtet. Nunmehr machen die braunen Horden zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten keinen Unterschied mehr. Wir haben dort die schmachvolle Tatsache zu verzeichnen, daß sich die Vertreter des Ortsausschusses des ADGB des Nachts zum Teil von der Polizei nach Hause begleiten lassen (...) Die Arbeiterschaft wird den Faschismus nur zurück-und niederschlagen können, wenn sie auf der ganze Linie geschlossen und entschlossen den Kampf aufnimmt. Jeder muß begreifen, daß es jetzt um Tod und Leben geht". Nach wie vor verweigerte der KPD-Bezirk eine Zusammenarbeit mit den "Renegaten der KPO und SAP". "Diese Burschen, die öffentliche Parteifeinde sind, erhalten in Bremen in keiner Versammlung das Wort",(14) hatte der KPD-Bezirk Nordwest im Oktober 1932 an seine Unterbezirke und Ortsgruppen geschrieben. Die Ereignisse zu Beginn des Jahres 1933 hatten nicht zu einem Umdenken geführt. Lediglich in dem schon 1930 gegründeten Jugendkampfkomitee gegen Arbeitsdienstpflicht und Faschismus kam es in den Arbeitervororten Bremens zu gemeinsamen antifaschistischen Aktionen aller Fraktionen der Arbeiterbewegung. Das vom Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) initiierte Komitee wurde von Jugendlichen aus Sozialistischer Arbeiterjugend (SAJ) und Sozialistischem Jugendverband Deutschlands (SJVD) ebenso unterstützt wie von der KPO und der SAP sowie den Mitgliedern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) Axel Dehms und Wilhelm Heidorn(15) - mit nachhaltigen Folgen für die Bündnispolitik nach der Zerschlagung der Parteien und Gewerkschaften, wie wir noch sehen werden. Wie ist diese Passivität der Vorstände der Sozialdemokratie und die lange anhaltende Abwehrhaltung des KPD-Bezirks gegen eine breite antifaschistische Bündnispolitik zu erklären - trotz aller scheinradikalen Verkündigungen.

Bremen gehörte als bedeutendes Handelszentrum und industrielles Ballungsgebiet zu den traditionellen Hochburgen der sozialistischen Arbeiterbewegung in Deutschland. Hier prägten neben der dominierenden Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften die KPD und die von beiden Parteien ausgegrenzten Mitglieder des ISK (ab 1926), der KPO (ab 1928) und der SAP (ab 1931) die politische Kultur und das gesellschaftliche Leben. Noch in der Endphase der Weimarer Republik vereinigten SPD und KPD trotz der durchgängig hohen, über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosigkeit die Mehrheit der Stimmen auf sich. Selbst nach der NS-Machteroberung konnten die Linksparteien in den März-Wahlen von 1933 in Bremen mit 53,6 Prozent mehr Stimmen auf sich vereinen als die Nationalsozialisten. 72.707 Stimmen für die SPD (30,4 Prozent) und 31.553 für die KPD (13,2 Prozent) standen 78.124 Stimmen für die NSDAP (32,6 Prozent) gegenüber. In dem von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Arbeiterstadtteil Gröpelingen gewannen SPD mit 37,3 Prozent und KPD mit 27,3 Prozent gar zwei Drittel der Stimmen.(16) Allerdings wurde dieses Potenzial nicht zu gemeinsamen Aktionen gegen die reaktionären Kräfte genutzt.

Die Zerschlagung der Bremer Räterepublik vom 4. Februar 1919 durch Truppen der von der MSPD geführten Reichsregierung hafte tiefe Spuren bei Sozialisten und Kommunisten hinterlassen. Die wenigen gemeinsamen Aktionen zwischen 1920 und 1922 schienen vergessen. Der 1928 vollzogene Linksschwenk der KPD, der zur Gründung der spalterischen Revolutionären Gewerkschaftsorganisation (RGO) und zur Verschärfung des Kampfes gegen die Sozialdemokratie führte, die "als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie" und als "linker Flügel des Faschismus" (Sozialfaschismusthese) denunziert wurde, ließ Angebote zur Einheitsfront wenig glaubhaft erscheinen. Hinzu kam in Bremen, dass Anfang 1931 die Kritik an den sogenannten Versöhnlern im KPD-Bezirk Nordwest unter Leitung von Paul Taube und Johann Koschnick in deren Abwahl mündete und sie durch Robert Stamm, Egon Nickel und Herbert Warnke ersetzt wurden. Alle KPD-Versammlungen und Veranstaltungen der 48 Ortsgruppen mit ca. 5.000 registrierten Mitgliedern, davon rund 4.000 in Bremen, wurden schon seit Längerem von Polizeispitzeln kontrolliert. Diese Spitzelberichte und die in Hausdurchsuchungen bei Spitzenfunktionären gefundenen Namenslisten erleichterten die Massenverhaftungen ab Ende März 1933.(17)

Im selben Zeitraum schränkte der Mitglieder- und Wählerschwund die Aktionsfähigkeit der im ADGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften und der SPD ein, zumal ein Teil der Mitglieder zu den Konkurrenz-Organisationen überlief. So ging 1931 die selbstständige Bremer Jugendorganisation der SPD (SAJ) unter Leitung von Karl Grobe geschlossen zur SAP. Die Statistik der Stimmenanteile für einzelne Bremer Stadtteile zeigt für die Wahlen von 1928 bis 1932, dass die SPD in den Arbeiterstadtteilen Walle und Gröpelingen deutlich Stimmen an die KPD verlor, während in den bürgerlichen Vierteln die Nationalsozialisten überdurchschnittliche Stimmengewinne erzielen konnten - auf Kosten der konservativen Parteien. Die krisenhafte Zuspitzung der Lage der Bevölkerung um 1932/33 mit rund 60.000 Arbeitslosen unter den 332.000 Einwohnern des Großstadtbezirks Bremens gefährdete zunehmend die Kompaktheit des linken Lagers, das sich lange in der hohen Übereinstimmung von Wähler- und Mitgliedschaft ausgedrückt hatte. In Bremen bekannten sich 1929 noch rund 10.000 Mitglieder zur SPD. Die Gewerkschaften konnten 1922 und 1929 gleichbleibend auf über 50.000 Mitglieder zurückgreifen;(18) Die steigende Zahl von Arbeitslosen bewirkte allerdings ab 1930, dass der Betrieb als das entscheidende Handlungs- und Lernfeld der Arbeiterbewegung immer mehr verloren ging. Diese Entwicklung lässt sich exemplarisch an dem großen traditionsreichen Betrieb in Bremen darstellen: an der im Arbeiterstadtteil Gröpelingen gelegenen Werft AG Weser. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise verringerte sich die Belegschaft der AG Weser von 10.000 auf 400 Beschäftigte 1932.(19) Viele der "wirtschaftlichen Herzstücke" und politischen Vorreiterbetriebe fielen in der Krise weitgehend aus. Neben der Pleite des Nordwolle-Konzerns von 1931, dem "Panama der Nordwolle" (Alfred Faust), trugen vor allem die Betriebe in der Metallindustrie zur Massenarbeitslosigkeit bei. Bei den Atlas Werken waren 1932 lediglich 300 von einst 4.000 beschäftigt, bei den Hansa-Loyd-Goliath-Werken 500 von 3.000, bei der Norddeutschen Hütte 50 von 600, bei den Franke-Werken 50 von 2.000 und bei dem Vulcan in Vegesack 800 von einst 3.000 im Jahre 1929.(20) Die KPD wurde dadurch zusehends eine Partei der Erwerbslosen. Schon 1930 war ein Drittel der KP-Mitglieder im Bezirk Nordwest arbeitslos. Der Bezirk registrierte 1932 von 7.500 Mitgliedern 6.785 als arbeitslos.(21) Aber auch in den sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften meldeten sich 40 Prozent der Mitglieder arbeitslos. Gleichzeitig verjüngte sich die Mitgliedschaft der KPD auf ein Durchschnittsalter weit unter 40, während ein Viertel der Mitglieder der SPD über 50 Jahre alt war.(22)

Mit dem Auseinanderfallen der Arbeiterbewegung in zwei große, einander feindlich gegenüberstehende Blöcke ging das durch Wirtschaftskrise und reaktionäre Formierung des bürgerlichen Lagers ohnehin eng gewordene Manövrierfeld der Arbeiterbewegung weitgehend verloren. Das Ende der traditionellen Arbeiterhochburg Bremen kündigte sich jedoch nicht so sehr in Zahlen an. Entscheidend war die kampflose Kapitulation der Gewerkschaften. Auch in Bremen wurden, wie schon erwähnt, vor dem 2. Mai 1933 zahlreiche Funktionäre festgenommen. Die Nazis rechtfertigten ihre Aktion vor der Bevölkerung mit Vorwürfen: Die "Gewerkschaftsbonzen" seien korrupt, veruntreuten Geld, bereicherten sich auf Kosten ihrer Mitglieder. Alle Vorwürfe waren unhaltbare Propagandalügen. Sie entlarvten sich später selbst, denn nicht ein einziger ordentlicher Prozess wurde gegen die Beschuldigten geführt.

Als die führenden Vertreter des ADGB nach zehn Tagen wieder freigelassen wurden, war von ihrer einst so mächtigen Organisation nichts mehr übrig: Die Gewerkschaften waren verboten, Vermögen, Gebäude und Angestellte hatte sich die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF) unter Führung von Robert Ley einverleibt. Der Versuch der ADGB-Führung, durch eine Politik der Anpassung die eigene Organisation zu retten, war am 2. Mai 1933 gescheitert. Die Schatzmeister der freien Gewerkschaften übergaben ihre Kassen vorschriftsmäßig geordnet. Große Teile der bis dahin noch zum Widerstand bereiten Mitglieder erschienen demoralisiert. Die einfachen Mitglieder und mittleren Funktionäre tauchten mehrheitlich in eine unpolitische Existenz ab. Nur eine Minderheit ging in den Untergrund. Die größte Massenorganisation der deutschen Arbeiterbewegung war gleichgeschaltet. Ausgerechnet der Gegner, den die Hitler-Bewegung am meisten gefürchtet hatte, kapitulierte kampflos.


Zeitgenössische Erklärungen für die Niederlage

Wäre die Zerschlagung der Gewerkschaften wenigstens in Hochburgen wie Bremen zu verhindern gewesen? Hätte gar die Weimarer Republik gerettet werden können, wenn die sozialdemokratische Arbeiterbewegung mit dem ADGB und ihrer gemeinsamen Schutzorganisation, der Eisernen Front, zusammen mit KPD, KPO, SAP, ISK, den Roten Kämpfern oder den Anarchosyndikalisten Widerstand geleistet hätten?

In Bremen folgten am Vorabend der Reichstagswahl vom 5. März 1933 noch einmal 30.000 Teilnehmer dem Aufruf der Eisernen Front zur Massenkundgebung. Erstmals hatte sich der KPD-Bezirk Nordwest einem solchen Aufruf angeschlossen, nachdem die eigene Massenkundgebung mit Ernst Torgler, dem Vorsitzenden der KPD-Reichstagsfraktion, am 3. März 1933 im Casino verboten worden war. Viele der kommunistischen Teilnehmer sollten sich mit dem Hauptredner Alfred Faust, SPD-Reichstagsabgeordneter und Chefredakteur der Bremer Volkszeitung, einen Monat später im Konzentrationslager Bremen-Mißler unfreiwillig wieder zusammenfinden.(23)

Als nicht nur in Bremen die SA-Überfälle auf Gewerkschaftshäuser sich mehrten und schon zahlreiche Funktionäre im Konzentrationslager saßen, verstärkte die ADGB-Führung in Berlin ihre Kontakte zur NS-Führung. Am 15. April 1933 bot der Bundesausschuss des ADGB der nationalsozialistischen Reichsregierung an, die Gewerkschaften "in den Dienst des neuen Staates zu stellen".(24) Dazu kam der "gerade Weg der SPD-Reichsleitung in die Kapitulation".(25) Hatte die SPD-Reichstagsfraktion sich noch im März 1933 dem "Ermächtigungsgesetz" verweigert, so stimmte sie am 17. Mai 1933 der "Friedenresolution" Hitlers zu, abgesehen von jenen 27 ihrer Abgeordneten, die bereits verhaftet bzw. aus Deutschland geflohen waren und von Antonie Pfüll, die ihre Zustimmung verweigerte und am 8. Juni 1933 Selbstmord beging. "Den Weg, den die Partei heute geht, kann ich nicht mitgehen", schrieb die am 14. Dezember 1877 in Metz geborene Lehrerin aus München am 17. Mai 1933 in ihrem Abschiedsbrief an einen Freund. Sie wusste nur einen Ausweg nach der Schmach ihrer Partei vom 17. Mai 1933, den Freitod.(26) Am 19. Juni 1933 fasste eine SPD-Reichskonferenz der von Paul Löbe und Max Westphal geführten Gruppierung den Beschluss, die Vorstandsmitglieder im Exil auszugrenzen und die Juden aus dem Vorstand zu entfernen - wenige Tage, bevor die SPD am 22. Juni 1933 verboten wurde.(27) Das Verhalten des Rumpfvorstands der SPD und der Vorstände der Gewerkschaften sei "kläglich und zum Erbarmen gewesen", so der für diesen Kurs lange mitverantwortliche einstige Reichskanzler Philipp Scheidemann im dänischen Exil.(28) "Von den Führern, die in Deutschland bis zu ihrer Flucht 'tätig' gewesen sind", könne keiner "jemals wieder irgendwo in der Arbeiterführung führend tätig sein". Ihre "Versuche einen modus vivendi mit Hitler zu finden", stünden "beispiellos da in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung."(29)

Andere prominente Politiker, Wissenschaftler und Schriftsteller wie Arthur Rosenberg, Franz Leopold Neumann, Willy Brandt oder Arnold Döblin versuchten im Exil die Frage zu beantworten, warum in Deutschland sich eine real existierende sozialistische Republik von 1918/19 in eine Demokratie mit zunehmenden diktatorischen Anstrichen in der Endphase Weimars entwickeln konnte, aus der schließlich die NS-Diktatur entstand. Eine Erklärung für diese folgenreichste Demütigung der Arbeiterbewegung fanden sie in den Fehlern schon am Anfang der Weimarer Republik, hatte doch gegen die von der Konterrevolution zu "Novemberverbrechern" diffamierten Anhänger der schnell erstickten Novemberrevolution schon 1918 ein beispielloser Kampf von rechts mit der Ermordung prominenter Sozialisten, Kommunisten und Liberaler begonnen. Die "Revolutionäre wider Willen" (Heinrich August Winkler) aus den Kreisen der MSPD um Noske und Ebert waren diesen Kräften nicht entgegengetreten. Die Schwäche der Konkursverwalter des Obrigkeitsstaates, die aus Angst vor dem Bolschewismus notwendige gesellschaftliche Strukturreformen unterließen, hatten die Gegner der Demokratisierung von rechts genutzt. Insofern ist die Zerstörung der Weimarer Republik von Faktoren und Widersprüchen mitbestimmt, die bei ihrer Gründung schon angelegt waren. Vor allem die fundamentale Schwäche der gespaltenen Arbeiterbewegung in der Endphase der Weimarer Republik muss auch aus dem Scheitern der Revolution von 1918/19 und mit der gleichzeitigen militärischen Unterdrückung oppositioneller Arbeitermassen durch die Führung der Mehrheitssozialdemokratie erklärt werden. Eindrucksvoll haben nach dem Verbot der SPD prominente sozialdemokratische Vordenker, die vor dem 1. Weltkrieg die Bremer Linke mitgeprägt hatten, diesen Zusammenhang hergestellt. So schrieb Rudolf Hilferding am 23. September 1933 an Karl Kautsky: "Unsere Politik in Deutschland war seit 1923 sicher im ganzen und großen durch die Situation erzwungen und konnte nicht viel anders sein. In diesem Zeitpunkt hätte auch eine andere Politik kaum ein anderes Resultat gehabt. Aber in der Zeit vor 1914 und erst recht von 1918 bis zum Kapp-Putsch war die Politik plastisch, und in dieser Zeit sind die schlimmsten Fehler gemacht worden".(30) Mit dieser Kritik stand Hilferding keinesfalls allein.


"... Sozialdemokrat bin ich für alle Zeiten gewesen"

Der Zusammenbruch von Weimar zwang dessen Träger zur selbstkritischen Besinnung und schärfte den Blick für politische Fehlleistungen. Dennoch überrascht, welche Schwierigkeiten bis heute bei der Aufarbeitung des Versagens von 1933 auftreten.(31) Denn vor dem Hintergrund der Mitverantwortung von Ebert und Noske für die Massenmorde zwischen 1918 und 1920 konnte aufseiten der Sozialdemokraten nur ein kompliziertes, gebrochenes Verhältnis zur Deutschen Revolution von 1918/19 entstehen. "Die einen haben uns entrüstet vorgeworfen, daß wir Sozialdemokraten eine Revolution, die anderen ebenso entrüstet, daß wir keine Revolution gemacht hätten", schrieb der Syndikus des DMV vor 1933, Ernst Fraenkel, am 9. November 1943 in der deutschsprachigen New Yorker Neuen Volkszeitung, und er fügte hinzu: "In diesem Vorwurf spiegelt sich die Logik eines Umsturzes wider, der eine politische Umwälzung herbeiführte, aber eine soziale Revolution vermied. Und weil der 9. November somit eine halbe Revolution war (...), ist uns 14 Jahre später eine ganze Niederlage bereitet worden." Eine Partei", so Hermann Brill, der Freund Fraenkels aus der gemeinsamen Tätigkeit als Gastdozenten an der Sozialistischen Heimvolkshochschule Schloss Tinz bei Gera, "die auf ihrer letzten Reichskonferenz vorn 26. April 1933 immer noch der Nation und dem Sozialismus dienen wollte und deshalb am 17. Mai 1933 im Reichstag dem außenpolitischen Programm Hitlers zustimmte", der könne man nicht mehr folgen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Brill mit zahlreichen Genossen beschlossen, die Partei zu verlassen. "Ich werde auch niemals mehr für die SPD arbeiten", schrieb er am 30. August 1933, weil seine Partei Ende Mai 1933 nicht einmal zur Selbstauflösung fähig war.(32) "Ich bin und bleibe Sozialist. Sozialdemokrat bin ich für alle Zeiten gewesen", lautete sein am 31. Januar 1934 formuliertes Bekenntnis,(33) das den späteren Buchenwaldhäftling schon im Herbst 1933 veranlasste, sich der Widerstandsgruppe Neu Beginnen anzuschließen und mit seinen Freunden Otto Brass und Otto Jenssen ein "Zehn Punkte"-Programm zur Begründung der "Deutschen Volksfront" vorzulegen.(34) Damit stand er nicht allein. Auch Bremer SPD-Genossen suchten mit ihm den Kontakt zu den im Untergrund oder im Exil entstehenden Widerstandsgruppen oder gingen eigenständige Wege. Und es ist kein Zufall, dass diese Gruppen schon vor der Kapitulation des deutschen Faschismus Pläne für eine sozialistische und demokratische Neuordnung Deutschlands vorlegten. So wurde Brill, der heute eher vergessene Verfasser des Buchenwalder Manifests vom April 1945 und Gründer des Bundes demokratischer Sozialisten, den die US-Besatzungsmacht zum ersten Nachkriegs-Ministerpräsidenten Thüringens ernannte, nach dem Scheitern des Einheitsbündnis der Arbeiterbewegung von unten und der Flucht aus der SBZ zu einem der Väter des Grundgesetzes.

In Bremen gründeten die Widerstandskämpfer aus allen Fraktionen der Arbeiterbewegung die Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus" (KGF). Einer der Initiatoren, Adolf Ehlers (KPD/KPO/SAP), gab schon 1944 die Parole aus, die den politischen Konsens der Gruppe prägen sollte: "Einheitsfront von General von Seydlitz bis Wilhelm Pieck". Also ein Bündnis vom Bund deutscher Offiziere im "Nationalkomitee Freies Deutschland" bis zum führenden Repräsentanten der alten KPD. Pieck hatte von 1896 bis 1910 seine politische Karriere in Bremen als einflussreicher Sozialdemokrat und Gewerkschafter des Holzarbeiter-Verbandes begonnen und prägte als Vorsitzender des Bildungsausschusses des Gewerkschaftskartells und als erster hauptamtlicher Sekretär der Bremer Sozialdemokraten mit Johann Knief, Anton Pannekoek und anderen die Bremer Linke.(35) Die KGF setzte sich vom 6. Mai bis zum 16. Dezember 1945 mit ihren über 6.000 Mitgliedern in 14 Ortsgruppen immer wieder in ihrem Zentralorgan Aufbau dafür ein, "die Bildung einer sozialistischen Einheitspartei" als Hauptziel zu fordern.(36) Zum Zentralvorstand gehörten Sozialdemokraten wie Emil Theil, zur KPD zurückgekehrte Oppositionelle wie Heini Busch oder Franz Cavier. Dazu kamen Georg Buckendahl von der KPD, Vertreter aus dem Exil wie August und Irmgard Enderle (KPO/SAP), weiter Hermann Lücke von der SAP und Fritz und Frieda Paul vom ISK, ergänzt um den Repräsentanten des bürgerlichen Widerstandes, Studienrat Dr. Alfred Nawrath, den sie zum Vorsitzenden wählten. Sie alle verabschiedeten einvernehmlich noch am 16. Dezember 1945 die "Entschließung zur Bildung einer Einheitspartei". Und dennoch treffen wir sie nach dem Scheitern der Einheitssehnsucht erneut in Bremen und in anderen alten Hochburgen der Arbeiterbewegung bald wieder als "feindliche Brüder" in der SPD oder KPD.(37)


Trotz alledem: "Bildung einer Volksfront von Sozialisten und Kommunisten"

Trotz des nicht verhinderten Aufstiegs der Nazis zur Macht hatte sich überall in Deutschland der Widerstand formieren können. Er beschränkte sich zunächst vornehmlich auf die Arbeiterbewegung und bezog die jüdischen Intellektuellen ein, die Mitglieder der Arbeiterparteien und Gewerkschaften und als solche besonders gefährdet waren. Sofern sie nicht rechtzeitig emigrieren konnten, wurden sie in der Regel mit als erste im März/April 1933 verhaftet oder in die frühen Konzentrationslager eingeliefert. Es besteht kein Zweifel daran, dass die NS-Bewegung in der Zeit ihres Aufstiegs in der Arbeiterschaft Bremens trotz des Anpassungskurses der Gewerkschaften nur schwer Fuß fassen konnte. Wahlanalysen im lokalen Bereich zeigen die besondere Resistenz der Arbeiterschaft gegenüber dem Nationalsozialismus.(38) Die unversöhnliche Haltung gegenüber dem NS-System dokumentieren auch die in den Stimmungs- und Lageberichten der Gestapo festgehaltenen Nachrichten aus Betrieben und Stadtteilen. Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln, Wohnungsmangel und unzureichende Löhne führten zu anhaltender Unzufriedenheit unter der Arbeiterbevölkerung.(39) Auch die ersten Ergebnisse der "Vertrauensräte"-Wahlen von 1934/35 belegen die nach wie vor geringe Akzeptanz der Kandidaten der NSBO in den Zentren der Arbeiterbewegung. Wie groß die Verweigerung im Einzelfall war, zeigt das Beispiel der Bremer Vulkan-Werft, wo 1935 zu der aus Anlass der Wahl einberufenen Betriebsversammlung von 2.500 Beschäftigten nur 250 erschienen. Daraufhin wurde eine zweite Versammlung anberaumt, und die NSBO beantragte in Anbetracht der Stimmung unter den Arbeitern bei der Direktion die Schließung der Werkstore während der Versammlung. Dies wurde abgelehnt. Zur zweiten Betriebsversammlung erschienen dann lediglich 200 Beschäftigte.(40) Für die Gestapo galt die Bremer AG Weser-Werft noch 1936 als "kommunistisch verseucht". Sie empfahl, einen Zaun um das Gelände der Werft zu ziehen und diese zum KZ zu erklären.(41)

AG Weser-Werft "kommunistisch verseucht"

Die zahlreichen Prozesse gegen Widerstandsgruppen aus der Arbeiterbewegung belegen das Resistenzverhalten und den bis zum Ende des Krieges anhaltenden Widerstand.(42) 1.305 Bremer befanden sich nach Angaben der Gestapo im ersten Jahr der Machtergreifung in "Schutzhaft" und wurden in der Regel ab März 1933 in das Bremer KZ Mißler, ab 1. Oktober 1933 nach Ochtumsand eingeliefert. Folgt man der am 6. März 1934 von der Bremer Polizeidirektion vorgelegten "Leistungsbilanz", dann verzeichnete die Bremer Gestapo innerhalb eines Jahres 31.000 "Eingänge, davon sind von der Exekutive 200 Sachen bearbeitet worden. Rund 950 Haussuchungen wurden vorgenommen, festgenommen im Hochverratsverfahren rund 450 Personen, dem Gericht zugeführt rund 260 Personen".(43) In den Bremer Ermittlungsverfahren und Prozessen, die zwischen 1933 und 1945 stattfanden, wurden u. a. wegen der "Verbreitung von Greuelmeldungen aus den Konzentrationslagern", der "Verbreitung illegaler Zeitungen" und der "Errichtung einer Einheitsfront zwischen KPD und SPD, hier KJVD und SAJ" weit über 500 Bremer Vertreter der Arbeiterbewegung zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Dazu zählten prominente Bürger, die nach 1945 erneut die Politik Bremens prägen sollten: Zu ihnen gehörten der Reichsbannervorsitzende Willy Dehnkamp, Senator und Bürgermeister ab 1951, der Maschinenschlosser Gustav Böhrnsen und der Redakteur der Arbeiter-Zeitung und Gewerkschaftssekretär des KPD Bezirks Nordwest Johann Koschnick, der nach seiner Entlassung aus der Haft 1944 in Finnland als Mitglied des Strafbataillons 999 verstarb. Zu Dehnkamp und zu beiden KPD-Vätern der späteren Bremer SPD-Bürgermeister Hans Koschnick und Jens Böhrnsen gesellten sich zahlreiche Kommunisten und Sozialdemokraten, die zwischen 1933 und 1945 in öffentlichen Schauprozessen wegen der Verteilung illegaler Schriften und des Aufbaus verbotener Organisationen zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt worden waren. Eine der größten Verhaftungswellen betraf im Sommer 1936 die Arbeiterjugendlichen der KPD, die früh in Bremen Kontakt zu anderen Gruppen des Widerstands pflegten: zu Sozialdemokraten, zu bündischen Jugendlichen oder zu den bürgerlichen Mitgliedern des "Vereins für Sport und Körperpflege" (VSK). Auch zur Hamburger KP-Gruppe um Heinz Strelow und weiteren Mitgliedern der späteren "Roten Kapelle" wie Cato Bontjes van Beek aus Fischerhude bestand über die Dannat-Geschwister und Hans Laufenberg ein enger Kontakt. 108 dieser verhafteten Bremer Widerstandskämpfer wurden wegen der "Bildung einer Volksfront von Sozialisten und Kommunisten" nach monatelanger Einzelhaft zwischen 1936 und 1938 vor dem Sondergericht des Volksgerichts in Bremen in einem öffentlichen Schauprozess zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.(44) "Böhme, Böhrnsen und andere Jungkommunisten versuchen derzeit, die Mitglieder des 'Vereins für Sport und Körperpflege' (VSK) zum Kommunismus herüber zu ziehen und jedenfalls in dem VSK eine kommunistische Jugendgruppe zu bilden. Dieses geschah im Auftrage Buckendahls. Er selbst befahl diese Jugendgruppe für den fraglichen Silvester in die Wiekau, um dort eine Schulung zum Zwecke einer Aktivierung der Arbeit zu veranstalten", heißt es im Ermittlungsverfahren.(45) Sie kamen ins Zuchthaus nach Bremen-Oslebshausen. Dort nahmen sie Kontakt auf zu den im November 1935 verurteilten 47 Sozialdemokraten um Hermann Osterloh.(46) Den Erhalt von Tageszeitungen vermittelte der AG Weser Chef Franz Stapelfeldt. Sie nutzten die nach 1918 von Emil Sonnemann, dem Gründungsmitglied der Bremer Linken, gut ausgestattete Häftlingsbibliothek und setzten mithilfe des Morsealphabets die marxistische Schulungsarbeit unter Georg Buckendahl fort. Eine Gruppe von 20 verurteilten Jugendlichen hatte noch unmittelbar nach dem Urteil und vor dem Transport in das Zuchthaus die Internationale gesungen. Die Bremer Gestapo-Beamten Hermann und Schrader hatten Mühe gehabt, das Beziehungsgeflecht dieser Gruppe zu durchschauen.(47)

Schon vor 1934 trafen sich einige von ihnen in der Wohnung des mehrfach verhafteten Juristen Klaus Bücking (KPD) und seiner Frau, der Pastorentochter Maria (später Krüger), um marxistische Schulungsarbeit und Flugblattaktionen wie auch den Druck der Kleinen Arbeiterzeitung vorzubereiten. Nach 1934 begegneten sich Mitglieder der Gruppe regelmäßig in einem Blockhaus im Wald von Wildeshausen, der "Heini-Boye-Hütte", die lange auch Anlaufstelle der Bremer Naturfreunde-Jugend gewesen war. Die politischen Köpfe der Gruppe waren neben Klaus Bücking die besonders gefährdeten Juden Walter von Peristein und Hermann Meyerhoff (KPD) und der illegale KPD-Bezirksleiter Georg Buckendahl. Später kam Konrad Blenkle als Instrukteur von der Abschnittsleitung Nord der KPD hinzu. Kontakt zur Gruppe hatten auch Edgar Bennert (nach 1945 Intendant in Schwerin), der Star des Bremer Schauspielensembles Hans Müller und Max Burghardt (nach 1945 Intendant in Stuttgart, Leipzig und an der Deutschen Staatsoper in Berlin). Zur AG Weser bestanden über Lutz Bücking und Georg Gumpert Beziehungen zu Adolf Ehlers, Emil Theil, Leo Drabent und Hermann Prüser. Für die Verbindung zu der für die Flugblattverteilung wichtigen Gruppe der Binnenschiffer sorgten Willi Müller und Heinz Schramm, einst Organisationsleiter im Seeleute- Einheitsverband. Selma Vöge und Hermann Goldschrafe organisierten Kontakte zu den Atlas-Werken (Willi Bethge) und zu Borgward (Albert Oltmanns, Erwin Heinemann). Besonders erfolgreich gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem ISK und den Roten Kämpfern um Axel Dehms, Frieda Arnold (Paul), Hermann Lücke, Jan Onasch und Albert Flachmann. Diese hatten als bekennende Vegetarier mit der Einrichtung der von Hitler geförderten vegetarischen Gaststätten Kontakte zwischen den Gruppen erleichtert. Die von ihnen herausgegebene Monatszeitung Blick in die Welt kollagierte geschickt offizielle Nachrichten des Systems zu Formen des Protestes und der Resistenz. Erst im Mai 1937 wurden die Mitglieder des ISK verhaftet.(48) Nach 1945 gehörten sie in der Britischen Besatzungszone mit dem Bremer Werner Hansen (Wilhelm Heidorn) und seinem Bruder Adolf Heidorn zu den Gründungsvätern der westdeutschen Gewerkschaften und von "Arbeit und Leben", der Kooperation von Volkshochschule und DGB in der Volksbildung.

Ab April 1936 wurden allein im Prozess gegen Heinrich Lührs u. a. 108 Nazigegner angeklagt.(49) Dieser Prozess ist nicht nur wegen der großen Zahl von Angeklagten von Bedeutung, sondern auch, weil er zeigt, dass es in Bremen trotz Terror und Verfolgung gelungen war, ein Antifa-Bündnis von Jugendlichen aus Kommunisten, Sozialdemokraten und bündischen Jugendlichen mit Kontakten zum ISK herzustellen und Verbindungen zum VSK zu knüpfen. Einige von ihnen saßen schon zuvor in Haft, weil sie u. a. in den Prozess gegen die Kleine Arbeiter-Zeitung (ab Januar 1936 gegen Georg Buckendahl und 62 weitere Personen) verwickelt oder wie die 18-jährige Alma Müller und 87 weitere Bremer im "Wahrheitsprozess" am 19. Juni 1934 zu Zuchthausstrafen verurteilt worden waren. "In Deutschland ist es verboten, die Wahrheit zu sagen", heißt es in der ersten Nummer der illegal in Bremen erschienenen Wahrheit von April 1933.(50)

Das geglückte Beispiel einer antinazistischen Volksfront mehrerer Gruppen in Bremen, die bis zu seiner Verhaftung im August 1934 vom Hamburger Harry Naujoks als illegalen politischen Leiter des Bezirks Nordwest aufgebaut und anschließend von seinem Nachfolger Georg Buggendahl mit Unterstützung von Conrad Blenkle aus Amsterdam fortgesetzt wurden, war weniger das Resultat einer parteikommunistischen Strategie. Die Mehrheit der Gruppe lehnte z. B. die Beschlüsse der Brüsseler Konferenz der KPD von 1935 mit der Strategie des "Trojanischen Pferdes" (Unterwanderung der Nazi-Organisationen) ab. Das Zusammengehen war eher das Ergebnis von zum Widerstand bereiten Nonkonformisten, die schon vor 1933 - und teilweise an ihren Parteivorständen vorbei - ein Miteinander unterschiedlicher Positionen ausprobierten haften und unmittelbar nach 1933 unterschiedliche Formen der Illegalität praktizierten. Die Ermittlungsverfahren gegen Anhänger der Einheitsfrontaktionen führten in Bremen immer wieder zu Verhaftungen von Sozialdemokraten und Kommunisten, ohne dass die Gestapo die losen Bündnisse durchschaute.(51) Altgediente und lernfähige Arbeiterfunktionäre besonders aus den Reihen der KPD stützten diese Formen der Verweigerung, der Resistenz und des Widerstands so unterschiedlicher Frauen, wie Gerda Mans, Alma Müller, Henni Kastens, Bertha Dannat, Maria Bücking-Krüger oder Selma Vöge, Anna Stiegler und Frieda Paul, und Männer wie Heiner Oliver von der Bündischen Jugend, Rudolf Böhme und den Brüdern Rottmann vom SAJ, den Werftarbeitern und KJVD-Mitgliedern Gustav Böhrnsen, Kurt Baumgarte, Georg Gumpert und Lutz Bücking, die eng mit arbeitslosen Kunstschaffenden wie Walter von Perlstein und Edgar Bennert von der KPD kooperierten. Was sie einte, war, der Kampf gegen die Passivität und Niedergeschlagenheit besonders in den einstigen linken Vorreiter-Betrieben. "Das war für uns noch bedrückender als der Terror der Gestapo", schrieb dazu einer von ihnen aus der englischen Kriegsgefangenschaft. Und Heinz Kundel (KPO/SAP) fügte in seiner Rede an die Bremer Arbeiter über den Arbeitersender der BBC am 4. Januar 1945 hinzu: "Um Schluss zu machen, müssen die Arbeiter (sich) wieder ihrer eigenen Kraft bewusst werden. Müssen sich organisieren, müssen solidarisch auch mit den ausländischen Arbeitern sein. Die deutsche Arbeiterschaft ist eine Kraft, wenn sie einig ist und wenn sie weiss, was sie will. Mit jeder politischen Gruppe, die den Sturz Hitlers will, müssen wir zusammenarbeiten. Wir müssen aus der Isolierung, aus der Passivität heraus und handeln. Zwölf Jahre lang unter dem furchtbarsten Naziterror haben wir uns nicht brechen lassen. Jetzt kommt unsere Stunde. Seien wir bereit sie wahr zu nehmen."(52)

"Das war für uns noch bedrückendei als der Terror der Gestapo"

Auch die Bremer SPD erlebte zwei größere Prozesse: ab August 1934 gegen 88 Mitglieder des Reichsbanners, darunter Willi Dehnkamp, und ab November 1934 gegen 47 Genossen, darunter Hermann Osterloh, Anna Stiegler und Richard Boljahn. Gegen die Bremer SPD-, SAP- und ISK-Mitglieder um Hermann Lücke, Martin Meyer, Karl Rottmann und Axel Dehms fand 1938/39 ein Prozess statt, in den die Roten Kämpfer Jan Onasch und Albert Flachmann einbezogen waren.(53)

Einer der größten Bremer Prozesse betraf 1934/35 über 85 Mitglieder des Rotfrontkämpferbundes (RFB-Gau Nordwest), der wegen der Intensität des Widerstands und der aufgefundenen Waffen, Sprengstoffe und Munition nicht nur die Gestapo beunruhigte, sondern auch den Strafsenat des Hansatischen Oberlandesgerichtes in Erstaunen versetzte.(54)

Die Bremer Gestapo blieb auch nach diesen Prozessen verunsichert. So hält der Monatsbericht zur politischen Lage vom 5. August 1935 fest: "Von der KPD bis zum politisierenden Katholizismus und den reaktionären Kreisen ist zunächst einmal die Einheitsfront hergestellt. Diese Einheitsfront richtet sich in fanatischem Haß gegen die nationalsozialistische Bewegung und den Aufbau des Dritten Reiches (...) Die Zahl der Gegner und ihre Kampfesweise darf nicht unterschätzt werden. (...) Sie verstehen es, Unruhen in die Reihen zu tragen". Und diese Unruhe ist aus Sicht der politischen Polizei mit auf die falsche Behandlung der "Judenfrage" zurückzuführen, auf "Ausfälle" und "Fehler" wie z.B. "daß ohne jede Veranlassung ein Jude verprügelt wurde". Und der Bericht fährt fort: "Wenn man andererseits dann beobachtet, daß selbst Parteigenossen noch in Warenhäusern und in jüdischen Geschäften kaufen und damit die Juden finanzieren, dann klingt es geradezu wie ein Hohn, wenn man sehen muß, daß - nur ein Beispiel zu nennen das jüdische Kaufhaus Julius Bamberger von Käufern nahezu überlaufen ist".(55) Noch in dem Lagebericht der Staatspolizeistelle Bremen für den Monat November 1938 stellt die Gestapo mit Verwunderung fest, "daß die aus der Strafhaft entlassenen Marxisten von ihren politischen Freunde herzlich empfangen" werden: "Die Zurückgekehrten werden als Märtyrer bezeichnet, denen man besonders zugetan sein müsse. Wiedersehensfeiern werden mit den Geburtstagsfeiern zusammengelegt. Hierdurch ist es möglich, dass der Zusammenhalt bestimmter Gruppen in legaler Form gewahrt bleibt".(56) Diese Feststellung, die sich auf die SPD und den Reichsbanner bezieht, enthält zugleich den Hinweis, dass die "am 9/10. November (1938) durchgeführte Judenaktion in hiesigen marxistischen Kreisen starken Unwillen hervorgerufen" hat: "Besonders ist dies in den Großbetrieben zum Ausdruck gebracht worden, wo bei jeder sich bietenden Gelegenheit dieses Thema besprochen wird. So wurde u. a. geäußert, dass der heutige Staat jeden verrosteten Nagel sammele und wieder einschmelze, dass es ihm aber bei der Zerschlagung von Schaufensterscheiben, Mobilar und sonstigen toten Gegenständen gar nicht darauf ankomme, ob das Volksvermögen geschädigt werde oder erhalten bleibe. Es sei nicht angängig, dass man auf der einen Seite spare und auf der anderen Seite alles zerschlage".(57)

Nach 1935/36 fanden bis gegen Kriegsende weitere Prozesse gegen Bremer Widerstandskämpfer statt. Jetzt vornehmlich vor dem "Volksgerichtshof" (VGH) in Berlin wegen "Wehrkraftzersetzung", Vorbereitung zum Hochverrat oder Landesverrat, die mit hohen Zuchthausstrafen oder gar dem Todesurteil endeten. So wurden am 4. Juni 1937 der ehemalige Bremer Bezirksleiter der KPD und Reichstagsabgeordnete Robert Stamm wegen des Aufbaus der ersten illegalen Landesleitung der KPD in Berlin zusammen mit Robert Rembte vom 2. Senat unter dem Vorsitzenden Hartmann zum Tode verurteilt. Die spätere Bremer Senatorin Käthe Lübeck-Popall kam mit zwölf Jahren Zuchthaus davon.(58) Am 27. Juni 1939 wurde das Verfahren gegen den Steindrucker Karl Rottmann eingestellt, während Martin Meyer (SAP) ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert wurde und im Mai 1940 acht Jahre Zuchthaus erhielt.(59) Am 16. Juni 1938 wurden der 1915 geborene Karl (Kudi) Fricke und Kurt Böhm mit drei weiteren Mitgliedern der illegal weiter tätigen Bündischen Jugend Bremens vor dem Hanseatischen Sondergericht im Bremer Schwurgerichtssaal wegen der Aufrechterhaltung des verbotenen Zusammenhaltes bündischer Jugendgruppen verurteilt, ohne dass eine Zusammenarbeit mit der Arbeiterjugend nachgewiesen werden konnte.(60) Am 9. Dezember 1943 wurde die kaufmännische Angestellte und Halbjüdin Lilly Karmann als "defaitistische Zersetzungspropagandistin unserer Kriegsfeinde" zum Tode verurteilt. Sie hatte "als Verkäuferin einer Kundin in Bremen, die heiraten wollte, gesagt, es sei schwer jetzt zu heiraten, denn Stalin werde verlangen, daß unsere Männer erst einmal Rußland aufbauen, und wir hier würden nichts zu essen und zu kaufen haben und viele Jahre am Boden liegen. Strafe müsse ja auch sein! Deutschland trage ja auch einen großen Teil Kriegsschuld".(61) Am 25. September 1944 verkündete der 1. Senat des Volksgerichthofes das Todesurteil gegen den Werksschutzmann bei der Weser-Flug AG, Walter Rosik, wegen des Abhörens von "feindlichen Sendern und der Verbreitung von Hetzgedichten".(62) Am 13. Oktober 1944 verurteilte der 2. Senat Leo Drabent und Johannes Neumann wegen Vorbereitung zum Hochverrat (Aufbau von Betriebszellen in Vegesack) zum Tode.(63)


Zur Rolle der Zeitzeugen bei der Aufarbeitung des Widerstands

Zahlreiche Regionalstudien bestätigen: Organisiertes Widerstandshandeln war nach den ersten Erfolgen der NS-Verfolgungsinstanzen wie in Bremen durchaus auch nach 1935 noch möglich. Bis zum Ende des Krieges entstanden immer wieder informelle Zellen. Neue Bündnis-Konstellationen und erste Ansätze zu Einheitsfrontbildungen der Arbeiterparteien gegen den Faschismus waren zu beobachten. Das wird dann besonders deutlich, wenn man neben den Dokumenten der Verfolgungsbehörden die Berichte der Akteure und Zeugen des Widerstands auswertet und als Korrektiv zu dem Aktenmaterial nutzt. Wenn auch die in den Betrieben und Stadtteilen tätigen Widerstandsgruppen nicht stark genug waren, um den NS-Staat wenigstens in einer Region von innen her zu brechen, so vereinte doch der Antifaschismus verschiedene Strömungen auf der Grundlage einer gemeinsamen Gegnerschaft gegen das Herrschaftssystem der Nationalsozialisten. Die Gemeinsamkeit des politischen Kampfes beschränkte sich dabei nicht nur auf einen inhaltlich durchaus unterschiedlich zu verstehenden antifaschistischen Minimalkonsens. Hinter diesem Konsens wurden auch Lernprozesse sichtbar, die es den unterschiedlichen Strömungen der Arbeiterbewegung ermöglichten, nach der Befreiung gemeinsam eine demokratisch-sozialistische Neuordnung zu initiieren. Denn nach der von Teilen der Arbeiterbewegung unterstützten Abwehr frühzeitiger faschistischer Infiltrationsversuche wurden ab 1935 in den größeren Betrieben - u. a. von den aus den Arbeitslagern, Haftanstalten oder Konzentrationslagern entlassenen qualifizierten kommunistischen oder sozialistischen Facharbeitern - Zellen aufgebaut, die den Ausgangspunkt der illegalen Arbeit bildeten und zu Keimzellen der "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus" wurden. Auf jeden Fall gelang es in den Arbeiterhochburgen die in der Endphase Weimars durch die Fraktionskämpfe zerstörten alten Formen solidarischen Handelns unter den erschwerten Bedingungen des Widerstandes wieder zu reaktivieren. Das begünstigte auch außerbetriebliche Gegenwehrstrategien und reduzierte die Anfälligkeit für die Nazi-Ideologie. Zweifelsohne ist das antifaschistische Bewusstsein der Arbeiterbewegung durch solche Entwicklungen gestärkt worden. Denn so konnten neue Ansätze alltäglicher Resistenz gegen die faschistische Unterdrückung entwickelt werden. Gerade unter Berücksichtigung der Alltagserfahrungen im Nationalsozialismus und der Beachtung von Handlungen der Unbeugsamkeit und der Verweigerung gegenüber der NS-Diktatur lassen sich Formen des "lautlosen Aufstandes" beschreiben, die den scheinbaren Gegensatz zwischen der hohen moralischen Leistung der Widerstandskämpfer und dem letztlich politischen Scheitern des Widerstandes erklären helfen. Niederlagen müssen nicht notwendig zur politischen Apathie führen. Wo an sie erinnert werden, wird auch die Erwartung einer Wende wieder wach. Und die Erfahrung der Niederlage erweist sich nicht selten als Möglichkeit, der Resignation und Passivität zu entgehen. Dies gilt historisch gewiss für die Arbeiterbewegung 1933. Auch sie erlitt ja keine totale Niederlage. Schließlich war der antifaschistische Widerstand ein "Verteidigungswerk" (Antonio Gramsci), dessen Ergebnisse noch nicht vollständig eingeholt sind. Dies gilt aber auch für die Niederlagen nach 1945, die der jüngeren Arbeitergeneration nicht als politische Niederlagen bewusst sind, aber doch als biografische Einschränkungen zunehmend spürbar werden.

Es ist zweifelsohne kein Zufall, dass gerade die Oppositionellen aus den Kreisen der Arbeiterbewegung entscheidend am Aufbau der neuen Republiken nach 1945 beteiligt waren, auch wenn diese Leistung in der Restaurationsphase der BRD bald in Vergessenheit geriet. Am 6. November 1981 erinnerte der frühere Betriebsratsvorsitzende der AG Weser Gustav Böhrnsen in einem Gespräch an die Folgen des Verdrängens des Arbeiterwiderstands in der westdeutschen Öffentlichkeit. Böhrnsen war 1942 nach mehrmonatiger Einzelhaft aus dem Zuchthaus Oslebshausen entlassen worden, um im Strafbataillon 999 seinen Wehrdienst anzutreten. Er kam erst 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Bremen zurück. Für das Verdrängen des antifaschistischen Arbeiterwiderstands in der herrschenden westdeutschen Geschichtsschreibung machte Gustav Böhrnsen politische Tabus verantwortlich. Er war als junger Mann von der SAJ über die KPO zum KJVD gegangen. Er hatte gehofft, "mit dieser Organisation endlich den Kampf gegen die Nazis so entschieden führen zu können", wie es seiner Meinung nach nötig war, "um ihren Vormarsch zu stoppen". Gustav Böhrnsen, zur Zeit des Interviews Arbeitsdirektor bei VFW-Focker/Messerschmidt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB/VFW), war seit vielen Jahren ein prominenter Vertreter der bremischen Sozialdemokratie und Nachfolger von Richard Boljahn als Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft. Er stellte 1981 fest: "Heute wird man oft etwas schief angesehen, wenn man zugibt, daß man damals diesen Vereinigungen angehört hat. Aber ich bekenne mich da sehr offen zu. Ich bin immer ein Wanderer gewesen und ein Sucher nach politischen Wahrheiten, soweit es überhaupt politische Wahrheiten gibt (...) Ich bin der Meinung, daß (...) dieser Widerstand dazu beigetragen hat, einen neuen demokratischen Weg nach dem Krieg vorzubereiten. Insofern bin ich stolz darauf, der übrigen Welt ein Bild vermitteln zu können, daß es auch andere Menschen gegeben hat als die, die hinter Hitler herliefen. (...) Dafür haben viele ihr Leben gelassen, viele haben für lange Zeit ihre Freiheit geopfert. Und insofern hat es ich gelohnt auch zu zeigen, daß es nicht nur ein paar Offiziere gegeben hat, die sehr spät in Opposition zu Hitler gingen. Lange davor gab es viele Menschen, die ihr Leben gelassen haben, einfache Leute, die ins Zuchthaus gegangen sind. Und ich zähle mich da auch dazu. Wir wollten eine bessere demokratische Gesellschaftsordnung, weiter gehend als die Vorstellungen der Leute des 20. Juli. Die Zusammenarbeit in den kleinen Gruppen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten war keine Frage von Diskussionen. Sie war eine Frage der Tat. Wir haben uns nicht in fruchtlose Diskussionen über das eventuelle Wie nach dem Ende des Nazi-Reiches eingelassen. Es war eine wirklich gute Zusammenarbeit, soweit wie ich es beurteilen kann aus meiner Gruppe. Ich darf sie als überparteilich bezeichnen. Die Tatsache, daß man heute der Meinung ist, nur den 20. Julifeiern zu dürfen und gleichzeitig von dem Widerstand der Linken, vom linken Flügel der Arbeiterbewegung, nichts mehr hören will, das beunruhigt mich tief Ich kann doch einem Mann, weil er heute noch in der DKP ist, seinen Widerstand gegen dieses Nazi-Regime nicht einfach wegnehmen und sagen, dieser Widerstand hat gar nicht bestanden".(64)

Eine solche Rückerinnerung verband sich für die ältere Generation mit einer glaubhaften Zukunftsperspektive. Gestritten wurde darüber, wie diese Perspektive umzusetzen wäre. Nicht im Ziel, sondern in der Frage nach dem Weg der Arbeiterbewegung zur Eroberung der gesellschaftlichen und politischen Macht bestanden verschiedene Auffassungen. Für alle Flügel der Arbeiterbewegung bestimmte diese Zukunftsperspektive die Erfahrung und das Handeln nach 1945. Diese nach der Niederlage des Faschismus freigesetzte Dominanz der Linken wurde jedoch in Westdeutschland innerhalb von zwei bis drei Jahren zerschlissen. Es handelt sich um ein "Diskontinuitätsphänomen der Zeitgeschichte" (Lutz Niethammer) mit Folgen für die Arbeiterbewegung. Mit der Entscheidung für den Westen waren die sozialistischen Neuordnungsvorstellungen in der BRD endgültig zurückgedrängt worden. Das verschärfte noch einmal die Polarisierung innerhalb der Fraktionen der westdeutschen Arbeiterbewegung. Aus Bundesgenossen und politischen Freunden des Widerstandes wurden wieder "feindliche Brüder".(65)


Fußnoten

(1) Ich stütze mich vornehmlich auf Polizeiberichte, Ermittlungs- und Prozessakten gegen Bremer Antifaschisten, die im Bremer Staatsarchiv und im Bundesarchiv lagern und die ich Anfang der 80er-Jahre im damaligen Zentralen Parteiarchiv des IML einsehen konnte. Weiter auf die Berichte von Henry Oliver, Nazi Jahr 1933-1939. Erinnerungen, London 1985; hrsg. von Jörg Wollenberg: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte! Heft 21/22, Bremen 2008, S. 19-46, und Franz Stapelfeldt: "Mein Verhältnis zur SPD, Bremen 24. Mai 1946 (MS; Privatarchiv Wollenberg); auf zwischen 1979 und 1983 durchgeführte Interviews mit Gustav Böhrnsen, Heinz Kundel, Wilma Landwehr, Udo Meinecke, Martin Meyer, Karl und Hilde Grobe, Frieda und Hermann Prüser, Hermine Berthold, Anni Vogee, Albert Flachmann, Georg Stockmann, Bertha und Lu Dannat, Erwin Heinemann, Wilhelm Blase, Fritz und Frieda Paul, August Hogrefe, Käte Lübeck-Popall, Willi Bethge, Georg Gumpert, Helene Dannat-Warnke, Maria Krüger, Hans Laufenberg, Richard Boljahn, Wilhelm Eildermann, Johann Reiners, Willy Geusendam, Gerda von Perlstein, Willy Dehnkamp, Harry Naujoks, Tilla Hundertmark und Tim Bontjes van Beek. Siehe dazu u. a.: Peter Alheit/Jörg Wollenberg (Hrsg.): Geschichte erzählt. Politische Arbeiterbiographien, Bd. 1: Käthe Popall, Fischerhude 1985; Bd. II: Otto Kraus, Fischerhude 1987, Ein Teil der Biografien (mit Gustav Böhrnsen, Karl und Hilde Grobe, Heinz und Lu Kundel, Udo Meinecke, Hermann und Frieda Prüser) liegt in der Video-Filmreihe "Bremer Arbeiterbiographien" von Ingeborg Gerstner, Heinz-Gerd Hofschen, Wolfgang Jung, Mechthild Müser und Jörg Wollenberg ausführlich dokumentiert vor (Kooperation Universität-Arbeiterkammer, Bremen, 1982ff). Eine Gesamtauswertung wurde verfasst von: Lore Heer-Kleinert/Mechthild Müser/Jörg Wollenberg: Forschungsprojekt Antifaschistischer Widerstand in Bremen 1933-1945. Erste Auswertung der Interviews mit Bremer Arbeiterveteranen, Bremen 1981. Dazu gehört auch der Ausstellungskatalog "Bremen 1933-45. Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede", Bremen 1983. Des weiteren Beiträge des Forschungsteams Lore Kleinert, Mechtild Müser, Dieter Pfliegensdörfer und Jörg Wollenberg in: Zwangsarbeit, Rüstung, Widerstand 1931- 1945, (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, H. 5), Bremen 1982. Siehe außerdem neben zahlreichen Au"ätzen: Jörg Wollenberg u. a.: Die Bremer Arbeiterbewegung in der Endphase der Weimarer Republik, Bremen 1982; dieselben: Von der Krise zum Faschismus". Bremer Arbeiterbewegung 1929-1933, Frankfurt/Main 1983; 8. Mai 1945. Neugeordneter Wiederaufbau oder verhinderte Neuordnung?. Eine Materialsammlung, zusammengestellt von Jörg Wollenberg, Bremen 1985.

(2) Siehe dazu u. a. den lange unterdrückten Bericht von Philipp Scheidemann in: Philipp Scheidemann: Das historische Versagen der SPD, Schriften aus dem Exil, Lüneburg 2002, S.154-160. Dazu ähnlich selbstkritisch das langjährige Vorstandsmitglied der USPD und SPD Wilhelm Dittmann in seinen gleichfalls lange unterdrückten "Erinnerungen", bearb. und eingel. von Jürgen Rojahn, Bd. 3, Frankfurt/ Main u. a. 1995.

(3) Gewerkschafts-Zeitung (GZ) vom 4.2.1933, Deutsche Metallarbeiter-Zeitung (DMZ), 11.2.1933.

(4) Bezirksversammlung des DMV in Bremen-Gröpelingen am 30. Januar 1933, zitiert nach IG Metall Bremen (Hrsg.), IG Metall in Bremen. Die ersten 100 Jahre, Bremen 1991, S.32.

(5) Aufruf an die Mitglieder der Gewerkschaften vom 15.4.1933, in: Gewerkschafts-Zeitung, Berlin 22.4.1933, 43.Jg., Nr.16.

(6) Zum KZ Mißler Jörg Wollenberg: "Seit gestern bei Mißler. Kannst mich denn mal besuchen." Zur Geschichte der frühen Bremer Konzentrationslager Mißler und Ochtumsand 1933/34, in: Bremisches Jahrbuch, 2011, Bd. 70, S.201-243.

(7) Gemeint sind die Sicherheitspolizei (Sipo) und Stadtpolizei, die blaue Uniformröcke trug.

(8) Die eigene Tageszeitung, die Bremer "Arbeiter-Zeitung", war am 2. März 1933 verboten worden. Am 1. März 1933 war der Reichsbannerkamerad Johannes Lücke in Bremen von SA-Leuten erschossen und am 6. März 1933 in der Wandelhalle des Volkshauses in der Nordstraße feierlich aufgebahrt worden. Siehe Bundesarchiv (BArch) RY 1/12/8/49 (Flugblattsammlung der KPD Bezirk Nordwest); zu Lücke: Aufruf der SPD am 4.3.1933: "Ein Märtyrer der Freiheit", Staatsarchiv Bremen (StAB), Flugblattsammlung.

(9) BVZ-Chefredakteur Alfred Faust an den Regierenden Bürgermeister, 13.5.1933, in: StAB, 3-5.1.a, Nr. 277.

(10) Heinrich Buchholz: "Na Lütten?", Bremen 2011, S.53-55, hier S. 55

(11) Siehe Bremer Nachrichten (BN), 2.5.1933.

(12) Ebenda.

(13) Albert Flachmann: Auszüge aus den Erinnerungen, vorgetragen am 1. Mai 1981 im Bremer DGB-Haus, nachgedruckt in Wollenberg u. a., Von der Krise, S.131f.

(14) Siehe u. a. das Rundschreiben des KPD-Bezirks Nord-West vom 18.10.1932 an alle Unterbezirke und Ortsgruppen, StAB, 4,65,II-A-10 b 4.

(15) Siehe StAB, 4.65,II E -11-4; Wollenberg u. a., Von der Krise, S.120-124. Wilhelm Heidorn vom ISK und AfA-Bund aus Hemelingen behielt nach 1945 seinen Exilnamen Werner Hansen und prägte die Gründungsphase der Gewerkschaften in der Britischen Besatzungszone.

(16) Siehe Wollenberg u.a., Von der Krise, 1983, S.95.

(17) Siehe die Polizeiberichte im StAB, u. a. 4,65 II A 4 b 22. Zu den damals noch nicht zu Bremen zählenden Stadtteilen Hastedt, Hemelingen oder Blumenthal siehe die Polizeiakten im Niedersächsischen Landesarchiv - Staatsarchiv Stade -, Rep. 80 P, Nr. 867, Bd.1 und 2; zur SAP 1932: StAB 4,65 II A 10 b 4.

(18) Siehe Wollenberg u.a., Von der Krise, S.88-93, 112-113.

(19) Siehe Jörg Wollenberg: Die AG Weser zwischen Sozialpartnerschaft und Klassenkampf, Bremen 1984; Elisabeth Meyer-Renschhausen: Die Reaktion der Arbeiter auf die Weltwirtschaftskrise am Beispiel der Arbeiter der AG Weser Bremen, Bremen 1976.

(20) Siehe StAB 4.65-IIA.12 a.4.Bd 16.

(21) KPD-Bezirk Nordwest am 26/27.11.1932: StAB 4.65, IIA.12b1.Bd 16a

(22) Siehe dazu die Polizeiberichte im StAB 4.65/327. Siehe auch Arne Andersen: "Lieber im Feuer der Revolution sterben, als auf dem Misthaufen der Demokratie verrecken!". Die KPD in Bremen von 1928 bis 1933: Ein Beitrag zur Bremer Sozialgeschichte, München 1987, S.211f

(23) Siehe Jörg Wollenberg, Vom Auswanderlager zum KZ. Zur Geschichte des Bremer Konzentrationslager Mißler, in: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 5, 1982, S. 85-150, hier S.82-83.

(24) Zit. nach Michael Schneider: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999, S.88, weiter zum ADGB im April/Mai 1933 siehe S.88-106.

(25) Hermann Brill an Herbert Frister am 22.8.1933; zitiert nach Manfred Overesch: Hermann Brill in Thüringen 1895-1946, Bonn 1992, S. 229, 234.

(26) Antje Dertinger, Pfüll, Toni (eigentlich Antonie) in: Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderte. Ein Lexikon, Stuttgart, 1997, 479-481, hier S.479.

(27) Siehe u. a. Heinrich August Winkler: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930-1933, Berlin 1987, S.907-954; Karl Heinz Roth: Facetten des Terrors. Der Geheimdienst der "Deutschen Arbeitsfront" und die Zerstörung der Arbeiterbewegung 1933-1938, Bremen 2000; Willy Albrecht (Hrsg.): Kurt Schumacher. Reden-Schriften-Korrespondenzen 1945-1952, Berlin 1985, S.75-83. Auch dieser Verleugnungskurs bewahrte die Kapitulanten von 1933 nicht vor dem KZ. Im August 1933 wurde Paul Löbe in das KZ Dürgoy bei Breslau eingeliefert. Von der SA verhöhnt und von einer Schalmeienkapelle begleitet, musste er mit einem Strauß von Disteln in der Hand ein Spalier der vor ihm verhafteten Kommunisten und Sozialdemokraten abschreiten. Siehe vorwärts, 2006, Nr. 11, S.42 (mit Foto).

(28) Siehe Scheidemann, Versagen, S.37-38

(29) Ebenda, S.150f. Bleibt anzumerken, dass dieser Selbstbesinnungsprozess des prominenten Sozialdemokraten nach 1945 ungehört blieb. Einige der Repräsentanten des Anpassungskurses trugen nach dem Ende des NS-Regimes mit ihrem Antikommunismus dazu bei, dass die zweite Chance eines Neuanfangs vertan wurde.

(30) ISG Nachlass Kautsky D XII, 661, zitiert nach Eberhard Kolb, Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918-1919, Frankfurt/M. 1978, S. V.

(31) Vgl. dazu als jüngstes Beispiel Bernd Faulenbach: Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2012. Der Vorsitzende der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand geht in dem Band aus Anlass der 150-jährigen Geschichte der SPD mit keiner Zeile auf den 17. Mai 1933 ein. Otto Wels mutige Rede vom 23. März 1933 verdrängt jede Erinnerung an das Versagen des Parteivorstands vom Mai und Juni 1933.

(32) Zit. nach: Manfred Overesch: Hermann Brill. Ein Kämpfer gegen Hitler und Ulbricht, Bonn 1992, S.229.

(33) Zit. nach: ebenda, S.232

(34) Dr. Hermann Brill, Gegen den Strom, Offenbach 1946, S. 15-17, 61-87. Zum Volksfront-Komitee in Buchenwald und zum Buchenwalder Manifest siehe S.88-101. Zu Brill vgl. neben Overesch auch Renate Knigge-Tesche/Peter Reif-Spirek (Hrsg.): Hermann Louis Brill. Widerstandskämpfer und unbeugsamer Demokrat, Wiesbaden 2011, u.a. dort zur Volksfront und zu Neu Beginnen: Jörg Wollenberg S. 77-104

(35) Siehe u.a. Karl-Ernst Moring: Die Sozialdemokratische Partei in Bremen 1890-1914, Hannover 1968, S.69-117; Gerhard Engel: Johann Knief - ein unvollendetes Leben, Berlin 2011, S.94-105

(36) Siehe Gemeinsam begann es 1945. "Der Aufbau" schrieb das erste Kapitel. Originalgetreuer Nachdruck des "Aufbau", Organ der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF). Bremen 1945/46, Frankfurt/Main 1978, Nr. 11, Jan. 1946, S.5-8; Siehe auch Peter Brandt: Antifaschismus und Arbeiterbewegung. Aufbau-Ausprägung-Politik in Bremen 1945/46, Hamburg 1976, S.100-143.

(37) Siehe Ulla Plener: Der feindliche Bruder: Kurt Schumacher. Intentionen-Politik-Ergebnisse 1921 bis 1952. Zum Verhältnis von Sozialdemokraten und anderen Linken aus historischer und aktueller Sicht, Berlin 2003.

(38) Siehe u. a. Hans-Josef Steinberg: Die Haltung der Arbeiterschaft zum NS-Regime, in: Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach (Hrsg.): Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, München 1986, S.868.

(39) Siehe Dieter Pfliegensdörfer: Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede, Bremen 1984, S.304-312.

(40) Siehe Inge Marßolek/René Ott: Bremen im Dritten Reich. Anpassung-Widerstand-Verfolgung, Bremen 1986, S.151.

(41) Dazu Marßolek u.a., 1986, S. 152 und Pfliegendörfer, 1986, S. 287-312.

(42) Siehe StAB, 3-S.1a, Nr. 27; BArch R 58/ 3370, 3717, 3718, FBS 110/ 1920, 2089, 2135. 2257, 2258, 2259, 2318, 2437, 2437, 2568, 2591, 2920, 2921, 2971, 3017, 3090.

(43) Siehe die Akte aus dem StAB, 3-S.1a, Nr. 27.

(44) Siehe Anklageschrift und Ermittlungsakten in der Strafsache vor dem Hanseatischen Oberlandgericht gegen Lührs, Waldheim u. a., BArch FBS 110/ 1920, 2257, 2258, 2259, 2920, 2921; sieh auch Marßolek/Ott: Bremen im Dritten Reich, 1986, S.255-288.

(45) BArch FBS 110/ 2259, Bl. 53.

(46) BArch FBS 110/ 1875.

(47) So nach dem Bericht des zu Einzelhaft verurteilten 18-jährigen Juden Henryk Oliver, den er mir 1983 aus London zustellte (siehe Fußnote 1), der von seinen Mithäftlingen Gustav Böhrnsen und Georg Gumpert schon vorher bestätigt wurde (Zeitzeugenreihe am 6.11.1981 im Bremer Gewerkschaftshaus)

(48) BArch FBS 110/ 2511.

(49) Siehe NJ 1293 und 14117, Bd.1: Prozess "Kleine Arbeiterzeitung", Prozess gegen Lührs, Bücking, Kessler u.a.; NJ 4718 und ST 3/717: Prozess gegen Waldheim u.a.

(50) Zit. nach: Mechtild Müser/Lore Heer-Kleinert: Die "Wahrheitsprozesse" in Bremen 1934, in: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, 1982, H. 5, S.159-212, hier S.160.

(51) Siehe u.a. das Verfahren von 1936/37 gegen die Sozialdemokraten Ziegeldecker, Paschke, Ahrens, Arfmann, Schröder und den Kommunisten Friese in: BArch FBS 110, Seiet 70-75

(52) Siehe Jörg Wollenberg: "Jetzt kommt unsere Stunde". BBC-Rede von Heinz Kundel am 4. Januar 1945, in: Mitteilungen des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Nr. 42, September 2012, S.14-23, Zitat S.17.

(53) BArch FBS 110/2511. Der am 24.3.1949 vom Steindrucker Karl Rottmann eingereichte Antrag auf Wiedergutmachung geht von einer Gruppe von 47 verhafteten Personen aus, von denen 13 mit Rottmann am 7.11.1938 vor dem Volksgerichtshof in Berlin angeklagt worden waren. Es handelt sich um eine Gruppe von Sozialisten und Kommunisten, die mit Böhrnsen, Böhme, Dantz und Meyer am Volksfrontbündnis beteiligt und die 1949 als einstige KPD/KPO-Mitglieder zur SPD gewechselt waren.

(54) FBS 110/ 2089.

(55) BArch R 58/ 3717: Monatsbericht der Polizei vom 5.8.1935.

(56) Ebenda: Lagebericht vom November 1938

(57) Ebenda

(58) Siehe Alheit/Wollenberg, Käthe Popall, S.56-75.

(59) BArch FBS 110/ 2318.

(60) STAB 4,54-E. 1038; vgl. dazu Peter Kuckuk: Das Ende der Bündischen Jugend, Hitlerjugend, Widerständigkeit, Swing-Jugend und "bündische Umtriebe" im "Dritten Reich", in Klaus Auf dem Garten, Peter Kuckuk, Bürgerliche Jugendbewegung in Bremen, 2009 (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens Heft 25/26), S.143-44.

(61) Aus der Urteilsbegründung des 1. Senates des Volksgerichtshofes unter dem Präsidenten Roland Freisler, BArch FBS 110/ 2187.

(62) BArch FBS 110/2198, 2199.

(63) BArch FBS 110/ 2135.

(64) Interview mit Gustav Böhrnsen, 17.9.1979 und 6.11.1981, hier 6.11.1981, S.16. Siehe auch die Video-Filmreihe (Fn.1) zu Gustav Böhrnsen, hier Schluss von Film 3 (1953-1971).

(65) Siehe Ulla Plener: Der feindliche Bruder: Kurt Schumacher. Intentionen-Politik-Ergebnisse 1921 bis 1952. Zum Verhältnis von Sozialdemokraten und anderen Linken aus historischer und aktueller Sicht, Berlin 2003.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Das Bremer Volkshaus

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 179 - Frühjahr 2013, Seite 1 bis 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013