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AUFBAU/204: Denn sie wissen nicht, was zu tun ist


aufbau Nr. 55, November/Dezember 2008
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Denn sie wissen nicht, was zu tun ist

Wirtschaftsforum - Harte Zeiten für die TeilnehmerInnen am World Economic Forum Ende Januar in Davos. Eine andauernde Krise, keine Lösungen und ein eingeschränktes Party-Angebot macht ihnen das Leben sauer.


(gpw) Noch nie verhielten sich die Organisatoren des World Economic Forum in Davos so bedeckt wie dieses Jahr. Auf ihrer offiziellen Webseite finden sich, bis zum Redaktionsschluss, kaum Hinweise auf das diesjährige Programm. Gerade mal das Motto des bevorstehenden Meeting ist bekannt. "Shaping the Post-Crisis World" was übersetzt soviel bedeutet wie "Formen der Welt nach der Krise".

Da kann wenigstens niemand behaupten, diese Herren und Damen seien nicht zukunftsorientiert. Die weltweite Ökonomie schlittert immer schneller in die Rezession, die Börsentitel fallen und fallen, und Firmen müssen von Regierungen gestützt oder übernommen werden. Alle Analysen besagen, dass dies wohl noch eine ganze Weile so weiter gehen wird. Bei vielen Firmen geht es ums nackte Überleben.

Da ist es doch schon ein sehr beruhigendes Gefühl, dass sich Ende Januar im verschneiten Davos die Bosse von Wirtschaft, Industrie und Politik ein paar Gedanken darüber machen, wie unsere Welt nach der Krise geformt werden könnte. Das Ganze soll dieses mal ja auch noch viel disziplinierter ablaufen als in den vergangenen Jahren. WEF-Gründer Schwab will nämlich die exzessiven Partybesuche während des Meetings einschränken. Fast könnte man diese Massnahme als eine Art Boni-Endzug anschauen, was ja im Moment im Trend zu sein scheint.


Träumen VON besseren Zeiten

Ja, das WEF ist doch eine richtige Zukunftsforscher-Werkstatt. Schade nur, dass dabei die Gedanken über die gegenwärtige Situation unter den Tisch fallen. "Wie können wir die Sozialleistungen für die vielen Arbeitslosen, die zweifellos aus dieser Krise resultieren werden, weltweit garantieren und ausbauen"? Wäre dies nicht ein viel angebrachteres Motto dieses Jahr? Warum jetzt schon über die Zeit nach der Krise sprechen? Da könnte einem doch glatt der Verdacht kommen, dass diese gut bezahlten Damen und Herren in der gegebenen Situation gar keine Lösungsansätze haben.

Es scheint fast so, als würden sie die Gegenwart ignorieren und bereits wieder von ihrer Zukunft träumen, von einer Welt, in der so viel Kapital vernichtet wurde, dass Wachstum wieder möglich ist, und sie die fetten Boni abkassieren können. Aber nein, dieser Gedanke geht nun wohl doch zu weit, denn immerhin sind das die Leute, die sich zutrauen, unsere Welt zu formen und auch die Garantie für unser Wohl übernehmen, denn dafür erhalten sie schliesslich auch die hohen Löhne. Oder haben sie es doch nicht so ganz im Griff?

Ein Blick auf die offizielle Webseite des World Economic Forum bringt Erschreckendes zu Tage: unter den Strategie Partners des Forums 2009 wird Merrill Lynch aufgeführt. Merill Lynch? Ist das nicht eines der Finanzimperien, welches das Zeitliche segnete und von der Bank of Amerika übernommen werden musste? Wie kann eine Firma, die es gar nicht mehr gibt ein strategischer Partner des World Economic Forum sein?

Vielleicht sind sie ja paralysiert wie eine Maus vor der Schlange, diese Organisatoren. Nicht mehr fähig, die Webseite den gegebenen Umständen anzupassen. Warten sie ab, was andere Meetings für Lösungsansätze zu Tage fördern, wie dieser kürzlich abgehaltene Gipfel der führenden 20 Industrie- und Schwellenländer? Von dort kommen wohl kreative, aber ebenso unrealistische Vorschläge. "Wir verpflichten uns zu gewährleisten, dass alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure reguliert oder überwacht werden", hiess es dort in der Abschlusserklärung. Aber mal ehrlich, aus der kapitalistischen Sichtweise ist es kaum möglich, dass die EU den Amerikanischen Finanzmarkt überwacht oder umgekehrt. Der Kapitalismus baut schliesslich explizit auf Konkurrenz auf. Deshalb ist sich letztlich jede Firma und jeder Staat selbst der Nächste und wird sich nicht in die Karten schauen lassen.


Gefangen in der eigenen Logik

Von da kommen also auch nicht die brauchbaren Lösungen. Aber was ist mit den PolitikerInnen? Können diese Rezepte liefern? Kaum. Die meisten Parteien, egal in welchem Land, sind eigentliche Handlanger des Kapitals. Die Sozialdemokraten hierzulande geben sich zwar, zusammen mit den Gewerkschaften, grosse Mühe, nach aussen kritisch zu wirken. Sie fordern, dass die Boni zurückbezahlt werden müssen. Das ist ja schön und gut, aber diese Boni sind doch nun wirklich nicht der Grund für die Krise. Und wenn der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen die Krise mobil macht, verkommt das Ganze zu einer Abstimmungskampf-Veranstaltung, unter dem Motto "Schluss mit der Abzockerei - Ja zur AHV".

Die Regierungen sprechen zwar Gelder für Impulsprogramme, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch sind die Geldmengen so klein, dass an einem Tag, an dem es an der Börse wieder mal runter geht, mehr Kapital vernichtet wird. Die Politik bietet also genau so wenig an Lösungsansätzen.

Da könnte man doch fast Erbarmen bekommen, mit all den Managern und Wirtschaftsbossen dort oben in Davos. Gefangen in ihrer eigenen Logik finden sie keinen Ausweg. Da ist es doch nur verständlich, dass man den Kopf in den Sand steckt und von einer besseren Zukunft träumt.


Denn wir wissen, was zu tun ist

Doch was ist mit uns, der arbeitenden Bevölkerung? Uns wird diese Krise bestimmt am härtesten treffen. Mit Arbeitslosigkeit und dem Abbau von sozialen Errungenschaften. Sollen wir unsere Zukunft von den gut betuchten Herren und Damen in Davos formen lassen? Natürlich nicht! Unsere Interessen sind nicht dieselben, wie diejenigen der Kapitalisten. Im Gegenteil! Wir müssen nicht an einem System, welches auf Konkurrenz und Ausbeutung basiert, aufbauen. Die Parole, "Der Kapitalismus hat keine Fehler, er ist der Fehler!" ist treffender denn je. Beginnen wir uns also während dieser Krise die Welt nach unseren Vorstellungen zu formen, mit Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse, denn im Unterschied zu den TeilnemerInnen des WEF haben wir eine Perspektive.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 55, November/Dezember 2008, S. 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2009