Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

AUFBAU/238: Afghanistan im Schengenraum


aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Afghanistan im Schengenraum

EUROGENDFOR - Die EU hat eine Gendarmerie. Diese soll mit sämtlichen Kompetenzen ausgestattet sein und bei sozialen Unruhen im Innern der EU zum Einsatz kommen.


(az) Passt der Bourgeoisie das Resultat einer Volksabstimmung nicht, lässt sie immer wieder abstimmen, bis es passt. Wir sind uns das längst gewohnt. Für die irischen Leute, die den Lissabonner Vertrag im ersten Urnengang entschieden abgelehnt hatten, war es eine neue Erfahrung. Die Bandbreite, eine deutsche Band, verfasste einen Song und schickte ihn nach Irland mit der Bitte: Stimmt Nein für uns. Sie textete kurz und schlüssig:

"Aufstand und Aufruhr darf man niederschiessen,
laut dem Vertrag ist das legales Blutvergiessen.
Wenn irgendwas im Weg des Wirtschaftsinteresses liegt,
stehen ihr alle Wege offen für den Angriffskrieg."

Doch die Propaganda der Gegenseite war massiv, der Vertrag wurde angenommen, jetzt ist er irreversibel und das hat enorme Konsequenzen. Die EU steht für noch unternehmerfreundlichere Gesetzgebung und Gerichte als sie in Europa ohnehin schon gang und gäbe sind. Besonders aber steht sie für Aufrüstung. Das Kriegsbudget der EU wird jährlich erhöht. In einigen Jahren soll die EU eine ernstzunehmende Streitkraft sein, später mit den USA mithalten können: Die wirtschaftliche Kraft, die sie jetzt bereits ist, soll besseren militärischen Rückhalt bekommen. Krieg ist in der EU Programm. Zum Eurocorps, der von europäischen Ländern bestückten Militärtruppe, die in fernen Ländern die Interessen der imperialistischen Bourgeoisie durchsetzen soll, kommt nun die Eurogendfor hinzu. Der Auftrag der Militärpolizei lautet: "Krisenmanagement". Damit zukünftig nicht der französische Soldat oder Polizist auf einen französischen Arbeiter schiessen muss, übernimmt dies ein Kollege aus dem Nachbarland. Den lokalen Polizeieinheiten wird in einem solchen Szenario die Kommandogewalt entzogen.


Flexible Kampftruppen für Ruhe und Ordnung

Im Kontext der Weltwirtschaftskrise und der drohenden Opel-Schliessung waren es vor allem die beiden gescheiterten SPD-WahlkämpferInnen Gesine Schwan und Frank-Walter Steinmeier, welche mit der Bedrohungslage sozialer Unruhen und Arbeitskämpfe hausieren gingen und dadurch - eher unfreiwillig - die gegenwärtige Medienaufmerksamkeit auf eine der radikalsten "Errungenschaften" des Lissabonner Vertrags gelenkt haben. Seit Ende September 2009 häufen sich in den deutschen Medien nun die Berichte, welche die Eurogendfor aus dem Umfeld der illustren Geheim-Organisationen hervorholt und sie als das hinstellt, für das sie konzipiert wurde: eine flexible Kampftruppe für die Aufstandsbekämpfung. Frankreich schlug 2003 ein derartiges Militärpolizeicorps vor, nur ein Jahr später wurde der erste Vertrag unterschrieben. Mit dabei waren Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Holland. Inzwischen ist auch Rumänien hinzugekommen, Tschechien ist ein Partner und die Türkei hat den Status eines beobachtenden Landes. Sie ist ansonsten in der EU nicht uneingeschränkt willkommen, von dieser Abteilung wurde sie aber äusserst wohlwollend empfangen. Schliesslich hat sie gerade in diesen Fragen sehr viel Erfahrung und Know How. wovon die EU gerne profitiert. Nicht mit dabei ist hingegen Deutschland, denn das Grundgesetz verbietet einen Einsatz des Militärs im Innern. Wolfgang Schäuble hat in seiner Zeit als Innenminister alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diesen Missstand zu beheben, erfolglos. Eurogendfor könnte trotzdem eingesetzt werden. Die EU entscheidet, wo diese Polizeitruppe zum Einsatz kommt, das könnte im Extremfall sogar gegen den Willen einer einzelnen Regierung geschehen. Das ist im Falle Deutschlands eher unwahrscheinlich. Hingegen kann es im Falle eines unwillkommenen Regierungswechsels wertvoll sein. Die Eurogendfor ist in Italien stationiert, ihre Kommandanten lösen sich im zweijährigen Turnus ab, jetzt ist ein General der spanischen Guardia Civil im Amt.

"Die bisher gemachten Erfahrungen haben die Notwendigkeit einer Kommandostruktur auf operativer Ebene sichtbar gemacht, damit in Krisengebieten politische/ strategische Führung in Polizeifragen implementiert wird. Die fünf Teilnehmerstaaten haben sich deshalb entschieden, ein dauerhaftes Kommandozentrale einzurichten, das aus einer multinationalen Belegschaft von ungefähr 30 Personen besteht und in Vicenza liegt." (Übersetzung aus dem Englischen)

800 Militärpolizisten können innerhalb von 30 Tagen zusammengezogen und eingesetzt werden, weitere 2300 sind im Bedarfsfall in Reserve. Sofern sie kommen, haben sie das Kommando und sind angehalten, nicht zimperlich zu verfahren. Neben ihrer Hauptaufgabe, der "Wahrung der inneren Sicherheit", sind ihre weiteren möglichen Aufgaben: Monitoring und Beratung lokaler Polizeieinheiten, auch der Kripo. Überwachung, Grenzpolizei und Geheimdienst, Verfolgung und Verhaftung, Ausbildung von Polizeioffizieren und Ausbildern.


Nachzulesen auf: www.eurogendfor.eu


*


Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


*


Quelle:
aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010, Seite 5
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich, Fax 0041-(0)44/240 17 96
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org

aufbau erscheint fünfmal pro Jahr.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
aufbau-Jahresabo: 30 Franken, Förderabo ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009