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AUFBAU/239: Wirtschaftskrise - Der Weg zur Hölle und die guten Vorsätze


aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Der Weg zur Hölle und die guten Vorsätze

PROTEKTIONISMUS - Trotz der guten Vorsätze der kapitalistischen Wirtschaftspolitik, aus der "Grossen Depression" der 1930er Jahre zu lernen, hat die jetzige Krise zu einem steilen Anstieg des Protektionismus geführt.


(gpw) Während in der nordchinesischen Küstenstadt Dalian ein sog. "Sommer-Davos" abgehalten wurde, protestierte der Wirtschaftsminister Chinas gegen die 35%igen Strafzölle Obamas auf Importe chinesischer Autoreifen und drohte mit einer Klage bei der WTO. Diese benimmt sich wie eine Agentur der guten Vorsätze. Die führenden imperialistischen Länder hatten sich nach 1945 vorgenommen, aus den Erfahrungen der 1930er Jahre zu lernen. Damals war wegen einer gewollten protektionistischen Wirtschaftspolitik dieser Länder der Welthandel zusammengebrochen und die Krise verschärft worden, nachdem dieser sich vom Ersten Weltkrieg noch nicht wirklich erholt hatte.

Die WTO sollte also den Welthandel mit Gütern und Dienstleistungen erleichtern, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Im Lauf ihrer Geschichte hat die WTO (früher GATT) mehrere Anläufe unternommen, um multinationale Abkommen und Regeln durchzubringen, die den Welthandel erleichtern sollen. Der vorletzte Anlauf, die sog. Uruguay-Runde (1986-1994), führte noch zu einem Ziel. Es wurde eine Schlichtungsstelle für Handelsstreitigkeiten eingerichtet, die es dem Land, das dort siegreich ist, erlaubt, sein Recht durch Gegenmassnahmen durchzusetzen.

Die letzte Runde wurde 2001 in Doha lanciert und ist bis jetzt gescheitert. Daran änderten auch die jährlichen Bemühungen der Bundesräte Deiss und Leuthard nichts, die wichtigsten Akteure am WEF informell zusammenzubringen, um den Prozess voranzutreiben. Was ist der Grund?


Der Weg zur Hölle

Die chronische Kapitalüberproduktionskrise im Allgemeinen und der gegenwärtige Kriseneinbruch im Speziellen verschärfen die Konkurrenz unter den verschiedenen Kapitalfraktionen. Jede versucht auf Kosten der anderen, die eigene Produktion zu stärken. Die einzelnen Länder setzen rücksichtslos die Interessen ihrer eigenen Banken und grossen Konzerne durch. In der zweiten Jahreshälfte 2008 ist die Zahl der Schlichtungsverfahren um 17%, im 2. Quartal 2009 um weitere 12% gestiegen(1). China klagt gegen die EU wegen Handelshemmnissen gegen seine Stahlprodukte und Indien wegen Behinderungen bei Medizinalprodukten; Deutschland beschwert sich gegen eine Klausel des US Repräsentantenhauses, wonach nur Autos von Ford, Chrysler und GM gekauft werden sollen. In einem 46-seitigen Papier listet WTO-Generaldirektor Pascal Lamy Hunderte von Regierungsmassnahmen aller Mitgliedsländer gegen die Krise auf, wobei der grössere Teil davon klar protektionistischen Charakter hat(2).

Die Farce um den Verkauf von Opel spricht Bände: Mit massiven Subventionen will Deutschland den Konzern an Magna verschachern, um den deutschen Standort möglichst zu retten, bis GM den ganzen Deal wieder rückgängig macht, weil die USA die europäische Technologie braucht. Im Rahmen der Finanzkrise richten die Regierungen die Rettungspakete ganz auf die Interessen der eigenen Geldhäuser aus. Der Angriff auf das Schweizerische Bankgeheimnis ist ein Krieg auf Leben und Tod zwischen den Finanzplätzen und zwischen den Staaten um Steuersubstrat. Der italienische Staat lässt keine Gelegenheit aus, die einmal mehr tölpelhaft agierenden Bundesräte Merz und Leuthard vorzuführen. Die Razzien gegen Schweizer Banken in Italien zeitgleich mit dem Besuch von Leuthard oder der Nichtempfang von Merz durch den italienischen Finanzminister Tremonti in Brüssel sind Beispiele für den Tiefstand der diplomatischen Beziehungen. Dass die Kriege um die Neuaufteilung der Welt Fortsetzung der Handelskriege mit anderen Mitteln sind, versteht sich von selbst.


Instrument des Handelskrieges gegen den Trikont

Die wohlklingenden Vorsätze können nicht verschleiern, dass die WTO seit eh und je vor allem ein Instrument des Handelskrieges der Metropolen gegen die Länder des Trikont war und ist, um deren Rohstoffe billig zu halten oder ihren Export von Landwirtschaftsprodukten zu erschweren. Aber bei aller Zerstrittenheit untereinander sind sie sich einig, die Kosten der Krise auf das Proletariat zu überwälzen. Man hat also hier den mathematisch exakten Nachweis, warum die Kapitalisten, so sehr sie in ihrer Konkurrenz untereinander sich als falsche Brüder bewähren, doch einen wahren Freimaurerbund bilden gegenüber der Gesamtheit der Arbeiterklasse.(3)


Anmerkungen:
(1) Linke Zeitung 22. Oktober 2009
(2) WTO: Press/554, 23 March 2009
(3) Marx, Das Kapital Band III, 208


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010, Seite 6
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Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2009