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AUFBAU/248: Der Jemen - ein Spielball imperialistischer Mächte


aufbau Nr. 60, März/April 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Jemen - ein Spielball imperialistischer Mächte


BÜRGERKRIEG - Der Jemen war aufgrund seiner geografischen Lage immer schon im Visier der imperialistischen Mächte. In der ehemaligen britischen Kolonie mischen die US-Militärs im Bürgerkrieg mit und tragen so zur Destabilisierung des Landes bei.


(rabs) Der Jemen ist nicht erst seit dem missglückten Anschlag auf ein US-Linienflugzeug ein Spielball für die imperialistischen Mächte. Dies dank seiner Lage am Golf von Aden und am Roten Meer, das über den Suezkanal mit dem Mittelmeer verbunden ist. Zwar verfügt das Land nur über ein vergleichsweise kleines Ölvorkommen. Mit seinem Tiefseehafen Aden hat der Jemen aber eine strategische Bedeutung für die Schifffahrt und den Transport der Rohstoffe. Bis 1967 war der Südjemen eine britische Kolonie. Kein Wunder verfolgt Grossbritannien die Machtansprüche der USA in der Region mit wachsendem Misstrauen.

Zwar verfügt Grossbritannien immer noch über die viertstärkste Armee weltweit, doch die Krise nagt auch an den Armeeausgaben. Während die USA auf Kosten der Sozialausgaben locker 4.6 % des Bruttosozialprodukts in das Militär investiert, tut sich die ehemalige Kolonialmacht schon mit 2.3% schwer und kürzt an allen Ecken und Enden. (1) Der Afghanistan-Krieg ist verlustreich, teuer und wird von der britischen Bevölkerung immer mehr abgelehnt, das Empire hat also schlechte Karten für weitere Kriege um die Kontrolle dieser Welt.

Ganz anders die Situation in den USA. Die kürzlich vom Pentagon veröffentlichte militärische Strategie steuert unentwegt auf Kriegskurs. Auch unter Präsident Obama gilt die Bush-Doktrin, wonach die USA zwei Kriege gleichzeitig führen kann und auch führen will. (2) Die Einbindung der um die Einflusssphären konkurrierenden Mächte in diese Kriege dient einzig dazu, mehr eigenen militärischen Spielraum zu gewinnen.

Auch Deutschland mischt kräftig an der Neuaufteilung der Einflusssphären mit, der Jemen macht da keine Ausnahme. 40 Millionen Euro "Entwicklungshilfe" sollen die noch fehlende militärische Schlagkraft aufwiegen. Ungeniert biedert sich der deutsche Aussenminister Westerwelle mit dem Hinweis auf die fehlende Kolonialvergangenheit Deutschlands in der Region dem repressiven und korrupten Regime von Präsident Ali Abdullah Saleh an. Dieser lässt wiederum keinen Zweifel über die Frage der Verwendung der "Hilfsgelder" aus dem Westen offen. Für die Bekämpfung der Armut und des Terrorismus sollen sie verwendet werden. Naiv oder korrupt ist, wer ans erstere glaubt, unbestritten ist sicherlich die Verwendung der Gelder für die Aufrüstung von Armee und Polizei des Regimes im Jemen.


Eine neue Kriegsfront?

Die Eröffnung einer weiteren Kriegsfront im Jemen geht keineswegs auf den erfolglosen Anschlagsversuch auf ein US-Flugzeug vom 24. Dezember zurück. Bereits anfangs Dezember drohte US-Präsident Obama dem Land mit Krieg: "Wir werden beim Einsatz militärischer Macht wendig und präzise sein müssen. Gleichgültig wo al-Qaida und seine Verbündeten versuchen Fuß zu fassen - sei es in Somalia oder im Jemen oder anderswo - müssen sie mit verstärktem Druck und starken Partnerschaften konfrontiert werden." (3)

Eine direkte militärische Intervention erscheint den USA zumindest derzeit als zu riskant. Zumal Präsident Saleh und die Führer der einflussreichen Stämme jegliche militärische Intervervention von Aussen und die damit verbundene Besetzung des Landes entschieden zurück weisen. Die Ende Januar in London durchgeführte Jemen-Konferenz beschränkte sich daher darauf, den Jemen im Kampf gegen den Terror zu unterstützen und mit nicht weiter konkretisierter wirtschaftlicher Hilfe unter die Arme zu greifen.


Der Zweifrontenkrieg des Saleh-Regimes

Die korrupte Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh kämpft an zwei Fronten. Im Norden führen Regierungstruppen einen blutigen Krieg gegen die Houthi-Rebellen. Ihren Namen tragen sie nach dem 2004 ermordeten Führer Hussein Badraddin al-Houthi, dem Bruder des jetzigen Leaders Abdul-Malik al-Houthi. Die Houthis sind Zaiditien, eine Strömung der Schiiten, was ihnen den Vorwurf einträgt, vom Iran unterstützt zu werden. Damit ist aber auch gesagt, dass sie ganz gewiss mit der Al Qaida und deren salfistischen Lehre nichts am Hut haben.

Der Krieg, hat seit 2004 laut Schätzungen des UNHRC rund 175.000 Menschen in die Flucht getrieben. In diesem Krieg mischen die USA mit CIA-Agenten, Angehörigen des Joint Special Operations Command (JSOC) und Killerdrohnen seit langem mit. Kurz vor dem versuchten Anschlag auf das US-Flugzeug griff die saudische Luftwaffe zusammen mit US-Militärs die Houthi-Rebellen an. Auch ohne die Al Qaida gibt es für die Bevölkerung des Nordens also genügend Gründe den US-Imperialismus aufs Blut zu bekämpfen.

Im Süden, der ehemaligen Demokratischen Volksrepublik Jemen, kämpft eine Unabhängigkeitsbewegung für die Loslösung vom islamistischen Norden des Landes. Ausgelöst wurde die Bewegung durch den Protest ehemaliger SoldatInnen, die nach dem Bürgerkrieg von 1994 aus der Armee ausgeschlossen und ihrer Pensionen beraubt wurden. Das Regime reagiert mit äusserster Härte gegen diese Bewegung. Demonstrationen werden niedergeschossen, Zeitungen geschlossen und kritische Journalisten verhaftet und gefoltert.

Zu guter Letzt erstarkt auch noch die jemenitische Al Quaida, die sich die Wirren und die bittere Armut des Landes zu Nutzen macht und Terrain gewinnt. Am 17. und 24. Dezember 2009 führte die jemenitische Luftwaffe mit aktiver Unterstützung von US-Drohnen Bombenangriffe auf angebliche Stützpunkte der Al-Qaida durch, bei denen je nach Quelle bis zu 64 Menschen getötet wurden. Wie bei diesen barbarischen Akten üblich, handelte es sich zum grossen Teil um ZivilistInnen.


Der fromme Wunsch nach politischen und sozialen Reformen

Die von den imperialistischen Mächten in dieser desolaten Situation geforderten politischen und sozialen Reformen sind letztlich nur dazu da, die massive militärische Aufrüstung des Regimes zu legitimieren. Sie sind aber auch gefährlich, könnten sie doch auch im Land den Eindruck erwecken, Präsident Saleh sei lediglich ein Lakai dieser Mächte. Eine gefährliche Einschätzung für einen Mann, den bösen Zungen längst als den "Bürgermeister von Sanaa" bezeichnen. Aber das ist vielleicht durchaus gewollt und dient der Vorbereitung einer direkten militärischen Aggression gegen den Jemen.


Anmerkungen:
(1) Die britische Armee muss sparen, NZZ 4.2.10
(2) Strategischer Ausblick der Weltmacht USA, NZZ 5.2.10 (3) Rede des US-Präsidenten Barack Obama in der Militär-Akademie West Point
(4) Jemens Staatschef spielt ein gefährliches Spiel, NZZ 17.01.10


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Redaktion

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Quelle:
aufbau Nr. 60, März/April 2010, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2010