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AUFBAU/279: Die G20 und ein weiterer hilfloser Versuch der Krisenbewältigung


aufbau Nr. 63, Dezember/Januar 2010/11
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Die G20 und ein weiterer hilfloser Versuch der Krisenbewältigung

BASEL III - Streit über Währungspolitik, Streit über Exportbeschränkungen, Streit über Zölle - der Gipfel der 20 mächtigsten Volkswirtschaften in Seoul brachte den Kapitalisten nicht viel Erbauliches ein.


(rabs) Wenn sich mitten im Anrollen der zweiten Krisenwelle die mächtigsten Staatschefs treffen, um in einer Art selbsternannter Weltregierung Antworten auf diese Krise zu finden, braucht es Resultate. Sonst gäben die Herrschenden zu, dass die Krise tiefer sitzt als ihnen lieb ist. Als ebensolche propagandistische Blendgranate hat sich die formelle Einigung auf das sogenannte "Basel III-Abkommen" angeboten. Angeboten einerseits, weil das Abkommen in seiner Umsetzung recht unverbindlich ist, andererseits weil die versprochene Zähmung der Gross-Banken die keynesianistischen Utopien breiter Bevölkerungsteile bedient.


Finanzkrise? - Krise des Kapitalismus!

Diese Losung bestimmte als analytisches Kampagnen-Dach unsere letztjährige Praxis.(1) Für das Verständnis von Basel III aus marxistischer Perspektive ist es durchaus hilfreich, nochmals kurz auf diesen Punkt zurück zu kommen. Sein ökonomischer Kern besteht in der Bestimmung der spezifischen Aufgabe der Banken innerhalb der allgemeinen kapitalistischen Produktionsweise: Es ist nicht das Wesen der Banken, den Managern als Vehikel zur Anhäufung von Boni-Zahlungen zu dienen, wie es uns die Sozialdemokratie verkaufen will. Die ureigene Aufgabe der Banken ist es stattdessen, als "Schmiermittel" der Mehrwertproduktion dafür zu sorgen, dass das Kapital innert kürzester Zeit dort ist, wo es am rentabelsten verwertet werden kann. Das Problem ist nun, dass es seit bald vierzig Jahren zu wenig solcher rentabler Orte gibt, oder richtiger, zu viel anlagesuchendes Kapital. Das überproduzierte Kapital wird also entweder durch Krieg und Luxuskonsumtion vernichtet, oder es versucht sich im Spielcasino zu vermehren (Derivaten-Geschäfte etc.). Kollabiert dieses Spielcasino, kommt es zu einer Schockreaktion und das Schmiermittel wird aus dem Getriebe abgezogen. Kapital steht kurzfristig nicht mal mehr dort zur Verfügung, wo es gebraucht würde. Bürgerliche Ökonomen nennen diesen Schock die "Rückwirkung auf die Realwirtschaft" und wollen dabei vergessen, dass die Ursache nicht in der Konstruktion des Spielcasinos liegt, sondern in der Konstruktion der Produktionsweise, welche durch Kapitalüberproduktion ebenso zwingend Blasen aufbläht, wie diese stets wieder vernichtet.


Basel III - Placebo fürs Kapital

Schon seit dem Beginn der Kapitalüberproduktions-Krise anfangs der 70er Jahre beschäftigt die in Basel ansässige Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, siehe Kasten unten) einen so genannten Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS). Dessen Aufgabe ist es - um bei der bildlichen Sprache zu bleiben Hausregeln für die internationalen Akteure im Spielcasino aufzustellen. Das Ziel ist dabei mitnichten das Begrenzen des Wettvolumens (was, wie wir oben gesehen haben, ohnehin utopisch wäre), sondern das Abfedern der Schockwirkung beim Platzen der Wettsphäre. Auch dieses Ziel ist ein frommer Wunsch, da der einzige gangbare Weg dazu in der weiteren Konzentration des Kapitals liegt, was kommende Crashs umso verheerender macht.

Die bisherigen Regelwerke des BCBS zeichnen sich auf der Erscheinungsebene vor allem durch zweierlei Dinge aus: Durch ihren minimalistischen Ansatz sowie durch ihre Unverbindlichkeit. So liegt eine der wichtigsten Bestimmungen des aktuell verabschiedeten Basel-III-Abkommen darin, dass international tätige Finanzhäuser vom Volumen ihrer verliehenen risikobehafteten Kredite, ganze 7% tatsächlich selber in sicheren Werten besitzen müssen.(2) Diese moderaten Regeln bis 2018 (!) umzusetzen, beschloss nun, nach längerer Konsultationsphase, formell der G20-Gipfel Mitte November. Allerdings sind das nur Empfehlungen. Die Umsetzung liegt an den einzelnen nationalen Bankenaufsichten (für die Schweiz etwa die Finma, welche aber bereits strengere Standards anwendet). Es bleibt also fraglich, ob sich beispielsweise die USA dieser Empfehlung annehmen, haben diese doch den Vorgänger Basel II nie umgesetzt.(3)

Mit diesen beiden Merkmalen aber wird die Selbstberuhigung des Finanzmarktes (ähnlich wie beim sogenannten Stress-Test) zur Hauptaufgabe von Basel-III: Gegen innen wie aussen soll der Eindruck erweckt werden, die Banken hätten aus dem Schlamassel gelernt und wären jetzt stärker als je zuvor.



Kasten:

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

Der BIZ sind die Zentralbanken von 56 Ländern angeschlossen, für die sie folgende drei Aufgaben übernimmt:

1. Vermögensverwalterin
Die Nationalbanken legen einen Teil ihres Vermögens in Basel an. Mit einem Verwaltungsvolumen von gut 300 Milliarden Euro realisiert die BIZ-Investment-Abteilung Milliarden-Gewinne - steuerfrei, versteht sich.

2. Treuhänderfunktion
Will ein Land vom anderen Geld kaufen oder leihen, hilft die BIZ bei der Abwicklung.

3. Beratung und Analyse
Da den BIZ-Bankern die umfassendsten Statistiken zur Verfügung stehen, sollen sie in der Lage sein, Spannungen am Finanzmarkt frühzeitig zu erkennen und andere Instanzen im Umgang zu beraten.

Anders als die Bretton-Woods-Institutionen (WTO, IMF, Weltbank) ist in ihr die europäische Fraktion dominant. Im Dunstkreis der BIZ sind zahlreiche neoliberale Think Tanks und Lobbyvereinigungen angesiedelt, wie etwa die hochkarätig besetzte Per Jaccobson Foundation. Eine historische "Spezialität" der BIZ ist ausserdem ihre herausragende Stellung in der Abwicklung von Geschäftsbeziehungen zwischen Hitler-Deutschland und den Alliierten.


Anmerkungen:

(1) Siehe dazu u. A. den Schwerpunktteil "Krisenanalyse" des aufbau 59.

(2) Das heisst als vereinfachtes Rechenbeispiel: Wenn Person P bei der Bank A 100 Fr. leiht, dann geht die Bank A zur Bank B, wo sie (zu niedrigeren Zinsen als sie von P verlangt) die 100 Fr. leiht, die sie dann an P weiter verleiht. Für den Fall, dass P die 100 Fr. nicht zurück bezahlen kann, muss Bank 7 Fr. im Tresor haben, die sie der Bank B anstatt der 100 Fr. zurückzahlen kann. Wenn genügend Ps zeitgleich Konkurs gehen, gehen also wie in der aktuellen Krise Bank A und Bank B ebenfalls Konkurs, wenn ihnen nicht der Staat die fehlenden 93 Fr. zahlt.

(3) Risikomanagement und Finanzmarktregulierung vom 13.9.10, www.rmrg.de


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend (agj)


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Quelle:
aufbau Nr. 63, Dezember/Januar 2010/11, Seite 13
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Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011