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AUFBAU/453: Aufbauen statt auswandern - Interview in Rojava


aufbau Nr. 84, märz/april 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Aufbauen statt Auswandern


INTERVIEW In Rojava gibt es eine Initiative der SYPG (Organisation für die Union und Unterstützung der Völker), welche Flüchtlinge dazu aufruft, zurück zu kehren oder erst gar nicht zu flüchten, sondern sich am Aufbau einer neuen Gesellschaft zu beteiligen. Hier ein stark gekürztes Interview mit den Initianten. Das komplette Interview wird in einer Broschüre auf den 1. Mai 2016 erscheinen.


aufbau: Könnt ihr uns bitte vorweg was zu eurer Organisation, SYPG sagen, wer seid ihr, seid wann gibt es euch, was ist euer Ziel und so weiter?

SYPG: Die SYPG ist im Kampf für Revolution, Freiheit, dem sozialistischen Kampf für die Einheit der Völker und um die Solidarität zu vergrössern in der Rojava-Revolution entstanden. Rojava ist ein revolutionärer Ort der unterdrückten Völker. Unsere politische Devise lautet "Diese Revolution ist unsere Revolution". Organisationen, welche diese Losung mittragen, wollen die Revolution weiterbringen und sich daran beteiligen. Die MLKP KommunistInnen, die fortschrittlichen und revolutionären Kräfte im Nahen Osten, die InternationalistInnen, die Rojava unterstützen, wollen diesen historischen Kampf gemeinsam unterstützen.

Für die SYPG gibt es einerseits einen internationalistischen Kampf, andererseits auch einen im Nahen Osten und in Kurdistan. Aus unserem Gründungstext zitiert "... um den Weg in die Freiheit der unterdrückten Völker schrittweise zu vergrössern; es gehört zur Aufgabe aller hier bestehenden Völker, sich vorzubereiten und von Anfang an für eine revolutionäre Veränderung im Nahen Osten einzustehen. Wir stehen ein für die Selbstbestimmung der Völker, Unterdrückten, Frauen, Natur, Arbeit, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit im Nahen Osten. Wir wollen so eine neue freiheitliche Gesellschaft im Nahen Osten gründen und ein Leben in Würde ermöglichen. Im jetzigen Geschichtsvorgang rufen wir uns, den Unterdrückten und nahöstlichen Völkern, zu "um den freiheitlichen Garten der Völker zu schaffen, den Kampf zu verstärken!". Das ist ein unausweichlicher Kampf und im Vergleich zur Vergangenheit eine mögliche Realität."

SYPG wurde im vergangenen Jahr am 16. Oktober im Kanton Cizre in Rojava ausgerufen. Die teilnehmenden GenossInnen wollen eine verstärkte Rolle in der Unterstützung und dem Aufbau der Rojava Revolution spielen.

Eine historische Verantwortung ist durch die Rojava-Revolution und unsere subjektive praktische Fortschrittlichkeit entstanden. Um in der politischen und gesellschaftlichen Revolution entstandene Probleme effizienter zu begegnen haben wir die SYPG gegründet.


aufbau: Ihr ruft die Flüchtlinge auf, wieder zurück zu kommen, um beim Aufbau von Rojava mitzuhelfen. Wie sieht das genau aus?

SYPG: Wir sind eine Teilorganisation von TEV-DEM (Bewegung für eine demokratische Gesellschaft) und wir sind auch Teil der Exekutive. Wir sehen uns für diese Revolution mitverantwortlich - für Erfolge sowie auch für Rückschläge. In unseren Sitzungen in der TEV-DEM erkennen wir einerseits das Problem, dass viele Leute aus dem Kriegsgebiet flüchten, und andererseits wollen wir herausfinden, was wir dagegen tun können. Es gehört zur konterrevolutionären Politik und Ideologie, Menschen anzugreifen und in die Flucht zu treiben.

Unsere Organisation hat gegen diese konterrevolutionären Angriffe den Kampf begonnen. Europa, oder eher das kapitalistische System, gibt den Unterdrückten eine falsche Hoffnung. Gegen diese falsche Hoffnung wollen wir mit der Kampagne "EZ NAÇIM!" (Ich gehe nicht!) kämpfen, weil wir mit den Menschen ein revolutionäres Bewusstsein bilden wollen. Wir haben uns entschieden, mit unserer langjährigen Erfahrung, die wir im Kampf gegen die Konterrevolution gewonnen haben, Teil dieses Kampfes zu sein.

Im Nahen Osten ist Revolution gleichzusetzen mit Rojava. Wer unsere Revolution erfolglos angreift wird weitere Wege suchen uns anzugreifen. Hinter diesem Angriffskonzept steht die Türkei, lokale und internationale imperialistische Staaten und die KDP (Demokratische Partei Kurdistan, angeführt von Barzani) aus Südkurdistan mit ihren Verbündeten in Rojava.

Unser oberstes Ziel ist, den Menschen, die in Rojava leben, Hoffnung, Freiheit, das Leben mit Würde und die Bedeutung der Revolution zu vermitteln. Deswegen rufen wir diejenigen, die gegangen sind auf, zurück zu kommen. Die Freiheit und die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, nehmen zu. Die Flüchtenden sollen auf ihrem Weg nicht sterben müssen. Sie sollen aber auch nicht ein Leben als Unterdrückte weiterleben müssen. Hier gibt es immer noch die Möglichkeit als freie Menschen zu leben. Zudem wollen wir aber klar sagen, dass die tragischen Unfälle auf der Flucht die Wahrheit nicht überdecken sollen. Was diese Menschen auf der Flucht erleben ist ein Massaker. Und die Mörder sind nicht Menschenhändler sondern die internationalen und lokalen imperialistischen Staaten.


aufbau: Wie kann euch die internationalistische Linke unterstützen?

SYPG: In erster Linie müssen die Originalität und die Eigenschaften, das heisst, die ideologische Dimension, der Revolution in Rojava richtig verstanden werden, um sich auf sie beziehen zu können. Wenn der politische und ideologische Charakter der Revolution nicht richtig begriffen wird, wird die gegenseitige Beziehung schwach.

Die Revolution ist antikapitalistisch, gegen Besetzungsmächte, antiimperialistisch, antikolonialistisch. Wenn all diese Eigenschaften richtig verstanden werden, kann ein besseres Solidaritätsnetzwerk geschaffen werden. Die Aufklärung über die Rojava-Revolution hat einen grossen politischen und ideologischen Wert. Dies ist wichtig für Rojava selbst, wie auch für alle Unterdrückten bei euch. Weil der imperialistische Kapitalismus die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten in Europa weiter angreift und sie ausbeutet.

In diesem Zusammenhang kann über die Revolution mit vielen sozialen Aktivitäten informiert werden, Agitation und Propaganda, Demonstrationen und Versammlungen können dafür genutzt werden. Es muss dagegen gekämpft werden, dass die Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte benutzt werden und sie in den Meeren getötet werden

Lokale regionale, temporäre und permanente Büros können gegründet werden. Dadurch kann man mit der Rojava Revolution dauerhaftere und dynamischere Beziehungen herstellen.

Insbesondere sollte hier die medizinische Versorgung menschlich wie auch materiell, also technisch unterstützt werden. Die Politik, die die Unterdrückten in Westler und Ostler, in Christen und Moslems getrennt hat, schwächt den Kampf für Freiheit, Revolution und Sozialismus. Die grösste Unterstützung in Europa für die Rojava-Revolution liegt darin, die heuchlerische Politik der eigenen bürgerlichen Staaten blosszustellen und zu bekämpfen. Für alle Probleme, die mit Migration zusammenhängen, sind die bürgerlichen, europäischen Staaten verantwortlich. Die Arbeiterinnen und Unterdrückten in Europa sollen ihre Wut gegen die Bourgeoisie richten.

Es existiert ein jahrelanges Embargo gegen Rojava, das Embargo ist ein Teil der Zerstörungspolitik des Imperialismus. Die Aufhebung des Embargos bleibt ein wichtiger Punkt in der Revolution. In Europa können Kampagnen zur Anerkennung Rojavas lanciert werden. Auch gegen die Politik der Europäischen Staaten repressiv gegen die InternationalistInnen, welche die Rojava Revolution unterstützt und verteidigt haben, vorzugehen, muss bekämpft werden. In solchen Fällen muss äusserst aktiv und solidarisch vorgegangen werden.

Die Flüchtlingsfrage wird nicht als Folge der kapitalistischen Krise und der imperialistischen Kriegspolitik vermittelt sondern als ein Problem des IS, oder falscher Politik in Afrika dargestellt. Die politische Krise in Europa hat in der Flüchtlingsfrage u.a. zur Folge, dass die bereits bestehende Verstärkung reaktionärer Kräfte sich sichtbar verschärft.

Der IS ist eine Kraft, die dem Kapitalismus dient, sie vertreten alle reaktionären Elemente der Geschichte. Die blutsaugenden Kapitalisten umschlingen unsere Welt wie eine Krake und nutzen die Unterdrückten bis aufs Knochenmark aus. Sie versuchen, mit der Demagogie von Freiheit, Gleichheit und Demokratie ihre eigene Krise zu überdecken. Der Nationalismus ist nur reaktionäre Politik um die wahre Ursache des Problems zu verbergen. Mit dieser reaktionären Politik betäuben und vergiften sie das Bewusstsein der Unterdrückten. Die Polarisation die in der Frage erwähnt wird, ist reaktionär. Die richtige Polarisation sollte zwischen Kapitalisten und Unterdrückten, zwischen Faschisten und AntifaschistInnen und zwischen Imperialisten und AntiimperialistInnen sein.

Die Vorstellungen, die die Bevölkerung Afrikas und des Nahen Ostens als rückständig, unwissend, primitiv usw. darstellen, müssen mit aller Härte abgelehnt werden. Wir erwarten, dass die Unterdrückten Europas mehr mit ihrem Herzen, ihrem Bewusstsein und in ihrem Handeln auf unserer Seite sind. SYPG ist für alle eine Adresse, welche mit der Revolution in Rojava eine stärkere Beziehung aufbauen wollen. Wir grüssen euch im Namen der SYPG aus dem Land der Revolution und wünschen euch viel Erfolg bei eurem Kampf!

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 84, märz/april 2016, Seite 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
Abo Inland: 30 Franken, Abo Ausland: 30 Euro,
Solidaritätsabo: ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2016

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