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DAS BLÄTTCHEN/1084: Rede von einem Verlust


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
14. Jahrgang | Nummer 6 | 21. März 2011

Rede von einem Verlust

Von Heinz Jakubowski


Wir trauern um

Wolfgang Sabath
(* 28. März 1937 in Berlin, † 6. März 2011 in Berlin)

Wolfgang Sabath entstammt einer Familie sozialdemokratischer Gewerkschafter. 1959 trat er ein Studium der Volkswirtschaft an der Berliner Humboldt-Universität an. Von 1963 an arbeitete er als Redakteur bei der Wochenzeitung Forum ("Zeitung für geistige Probleme der Jugend"), ab 1977 bei der kulturpolitischen Wochenzeitung Sonntag, nach 1990 war er Redakteur bei der daraus hervorgegangenen Ost-West-Wochenzeitung Freitag. In dieser Zeit waren Beiträge von Wolfgang Sabath auch in der Wochenzeitschrift Die Weltbühne zu finden.
Neben seinem Wirken als Autor und Redakteur des Blättchens hat Wolfgang Sabath regelmäßig auch Kolumnen für die Berliner Straßenzeitung Straßenfeger ("Schnittstelle") sowie für die gesellschaftswissenschaftliche Zeitschrift Utopie kreativ ("Festplatte") satirisch-ironische Kommentare zu tagespolitischen Ereignissen verfasst. Zudem veröffentlichte er Artikel in verschiedenen Tageszeitungen sowie die Bücher: "Als Ossi in Amerika", "Gregor Gysi", "Stefan Heym" (gemeinsam mit Regina General), "Peanuts aus Halle" (gemeinsam mit Peter F. Müller), "Das Pissoir und Zehn Jahre gegen den Wind, Blättchen-Texte 1997 - 2007".
Wolfgang Sabath hinterlässt fünf Kinder und drei Enkel.


"Paul Oswald ist zurück", hieß es im Probeheft des Blättchens; damals verlegenheitshalber noch mit zierlichem Schriftzug auf dem Umschlag versehen und noch unvollkommener als heute; jawohl, das ist möglich! Wie es eben ist, wenn man ohne Zeit und Geld, dafür aber mit Lust und Leidenschaft daran geht, eine Zeitschrift zu gründen, die in der Landschaft zu fehlen schien - gottlob nicht nur den Akteuren. Die Freude an Paul Oswalds Mittun war wohlbegründet. Wolfgang Sabath, von dessen Zweitnamen die Rede ist, hat sowohl Denkungsart als auch Feder, die jedem Druckwerk, dessen Macher sich - weitgefasst - als Linke verstehen, gut zu Gesicht stehen: anregend und streitbar; wunderbar zu lesen sowieso.

Und so war Wolfgang dabei, als nach der Nullnummer vom Dezember 1997 wenige Wochen später am Heft 1 gebastelt wurde. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn in Pankow saßen fünf Leutchen mit den Einzelblättern jenes Heftes stundenlang an einem runden Tisch, sortierten, falteten und legten die Seiten so zusammen, dass Jörn Schütrumpf, Begründer und Herausgeber des Heftes, sie dann an der Maschine der Druckerei falzen und klammern konnte; eine Maßnahme zur Kostenersparnis, die schon ab der Nummer 2 beim Mehrfachen der zaghaft bemessenen Startauflage nicht mehr praktikabel war. Bald schon standen aber dann regelmäßig Sabaths Texte im Heft. Und wie allseits erwartet: Sie zu lesen, machte Spaß, wenn auch nicht unbedingt jenen, die er textlich mit gewöhnlich ätzendem Spott bedachte. Indes: Wolfgang war alles andere als ein Zyniker, dem Häme als Perspektive seiner Weltenschau Genüge tat. Dafür war er - im wahrsten Sinne des Wortes allzeit - viel zu gradlinig; eine jener menschlichen Eigenschaften, die nominell hoch im Kurs stehen, real aber erheblich seltener anzutreffen sind. Sabath vermochte eine Menge über eben jene Ehrlichkeit zu veranschaulichen, die hier gemeint ist. Zu hören, was jemand ohne taktisches Kalkül denkt, ist schließlich - spätestens, wenn man der Gegenstand solcher Aussagen ist - nicht immer nur angenehm. Das haben auch all jene erfahren, die vergeblich versucht hatten, Wolfgang Sabath für die Mutter aller Siege, die Partei der Arbeiterklasse, zu gewinnen oder ihm mit ihr zu drohen. Wolfgang Sabath blieb draußen - und war wohl dennoch ein sehr viel besserer, weil ehrlicher Mitstreiter als sehr viele derer, die das Parteibuch vorzugsweise als Vorzeigegewissen mit sich führten.

Mit Offenheit, wie Sabath sie praktizierte, ist ein unschätzbarer Vorzug verbunden: man weiß, woran man ist; so oft kommt das nicht vor. Wer empfindlich ist, wünscht sich Leute wie ihn gelegentlich zum Teufel. Aber wer zugleich auch zu schätzen weiß, sich an jemand anderem zu reiben, wenn dieser nur klug genug ist, auf dass sich solche Reibung lohnt, der möchte irgendwann einen solchen Wetzstein nicht missen.

Wolfgang konnte - was so selbstverständlich klingt, dies aber überhaupt nicht ist - sich als Autor in einer wunderbaren Sprache klar ausdrücken, unprätentiös ohne Originalitätshascherei, und trotzdem originell. Ironie, ohne die es bei ihm kaum abging, ohne sich je darauf zu reduzieren, wusste er dabei als feine Klinge ebenso einzusetzen wie als Ätznatron mit Tiefenwirkung. Nun ja, und wenn Wolfgang mit seinen geliebten Granteleien mal offenkundig danebenlag, dann rollte man halt die Augen und verstummte besser. Man war dann chancenlos, weil der auch sich selbst nicht ausnehmende Ironiker "bekennender Verteidiger und Pfleger seiner Vorurteile" war.

Ohne Wolfgang Sabath wäre das Blättchen nicht nur um einen geistvollen und streitbaren Autoren ärmer gewesen. Ohne ihn hätte es eine ganze Reihe von Autoren nicht gegeben, die er für die so verlockend honorarfreie Mitarbeit gewonnen hat und mit denen er eine ansonsten eher vernachlässigte Kontaktpflege betrieb. Ohne ihn hätte es in der ohnehin höchst unorthodoxen Redaktionspraxis nicht den profunden Überblick über Gedrucktes und Ungedrucktes gegeben. Ohne ihn hätte es deutlich weniger von produktivem redaktionellen Streit gegeben, ohne ihn aber auch nicht jenes fast blinde Zu- und Vertrauen zueinander, das uns so reibungslos und in allem Wichtigen fast naturwüchsig im Einverständnis sah. Und das galt, auch wenn die dreiköpfige Redaktion des gedruckten Heftes in Alter und beruflicher Biografie etliches an Verschiedenheiten aufzuweisen hatte. Ohne ihn, ach ja, ohne ihn ...

Zumal, ohne Wolfgang Sabath wäre das Blättchen nach der Einstellung seiner gedruckten Existenz bereits Geschichte. Seine Liebe zu dieser kleinen Zeitschrift, die - was nicht so schrecklich viele andere von sich sagen können - wirklich unabhängigen Journalismus betreibt, hat ihn Ende 2009 sogar über den Schatten seiner mangelnden IT-Kenntnisse springen und sich auf eine Online-Variante einlassen können, wie diese in nun zweiter Fassung hier vorliegt.

"Es nutzt zwar nichts, macht aber Spaß" hatte mir Wolfgang als Widmung in jenes Bändchen geschrieben, in dem seine Blättchen-Texte der Jahre 1997 bis 2007, dem Jahr seines 70. Geburtstages, versammelt sind. Gewiss: Der Nutzen dieser Publikation ist überschaubar, mindestens aber schwer messbar; Illusionen oder gar hochfliegende Ambitionen haben wir diesbezüglich nie gehabt, bis heute nicht. Dass der Nutzen aber doch über dem Null-Punkt der Interessensskala liegt, haben wir nicht zuletzt der großen Zahl des Bedauerns über das seinerzeitige Print-Ende entnehmen können und aus den damaligen Wünschen, es doch wenigstens online zu versuchen. Dass dieser Wunsch erfüllt wurde, ist - neben der erforderlichen technischen Hilfe, die wir dafür erhalten haben - Wolfgang Sabath zu danken.

Nun hat die Redaktion des Blättchens also ihren Doyen verloren, ich selbst jemanden, der mir in den vergangenen 14 Jahren zum Freund geworden ist.
Salut, Wolfgang! Wir werden uns Mühe geben, Dich nicht zu enttäuschen. Denn ein bisschen nutzt das Blättchen ja vielleicht doch ...


Einige Worte des Gedenkens von Autoren des Blättchens sowie Texte von Wolfgang Sabath sind am Ende dieser Ausgabe versammelt.


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Quelle:
Das Blättchen Nr. 6/2011 vom 21. März, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 14. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski
... und der Freundeskreis des Blättchens
Verantwortlich: Wolfgang Schwarz
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Fax: 030 . 70 71 67 25
Redaktion: Margit van Ham, Wolfgang Brauer, Alfons Markuske
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Internet: www.Das-Blaettchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2011