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DAS BLÄTTCHEN/1766: Bitcoins statt Tulpen


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
21. Jahrgang | Nummer 3 | 29. Januar 2018

Bitcoins statt Tulpen

von Ulrich Busch


Ein Ergebnis der großen Finanzkrise von 2008 sowie der umfassenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist das Aufkommen digitaler Währungen wie Bitcoin, Ether, Ripple und Litecoin. Insgesamt gibt es rund 13.000 davon, wobei die Bezeichnungen, je nachdem, wie die Begriffe Geld, Währung, Money, Currency, Cash mit Attributen wie digital, virtuell, cyber oder krypto kombiniert werden, variieren. Ende 2017 belief sich ihr Marktwert insgesamt auf 750 Milliarden US-Dollar. Ein Drittel davon entfiel auf die bekannteste Variante, die Krypto-Währung Bitcoin.

In Fachkreisen ist man sich nicht darüber einig, worum es sich hierbei eigentlich handelt, um eine Art von Geld oder um ein nichtmonetäres Asset. Soviel aber steht fest: Bitcoins existieren außerhalb der staatlichen Geldordnung, werden privat erzeugt und fungieren in begrenztem Maße wie (aber nicht als) Geld. Rechtlich sind Kryptowährungen "Rechnungseinheiten", nicht aber, wie viele glauben, "E-Geld". Sie sind kein gesetzliches Zahlungsmittel wie Münzen und Banknoten. Steuerlich gelten sie als "Wirtschaftsgüter", deren Veräußerungsgewinn nach 12 Monaten einkommenssteuerpflichtig ist. Momentan gibt es einen wahren Hype in der Krypto-Branche. Dieser ist in den Augen der Bundesbank fast "genauso kryptisch" wie die ihm zugrundeliegende Idee virtueller Währungen.

Niemand weiß genau, wie diese Papiere zu bewerten sind, wie das Geschäftsmodell eigentlich aussieht und wie man die Branche gegenüber dem regulären Bankensektor abgrenzen sollte. Aber, es findet ein reger Handel mit Krypto-Währungen statt, was sich auf deren Marktwert auswirkt. Vollzog sich die Wertentwicklung hier zunächst noch sehr moderat, so schien sie zuletzt keine Grenzen mehr zu kennen. Die Rekordjagd verlief völlig ungebremst und in beängstigendem Tempo von Kursgipfel zu Kursgipfel. Ein Bitcoin zum Beispiel, dessen Gegenwert 2010 nur wenige Cent betrug und 2015 nur ein paar Euro, überstieg zur Jahresmitte 2017 bereits die 2000-Euro-Marke und erreichte am 17.12.2017 einen Marktwert von 16.892 Euro. Das ist ein Anstieg in drei Jahren um das 64-fache und in gut sieben Jahren um über das 260.000-fache! Dies erinnert stark an die Tulpen-Spekulation von 1637 oder an die dot.com-Blase im Jahr 2000.

Angesichts der rasanten Wertentwicklung von Bitcoin, die einige Kleinanleger über Nacht zu Millionären gemacht hat, fragt man sich: Wie ist so etwas möglich? Die Erklärung dafür ist aber ganz einfach: Das Konstrukt der Digitalwährungen basiert auf der Blockchain-Technologie. Diese gilt als erstaunlich sicher, aber auch als umständlich und kostenaufwändig. Die Emission der Währung erfolgt privat, bankenunabhängig, ohne Deckung und ohne ökonomischen Bezug, faktisch aus dem Nichts, zudem unabhängig vom Staat und außerhalb des Geldmonopols der Zentralbanken. - Genau das macht sie für viele Anleger in Zeiten finanzieller Instabilität und staatlichen Missbrauchs offizieller Währungen aber attraktiv. Hinzu kommt, dass die Menge an Bitcoins auf 21 Millionen Einheiten begrenzt ist. Dadurch ist eine inflationäre Entwertung ausgeschlossen. Der Preis wird allein vom Markt, durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, bestimmt. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, so steigt der Preis. Kommt es anders, so fällt er. Da es weder staatliche Sicherheiten noch irgendwelche anderen Garantien für die Anleger gibt, ist ein Totalverlust jederzeit möglich. Ebenso aber auch hohe Gewinne.

Das Ganze funktioniert als reine Spekulation, ohne jedwede ökonomische Substanz. Investiert man in Aktien, so ist dies auch eine Spekulation. Diese aber wird getragen von einer Gewinnerwartung aufgrund eines wirtschaftlichen Erfolgs, was den Kurs nach oben treibt. Der Erwerb von Bitcoins dagegen ist nichts als ein hochspekulatives Spiel, das darauf abzielt, an einer Kurssteigerung zu partizipieren, die nur deshalb zustande kommt, weil das Angebot begrenzt ist und die Nachfrage riesig. Da Bitcoins weder als Wert- und Preismaßstab noch als Transaktions- und Zahlungsmittel geeignet sind, taugen sie nur als Spekulationsobjekt. Solange die Nachfrage gering war, hielt sich der Preisanstieg in Grenzen. Als die Nachfrage infolge einer großangelegten Werbekampagne und anderer Maßnahmen aber anzog, kam es infolge der relativen Illiquidität des Marktes zu enormen Wertschwankungen und großen Kursausschlägen. Die relative Knappheit des Mediums ist es, die den Preis dann nach oben treibt und eine spekulative "Blase" erzeugt. Dies geht solange, bis die Währung den einen zu teuer ist und sie deshalb keine Bitcoins mehr kaufen, den anderen aber teuer genug, weshalb sie ihren Depotbestand abstoßen wollen.

Die Kursbewegungen selbst sind für die Anleger virtuell, solange nicht gehandelt wird. Wird aber verkauft, so entstehen definitiv Gewinne oder Verluste. - Ganz so wie 1637, als alle glaubten, mit Tulpenzwiebeln reich werden zu können und dieser Wahn die Preise in absurde Höhen trieb - bis plötzlich alles vorbei war und die Preise ins Bodenlose fielen. Kein Mensch wollte mehr Tulpenzwiebeln. Ob die Bitcoin-Blase schon am Platzen ist, lässt sich schwer beurteilen. Auf jeden Fall hat die Volatilität seit Dezember kräftig zugenommen. Am 23.01.2018 lag der Marktwert eines Bitcoins bei 8.413 Euro. Das ist gegenüber dem Höchstwert ein Kursrutsch von rund 50 Prozent und wohl schon mehr, als die Nerven der meisten Anleger vertragen. Die Verunsicherung wächst daher und es muss mit weiteren Kursschwankungen und Kursverlusten gerechnet werden.

Dies gilt nicht nur für Bitcoins. Auch die anderen Krypto-Währungen verzeichneten zum Jahreswechsel starke Kursverluste. Dabei ist es wie bei allen Spekulationsgeschäften: Wer frühzeitig billig gekauft hat, verkauft nun mit Gewinn, wer gezögert hat oder zu spät und zu teuer in den Markt eingestiegen ist, realisiert am Ende Verluste. Da es für den Marktwert der Digitalwährungen keine realwirtschaftliche Grundlage gibt, dieser vielmehr allein das Ergebnis der Bewegung von Angebot und Nachfrage ist, handelt es sich hierbei um ein Nullsummenspiel: die Gewinne entsprechen den Verlusten. Die einen gewinnen, was die anderen verlieren. Hierin zeigt sich, dass dieses System ganz hervorragend in unsere Gesellschaft passt. Es dient der Bereicherung der einen und der Verarmung der anderen. Und es funktioniert ganz demokratisch, ohne Ansehen der Person und ohne erkennbare Vorrechte und Privilegien. Jeder kann mitmachen. Und jeder kann gewinnen - oder eben verlieren. Alles ist freiwillig und ohne Zwang, ohne staatliche Kontrolle und zudem vollkommen anonym. Was gibt es Besseres in der heutigen Zeit, um gleich zwei grundlegende Triebe, den Spieltrieb und die Gier nach Geld und Gewinn, gleich auf einmal zu befriedigen? Wo doch Pferde- und Windhund-Rennen zu exklusiv geworden sind, die Effektenbörsen zu kompliziert und Lotto einfach zu langweilig!

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 3/2018 vom 29. Januar 2018, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 21. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath (†)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2018

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