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GEGENWIND/490: I. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Caracas/Venezuela 2011


Gegenwind Nr. 279 - Dezember 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

I. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Caracas/Venezuela 2011
Conferencia Mundial de Mujeres de base Venezuela 2011

Von Klaus Peters


Von den Massenmedien weitgehend ignoriert und damit auch von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, fand in der Hauptstadt der bolivarischen Republik Venezuela vom 4. bis 8. März nach jahrelanger Vorbereitung die 1. Internationale Konferenz der Basisfrauen statt. Seit der Rückkehr der Delegierten, der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in verschiedenen Orten überregionale Konferenzen und regionale Treffen zum Austausch von Erfahrungen und zur Auswertung der Ergebnisse durchgeführt.


"Die Zeit ist reif für einen neuen Aufbruch der internationalen Frauenbewegung", mit diesem Aufruf warben die Organisatorinnen, seit sich die Idee, eine Weltfrauenkonferenz durchzuführen, 2006 konkretisiert hatte. Das Zustandekommen der Konferenz ist eine enorme Leistung, die nur durch einen nahezu beispiellosen Einsatz einer großen Zahl von AktivistInnen, vielfältiger internationaler politischer Verbindungen und großer Spendenbereitschaft möglich geworden war.

Auf dem Frauenpolitischen Ratschlag war 2006 in Deutschland die Idee in einen Beschluss verwandelt worden. Rückblickend ist festzustellen, dass der politischen Herausforderung, eine große internationale Veranstaltung zum 100jährigen Jubiläum des 1. Internationalen Frauentags von 1911 durchzuführen, auch angemessen reagiert werden musste. Die UNO hatte ihr Engagement seit 1995, nachdem ab 1975 mehrere Weltfrauenkonferenzen stattfanden, zuletzt in Peking, nicht fortgeführt. Die von der UNO konzipierten Konferenzen waren schließlich auch stark durch staatliche Einrichtungen, Kirchen, Stiftungen, Parteien und von diesen mehr oder weniger abhängigen Delegierten geprägt. Die Ergebnisse dieser Konferenzen erfüllten nicht die Erwartungen der kämpferischen Frauenbewegung.

Ausgangspunkt für einen Internationalen Frauentag war der Vorschlag der Sozialistin Clara Zetkin. Sie begründete seine Notwendigkeit folgendermaßen: "Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ist, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung." Zehn Jahre nach dem ersten Internationalen Frauentag ist 1921 der 8. März jeden Jahres als Internationaler Frauentag festgelegt worden.

Im Sinne Clara Zetkins heißt es im Vorbereitungspapier zur Weltfrauenkonferenz: "Die Weltfrauenbewegung hat erfahren, dass eine ausschließlich auf dem Geschlechterkampf beruhende Grundlinie der Frauenbewegung keine Lösung bringt, ebenso wenig die Integration in die Staatsapparate. Das gilt genauso für die Aktivitäten sogenannter Nichtregierungsorganisationen (NROs), die von den reaktionären politischen Parteien, von Stiftungen, Kirchen oder anderen internationalen Organisationen, in den Machtzentren finanziert werden. Diese Strategien haben im Gegenteil zur Zersplitterung und Desorientierung der Frauenbewegung beigetragen." Ein weiteres Zitat: "Die Zeit ist reif: Raus aus der Nische der Frauenfragen - her mit dem ganzen Leben, her mit der Großen Politik. Statt Nischenpolitik im Kleinen und Genderdiskussionen vor allem unter Akademikerinnen soll 2011 das Treffen der Basisfrauen sein: Arbeiterinnen, Bäuerinnen, Migrantinnen, arbeitslose Frauen, Hausfrauen, Frauen der Ureinwohner-Völker, Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen, Aktivistinnen der Basisarbeit."

An der Vorbereitung waren in Deutschland Frauen aus den Gewerkschaften, Migrantinnen, aber auch Frauen aus den Parteien MLPD, DIE LINKE, vereinzelt DKP, SPD und GRÜNE und Frauen aus der Friedens- und Umweltbewegung beteiligt. Ein ähnliches Spektrum repräsentierten die Teilnehmer und Delegierten aus anderen Ländern. Insgesamt kamen in Caracas rund 1.500 Menschen aus 46 Ländern zusammen, darunter ca. 20 Prozent männliche Teilnehmer. Die 2 bis 5 Delegiertenplätze der Länder waren den Frauen vorbehalten. Die Hauptlast der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz lag bei den Organisatorinnen aus Deutschland und Venezuela. In Deutschland und in anderen Ländern hatten mehrere Vorbereitungstreffen stattgefunden, ein internationales Vorbereitungstreffen fand in Caracas statt.

Die logistischen Aufgaben lagen weitgehend in der Hand der Venezolanerinnen, die allerdings durch eine größere Anzahl von Brigadistinnen aus Deutschland unterstützt werden konnten. Dolmetscheraufgaben konnten ebenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil von deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern übernommen werden. Nach der Eröffnungsveranstaltung diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Räumen der bolivarischen Universität Venezuelas in Caracas an mehreren Tagen in einer größeren Zahl von Workshops zu insgesamt 12 Themenkreisen, beispielsweise zur Strategie von Frauenorganisationen, zur Umweltpolitik, zu Sexualität, indigene Frauen, Krieg und Aggression oder zur Arbeit in den Betrieben, jeweils mit internationaler Beteiligung. Parallel dazu tagte die Delegiertenversammlung.

Die Ergebnissen der Diskussionen in den Workshops und der Tagung der Delegierten sind in verschiedenen Publikationen der Teilnehmer- und Unterstützerorganisationen veröffentlicht worden, eine Zusammenfassung enthält die Abschlussresolution. Hier einige Auszüge:

- Wir sind uns einig über die Leitlinie unseres Handelns: für die Befreiung der Frau und gegen den Imperialismus zu kämpfen - seine Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt, gegen Hunger, gegen die Massenarbeitslosigkeit, gegen Zerstörung der natürlichen Umwelt, gegen die Abhängigkeit die uns, den Völkern und Nationen der Imperialismus aufgezwungen hat, sowie gegen Neokolonialismus und Kolonialismus.

- Die notwendige historische Veränderung kann keine formelle Angelegenheit sein, kein reiner Austausch von Personen. Sie bedeutet die Veränderung des herrschenden kapitalistischen Systems als Ursache der Krisen und gravierenden Probleme, die die Menschheit lösen muss.

- Die andere gerechtere Welt, die wir wollen, schließt viele Bewegungen und Kämpfe, Erfahrungen und Organisationen ein.

Innerhalb eines Jahres werten wir die vielfältigen Erfahrungen dieser 1. Weltfrauenkonferenz aus, um die erreichten Erfolge und Schwächen im Prozess der Vorbereitung und Durchführung festzuhalten.

- In dieser Zeit finden nationale ebenso wie regionale/kontinentale Treffen statt.

- Das ganze Jahr machen wir eine Vorbereitungskampagne zum 8. März, um seine historische Bedeutung zurück zu erobern als Tag des Andenkens und des Kampfs der Frauen, die auf der ganzen Welt für ihre Rechte und Befreiung, gegen die kapitalistische Herrschaft, gegen das Patriachat, gegen Imperialismus und für die Befreiung der Menschheit kämpfen.
(Zur Beteiligung am 1. Mai, dem Kampftag der internationalen Arbeiterbewegung wird ebenso aufgerufen, wie zu Aktionen zum 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen.)

- Arbeiten wir zusammen über Länder- und Sprachgrenzen hinweg! Nutzen wir die reichhaltigen Potenziale unserer Erfahrungen und Kulturen! Nutzen wir die unterschiedlichen Formen der Kommunikation, Koordinierung und Kooperation um unserer gemeinsame Arbeit zu vertiefen und zu erweitern. Durchbrechen wir alle Schranken mit Hilfe von alternativer Kommunikation und gegenseitiger Solidarität, um die kämpferische Weltfrauenbewegung zu stärken.

Das abendliche Kulturprogramm bot ungewöhnliche Internationalität verbunden mit hoher Qualität. Den Abschluss der erfolgreichen Konferenztage bildete am 8. März eine beeindruckende internationale Demonstration durch die Innenstadt von Caracas. Ein größerer Teil der Teilnehmer nutzte den Aufenthalt in Venezuela im Anschluss an die Konferenz zu einer Rundreise durch den nordöstlichen Teil des Landes.

In 5 Jahren, also 2016, voraussichtlich in einem anderen Kontinent, soll die nächste Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen stattfinden. Die laufende Diskussion und Auswertung lässt weitere hochinteressante und erfolgreiche Konferenzen erwarten. Es kommt, wie bei ähnlichen Ereignissen, besonders darauf an, trotz aller Widerstände eine größere positive Medienresonanz zu organisieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen und die gewünschten nachhaltigen politischen Erfolge zu erzielen.

www.Weltfrauenkonferenz.de


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Quelle:
Gegenwind Nr. 279 - Dezember 2011, Seite 11-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2011