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GEGENWIND/569: Seyran Papo und der Verfassungsschutz - "Angst habe ich nicht"


Gegenwind Nr. 301 - Oktober 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

REPRESSION
Seyran Papo (Die Linke) und der Verfassungsschutz:
"Angst habe ich nicht"

Interview von Reinhard Pohl



Im Gegenwind 299 (August 2013) berichteten wir über die Arbeit der Landesämter für Verfassungsschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein. Dabei erwähnten wir auch, dass Seyran Papo (Die Linke) dort namentlich erwähnt wird: "Auf der Linken beobachtet der Verfassungsschutz vor allem die PKK bzw. deren UnterstützerInnen, wobei insbesondere die Jugend und die "Kurdische Jugend Kiel" als "unberechenbar" bezeichnet wird. Namentlich erwähnt wird nur Seyran Papo." (Seite 6) Was tut man, wenn man im Verfassungsschutzbericht namentlich genannt wird? Ist man stolz darauf? Oder wehrt man sich? Wir haben Seyran Papo einfach selbst gefragt.


Gegenwind: Die einzige Person, die im Bericht des Verfassungsschutzes Schleswig-Holstein namentlich erwähnt wird, bist Du. Wie hast Du davon erfahren?

Seyran Papo: Während des "Forum für MigrantInnen" im Kieler Rathaus, hatte ich von Dir den aktuellen Gegenwind bekommen. Dort musste ich lesen, dass mein Name offenbar im Verfassungsschutz-Bericht erwähnt wird. Zunächst war ich ziemlich geschockt, weil dort auch stand, dass ich als einzige Person in diesem Bericht namentlich erwähnt wurde. Als Mitglied der Partei DIE LINKE weiß ich aber natürlich, dass der Verfassungsschutz immer wieder gerne versucht, uns in die extreme Ecke zu schieben; was natürlich völliger Blödsinn ist. Gefreut habe ich mich über diese "Ehre" aber natürlich nicht.


Gegenwind: Wie wird das denn dann im Kreisvorstand besprochen? Es gibt ja verschiedene Meinungen dazu, ob man sich wehren sollte oder ob man stolz darauf ist, bekannt zu sein.

Seyran Papo: Was mich betrifft, kann ich gerne darauf verzichten, ausgerechnet durch den Verfassungsschutz einen Zugewinn an Popularität zu erlangen. Die Gespräche im Kreisvorstand gehen dann auch eher in die Richtung, die Aktivitäten des Verfassungsschutzes generell zu verurteilen, denn sie sollen wohl in erster Linie dazu dienen, ungeliebte politische Konkurrenz im Lande klein zu halten. Dass man mich hier aufs Korn nimmt, ist nicht weiter verwunderlich: gebürtige Kurdin und dann auch noch Mitglied in der LINKEN. Das alleine reicht doch wohl schon, um mir alles Mögliche anzudichten. Dabei sollte sich Verfassungsschutz - wenn schon, denn schon - den wirklichen Verfassungsfeinden widmen, z. B. dem gesamten neofaschistischen Spektrum. Aber auf dem rechten Auge scheint man ja immer noch blind zu sein.


Gegenwind: Du tauchst auf im Kapitel über Vereine, die als PKK-nahe gelten. Du hast damals für den Landtag kandidiert und bist angeblich von dem Verein unterstützt worden. Es soll wohl der Eindruck erweckt werden, Du wärst eine PKK-unterstützte Kandidatin. Jeder Verein darf Dich ja unterstützen. Was stört Dich an der Erwähnung?

Seyran Papo: Zur Landtagswahl 2012 habe ich auf Listenplatz 3 für DIE LINKE kandidiert. Natürlich bin ich gebürtige Kurdin, da kann und will ich auch nichts dran ändern. Und ebenso selbstverständlich unterhalte ich gute Beziehungen zu allerlei kurdischen, alevitischen und arabischen Organisationen, die aber allesamt einen legalen Status genießen. Das ist doch wohl auch völlig normal, Migranten, egal welcher Herkunft, halten es doch wohl nicht anders.

Mein persönliches Ziel war, einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, um im neuen schleswig-holsteinischen Landtag Politik für alle Menschen zu machen. Dass ich hierfür auch um die Stimmen der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund kämpfe, kann mir doch wohl keiner vorwerfen; dass tun die anderen Parteien doch auch.

Die SPD z.B. besucht auch gerne mal die Deutsch-Kurdische-Gesellschaft. Aber im Verfassungsschutzbericht taucht sie deswegen nicht auf. Schon komisch irgendwie.

Aber natürlich bin ich auch schon ein wenig stolz darauf, dass meine Kandidatur in der kurdischen, türkischen und arabischen Presse so große Beachtung fand und ich sogar eine ganzen Tag vom Team eines nordirakischen Fernsehsenders begleitet wurde.

In politischer Hinsicht, ist es natürlich so, dass die Rechte der Kurden in der Türkei nach wie vor stark eingeschränkt sind und man die Kurden dort verfolgt. Das ist übrigens der Grund, weshalb meine Eltern mit mir nach Deutschland geflohen sind. Wir wollten ein demokratisches Leben in Frieden und Freiheit. Und jeder, der mich in politischen Veranstaltungen und Diskussionen erlebt hat, weiß, dass es für mich keine Alternative zum friedlichen Miteinander ohne Waffeneinsätze gibt. Hierfür kämpfe ich und hierfür werde ich auch in Zukunft kämpfen und zwar für alle Menschen, egal wo.

Ich bin betrübt darüber, dass der Verfassungsschutz wider besseres Wissen nur eine so einseitige Sichtweise kennt und hierdurch leichtfertig Menschen kriminalisiert.


Gegenwind: Es gibt mehrere Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Du kannst politisch reagieren, Du kannst juristisch reagieren, Du kannst Dich direkt an den Innenminister wenden. Welche Wege schlägst Du jetzt ein?

Seyran Papo: Natürlich lasse ich mich rechtlich durch versierte Juristen beraten, weil mir daran liegt, dass solche Dinge ein für alle Mal geklärt werden müssen. Das Recht habe ich wohl auf meiner Seite; aber sein Recht wirklich durchzusetzen braucht leider immer sehr viel Zeit. Gucken wir mal, was weiter passiert.


Gegenwind: Schadet Dir solch ein Eintrag? Oder nützt er Dir vielleicht in einigen Kreisen auch?

Seyran Papo: Das weiß ich nicht und ich mache mir darüber auch nicht wirklich Gedanken; es kommt doch immer auf die Sichtweise an. Tolerante, intelligente Menschen wissen, wie sie mit solchen Geschichten umzugehen haben. Und Angst vor meiner politischen Zukunft habe ich nicht. Ich bin links, gerecht und sozial orientiert, habe mich bei der LINKEN organisiert und dabei bleibt es konsequent auch in Zukunft.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 301 - Oktober 2013, Seite 13-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2013