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GEGENWIND/576: Energiewende und manipulativer Umgang mit Bürgern


Gegenwind Nr. 302 - November 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

In der Hand von Konzernen
Energiewende und manipulativer Umgang mit Bürgern

Von Klaus Peters



Der Zugriff der Konzerne und Großinvestoren auf Gemeineigentum erfolgt in immer mehr Schritten, die von den herrschenden Parteien entweder mehr oder weniger systematisch vorbereitet worden sind, von deren Ausmaß und Folgen sie selbst möglicherweise manchmal auch ein wenig überrascht waren.


Es ist kein Geheimnis mehr, dass gerade die erste rotgrüne Bundesregierung fatale Entscheidungen getroffen hat. Sie war es, die spätestens mit der Regierungsübernahme den Wirtschaftsliberalismus zum allgemeingültigen Prinzip erhob. Die Kapitalismuskritik war schon Anfang der neunziger Jahre weitgehend verstummt.

Konzerne und Großinvestoren hatten zwar schon immer eine große Macht, doch diese ist bereits über Jahrzehnte schrittweise noch weiter ausgebaut worden. Seit der Auflösung der DDR und dem Anschluss des Territoriums an die damalige BRD verschwand zunehmend die Kritik an den real existierenden Verhältnissen, zumindest soweit es die Macht der Konzerne und Großinvestoren betraf. Ehemalige Staatsbetriebe, wie beispielsweise Post oder Energieversorger sind privatisiert worden. Die Bahn verhielt und verhält sich quasi wie ein privatisiertes Unternehmen.


Energiewende als ein weiteres Privatisierungsprogramm

Mit dem von der damaligen rotgrünen Regierung durch die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und dem damit beginnenden massiv geförderten Bau von Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Wind, Sonne und Pflanzen, trat eine neuere Phase der Privatisierung ein. Die Energiefrage ist jedoch keineswegs annähernd gelöst, zumal Energiesparprogramme und Nachhaltigkeitskonzepte nur ein Schattendasein führen. Eine grüne Spitzenpolitikerin verkündete, "Landwirte zu Ölscheichs zu machen". Die CDU/CSU hat die Politik von Rotgrün zunächst mit der SPD und dann mit der FDP gerne weitergeführt, wobei der Union und der FDP die Entlastung der viel Strom verbrauchenden Konzerne besonders wichtig war. Fast alle Beteiligten rühmen sich, dass auch "Bürgerbeteiligungen" möglich gemacht worden sind. Hierbei handelt es sich in der Regel allerdings um Beteiligungen ohne Stimmrecht an Projekten von Großinvestoren. Eine weitere Folge ist das in einigen Regionen massiv verstärkte "Land-Grabbing", der großflächige Aufkauf von landwirtschaftlicher Nutzfiäche, insbesondere zum Anbau von Energiemais[1]. Zudem sind die Preise von landwirtschaftlicher Nutzfläche und der Nahrungsmittelerzeugung gestiegen.


CCS als Teil der Energiewende

Den Bürgern sollte von CDU/CSU und FDP dann auch die Kohlendioxidspeicherung als Maßnahmen der Energiewende verkauft werden, wobei andere Parteien oder einzelne Parteigliederungen zunächst auch wenig Bedenken äußerten. Selbst die großen Umweltverbände hatten die Brisanz von CCS nicht rechtzeitig erkannt. Vielerorts kam es in den betroffenen Regionen zu Protesten und zur Gründung von Bürgerinitiativen. Letztlich gelang es, ein Gesetz durchzusetzen, das den Ländern erlaubt, CCS auf ihrem Territorium zu untersagen. Allerdings gibt es diverse Unsicherheiten, zumindest wäre CCS in der deutschen Wirtschaftszone der Nordsee erlaubt, auch die entsprechenden Rohrleitungen und Bauwerke wären prinzipiell zulässig.


Fracking als Teil von was?

Kaum war die CCS-Debatte abgeebbt, wurde bekannt, dass Absichten bestehen, auch in Schleswig-Holstein, Erdöl- und Erdgas unter Einsatz des Frackingverfahrens zu fördern. Zunächst sind zwar nur sogenannte "Aufsuchungserlaubnisse" (8) erteilt worden, die Rechte für eine mögliche Erkundung und Förderung sichern. Weitere acht Anträge liegen vor. Ein bergrechtliches Genehmigungsverfahren müsste noch beantragt und erfolgreich abgeschlossen werden, bevor gemäß Pressemitteilung des MELUR vom 1. Oktober eine der Rohstoffaufsuchung und -gewinnung erfolgen kann.

Wieder sind die Bürger, die Umweltverbände, die Bürgerinitiativen und die betroffenen Gemeinden weder vorab informiert noch beteiligt worden. In Kenntnis der Vorgänge bei CCS hatte dies die nun auch die in Schleswig-Holstein regierende Koalition von SPD/SSW/Grüne bzw. das zuständige Ministerium zu verantworten. Eine Beteiligung von Ämtern und Gemeinden hätte, wie ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1998 bestätigte, erfolgen müssen. Inzwischen hatten sich in zahlreichen potenziell betroffenen Regionen in Deutschland neue Bürgerinitiativen gegründet. Die Bürgerinitiative gegen CCS in Schleswig-Holstein hat den Widerstand gegen Fracking in ihre Satzung aufgenommen.

Die Landesregierung hatte im April 2013 eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesberggesetzes eingereicht. In diesem Gesetzesantrag geht es nur um ein Verbot des Einsatzes gefährlicher Stoffe. Die beispielsweise von der Bezirksregierung Arnsberg[2] vorgeschlagene Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-G) und die damit verbundene frühzeitige Bürgerbeteiligung sowie weitere Änderungen des Bergrechts wurden von der Landesregierung nicht in die Bundesratsinitiative übernommen. Die Bürgerinitiativen fordern allerdings ein komplettes Verbot von Fracking. Ein für den 1. Oktober vorgesehenes Gespräch zwischen Vertretern der regionalen Bürgerinitiativen, dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und dem zuständigen Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume kam, aus Sicht der Bürgerinitiativen wegen unzureichender Vorbereitung und Zielsetzung von Seiten des Ministeriums, nicht zustande. Stattdessen wurde eine Kundgebung vor dem Gebäude des Ministeriums durchgeführt. Ein Gespräch soll nachgeholt werden.

Einige Gebietskörperschaften des Landes, wie der Kreis Nordfriesland, haben die "Korbacher Resolution", die im Kern eine konsequente Ablehnung von Fracking beinhaltet, unterzeichnet.


Höchstspannungstrassen als Bestandteil der Energiewende

Nachdem der Bau von Windenergie-, Photovoltaik- und Biogasanlagen massiv und von fast allen Parteien nahezu uneingeschränkt unterstützt vorangetrieben worden war, stellten Verantwortliche irgendwann fest, dass die Netze teilweise den Anforderungen nicht mehr genügten. Daraufhin kam es beispielsweise in Schleswig-Holstein zu "Beschleunigungsvereinbarungen" zwischen betroffenen Landkreisen und der Landesregierung[3]. In der Folge legte die Bundesnetzagentur nach den Vorschlägen der potentiellen Betreiber und nach formaler Beteiligung der Bürger offensichtlich überdimensionierte Trassenpläne vor. Die Zustimmung betroffener Bürger sollte durch eine finanzielle Beteiligung erkauft werden. Dieses Vorhaben erwies sich allerdings als Flop. Bürgerinitiativen kämpfen für reduzierte Trassen und für eine Erdverkabelung. Bisher weigern sich Betreiber und Politik, auf die Forderungen der Bürger einzugehen. Mit zahlreichen Veranstaltungen soll Entgegenkommen vorgetäuscht werden. Dabei spielen Netzsteuerung/ Lastmanagement und die Energiespeicherung[4] so gut wie keine Rolle. Andere wichtige Projekte wie die Verbesserung Bahninfrastruktur werden verdrängt. Netzrückkäufe sind in Schleswig-Holstein bisher auch kein Thema. Weder Konzerne noch die Landesregierung sind wirklich interessiert.

Die weitere Planung von Anlagen und Netzen muss insbesondere auch unter Berücksichtigung der notwendigen Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erfolgen. Die Kosten für die Stromverbraucher müssen gesenkt werden. Zur Zeit sind 1691 Unternehmen von der von allen Bürgern erhobenen Umlage befreit. Die garantierte, vom Börsenstrompreis unabhängige Förderung der Erzeuger beträgt gegenwärtig 20 Milliarden Euro pro Jahr mit steigender Tendenz. Wie üblich sind auch hier die Großinvestoren und Konzerne die größten Profiteure. Die Umlage ist zwar nach Erzeugungsart differenziert, erhöht sich aber linear ohne Mengenbegrenzung und Abschläge. Experten schlagen statt eines garantierten Ausgleichs zum Börsenpreis eine Marktprämie vor, einen prozentualen Aufschlag auf den Börsenpreis[5]. Für Großerzeuger müssten zumindest angemessene Abschläge vorgesehen werden.


Korbacher Resolution

am 5. Mai von rund 30 Initiativen beschlossen und von knapp 150 Organisationen unterstützt


Folgende Forderungen richten wir an Bund, Länder und die Europäische Union:

Ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger. Dies ist unabhängig davon, ob die Rissbildung mit oder ohne den Einsatz giftiger Chemikalien, hydraulisch oder andersartig erzeugt wird.

Ein generelles Import- und Handelsverbot von "gefrackten" fossilen Energieträgern. Ein generelles Verbot der Verpressung des Rückflusses oder der untertägigen Ablagerung von Fluiden und Lagerstättenwasser.

Eine Novellierung des Bergrechts. Die höchsten Umweltstandards und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit haben im Fokus der Novellierung zu stehen.

Ein konsequentes Umsetzen der politisch beschlossenen Energiewende, d.h. Abkehr von fossilen Brennstoffen, Ausbau der erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz.

Viele weitere Organisationen und Gebietskörperschaften sowie Bürger haben sich der Resolution, zu der auch eine umfassende Begründung vorliegt, inzwischen angeschlossen. Es ist eine Petition gestartet worden, für die allerdings innerhalb einer bestimmten Frist insgesamt 100.000 Unterschriften erforderlich sind.

www.resolution-korbach.org
www.poenpetition.de
www.bbu-online.de
www.bund-sh.de
www.kein-co2-endlager.de
Wikipedia: Erneuerbare Energie u.a.


Anmerkungen

[1] stern vom 2.10.2013, S. 78-82. Die Energieerzeugung aus Pflanzen ist mit der massiver Ausbringung von Gülle, damit mit einer zusätzlichen Nitratbelastung des Grundwassers, und dem Einsatz von Pestiziden verbunden, Anlieger werden durch den Betrieb von Großmaschinen bis in die Nacht hinein belästigt. Hinzu kommen zusätzliche Gefahren für den Straßenverkehr und zusätzliche Belastungen von Straßen und Wegen.

[2] Bezirksregierung Arnsberg: Vorschläge zur Änderung des Bergrechts 2011, Stand: 18. Februar 2011

[3] U.a. Verzicht auf Raumordnungsverfahren

[4] S.a.: Rebecca Sandbichler: "Die Suche nach dem Superspeicher", Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Oktober, Verlagsspezial/Energie, Seite V4

[5] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Oktober 2013 und Pressemitteilung des Sachverständigenrats für Umweltfragen vom 8.10.2013

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Quelle:
Gegenwind Nr. 302 - November 2013, Seite 4-6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2013