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GEGENWIND/625: "pro bürgerbus schleswig-holstein" gegründet


Gegenwind Nr. 317 - Februar 2015
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

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"pro bürgerbus schleswig-holstein" gegründet

Von Christian Sternberg


Am Sonnabend, den 17. Januar 2015 trafen sich 20 engagierte Leute im Traumausstatter in Meldorf. Sie gründeten eine Arbeitsgemeinschaft der Bürgerbusvereine in Schleswig-Holstein. Von der Landesregierung fordern sie unbürokratische Hilfen des Landes.


Am 17. Januar bot sich ein ungewöhnliches Bild für die Leute in Meldorf, die vormittags über den Südermarkt gingen. Ein Kamerateam des NDR, Fotografen und Reporter streiften um Lokalpolitikerinnen und interessierte Bürger herum, sammelten O-Töne ein und knipsten die Bürgerbusse aus Fehmarn und Ladelund. Nach dem Info- und Presse-Auftrieb versammelten sich Menschen aus Fehmarn, Ladelund, Malente, Meldorf und den Ämtern Kellinghusen und Burg-St.Michel im Veranstaltungssaal "Traumausstatter" und gründeten die Arbeitsgemeinschaft "pro bürgerbus schleswig-holstein", um die gemeinsamen Interessen gegenüber der Landesregierung vertreten zu können.

Bürgerbusse ergänzen den Bus- und Bahnverkehr mit Kleinbuslinien, deren Fahrerinnen und Fahrer unentgeltlich im Einsatz sind. Ein solches Busprojekt gibt es bereits auf Fehmarn seit fünfzehn Jahren. Knapp 10.000 Gäste pro Jahr befördert der Verein dort für zwei Euro pro Fahrt. In Ladelund (Kreis Nordfriesland) ist der Betrieb vor einem halben Jahr aufgenommen worden, dort wird schon jetzt der zweite Bus gebraucht.

In Malente gibt es seit 2014 einen Bürgerbusverein, der sich derzeit auf den Betrieb eines Busses vorbereitet. Der Bürgerbusverein in Meldorf soll am 19. Februar 2015 gegründet werden. Wie auch in Nordfriesland werden die Initiativen in Ostholstein und Dithmarschen von Kommunen und Kreistag befürwortet. Meldorfs Bürgermeisterin Anke Cornelius-Heide (Grüne) hob in ihrem Grußwort die Bedeutung der Mobilität hervor, Meldorf müsse sich künftig auch im Tourismus besser profilieren und brauche deswegen einen guten Bus- und Bahnverkehr. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Kreistag Dithmarschen Thorsten Hübner (Unabhängige Wähler) sagte seine Unterstützung zu und berichtete, dass die Bürgerbusinitiativen bei allen Fraktionen auf positive Resonanz stießen.

Das Problem, dass die Fahrerinnen und Fahrer kein Gehalt für ihre Arbeit beziehen, problematisieren die Bürgerbusler nicht. Der Schuh der mangelhaften Daseinsvorsorge des Staates drückt zu sehr, als dass sie sich Sorgen um die Tarife der BusfahrerInnen machen. Im Gegenteil: oft bieten pensionierte Bus- oder Bahnfahrerinnen ihre Dienste an. Bürgerbusvereine suchen möglichst viele Fahrerinnen und Fahrer, damit alle nur wenige Stunden Dienst leisten und auf diese Art der Spaß-Charakter überwiegt. Freiwillige Feuerwehren und hauptberuflicher Brandschutz existierten auch friedlich nebeneinander, können sie als Argument anführen. Priorität haben immer, und das stellt niemand in Frage, die korrekt bezahlten Buslinien. Immer wenn sich ein "richtiger" Bus lohnt, fährt auch ein richtiger Bus.

Auf der anderen Seite ist zusätzlicher Busverkehr in der ländlichen Region dringend erforderlich. Sonst würde sich die offizielle Politik in Widersprüche verwickeln. So werden Vermieter ermutigt, ihre Leerstände an Flüchtlinge zu vermieten. Das tun auch immer mehr Menschen. Nur sie können nicht immer dafür sorgen, dass ihre neuen Mieterinnen und Mieter auch zum Sprachunterricht gefahren werden. Bisher spendieren die Arbeitsämter nur den Fahrtüchtigen mit Arbeitserlaubnis Führerschein und Auto, Leute mit gesundheitlichen oder bürokratischen Handicaps bleiben außen vor. Inklusion heißt das Zauberwort, doch auf dem Lande ist sie ohne Eigenleistung der Mitmenschen nicht möglich.

Anders als in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen wird der Bürgerbus in Schleswig-Holstein nur halbherzig unterstützt. So ließen die Landespolitiker den als Stör-Express verkehrenden Bürgerbus im Stich, als die Landesbehörde für Verkehr das bürgerschaftliche Engagement abwürgte, wie die Norddeutsche Rundschau am 19.1.2015 berichtete: "Aus für den Stör-Express". Für das Land Schleswig-Holstein gilt es, wieder Anschluss an den Bus- und Bahnverkehr in anderen Bundesländern zu bekommen.

pro bürgerbus schleswig-holstein fordert in seiner Gründungserklärung vom Land Schleswig-Holstein Unterstützung:


pro bürgerbus schleswig-holstein fordert
  • eine verbindliche gesetzliche Förderung des Landes Schleswig-Holstein für den Kauf und den Betrieb eines barrierefreien Busses sowie der folgenden Ersatzbeschaffungen (wie z.B. in NRW)
  • eine jährliche Bezuschussung der Betriebskosten
  • ein einfaches und unbürokratisches Antragsverfahren für die Genehmigung von Bürgerbussen
  • Beteiligung bereits vorhandener Bürgerbusvereine bei der Gestaltung der Förderung und Erstellung eines Leitfadens für BürgerBusse
  • einen Ansprechpartner auf Landesebene für Bürgerbusangelegenheiten
  • Tariffreiheit der einzelnen Bürgerbusvereine
  • Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten
  • eine bindende Verpflichtung der Konzessionsinhaber zur Zusammenarbeit mit den Bürgerbusvereinen

Christian Sternberg
Wohnprojekt frische bauern Meldorf

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Quelle:
Gegenwind Nr. 317 - Februar 2015, Seite 8-9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2015

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