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GEGENWIND/766: Bericht des Verfassungsschutzes 2017


Gegenwind Nr. 359, August 2018

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Nichts passiert
Bericht des Verfassungsschutzes 2017

von Reinhard Pohl


Ohne große Publizität hat das Landesamt Schleswig-Holstein am 22. Mai seinen Bericht für das Jahr 2017 vorgelegt.


Routinearbeit

Der Verfassungsschutz ist inzwischen auch verpflichtet, eine große Zahl von Ausländerinnen und Ausländern zu überprüfen, ohne dass es einen Verdacht gibt. Die Überprüfungen finden statt bei der Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln, aber auch bei Anträgen auf Einbürgerung. 2017 wurden 12.504 AusländerInnen überprüft, die einen Aufenthaltstitel wollten, bei 70 gab es "Erkenntnisse". Überprüft wurden auch 2.945 Einbürgerungswillige, hier gab es bei 21 Personen Erkenntnisse.


Islamismus

Die Zahl der radikalen Islamisten und Salafisten ist in Schleswig-Holstein stark gestiegen. Von 440 Personen 2016 auf 550 Personen 2017. Der Verfassungsschutz führt das auf starke Werbung auch bei hier angekommenen Flüchtlinge zurück.

Konkret passiert ist nichts, der Verfassungsschutz rechnet aber jetzt mit "Rückkehrern" aus Irak und Syrien, weil dort der "islamische Staat" stark unter Druck steht. Ausgereist ist 2017 nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes aus Schleswig-Holstein niemand mehr, zwei haben es versucht. Insgesamt weiß der Verfassungsschutz von 33 Ausreisen, teils auch Wiedereinreisen aus Schleswig-Holstein in IS-Gebiet. Von den 33 sind wohl 15 noch im Irak oder in Syrien, 9 sind zurückgekehrt. Bei neun Personen glaubt der Verfassungsschutz, sie wären getötet worden, davon zwei im Jahre 2017.

Zwei "Gefährder" aus Schleswig-Holstein wurden festgenommen und abgeschoben: Anfang April 2017 ein Tunesier aus Lübeck, am 18. Oktober (Festnahme) bzw. 26. Januar 2018 (Abschiebung) ein Türke aus Neumünster.


Rechtsextremisten

Beim Rechtsextremismus sieht der Verfassungsschutz einen Rückgang. Das liegt vor allem daran, dass Übertritte von der NPD oder anderen zur AfD als Austritt gespeichert werden, weil die AfD nach Ansicht des Verfassungsschutzes zu den normalen Parteien gehört.

Konkret gab es Aktionen gegen die Bürgermeisterin von Seth und den Elmshorner Lichtermarkt.

Anschläge richteten sich gegen Ausländerinnen, meistens Flüchtlinge in Kiel, Lübeck, Oering, Ahrensburg, Neustadt, Pinneberg, Elmshorn und Tornesch.

Reichsbürger gab es im letzten Jahr 230 in Schleswig-Holstein. Vermutlich gab es die vorher auch schon, allerdings gab es eine verstärkte Fortbildung bei den Behörden und entsprechend mehr Meldungen. Reichsbürger sind laut Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein aber nicht organisiert, da sie verschiedenen Richtungen angehören.


Linksextremisten

Die Zahl ist laut Verfassungsschutz gleich geblieben, die wichtigsten Aktivitäten richteten sich gegen den G20-Gipfel und gegen die AfD, besonders deren Wahlkämpfe. Insofern richtete sich auch der Großteil der festgestellten "Gewalt" gegen rassistische Wahlplakate.

Ein Problem der Beobachtung ist nach dem Verfassungsschutz-Bericht auch, dass sich bei der Gegnerschaft zum Rassismus extremistisches und bürgerliches Spektrum mischen.


Ausländische Extremisten

Hier beobachtet der Verfassungsschutz vor allem die (linke) PKK und die (rechte) Ülkücü-Bewegung. Der Verfassungsschutz hat erkennbar ein kleines Problem damit, dass zwar die PKK im Krieg in der Südosttürkei und im Nordirak angeblich 6.363 Soldaten und Polizisten getötet hat. Zur PKK rechnet der Verfassungsschutz allerdings auch die syrische PYD, die Waffen, Munition und Luftunterstützung von den USA erhält und im Krieg vor allem Militante des "Islamischen Staates" tötet, dabei mit christlichen und jesidischen Milizen verbündet ist. Die PKK soll in Schleswig-Holstein 700 AnhängerInnen haben.

Die rechte Ülkücü-Bewegung, hier meistens als "Graue Wölfe" bekannt, war nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein kaum nach außen aktiv. Die Mitglieder treffen sich in einigen Vereinen und vollziehen das nach, was ihnen aus der Türkei vorgegeben wird, zum Beispiel vor Wahlen oder Abstimmungen zur Verfassung.


Fazit

Ohne Verfassungsschutz würden wir in Schleswig-Holstein genauso sicher leben. Zu wichtigen Fragen, z.B. dem Aufenthalt von NSU-Gruppenmitgliedern in Schleswig-Holstein, hat er weiterhin nichts herausgefunden.


Verfassungsschutz-Bericht 2017: Landtags-Drucksache 19/733.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 359, August 2018, Seite 10
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2018

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