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GEGENWIND/768: Urkatastrophe - Der Erste Weltkrieg und Kiel


Gegenwind Nr. 359, August 2018

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

LOKALES
"Urkatastrophe - Der Erste Weltkrieg und Kiel"

Ausstellung, Veranstaltungen, Führungen und Workshops im Flandernbunker Juli 2018 bis März 2019

von Jens Rönnau



Postkarte, Privatsammlung

Festung Kiel-Friedrichsort, Übungsschießen im Ersten Weltkrieg - Postkarte, Privatsammlung

Wer sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und dessen Verbrechen befasst, gerät bei der Suche nach Ursachen automatisch zur Zeit des Ersten Weltkriegs und den folgenden gesellschaftlichen Umwälzungen. Der Historiker und Diplomat George F. Kennan fand dafür 1979 den Begriff "Urkatastrophe dieses Jahrhunderts". Dessen vielschichtige Bedeutung und die zahllosen Bezüge des Nationalsozialismus zu jenem Krieg sowie die aktuelle Wiederentdeckung der Bedeutung von Matrosenaufstand und Revolution 1918 hat der Verein Mahnmal Kilian zum Anlass genommen, eine entsprechende Ausstellung für den Kieler Flandernbunker zu entwickeln, dessen Name seinerseits für den Ersten Weltkrieg steht.

Der Verein verfolgt auf Basis des dunkelsten Kapitels der deutschen Vergangenheit eine Grundidee: Die Vermittlung von Geschichte zur Friedensförderung und Völkerverständigung. Wer sich verständigen will, muss auch miteinander reden. Darum waren zur Eröffnung der Ausstellung "Urkatastrophe - Der Erste Weltkrieg und Kiel" am 8. Juli vier Persönlichkeiten um ein Grußwort gebeten worden, die quasi als Stellvertreter für vier verschiedene gesellschaftliche Bereiche stehen: als Politiker, als Soldat, als Pastor und als Bildungsvermittler.


Foto: © Marlise Appel

Macher und Unterstützer der Kieler Ausstellung im Flandernbunker: außen: Dr. Jens Rönnau und Anja Manleitner vom Verein Mahnmal Kilian, v.l.n.r.: Mitarbeiter des Landesbeauftragten für politische Bildung Christian Kniese, Pastor Michael Schwer und Fregattenkapitän und Standortältester des Marinestützpunktes Kiel Alexander Koch
Foto: © Marlise Appel

Und so sprachen vier Redner aus sehr unterschiedlichen Perspektiven: Hans-Werner Tovar als Stadtpräsident der Landeshauptstadt Kiel, Alexander Koch als Fregattenkapitän und Standortältester des Marinestützpunktes Kiel, Michael Schwer als Pastor der Emmaus-Gemeinde Kiel-Wik und Christian Kniese als Mitarbeiter des Landesbeauftragten für politische Bildung. Sie bezogen sich aus heutiger Sicht auf jene noch immer unfassbare "Urkatastrophe" und reflektierten die Unterschiede damaliger und heutiger Rahmenbedingungen - teilweise mit dringendem Appell, sich vergangener Fehler aufrichtig zu widmen. Insbesondere Michael Schwer, einst Mitbegründer der Gedenkstätte Ahrensbök, forderte die Kirche als seine Institution auf, ihre Position weiter zu klären, auch in heutigen politischen Diskursen. Fregattenkapitän Alexander Koch hob die Bedeutung politischer Bildung der Soldaten heute hervor und gab bekannt, dass er eine Standortmitteilung im Kieler Stützpunkt herausgegeben habe, die Veranstaltungen, Workshops und Führungen des Vereins Mahnmal Kilian zu dieser Ausstellung wahrzunehmen. In diesem Sinne freute sich besonders auch Christian Kniese, denn der Landesbeauftragte für politische Bildung (LpB) fördert das Vermittlungsprogramm des Vereins Mahnmal Kilian.

Die Ausstellung zeigt Facetten des Krieges: Die Rolle Kiels, von Politik, Medien und Kirche, ferner geht es um Schlachten, Gefangene, Kunst und Literatur, gezeigt werden auch persönliche Feldpostbriefe und Fotografien. Sie wird parallel zu den aktuellen Ausstellungen zum Matrosen- und Arbeiteraufstand von 1918 in Kiel, Schleswig-Holstein, Hamburg und an anderen Orten präsentiert. Im Flandernbunker zeigt der Verein Mahnmal Kilian den Krieg - den Weg dieser "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts, der viele Menschen am Ende für ihre Rechte auf die Straße gehen ließ. In Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Nordkirche, dem Landesbeauftragten und zahlreichen Wissenschaftlern, Privatsammlern und Künstlern wurde diese vielfältige Ausstellung in den vergangenen vier Jahren vorbereitet, in Segmenten gezeigt und jetzt erweitert - insbesondere um Positionen aus Kunst und Literatur.


Postkarte: Sammlung Nordkirche

Kirche und Krieg - Feldgebet, Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg, Sammlung Nordkirche

Über alle drei Geschosse des Flandernbunkers erstreckt sich die Ausstellung: Im Erdgeschoss empfängt ein kurzer Überblick mit Fakten zur Ereignisgeschichte des Ersten Weltkriegs, dann folgt ein Raum, den Pastor Ulrich Hentschel, einstiger Studienleiter für Erinnerungskultur der Evangelischen Akademie der Nordkirche in Hamburg, und seine Mitarbeiterin Marlise Appel gestaltet haben: "Für Gott und Vaterland" - ein verstörender Blick auf die Rolle der Kirche als kriegstreibende Kraft in Bildpostkarten und Predigttexten. Auch Exponate wie das obligatorische Uniformkoppel mit dem Spruch "Gott mit uns" oder zwei keulenschwingende Putten aus der Plöner Nikolaikirche, die auf einem Stahlhelm sitzen, finden sich hier. Sie wurden von Marlise Appel dort erst unlängst zufällig in einer Abstellkammer entdeckt.


Foto: © Jens Rönnau

Engelsfigur mit Kriegsapplikation aus der Plöner Nikolaikirche
Foto: © Jens Rönnau

Im zweiten Stock, wie auch großformatig auf der Außenwand des Flandernbunkers, empfangen farbige Luftbilder von Schleswig-Holstein, aufgenommen von Clemens Richter aus seinem selbstgebautem Doppeldecker. Seine bitterironisch einmontierten Originalaufnahmen abstürzender Kampfflugzeuge des Ersten Weltkriegs lassen alte Heldenmythen aufblitzen und sogleich Bezüge zwischen Technik- und Kriegsbegeisterung einst und jetzt entstehen. Die Arbeiten Richters sind der Auftakt zum Einbezug von Positionen aus Kunst und Literatur aus damaliger wie aus heutiger Zeit, die teils für sich stehen, teils in die historische Ausstellung einbezogen sind wie Claudia Sperlichs plastisches Comicpaar eines Matrosen mit der Sprechblase "ABER..." und einer Dame, die ein "DOCH." erwidert - beide aufgestellt im Bereich der Medienwirkung und des Matrosenaufstands, der von Studenten des historischen Seminars der CAU mit Knut-Hinrik Kollex erarbeitet wurde.


Foto: © Jens Rönnau

"Der Bedenkenträger - Die Entschlossene - Aber ... Doch", bemalte Papiermaché-Figuren von Claudia Sperlich im Kontext der Rolle der Medien im Ersten Weltkrieg
Foto: © Jens Rönnau

Eine massive Keramik von Susanne Kallenbach zeigt eine auf den Kopf gestellte Schachfigur mit dem Titel "Mürwiker November" oder "wem hamse die Krone jeklaut?" (2018). Sie steht direkt unter einer Großaufnahme des einstigen Kieler Flanderndenkmals von 1927, dessen intendierter Mythos des Marinekorps Flandern auch dem Bunker später seinen Namen gab. Das martialische Denkmal war seinerzeit ein Werk von Fritz Theilmann aus den Werkstätten der Kieler Kunstkeramik, die 1924 mit städtischer Unterstützung als Friedensindustrie begründet worden waren. Dass 1928 auch der "Geistkämpfer" von Ernst Barlach im Stadtzentrum als freie Arbeit errichtet worden war, der alsbald von den NS-Schergen wieder entfernt wurde, setzt in der Ausstellung einen spannenden Bilderzyklus in Gang.


Foto: © Jens Rönnau

Susanne Kallenbach: "Mürwiker November" oder "wem hamse die Krone jeklaut?", Keramik 2018, und Fritz Theilmann: "Flanderndenkmal" für Kiel, Kieler Kunstkeramik 1927
Foto: © Jens Rönnau

Dazu sind Grafiken von Barlach, Käthe Kollwitz, Max Slevogt und Otto Dix gruppiert sowie Gedichte und Textausschnitte von Ricarda Huch, Ernst Jandl oder aus dem 1930 erschienenen Roman "Heeresberich" von Edlef Köppen. Gegenüber gibt ein Lämpchen aus einer umgedrehten Schiffssilhouette grelle Morsezeichen: Wer sie entziffern kann (oder eine Texthilfe liest), entdeckt Zitate rund um das Thema Revolution von der Antike bis zur Gegenwart - eine Arbeit von Clemens Franke aus dem Jahr 2018. Und dann ist da noch jener Stahlkäfig in den Maßen der umstrittenen Guantanamo-Käfigzellen, den man betreten kann - ein Gemeinschaftswerk von Jutta Rika Bressem und Mona Strehlow mit dem Titel "Für Freiheit und Demokratie". Sie fordern die Besucher zu Stellungnahmen durch Stempeldrucke auf, die entweder das Wort "Helden" oder "Verräter" auf einem Zettel erscheinen lassen. Dieser Ausdruck ist dann je in eines von drei roten Kästchen einzuwerfen: "Aufständische 1918 - Frieden und Brot", "Aufständische 1968 - Gegen den Muff von 1000 Jahren" oder "Pegida 2018 - Merkel muss weg - wir sind das Volk".

Im Nebenraum geht es dann um eine sehr persönliche Note jener Völkerschlachten vor 100 Jahren: um die "Post vom Krieg" Es sind drei Beispiele von Briefen und Fotografien von der Front in die Heimat: Magnus Iwens an seine "liebe kleine Frau" Emmy, Rudolph Grimm an seinen Sohn Rudolph Junior sowie Wilhelm Adam an seine Tochter Vera. Man kann manches vom Kriegsverlauf nachvollziehen, aber auch, wie die Soldaten sich im Schreiben mühten, die schrecklichen Realitäten, in denen sie steckten, für ihre Familien auszublenden oder abzuschwächen. Spannend ist dabei auch das zutage tretende damalige Russlandbild der Deutschen, die weniger den "schrecklichen Ivan" zeigen als die dortigen Menschen, Landschaften und Bauwerke. Wertvolle Unterstützung für diesen Teil der Ausstellung leisteten die Nachfahren Ingelene Rodewald, Lutz Grimm und Vera Schmiedel mit ihren Privatsammlungen und Texttranskriptionen. Und auch für diesen Raum hat die Keramikerin Susanne Kallenbach eine Arbeit geschaffen, die ausgeht von einem originalen "Henkelmann", der seit dem Ersten Weltkrieg von ihrer Familie zum Beerensammeln genutzt wird.


Soldatenalltag im Schützengraben - zeitgenössische Fotographie

Die ebenfalls aus persönlichen Dokumenten durch den Historiker Thore Beckmann erarbeitete Abteilung "Kartentisch und Schützengraben" zeigt das wahre Elend und die Diskrepanzen zwischen militärischer Führung und Soldaten. Es sind zwei Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg. So werden Facetten des Kriegsgeschehens aus der Sicht des Stabsoffiziers Fritz von Loßberg und aus der Perspektive unterschiedlicher Frontsoldaten dargestellt. Loßberg war in verschiedenen Korps- und Armeekommandos sowohl an der Ost- als auch an der Westfront im Einsatz. In seinen Memoiren zeichnet er ein Bild des Krieges, der über lange Zeit an zwei Fronten stagnierte. Er eskalierte zu einer reinen Materialschlacht, wobei auch Menschenleben zum "Material" zählten. Loßbergs Schilderungen unterscheiden sich deutlich von denen in der Feldpost der "einfachen" Soldaten. Nicht zuletzt weist seine Sprache auf die konträren Sichtweisen und die sozialen Spannungen zwischen Befehlshabern und Ausführenden hin, die schon kurze Zeit nach Ausbruch des Krieges offensichtlich wurden - sie wurden letztlich entscheidende Faktoren, die Widerstandsgeist bei den Soldaten wie auch in der übrigen Bevölkerung entfachten.


Quelle der Abbildung: Flandernbunker

"Die Baracke" - Titelblatt der lagereigenen Zeitung im japanischen Kriegsgefangenenlager Bando 1918
Quelle der Abbildung: Flandernbunker

Mindestens acht Millionen Soldaten aller beteiligten Nationen gerieten im Ersten Weltkrieg in Gefangenschaft. Die Ausstellung spürt zwei Sonderfällen darunter nach: Wie kamen deutsche Kriegsgefangene nach Japan und wie muslimische Kriegsgefangene nach Deutschland? Diese Fragen beleuchteten der ehemalige Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Dr. Peter Janocha und die Kunsthistorikerin Eva-Maria Karpf. So waren die deutschen Soldaten ursprünglich als Schutztruppen in der Bucht von Kiautschou auf der chinesischen Halbinsel Shandong mit dem kleinen Hafen Tsingtau, welche das Kaiserreich China per Pachtvertrag als Kolonie abgetrotzt hatte. Durch das japanisch-englische Beistandsabkommen hatte Japan die Soldaten nach kurzem Kampf als Gefangene in Lager nach Japan überführt, in denen sich überraschenderweise ein ausgeprägtes Kulturleben entwickelte - bis hin zu jener legendären Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie mit Schillers "Ode an die Freude" (Alle Menschen werden Brüder) durch den schleswig-holsteinischen Ober-Hoboistenmaat Hermann Richard Hansen, die seitdem zum japanischen Kulturgut geworden ist. Aus ganz anderen Gründen ließ das Deutsche Reich für die muslimischen Kriegsgefangenen aus dem englischen, französischen und russischen Heer in Zossen-Wünsdorf bei Berlin ein Vorzugslager mit eigener Moschee errichten: Einerseits forderte dies das verbündete Osmanische Reich für seine Gläubigen, anderseits sollten hier die gefangenen Moslems der Entete-Mächte als Soldaten auf die deutsche Seite gezogen werden - ein Plan, der scheiterte.


Foto: © Johann Theede, Privatsammlung

Erste Moschee auf deutschem Boden für Gefangene der Entente-Mächte in Wünsdorf bei Zossen, nahe Berlin, 1915
Foto: © Johann Theede, Privatsammlung

Schließlich wird der Rolle der heutigen Landeshauptstadt im Ersten Weltkrieg ein größerer Bereich gewidmet - war Kiel doch seit 1871 "Reichskriegshafenstadt" und durch Militär und Rüstung von einem knapp 20.000 Einwohner umfassenden Städtchen bis 1914 zu einer Großstadt mit der zehnfachen Bewohnerzahl expandiert. Umliegende Dörfer waren eingemeindet worden, eine Fischersiedlung für Werftzwecke umgesiedelt. Die Stadt wurde zur Rüstungsschmiede und mit einem Ring von Festungen entlang der Förde umgeben bis hin zu einem hochgerüsteten Flughafen. Dass letztlich erst im November 1918 in Kiel die ersten scharfen Schüsse während der Revolution fielen und in Kiel fast nur jene Soldaten starben, die dort per Schiff in die Lazarette gelangt waren, ist eine besondere Note dieser Zeit. Die Historiker Stefan Wendt und Jens Hüners haben diesen Teil bearbeitet. Unterdessen hatte ihr Kollege Knut-Hinrik Kollex am Historischen Seminar der Kieler Universität mit Studenten im Rahmen eines Seminars die Rolle der Kieler Medien für den Krieg herausgearbeitet. Allein das Lesen der Titelseiten verschiedener Zeitungen von den Tagen rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist eine spannende Lektüre: So gab es auch deutliche Stimmen, die mahnten, diesen Krieg nicht zu führen - man hatte Angst vor den Entwicklungen. So wurden die lokalen Medien aus dem Raum Kiel ausgewertet und unter verschiedenen Themen betrachtet, etwa zum Ausbruch des Krieges, zur Skagerrakschlacht oder zum Ende mit dem Aufstand der Matrosen und Arbeiter in Kiel.

Im Zwischengeschoss des Bunkers, das vor allem der Zeit des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg gewidmet ist, wurde ein Dunkelraum für die Schrecken des Ersten Weltkriegs eingerichtet mit einem Video über Kriegsversehrte und einen "Kriegszitterer" aus dem historischen Film "Shell Shock Verdun 1916" und Fotografien aus dem 1924 von Ernst Friedrich herausgegebenen Buch "Krieg dem Kriege".


Foto: © Jens Rönnau

Vorhanggeschützt: Kriegsbilder aus Ernst Friedrichs Schrift "Krieg dem Kriege", 1924
Foto: © Jens Rönnau

Ein umfangreiches Begleit- und Vermittlungsprogramm umfasst zahlreiche Einzelveranstaltungen vom Chansonabend über eine Künstlerperformance zur originalen Erde vom Grab des ersten gefallenen Soldaten des Krieges bis hin zu einem Fest der Völkerverständigung. Dazu werden Führungen und Workshops mit zehn verschiedenen Schwerpunkten angeboten.

Die Ausstellung ist bis zum 31. März 2019 zu sehen im Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Geöffnet Montag bis Freitag jeweils 11 bis 15 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt beträgt 4 (ermäßigt 3) Euro. Der Ort ist nicht barrierefrei (www.mahnmalkilian.de).

Dr. Jens Rönnau

(Der Beitrag erschien auch im Newsletter Nr. 13 der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten.)

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Angebote für Schulklassen und Erwachsenengruppen

Während der Laufzeit der Ausstellung vom 8. Juli 2018 bis 31. März 2019 bietet der Verein Mahnmal Kilian in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung des Landes Schleswig-Holstein für Schulklassen, Jugendgruppen, Bundeswehrgruppen und freie Erwachsenengruppen Führungen (F) oder Workshops (W) zu verschiedenen Themenschwerpunkten an:

F1/W1 - "Urkatastrophe" - Der Erste Weltkrieg, ein Überblick auf alle Themen der Ausstellung. Militär, Rüstung und Festungen in Kiel, die Fronten in West und Ost, Zeitzeugen, Kunst, Medien, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge.

F2/W2 - Der Weg in den Krieg: Verbündete, Gegner, Weltenbrand, Folgen. Von den Verstrickungen europäischer Mächte zur Ausbreitung über den Globus, Gefangene, Kriegsende, Friedensschlüsse, Demokratie und Faschismus.

F3/W3 - Die Rolle Kiels im Ersten Weltkrieg. Seit 1871 Reichskriegshafen und Rüstungsstandort wurde Kiel und die Förde zur Festungsstadt ausgebaut samt einem hochmodernen Luftwaffenstützpunkt. Zum Kampfschauplatz wurde die Stadt indes erst mit dem Revolutionsgeschehen im November 1918.

F4/W4 - Der persönliche Blick: Zeitzeugenschaften in Feldpost, Tagebüchern und Fotos. Millionen von Feldpostbriefen und Bildkarten wurden von den Schlachtfeldern nach Hause geschickt, viele Tagebücher geschrieben. Ausgewählte Beispiele geben Einblicke und Denkanstöße.

F5/W5 - Die Rolle der Kirche im Ersten Weltkrieg. "Für Gott und Vaterland" lautete die Devise - gebetet wurde im Feld für den Sieg und den Tod des Feindes - auf jeder Seite. Heute befasst sich die Kirche auch selbstkritisch mit dieser Zeit. Doch ist die Verquickung von Religion mit Politik und Krieg heute wirklich Vergangenheit?

F6/W6 - Von der Kriegsbegeisterung zu Volksaufständen, Widerstand und Revolution. Für das noch junge Deutsche Reich zogen 1914 viele Tausende begeistert in den Krieg. Zermürbender Stellungskrieg, Millionen Tote und Hunger kippten die Stimmung, bis das Volk aufstand und seine Rechte einforderte.

F7/W7 - Soldateneid, Widerstand, Revolte, Traditionserlass, Menschenrechte - 1918 / 2018. Seit alters her schwört der Soldat seinem Land den Eid treuer Gefolgschaft. Ungerechtigkeit, Hunger und menschenverachtende Politik führten 1918 zur Revolution - und zum Vorwurf der Desertion. Wie steht das im Verhältnis zur heutigen Rolle des Militärs und des einzelnen Soldaten?

F8/W8 - Der Blick der Künste auf den Krieg - einst und jetzt. Künstler und Schriftsteller wie Otto Dix, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz oder Karl Kraus erlebten den Ersten Weltkrieg und geißelten ihn. Zahlreiche Denkmäler entstanden. Künstler wie Susanne von Bülow oder Clemens Richter blicken aus heutiger Perspektive auf jene menschgemachte Katastrophe.

F9/W9 - Vom Flandernbunker zum Marineuntersuchungsgefängnis. Eine Zeitreise zwischen dem Heldenepos des "Marinekorps Flandern", auf das ein früheres Denkmal und der Name des Flandernbunkers zurückgeht, und der Revolution, die 1918 mitten im "Reichskriegshafen" vor dem Marineuntersuchungsgefängnis begann.

F10/W10 - Tatort Kulturlandschaft - unterwegs mit "EMIL" und dem Verein Kulturerben in der Wik. Tauchst Du gerne in andere Welten ein? Gehst Du gerne auf Spurensuche? Interessierst Du Dich für Deine Stadt und die Menschen, die in Deiner Stadt leben? Wir entdecken verborgene Welten und machen sie für andere sichtbar!

Die Führungen und Workshops sind kostenfrei. Führungen dauern je nach individuellen Möglichkeiten 1 bis 2 Stunden, Workshops 2 bis 4 Stunden. Nach Absprache können Fahrtkosten aus Fördermitteln des Landes über die Bürgerstiftung schleswig-holsteinische Gedenkstätten erstattet werden.

Informationen und Anmeldungen beim Verein Mahnmal Kilian,
Kiellinie 249, 24106 Kiel.
Telefon: 0431 - 260 630 9 (Mo-Fr 11-15 Uhr, So 11-17 Uhr),
e-Mail: info@Kriegszeugen.de, www.mahnmalkilian.de

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Begleitprogramm zur Ausstellung "Urkatastrophe"

Sonntag, 12. August, 12 Uhr
Performance und Ausstellung
Ruppe Koselleck und Susanne von Bülow:
"Vanishing War und Meyers Erde"

In den Schützengräben von Verdun haben die Künstler Susanne von Bülow und Ruppe Koselleck den Geschehnissen des Ersten Weltkrieges nachgespürt. Ihre Ergebnisse zeigen sie in einer Performance mit der Rückführung der Erde des ersten Gefallenen des Ersten Weltkriegs und einer Ausstellung von Schlachtfeldbildern - gemalt mit dem Saft von Blaubeeren aus den zerschossenen Landschaften. Die Ausstellung wird Bestandteil der Ausstellung "Urkatastrophe - Der Erste Weltkrieg und Kiel".
Mo-Fr 11-15 Uhr, So 11-17 Uhr.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 4 / 3 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Sonntag, 16. September, 11.30 Uhr bis 18.00 Uhr
Interkulturelles Fest
"Café International" - Vom Krieg der Völker zur Völkerverständigung

Die Bunkerinsel rund um den Flandernbunker wird zur Insel des Friedens mit einem Fest für Völkerverständigung. Menschen aller Nationen bringen landestypische Speisen und Getränke mit und teilen diese mit Gästen aus unterschiedlichsten Kulturen. Livemusik und Mitmachaktionen sorgen für einen bunten Tag und gute Laune.
Veranstalter: Mahnmal Kilian e.V. in Kooperation mit der Landeshauptstadt Kiel, der Arbeitsgemeinschaft Kieler Auslandsvereine e.V. und Verein Maritimes Viertel Kiel e.V.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt frei.
Eingeschränkt barrierefrei.

Monat, 17. September, 19.00 Uhr
Jahrhundertzeugen: Lesung und Gespräch mit Tim Pröse

Berthold Beitz, Emilie Schindler, Franz J. Müller? Tim Pröse hat Widerstandskämpfer, KZ-Überlebende, Deserteure, Menschenretter und ihre Angehörigen über Jahre begleitet. In 18 Portraits erzählt er von ihrem Leben, ihrer Botschaft: ein Plädoyer der Unangepassten für mehr Toleranz - gegen das Vergessen! Viele dieser Jahrhundertzeugen wie die Geschwister Scholl, Anne Frank oder der Hitler-Attentäter Ewald-Heinrich von Kleist wurden auch geprägt durch die Erlebnisse ihrer Familien im Ersten Weltkrieg.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 6 / 4 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Mittwoch, 3. Oktober, 19.00 Uhr
"Die Gedanken sind frei"
Lieder und Texte mit Horst Stenzel und Corbin Broders

Protest-, Freiheits- und Arbeiterlieder von den Bauernaufständen und den Napoleonischen Befreiungskriegen über den Spanischen Bürgerkrieg und der Russischen Revolution bis zum Matrosenaufstand und dem Vietnamkrieg - eingebettet in die historischen Kontexte.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 12 / 10 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Mittwoch, 24. Oktober, 19.00 Uhr
"Rot wie Schnee"
Lesung mit Volker Kaminski, Berlin

"Tom war sich sicher, dass der Junge nach ihm rief. Er glaubte seine helle Stimme zu hören, während er den Flur zwischen Küche und Atelier durchquerte. Er knipste das Neonlicht an und betrat das Atelier. Mach dich nicht verrückt, dachte er, es ist doch nur ein Bild." Tom Lautenschläger, ein seit Jahren gefragter, erfolgreicher Maler großer Bilderserien vom "schönen mondänen Leben", thematisiert eines Tages - mehr oder weniger ungewollt - Kriegserfahrungen und Gewalt. Er malt ein Bild vom "roten Schnee" - ein Bild, das er aus den Fluchterzählungen seines Vaters kennt. In der Folge kommt es in seinem Atelier zu Verwicklungen ....
Veranstaltung in Kooperation mit dem Literaturhaus Schleswig-Holstein.

Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 4 / 3 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Freitag, 9. November, 19.45 Uhr
"Der Tempel brennt
Gedenklesung zur Pogromnacht mit Dr. Jürgen Strasser

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckte der Grazer Bürgermeister die Synagoge seiner Stadt eigenhändig in Brand. Die jüdische Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Künstlerin Mela Hartwig (1893-1967) war Augenzeugin und beschreibt das Inferno in ihrer Schrift "Der Tempel brennt", die erst spät wiederentdeckt wurde. Sie emigrierte nach London.
Veranstalter: Mahnmal Kilian e.V. in Kooperation mit der Landeshauptstadt Kiel und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V..
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt frei.
Eingeschränkt barrierefrei.

Sonntag, 11. November, 16.00 Uhr
THESPIS-Theateraufführung
"300 to 1" von Wilfred Owen
11. Internationales Monodramafestival THESPIS

"Mein Thema ist der Krieg und das Leid des Krieges. Die Poesie liegt im Leid? Alles, was ein Dichter heute tun kann, ist: warnen." Wilfred Owens Gedichte Dulce et decorum est und Hymne für die verdammte Jugend entstanden im Craiglockhart Hospital in Edinburgh. Er starb an der Front 1918 eine Woche vor Kriegsende.
Veranstalter: THESPIS und Mahnmal Kilian e.V.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 17 / 12 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Dienstag, 27. November, 20.00 Uhr
Chanson-Abend "Cri Du Poilu"
Lieder aus dem Schützengraben

Notizen, Tagebücher, Gedichte - selten wurde so viel geschrieben wie im Jahr 1914. Viele dieser Texte wurden schon damals vertont. Die Chansonniers Coko und Danito singen diese Friedenslieder aus dem Schützengraben im Flandernbunker. Ihre Chansons erzählen vom Kriegsalltag, der Sehnsucht nach Zuhause, einer politischen Vision, oft erfüllt von Trauer oder beißender Ironie. Die Texte erhält das Publikum zum Mitlesen auf Französisch und Deutsch.
Veranstalter: Centre Culturel Français de Kiel in Kooperation mit Mahnmal Kilian e.V..
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 12 / 8 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.

Sonnabend, 12. Januar 2019, 19.00 Uhr
Theater / Lesung / Musik
"Ein Tropfen Blut fürs Vaterland" - szenische Lesung mit Filmausschnitten und Musik mit Tönen und Bildern von Norbert Aust

Fliegerpiloten des Ersten Weltkriegs v. Richthofen, Göring & Co. - entfalten die Texte der angeblichen Ritter der Lüfte heute noch ihre Wirkung? Dem spüren die Schauspieler Norbert Aust und Siegfried Jacobs (beide Verein TheaterMuseumKiel) zusammen mit den Musiker*innen Bettina und Markus Günst (Cello, Kontrabass, Soundtrack) nach.
Flandernbunker, Kiellinie 249, 24106 Kiel. Eintritt 8 / 5 Euro.
Eingeschränkt barrierefrei.


Der Schattenblick veröffentlicht den Artikel und die Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jens Rönnau.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 359, August 2018, Seite 53-56
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2018

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