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GEGENWIND/782: Buchvorstellung - Staat im Ausverkauf. Ein Weckruf


Gegenwind Nr. 363 - Dezember 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

BUCH
Staat im Ausverkauf - Ein Weckruf

von Klaus Peters


Die Gründe für den weltweiten Privatisierungswahn, stellt Tim Engartner, Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften in Frankfurt a.M., in dem Buch "Staat im Ausverkauf" fest, kulminieren letztlich alle im neoliberalen Glauben an den "Markt" als Allheilmittel. Verstärkt eingesetzt hat dieser Wahn 1982 mit dem Regierungsantritt von Helmut Kohl, ist dann von der Regierung seines Nachfolgers, Gerhard Schröder, unerwartet massiv intensiviert und von den Regierungen unter Angela Merkel ohne besondere Einschränkungen fortgesetzt worden.


Länderregierungen, Städte und Kommunen haben sich angeschlossen. Inzwischen sind die Abhängigkeiten in Politik und Gesellschaft so stark angewachsen, dass ein baldiges Stoppen dieser verheerenden Politik auch vom Autor nicht angenommen wird. Privatisierungen und deren Folgen werden von ihm in sieben Politikfeldern aufgezeigt und analysiert: Bildung, Verkehr, Bundeswehr, Rente und Arbeit, Post und Telekommunikation, Gesundheitswesen sowie kommunale Versorgung. Auf teilweise subtile Weise kommen neue Privatisierungsbereiche hinzu, wie Windenergie- und Photovoltaikanlagen.

Sämtliche Regierungsparteien haben den Privatisierungswahn vorangetrieben oder sich ihm ausgeliefert. In wenigen Fällen ist es inzwischen zu einem Umdenken und zu Rückkauf (deutsche Bundesdruckerei, teilweise aber wiederum rückgängig gemacht) oder zu Rekommunalisierungen gekommen. Bislang ist jedoch keine Trendumkehr zu erkennen. Diverse Rekommunalisierungen sind erst durch Bürgerentscheide in Gang gesetzt worden. Es muss immer auch damit gerechnet werden, dass Bürgerentscheide übergangen werden, zumal sie durchweg ohnehin nur für zwei bis drei Jahre gelten. In Hamburg ist beispielsweise unter der CDU-Regierung Ole von Beust ein Bürgerentscheid gegen die Privatisierung von Krankenhäusern missachtet worden. Ein aktueller Bürgerentscheid zum Rückkauf der Energienetze scheint trotz des Widerstands der CDU umgesetzt zu werden.

Es wäre eine Chance, vielleicht eine der letzten, insbesondere für die SPD, aber auch für andere politische Akteure, die sich eher links verorten wollen, eine Chance für einen Neubeginn, Privatisierungen zu beenden und rückgängig zu machen, Gemeinwohl wieder Vorrang vor der Gewinnorientierung zu verschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob ihr und anderen gesellschaftlichen Kräften dieses Unterfangen gelingt. Nichtregierungsorganisationen stehen zur Unterstützung bereit. Das Buch von Tim Engartner ist mehr als ein Weckruf.


Tim Engartner:
Staat im Ausverkauf,
Privatisierung in Deutschland,

268 Seiten, Campus-Verlag 2016, 22,95 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 363 - Dezember 2018, Seite 57
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2018

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