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GEHEIM/283: Die Wikileaks-Dokumente aus dem US-Außenministerium schaden mehr als sie nutzen


GEHEIM Nr. 4/2010 - 13. Dezember 2010

GEHEIMPAPIERE
Cui bono?
Die Wikileaks-Dokumente aus dem US-Außenministerium schaden mehr als sie nutzen

Von der GEHEIM-Redaktion


Die Meldungen überschlagen sich, füllen die Medien, atmen Dramatik, suggerieren grundlegende Veränderungen in der Weltpolitik. Auslöser dieses Hype: die international operierende Internet-Plattform WikiLeaks. Sie hatte, wieder einmal, "zugeschlagen" und angekündigt, mehr als 250.000 Dokumente des US-Außenministeriums zu veröffentlichen, die Einblicke in die nordamerikanischen Einschätzungen über Freunde und Feinde geben. Dies wurde nun zum zweiten Schlag von WikiLeaks, nachdem die Internetplattform schon wenige Monate zuvor tausende von US-Dokumenten über die Yankee-Kriegsführung im Irak veröffentlicht hatte.


Ist die Welt jetzt wirklich in Unordnung?

Zunächst einmal beeindruckt die Quantität der Dokumente, zumal sie weltweite Einschätzungen wiedergeben. Allerdings ist der Charakter dieser Dokumente in überwältigendem Maße weder "vertraulich", noch "geheim" oder gar "streng geheim". Deshalb wird sehr viel berichtet, was man schon in den vergangenen Wochen und Monaten in unterschiedlichen Zusammenhängen in den Medien hat wahrnehmen können, durchaus auch in solchen, denen "radikale" oder sogar revolutionäre Positionen ein Graus sind. Ist zum Beispiel die Einschätzung der Nordamerikaner des iranischen Präsidenten Ahmadinejiad als "neuen Hitler" wirklich neu und sind die Darstellungen diverser Treffen zwischen Yankee-Diplomaten und arabischen Herrschern, bei denen in schriller Sprache die Kriegsglocken gegen den Iran geläutet werden, tatsächlich erschütternde Enthüllungen? Dass in Washington ein dunkler Graben zwischen offizieller diplomatischer Sprache und tatsächlicher Einschätzung von Freunden (z.B. Deutschland, England, Frankreich, Italien) und ihren politischen Führern bis hin zu rüder Sprache klafft, ist ebenfalls nichts Neues. Auch darüber war schon zu lesen und auch in Originaltönen us-amerikanischer Politiker zu hören. Im Vergleich zu tatsächlichen Enthüllungen der vergangenen Jahrzehnte ist der mediale und politische Wirbel dennoch ungleich lauter und intensiver. Einer der WikiLeaks Gründer, Julian Assange, wird gar schon weltweit gejagt. Die USA lassen ihn quasi als Osama bin Laden des Internet dämonisieren. Inzwischen sitzt er in England im Gefängnis. Grund: ein an den Haaren herangezogener, sich sehr konstruiert anhörender Vergewaltigungsvorwurf. Für sehr viele Menschen wurde er deshalb schon zu einer Art Märtyrer des investigativen Journalismus.


Fragen

Bei einer ruhigen Analyse der Vorgänge um die WikiLeaks-Veröffentlichungen drängen sich einfach verschiedene Fragen auf. Der US-Informant in den Reihen der FDP-Führung, immerhin bis vor kurzem Büroleiter von FDP-Chef und BRD-Außenminister Westerwelle, wurde lediglich zunächst parteiintern versetzt, dann wurde sein Arbeitsverhältnis aufgelöst. Er blieb aber von einem BKA-Kommando und einer möglichen Anklage wegen "Geheimnisverrats" oder der "Zusammenarbeit mit einer fremden Macht" verschont. Warum? Bei so einer fast unüberschaubaren Fülle von Dokumenten - wie kann ausgeschlossen werden, dass diverse Geheimdienste dort ihr Desinformationssüppchen kochen? Ganz offensichtlich werden die Dokumente (bereits auch im Vorfeld der offiziellen Veröffentlichungen im Internet) in jeder Hinsicht sehr selektiv an die internationalen Medien gezielt verteilt. Wieso? Die nordamerikanische und israelische Politik sind im Nahen Osten auf das engste miteinander verzahnt. Israel könnte seine expansionistische und aggressive Politik ohne aktive Unterstützung wie umfassende Rückendeckung aus den USA nicht einmal ansatzweise umsetzen. Dennoch bleibt Tel Aviv von den WikiLeaks-"Enthüllungen" auffallend verschont. Wie ist das zu erklären? Die Supermacht USA befindet sich ökonomisch, politisch wie geostrategisch im Niedergang. Die Konkurrenz mit und zwischen alten "Freunden" verschärft sich immer deutlicher. Ist dies auch ein Hintergrund für die die Medien so beherrschenden WikiLeaks-Veröffentlichungen? Tatsache ist, hinter dem medialen Gewitter verstecken sich schon jetzt international diverse Maßnahmen, dass künftig aggressiver und repressiver gegen investigative Journalisten und wirkliche Enthüllungen vorgegangen werden kann, damit geheim bleibt, was tatsächlich geheim bleiben soll.

Kurzum: Wem nutzen die WikiLeaks-Veröffentlichungen?


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Quelle:
GEHEIM Nr. 4/2010, 13. Dezember 2010, Seite 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2011