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GLEICHHEIT/2305: Toyota beleuchtet globale Autokrise


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Toyota beleuchtet globale Autokrise

Von Peter Symonds
3. Januar 2009
aus dem Englischen (24. Dezember 2008)


Toyota gab am Montag bekannt, dass für das laufende Jahr mit einem operativen Verlust zu rechnen sei. Dieser erste Verlust in fünfzig Jahren hat nicht nur in Japan Schockwellen durch die Autoindustrie gesandt, sondern auch weltweit. Der japanische Autobauer wird allgemein als vorbildlich für Effizienz in der Produktion betrachtet, weshalb Toyotas Verluste eine umso deutlichere Warnung sind, dass vor der weltweiten Rezession niemand immun ist.

Das Unternehmen erwartet einen Verlust von 150 Milliarden Yen (1.6 Milliarden US$) für das Geschäftsjahr bis März 2009, und revidiert damit seine Geweinnerwartung in Höhe von 600 Milliarden Yen. Dies ist ein dramatischer Einbruch gegenüber dem letztjährigen Gewinn von 2,27 Billionen Yen oder 25 Milliarden US$. Seit die Firma im Geschäftsjahr 1940-41 erstmals ihre Bilanzen veröffentlichte, hatte Toyota keinen Verlust gemacht. Die internen Dokumente zeigen einen kleinen Verlust im ersten Jahr 1937 an.

Toyota Präsident Katsuaki Watanabe malte eine düstere Zukunft für das Unternehmen: "Es ist eine Notsituation, wie wir sie nie zuvor erfahren haben. Die Umstände um uns herum sind sehr hart... Die Veränderungen in der Weltwirtschaft sind so stark, wie sie nur alle hundert Jahre auftreten... Diese harten Zeiten treffen uns schneller, umfassender und tiefer als erwartet. Das ist eine beispiellose Krise, die dringend eine Antwort fordert."

Toyota hat praktisch alle Expansionspläne eingefroren und die Produktion von sechzehn der weltweit insgesamt 75 Produktionsstandorte auf Eine Schicht reduziert. In den USA, wo das Unternehmen bis zuletzt stark expandierte, wurde die geplante Fertigstellung seines achten Werks in Mississippi abgebrochen. Das Werk in San Antonio fährt nur noch eine Schicht, während Zeitarbeiter dort bereits entlassen wurden. In England werden voraussichtlich 800 Arbeiter der Burnaston Anlage ihre Arbeit verlieren, und der Betrieb wird für in den nächsten vier Monaten vier Wochen lang stillstehen.

Im letzten Jahr verkaufte Toyota weltweit 8.9 Millionen Fahrzeuge und war dabei, als erster Autobauer die 10 Millionen Marke zu toppen. Die Prognose für das am 31. März zu Ende gehende Geschäftsjahr wurde nun auf 7,54 Millionen zurückgenommen - 15 Prozent weniger als letztes Jahr. Das nächste Jahr mag sogar noch schlimmer werden. Watanabe warnte: "Unglücklicherweise kann ich im Moment den Boden des Abgrundes noch nicht erkennen."

Die Wende bei Toyota ist eine weitere Demonstration der Tiefe und des Tempos des Niedergangs der Weltwirtschaft. Kirk Kohler, Manager des Toyota-Werks in San Antonio, gab der New York Times gegenüber an: "Es macht deutlich, wie drastisch der Wechsel in der Wirtschaft und der Autoindustrie ist. Sogar Toyota, das typischerweise sehr konservativ und ausgeglichen ist und Entscheidungen langfristig trifft, hat den Wechsel auf den Märkten nicht kommen sehen."

Der Rückgang der Verkäufe von Toyota ist Teil eines allgemeinen weltweiten Trends. Die Ausgaben der Konsumenten fallen angesichts einer Lawine von Entlassungen, zurückgehender Einkommen und wegfallender Kredite in den Keller. Man erwartet, dass die japanischen Autoverkäufe auf den niedrigsten Stand seit 31 Jahren zurückgehen. Verkäufe im Westen und in Mitteleuropa fielen im November um 26 Prozent, und im Jahresdurchschnitt um sieben Prozent. Die Autoverkäufe gingen auch in den sogenannten Schwellenländern wie China, Russland und Brasilien zurück, die noch bis vor kurzem als Wachstumsmärkte galten.

Dem Marktforschungsunternehmen CSM Worldwide zufolge, wuchs die weltweite Fahrzeugproduktion seit Beginn des Jahrzehnts durchschnittlich um 3 Prozent pro Jahr. Dieser Trend kehrt sich nun um. CSM schätzt das es genug Fabriken gibt, um jährlich 90 Millionen Fahrzeuge herzustellen, doch wurden 2008 nur 66 Millionen hergestellt, und nächstes Jahr werden es insgesamt noch weniger sein. Vizepräsident von CSM, Michael Robinet, gegenüber der New York Times : "Der Rückgang in den Verkäufen ist so eindeutig, dass die Produktion selbst reduziert werden muss, um gleichauf zu bleiben."

Nun werden die Beschäftigten der Fahrzeughersteller herangezogen, mit Entlassungen und Lohnkürzungen die Last der Krise auf ihre Schultern zu nehmen. Im Kampf, die Kosten zu reduzieren und ihre Köpfe aus der Schlinge zu ziehen, werden die Firmen Montagebänder und Anlagen in einem Land nach dem anderen still legen. Letzte Woche verlängerte Fiat in Italien sein Programm kurzfristiger Anlagenschließungen um zwei weitere Monate und PSA Peugeot Citroen stoppte zeitweise die Produktion in einem Dutzend Fabriken in ganz Frankreich. In Russland stoppte Ford die Produktion in der Anlage bei St. Petersburg und Renault SA hält in diesem Monat die Anlage bei Moskau für zwei Wochen geschlossen.

In den Vereinigten Staaten hat vergangene Woche die Bush Regierung für General Motors und Chrysler 17,4 Milliarden Dollar unter der Bedingung bereitgestellt, dass drastische - Änderungen in den Firmenstrukturen herbeigeführt werden. Chrysler schloss ebenfalls für einen Monat alle dreißig Anlagen in Nordamerika, während GM diese Woche zwei Montagestraßen in Wisconsin und Ohio permanent schließen will.

Nach Hondas Ankündigung von letzter Woche, dass die Gewinnerwartung für das laufende Geschäftsjahr um zwei Drittel niedriger angesetzt wird, haben die Verluste Toyotas die pessimistische Stimmung in Japan nur weiter verstärkt. Die Wirtschaftszahlen für November, die diese Woche veröffentlicht wurden, zeigen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft den schärfsten je verzeichneten Exporteinbruch vorzuweisen hat, nämlich minus 26,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Importe gingen um 14,4 Prozent zurück, womit Japan zum ersten Mal seit 1980 im zweiten Monat in Folge ein Handelsdefizit aufweist.

Japans Autoexporte gingen um 34,5 Prozent zurück, Exporte in die USA um 40 Prozent. Besondere Besorgnis rief in Tokyo jedoch der Rückgang der Exporte um 24,5 Prozent nach China hervor. Im vergangenen Jahrzehnt stützte sich Japan zunehmend auf Chinas wachsende Wirtschaft, um sich aus der Stagnation herauszuarbeiten, die Infolge des Kollapses der Grundstücksspekulation in den frühen 1990er Jahren hereinbrach. Der schnelle Rückgang des Wirtschaftswachstums in China machte sich schon jetzt in einer schrumpfenden Nachfrage nach japanischen Investitionsgütern und Ersatzteilen bemerkbar.

Mit dem Schrumpfen der Wirtschaft im zweiten und dritten Quartal befindet sich Japan nun offiziell in einer Rezession. Die Aussicht für das nächste Jahr ist ebenfalls düster. Der Chef der Bank von Japan, Masaaki Shirakawa warnte in dieser Woche, dass die Exporte mit dem Steigen des Yen, der gegen den US Dollar seinen höchsten Kursstand seit dreißig Jahren erreichte, wahrscheinlich weiter fallen werden. Die Zentralbank senkte letzten Freitag ihre kurzfristigen Zinsen auf gerade einmal 0,1 Prozent, um die Wirtschaft zu stimulieren.

Am Montag änderte das Kabinett seine Vorhersage für die Wirtschaft, und benutzte zum ersten Mal seit 2002 das Wort "schlechter werdend". In einer Rede für die Geschäftsgruppe Keidaren, versuchte Premierminister Taro Aso gute Miene zum Absturz der Wirtschaft zu machen. Er erklärte, dass Japan das erste Land sein werde, das sich wieder erholen würde, da es keine strukturellen Probleme habe. "Japan ist noch immer wie der Phoenix aus der Asche auferstanden", gab sich der Premier optimistisch. Aso sieht seinem politischen Ende entgegen. Seine Umfragewerte sanken am Freitag unter 20 Prozent.

Die Rezession beginnt bereits die Arbeiterklasse Japans zu Treffen. Eine Umfrage des Arbeitsministeriums vom letzten Monat berichtet, dass 10.000 Zeitarbeiter im Oktober entlassen wurden, und schätzt, dass bis zum nächsten März 30.000 weitere entlassen werden. Diese Zahl ist wahrscheinlich noch stark untertrieben, da Toyota, Mazda, Isuzu, Mitsubishi und andere führende Unternehmen Zeitarbeiter und geringfügig Beschäftigte entlassen werden.

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es einen dramatischen Anstieg von schlecht bezahlten Zeitarbeitsstellen und geringfügiger Beschäftigung. Das ist Ausdruck des Zerfalls des japanischen Systems der lebenslangen Beschäftigung. Zeitlich befristete Beschäftigung betrifft nun 35 Prozent der Arbeiterklasse, gegenüber 24 Prozent 1998 und 18 Prozent 1988. Viele der zeitlich befristet Beschäftigten, die jetzt rausgeworfen werden, sind Jugendliche die sich einer prekären Existenz gegenüber sehen, und sich auf die Familie und die beschränkten Sozialprogramme des Landes stützen müssen.

Der wirtschaftliche Abschwung und der katastrophale Abbau in der Autoindustrie sind eine Anklage gegen die Perspektive der Gewerkschaftsführer, dass Arbeiter ihre Zukunft sichern könnten, in dem sie sich der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firma opfern. Toyota, welches stets als herausragendes Beispiel von Effizienz gelobt wurde, ist von der Rezession genauso getroffen wie seine Rivalen. Der einzige Weg für Arbeiter aus der Anarchie des Kapitalismus ist die weltweite Vereinigung ihrer Kämpfe auf der Basis eines sozialistischen Programms. Die Autohersteller müssen in gemeinschaftliches Eigentum überführt und die Produktion als Teil einer weltweit geplanten Wirtschaft reorganisiert werden.

Siehe auch:
Dollar-Sturz nach Rekord-Zinssenkung der
amerikanischen Notenbank (20. Dezember 2008)

Drohende Deflation und Depression drücken weltweit
auf Aktienmärkte (22. November 2008)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 03.01.2009
Toyota beleuchtet globale Autokrise
http://wsws.org/de/2008/jan2009/toyo-j03.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2009