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GLEICHHEIT/2418: Triste ökonomische Aussichten für die chinesische Führung


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Triste ökonomische Aussichten für die chinesische Führung

Von John Chan
14. März 2009
aus dem Englischen (10. März 2009)


Letzte Woche begannen in Peking zwei nationale Versammlungen, - die Beratende Politische Konferenz des Chinesischen Volkes (BPKCV) und der Nationale Volkskongress (NVK). Beide Ereignisse deuten darauf hin, dass China ein sich beschleunigender Wirtschaftsabschwung bevorsteht.

Nach guten Nachrichten gierend, zogen die Aktienmärkte Asiens, Europas und Nordamerikas darauf hin auf Grund der Spekulation an, die chinesische Führung sei im Begriff, ihr Konjunkturpaket von 4 Billionen Yuan (585 Milliarden US-Dollar) zu verdoppeln. Dow Jones Newswires berichtete: "Die Händler baten Peking um verstärkte Bemühungen, die chinesische Wirtschaft durch den Einkauf von Industrieausrüstungen, Metall- und Ölfirmen anzukurbeln."

Premierminister Wen Jiabao ging jedoch in seinem Eröffnungsbericht an den NVK auf keinerlei neue Ausgaben ein. Sofort fielen die Kurse an den Aktienmärkten wieder. Da der Rückgang des Wirtschaftswachstums durch das derzeitige Konjunkturpaket eindeutig nicht gebremst werden konnte, befürchtet Peking offensichtlich, eine Erhöhung der Regierungsausgaben könnte Gefahren für den Geldmarkt nach sich ziehen.

Für dieses Jahr wird ein Ansteigen des Haushaltsdefizits auf 950 Milliarden Yuan (140 Milliarden US-Dollar) prognostiziert. Das ist mehr als das Achtfache von 2008 und das größte seit Anfang des Regimes im Jahr 1949. Das Defizit entspricht fast 3 Prozent des Bruttosozialprodukts, was in China als kritischer Punkt hinsichtlich der Instabilität der Finanzen betrachtet wird.

Da China ausländische Währungsreserven von fast 2 Billionen US-Dollar hält, wird vielfach angenommen, seine finanzielle Position sei stark. Die meisten dieser Reserven wurden jedoch in amerikanischen Schatzbriefen und anderen amerikanischen Vermögenswerten angelegt, um eine Aufwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar zu vermeiden und um die chinesischen Exporte konkurrenzfähig zu halten. Mit schwindenden Exportaufträgen werden die Steuereinnahmen geringer und der reale Warenmarkt bricht ein. Chinas Finanzen sind keineswegs so stabil, wie allgemein angenommen.

Premier Wen versprach, dieses Jahr ein Wachstum von 8 Prozent hinzukriegen - das notwendige Mindestmaß zur Schaffung von ausreichenden Arbeitsplätzen, die soziale Unruhen verhindern sollen. Aber seine angekündigten 9 Millionen neue Arbeitsplätze im städtischen Bereich reichen kaum zur Versorgung der schätzungsweise 7-8 Millionen Arbeit suchenden Studienabgänger, ganz zu schweigen von den Millionen bäuerlicher Wanderarbeiter und den Arbeit suchenden Arbeitern in den Städten.

Wen entwarf ein düsteres Bild: "Die internationalen Märkte erfordern ein weiteres Schrumpfen, der Trend in Richtung einer globalen Deflation ist offensichtlich und der Handelsprotektionismus lebt wieder auf. Die externe wirtschaftliche Umgebung ist gefahrvoller und die Unsicherheit ist bedeutend größer geworden."

Alle offiziellen Kennzahlen gehen von der Voraussetzung einer Wachstumsrate von 8 Prozent aus. Im Februar prognostizierte der IWF jedoch für 2009 für China lediglich eine Wachstumsrate von 6,7 Prozent - die Hälfte der 2007 erreichten 13 Prozent. Andere Analysten schätzen Raten zwischen 5 und 6 Prozent.

Der Vorsitzende der BPKCV Jia Qingling stellte an Privatfirmen die dringende Bitte, keine Arbeitsplätze abzubauen. "Wir ermutigen den nicht öffentlichen Sektor... seinen Anteil an sozialer Verantwortung zu schultern und durch harte Arbeit sicherzustellen, dass kein Beschäftigter in ihrem Betrieb entlassen wird oder Lohneinbußen und Lohnrückstände hinnehmen muss, um harmonische Arbeitsbedingungen zu schaffen," erklärte er.

Mehr als 20 Millionen bäuerliche Wanderarbeiter haben jedoch schon ihren Arbeitsplatz verloren. Insbesondere Klein- und Mittelbetriebe (KMB) aus dem Exportsektor sind stark betroffen. Wie Nanfan Daily im vergangenen Monat berichtete, haben seit Oktober 20.000 KMB in der Provinz Guandong dichtgemacht, wobei 2 Millionen Arbeitsplätze verloren gingen.

Lau Tat-pong, Vorsitzender der Vereinigung der Klein- und Mittelbetriebe von Hong Kong berichtete der South China Morning Post, dass Firmen aus Hong Kong im Pearl River Delta schwer betroffen seien. In manchen Industriestädten arbeiten nur noch zwischen 20 und 30 Prozent der Firmen. In der ganzen Region produzieren etwa 40 Prozent der 65.000 Fabriken nur noch mit halber Kapazität. Ein Fünftel hat 30 Prozent der Aufträge eingebüßt, bei 30 Prozent brach das Geschäft um 10 Prozent ein.

Auch große multinationale Firmen sind zu einem Produktions- und Arbeitsplatzabbau gezwungen. Intel streicht 2000 Arbeitsplätze in Schanghai und verlegt die Produktion nach Sichuan, wo es billigere Löhne gibt. Letzten Monat kündigte der japanische Konzern Panasonic Electronic Devices im Rahmen von Plänen zu einem weltweiten Stellenabbau von 5 Prozent auch Stellenstreichungen in Peking an.

Die Rektoren der fünf renommiertesten Universitäten des Landes warnten letzten Freitag, die 500 größten multinationalen Konzerne könnten in China die Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen um 40 Prozent reduzieren. Xu Xianming, der Rektor der Universität von Schandong sagte: "Ein solcher Rückgang ließ uns befürchten, dass die globale Finanzkrise uns tatsächlich erreicht. Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten, denn das schlimmste Chaos hat uns noch nicht erfasst."

Der Index für Einkäufer (IE) stieg von 45,3 im Januar und einem Rekordtief im November von 38,8 im Februar auf 49. Der Anstieg ist jedoch eher Ergebnis der Bevorratung mit Rohstoffen, als einer geplanten Produktionsausweitung. Ein IE-Wert von unter 50 weist auf einen Rückgang der Warenproduktion hin.

He Jiming von der Internationalen Kapitalgesellschaft Chinas erklärte vergangene Woche gegenüber der Financial Times : "Das chinesische BIP könnte such im zweiten Quartal auf Grund des geballten Effekts steuerlicher Anreize kräftig erholen. Im vierten Quartal könnte es jedoch wegen sich verknappender Kredite, schwächer werdender Effekte der finanziellen Anreize aufgrund von Infrastruktur und rückläufiger privater Nachfrage merklich zurückgehen."

Peking stellt im Laufe von zwei Jahren tatsächlich nur ein Drittel seines Konjunkturpakets, also 161 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Der Rest wird staatlichen Banken, Firmen und lokalen Verwaltungen überlassen. Bei einem Drittel der neuen Bankkredite geht man davon aus, dass sie wegen mangelnden Vertrauens in den wirtschaftlichen Erfolg eher in die Aktienmärkte, als in produktive Bereiche fließen. Von den für das letzte Quartal vorgesehenen 100 Milliarden Yuan wurden nur 30 Milliarden ausgegeben.

Aus Angst vor sozialen Unruhen hat die chinesische Führung einige geringfügige Sozialleistungen angekündigt. Derzeit wird ein Sozialversicherungsgesetz ausgearbeitet, das eine allgemeine medizinische Grundversorgung, Arbeitsplatzgarantie, Arbeitslosenversicherung und Renten beinhaltet. Das Gesetz soll neben der Schaffung eines sozialen Netzes auch die Konsumentenausgaben im Inland in Schwung bringen.

Bei sinkenden Steuereinnahmen und fallenden Profiten in der gesamten Industrie gibt es nur einen geringen Spielraum für Zugeständnisse an die arbeitende Bevölkerung. Eine in Aussicht gestellte Mindestlohnerhöhung in ganz China wurde im November wieder auf Eis gelegt, ein neues Arbeitsgesetz zum Schutz der Grundrechte der Arbeiter von 2008 wurde inzwischen von vielen regionalen Verwaltungen wieder außer Kraft gesetzt.

Als Reaktion auf Kritik in der Öffentlichkeit kündigte Wen an, den für Sozialprogramme vorgesehen Anteil des Konjunkturpakets um 1 bis 4 Prozent zu erhöhen. Die Ausgaben für Bildung werden dieses Jahr um 24 Prozent aufgestockt, für Gesundheitsfürsorge um 38 Prozent, für einfache Unterkünfte für arme Familien um 171 Prozent. Vermutlich soll ein Großteil der zusätzlichen Gelder von den regionalen Verwaltungen aufgebracht werden, die schon jetzt wegen ihrer schwindenden Einkünfte mit ernsten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Die Regierung hat für die drei nächsten Jahre 850 Milliarden Yuan versprochen, um die Gesundheitsvorsorge für die arbeitende Bevölkerung erschwinglich zu machen. Gerade einmal 34,15 Milliarden oder 6,9 Prozent davon stehen im diesjährigen Haushaltsplan. Selbst bei boomender Wirtschaft wurden die Verheißungen aus Peking oft nicht umgesetzt. Im Jahr 1997 versprach Peking 4 Prozent des BIP im Jahr 2000 für Bildung auszugeben. 2007 waren es dann erst 2,8 Prozent

Das Regime befindet sich in einem Dilemma. Um den wirtschaftlichen Niedergang abzubremsen, müsste es die Konsumentenausgaben erhöhen; jeder Lohnzuwachs untergräbt jedoch Chinas Position als wichtigstes Billiglohngebiet der Welt. Um weiterhin ausländische Investitionen anzuziehen, wetteifern alle Regierungsebenen mit Angeboten an Steuervergünstigungen, billigem Land und billiger Arbeit.

In einem Bereich jedoch, bei den Sicherheitskräften nämlich, zögert Peking nicht mit Ausgabensteigerungen: Der Militärhaushalt wird abermals um 14,9 Prozent auf 70,2 Milliarden US-Dollar erhöht - seit 19 Jahren ist seine Wachstumsrate somit zweistellig. Dieses Wachstum ist nicht nur vom Streben des Regimes nach einer Weltmachtposition Chinas bestimmt, es soll auch der Stärkung des Sicherheitsapparates dienen. Denn dieser soll bei sinkendem Lebensstandard und den infolgedessen unvermeidbar ausbrechenden sozialen Unruhen eingesetzt werden.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 14.03.2009
Triste ökonomische Aussichten für die chinesische Führung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009