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GLEICHHEIT/2424: Krise in Israel verschärft sich


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Krise in Israel verschärft sich

Von Jean Shaoul
20. März 2009
aus dem Englischen (18. März 2009)


Nach Verhandlungen über die Bildung einer Koalitionsregierung hat Benjamin Netanjahu, der Führer des rechten Likud-Blocks, eine Vereinbarung mit der extrem rechten Partei Israel Beitenu unterzeichnet, die dieser Partei fünf Kabinettsposten einräumt. Ihr Führer Avigdor Lieberman soll Außenminister werden.

Likud errang bei den Wahlen im Februar 27 Sitze, einen weniger als Kadima. Aber Netanjahu wurde mit der Regierungsbildung beauftragt, weil die rechten Parteien insgesamt über 65 der 120 Sitze in der Knesset verfügen.

Es wird noch manchen Kuhhandel erfordern, um die kleineren Rechtsparteien Schas, Jüdisches Heim und Vereinigtes Thora-Judentum an Bord zu holen. Aber wenn Netanjahu Erfolg hat, dann wird das die rechteste israelische Regierung aller Zeiten sein. Sie wird von Parteien abhängig sein, die sich auf die Siedler in den besetzten Gebieten stützen, und ihr Repräsentant auf dem internationalen Parkett wird ein rassistischer Befürworter ethnischer Säuberungen sein.

Lieberman ist ein aggressiver Vertreter der "Übersiedlung" israelischer Araber in die palästinensischen Gebiete, denn für ihn sind sie die fünfte Kolonne der Palästinenser. Er ist gegen das Konzept "Land für Frieden", auf dem die so genannte "Zwei-Staaten-Lösung" beruht. Vor zehn Jahren forderte er, Bomben auf den ägyptischen Assuan-Staudamm zu werfen und Ägypten zu überfluten. Als er noch vor kurzem die Vernichtung von Hamas forderte, bediente er sich Begriffen, die einen Atomwaffeneinsatz gegen Gaza nahe legten. Auch befürwortet er die Bombardierung des Iran. Er ist ein durch und durch korrupter Politiker, gegen den Untersuchungen wegen Steuerhinterziehung, Betrug und Geldwäsche laufen.

Im Moment lehnen Kadima und Labour noch ab, der Koalition beizutreten. Aber Netanjahus Vereinbarung mit Israel Beitenu lässt die Tür für Tsipi Livni von Kadima offen, ihren Posten als Außenministerin zu behalten, sollte sie sich entscheiden, in die Koalition einzutreten.

So oder so ist die Nominierung eines solchen Provokateurs und Kriegstreibers als Außenminister eine weitere Stufe in der politischen und gesellschaftlichen Degeneration des Zionismus. Liebermans Aufstieg ist der Höhepunkt einer Rechtsentwicklung des gesamten politischen Spektrum von Israel.

Die stärkste Stütze Liebermans sind die 1,25 Millionen russischen Juden in Israel. Er begann seine politische Karriere als junger Mann in Rabbi Meir Kahanes Kach-Bewegung, die 1980 wegen Rassismus und Gewalttätigkeit verboten wurde. Sein weiterer politischer Werdegang spielte sich im Zentrum der israelischen Politik ab. Er arbeitete als Sekretär der Jerusalemer Sektion des Gewerkschaftsverbandes Histadrut und trat später in den Likud ein. Von 1993 bis 1996 war er ihr Generaldirektor und noch ein weiteres Jahr Bürochef des damaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

1999 gründete er Israel Beitenu (Unser Haus Israel) und wurde ihr Vorsitzender. Die Partei vertrat ursprünglich säkulare Juden aus Russland, erweiterte dann aber ihre Anhängerschaft auf andere Schichten und zog 1999 in die Knesset ein. Lieberman diente in Ariel Scharons Regierung, bis er 2004 entlassen wurde, weil er dagegen war, dass Scharon die Siedler aus dem Gazastreifen abziehen ließ. Dann trat er im Oktober 2006 als einer von mehreren stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister für Strategische Fragen in Ehud Olmerts Kadima-Regierung ein. Im Januar 2008 trat er jedoch aus Protest gegen die Friedensgespräche mit den Palästinensern zurück, die Bestandteil des Annapolis-Prozesses waren und von den USA unterstützt wurden. Bei der letzten Wahl gewann seine Partei fünfzehn Sitze und verwies damit Labour, die Partei, die den Staat Israel gegründet hat, auf den vierten Platz.

Liebermans harte Linie gegen die Palästinenser und die israelischen Araber ist nicht bloß ein Ausnahmefall, wie Israels Apologeten behaupten. Eine Person wie Lieberman kann überhaupt nur für den Posten des Außenministers in Betracht gezogen werden, wenn seine Politik in den herrschenden Kreisen Israels schon Allgemeingut ist.

Sein Aufstieg in höchste Regierungsämter wurde von Israels mörderischen Angriffen auf den Libanon und auf Gaza 2006 und dann erneut auf Gaza Anfang diesen Jahres vorbereitet. Dieser letzte Angriff, der mehr als 1.300 Männern, Frauen und Kindern das Leben kostete, wurde von Kadima und Labour verantwortet, d.h. von den Parteien, die jetzt als moderate Kräfte in einer sonst extrem rechten Regierung gelten. Außerdem unterstützen sowohl Netanjahu wie auch Livni stillschweigend, dass Lieberman von der arabischen Bevölkerung Israels eine besondere Treueerklärung fordert und sie andernfalls mit Massenausweisung bedroht.

Einst haben die Zionisten Israel den Juden als sichere Heimat, frei von sozialer Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung, in Aussicht gestellt. Heute ist Israel von sozialen und politischen Spannungen zerrissen. Es hält die Palästinenser widerrechtlich unter Besetzung und Unterdrückung und hat im Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe geschaffen. Die Diskriminierung israelischer Araber ist nur der offenste Ausdruck einer grotesken sozialen Ungleichheit und damit zusammenhängender Spannungen, die Israel zu zerreißen drohen. Von insgesamt sieben Millionen Menschen leben mehr als 1,6 Millionen, darunter 800.000 Kinder, in Armut. Fast 45 Prozent der Bevölkerung sind arm, obwohl sie Arbeit haben. Der Anteil der Millionäre an der israelischen Bevölkerung ist doppelt so hoch wie im Durchschnitt weltweit.

Lieberman beutet diese sozialen und politischen Spannungen - z. B. zwischen russischen Juden und einem Teil der Jugend - erfolgreich aus. Er verbindet seinen anti-arabischen Rassismus mit der Forderung nach einem Programm öffentlicher Arbeiten gegen die Arbeitslosigkeit.

Seine widerwärtige politische Plattform trägt unverkennbar Ähnlichkeiten mit der politischen Ideologie, mit der Hitler und die Nazis vor 75 Jahren in Deutschland an die Macht kamen. Dass eine solche Fratze möglicherweise als Gesicht ausgewählt wird, das Israel der Welt zuwendet, ist die größte Schande für das gesamte zionistische Projekt.

Tatsächlich ist Lieberman das unvermeidliche Produkt eines Staates, der auf der Enteignung eines anderen Volkes beruht. In seiner ganzen Geschichte hat er sich nur durch Krieg, Unterdrückung, systematische Diskriminierung und groteske soziale Ungleichheit am Leben erhalten. Lieberman tritt in die Fußstapfen von rechten Ganoven wie Netanjahu und Kriegsverbrechern wie Ariel Scharon.

Der voraussichtliche Außenminister verkörpert in seiner Person die Sackgasse, in die der Zionismus das israelische Volk geführt hat. Aus dieser Sackgasse gibt es nur einen Ausweg: Das ist die politische Einheit von arabischen und israelischen Arbeitern im gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft im gesamten Nahen Osten.

Siehe auch:
Israelische Gräueltaten in Gaza: Politische Sackgasse
und moralischer Bankrott (8. Januar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.03.2009
Krise in Israel verschärft sich
http://wsws.org/de/2009/mar2009/isra-m20.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2009