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GLEICHHEIT/2853: 75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis, Teil 2


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis
2. Teil

Von Ron Jorgensen
31. Dezember 2009
aus dem Englischen (27. August 2009)


Hier der zweite Teil einer vierteiligen Artikelserie über ein wichtiges Kapitel der amerikanischen Arbeiterbewegung: den Streik der Lastwagenfahrer in Minneapolis im Jahre 1934 und die Kämpfe, die ihm vorausgingen. Der erste Teil erschien am 29. Dezember 2009.


Vincent Dunne und Carl Skoglund lernten sich 1915 in Minneapolis kennen. Der schwedische Immigrant Skoglund war 1914 der Sozialistischen Partei beigetreten. Dunne war zuerst Mitglied der Industrial Workers of the World (IWW), bis Skoglund ihm den Marxismus nahe brachte. Beide waren von der Russischen Revolution begeistert und traten später der Kommunistischen Partei bei. In Minnesota nahmen sie an zahlreichen Streikkämpfen teil.

1924 lernten sie James P. Cannon kennen, ein Führungsmitglied der Kommunistischen Partei, das auf einer Reise für die Internationale Arbeiterhilfe in Minnesota Station machte. Beide Männer waren von Cannon tief beeindruckt und suchten ihn vier Jahre später, 1928, wieder auf, um mit ihm über den Ausschluss Trotzkis und Sinowjews aus der KPdSU zu diskutieren. Wie Dunne und Skoglund war auch Cannon darüber sehr beunruhigt, und er konnte nur antworten: "Wie könnte ich die Führer der Russischen Revolution verdammen." [10]

Im selben Jahr reiste Cannon zum Sechsten Weltkongress der Kommunistischen Internationale. Dort fiel ihm Trotzkis Dokument "Der Programmentwurf der Kommunistischen Internationale: Kritik der grundlegenden Thesen" in die Hände.

Das Dokument enthüllte die antimarxistische Orientierung der Stalin-Bucharin-Fraktion. Diese ging nicht von den internationalen Widersprüchen des Kapitalismus aus und behauptete zu Unrecht, der Sozialismus könne in den Grenzen der UdSSR aufgebaut werden. Trotzki dagegen bestand darauf, dass die Sowjetunion nur auf Grundlage einer internationalen Perspektive und durch die Weltrevolution verteidigt und zum Sozialismus geführt werden könne.

Trotzkis Dokument zeigte auf, wie die Stalinfraktion die Arbeiterklasse in China, Großbritannien und anderen Ländern nichtproletarischen Kräften untergeordnet hatte. Er befasste sich darin ausführlich mit der opportunistischen Politik der Stalinfraktion, welche die Bauern- und Arbeiter-Partei in den USA als unabhängige revolutionäre Kraft darstellte. Trotzki erklärte, dass die unterdrückten Schichten der Mittelklasse keine unabhängige revolutionäre Rolle spielen könnten. Es sei Aufgabe der Arbeiterklasse, sich mit dem Marxismus zu bewaffnen und die Mittelschichten zu führen.

Cannon kehrte nach New York zurück und begann sofort, eine auf Trotzkis Perspektive basierende Opposition innerhalb der Kommunistischen Partei zu organisieren. Nach kurzer Zeit wurden er und seine Anhänger wegen Unterstützung des Trotzkismus aus der Partei ausgeschlossen. Danach gab die Kommunistische Partei Richtlinien an alle Unterorganisationen der Partei heraus, in denen sie sie aufforderte, dem Ausschluss Cannons blindlings zuzustimmen.

In Minneapolis weigerten sich Skoglund und Dunne, Cannons Ausschluss zu akzeptieren, und verlangten stattdessen mehr Informationen. Sie wurden aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Für beide war es nicht der erste Ausschluss, waren sie doch schon 1926, während der so genannten "roten Säuberungen" der Bürokratie, aus der AFL hinausgeworfen worden. Außerdem war Dunne Anfang 1928 auch aus der Bauern- und Arbeiter-Partei ausgeschlossen worden, für die er kandidiert hatte. In Minneapolis wurden schließlich mehr als zwei Dutzend Mitglieder aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Die meisten schlossen sich der Opposition an, sobald sie Trotzkis Programm zu lesen bekamen.

Unmittelbar darauf gründete die Cannon-Gruppe unter dem Namen Communist League of America (CLA) die Linke Opposition in den Vereinigten Staaten. Zu dieser Zeit versuchten Trotzkis Anhänger, die Kommunistischen Parteien im Kampf gegen ihre stalinistischen Führungen für eine marxistische und internationalistische Perspektive zurückzugewinnen. Diese Periode war für die theoretische Entwicklung der CLA von großer Bedeutung.

Laut Farrel Dobbs, der der CLA im Vorfeld des Streiks von 1934 beitrat, verbrachten sie "viel Zeit damit, die marxistischen Klassiker zu studieren und zu diskutieren, wie sie ihren revolutionären Kurs halten könnten". [11]


Berufsgewerkschaft gegen Industriegewerkschaft

Ein wichtiges Hindernis für die Arbeiterbewegung stellte die AFL-Bürokratie dar. Das Wachstum und die Veränderungen in der Struktur des Kapitalismus, vor allem die durch das Fließbandsystem hervorgebrachte qualitative Weiterentwicklung der Arbeitsteilung, bewirkten, dass sich die Aufteilung der Arbeiter in die Berufsgewerkschaften der AFL zunehmend reaktionär auswirkte.

Der Präsident der Teamsters Union, Daniel Tobin, war der Prototyp des rechtslastigen, konservativen Bürokraten in diesen Berufsgewerkschaften. Er geriet außer sich, als die Trotzkisten im Teamster-Ortsverband 574 neben den LKW-Fahrern auch die übrigen Speditionsangehörigen und Lagerarbeiter in die örtliche Gewerkschaft aufnahmen. Ungelernte Arbeiter oder Nicht-Fahrer waren in Tobins Augen nichts wert. Als die Streiks von 1933 begannen, erklärte Tobin: "Das Gedränge um Aufnahme in die Gewerkschaft ist in vollem Gange... wir wollen die Männer heute nicht, wenn sie morgen zu streiken beginnen." [12]

1934 hatten die Trotzkisten in diesem Ortsverband noch keine offizielle Funktion. Bill Brown, der Vorsitzende, war kein typischer Gewerkschaftsbürokrat; er begrüßte die Zusammenarbeit mit den Trotzkisten. Die meisten Funktionäre standen jedoch hinter Tobin. In den Kohlehöfen gab es am Vorabend des Streiks lediglich 75 Gewerkschaftsmitglieder, und diese Mitgliedschaften waren auch nur durch ein Hinterzimmergeschäft mit einer kleinen Gruppe von Kohlehändlern zustande gekommen, die sich im Gegenzug für das Werben von Kunden durch die Gewerkschaften auf deren Closed-Shop-System einließen.


Auftakt zu den Ereignissen von 1934

1930 wurde der Kandidat der Bauern- und Arbeiterpartei, Floyd B. Olson, zum Gouverneur Minnesotas gewählt. Während seiner Wahlkampagne organisierte er "All-Party-Committees for Olson", also parteiübergreifende Gremien, um Unterstützung unter den Demokraten und Republikanern zu erlangen. Seine Helfer wurden bedacht, nachdem er ins Amt gelangt war.

Ein Streik der National Farm Holiday Association von 1932-33 war praktisch der erste Kampf im Mittelwesten gewesen. Zwischen 1920 und 1930 fiel der Wert der Farmen. Die Bruttoeinnahmen der Farmen waren von 15,4 Milliarden auf 9,3 Milliarden Dollar gefallen, daher verloren etwa 450.000 Bauern ihre Höfe. Der Wert der Farmen fiel um 20 Milliarden Dollar, und die Pachten stiegen um 200.000 Dollar. [13]

Zehntausende Farmer waren an diesem Streik beteiligt. Die Fernstraßen und Schienenwege in die Städte der großen Agrarmärkte in Iowa, Nebraska, South Dakota und Minnesota wurden blockiert. Die Farmer hofften, durch die Unterbrechung des Transports von Agrarerzeugnissen Knappheit zu erzeugen und die Preise in die Höhe zu treiben. Die Streikenden verhinderten die Zwangsversteigerung von Farmen. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, und mehrere Farmer wurden erschossen.

Es ist gut möglich, dass wütende Bauern den LKW-Fahrern, die 1932 landwirtschaftliche Produkte nach Minneapolis brachten, die Ladung abkippten, und dass die Bauern sich 1934 wieder daran erinnerten, als die Fahrer auf die Straße gingen. Die National Farm Holiday Association unterstützte den Local 574 während der Kämpfe von 1934 mit Geld und Lebensmitteln, sie gehörte zu den großen finanziellen Unterstützern des Streiks.

Der junge Verpackungsarbeiter John Winkels stand im Jahr 1932 an den Streikposten der Bauern in Austin, etwa 90 Meilen südlich von Minneapolis, und half, die Agrartransporte zu den lokalen Märkten zu stoppen. Ein Jahr später leitete er selbst dann die Schlachthofbesetzung bei George A. Hormel & Co.

Olson mobilisierte die Nationalgarde und schickte sie nach Austin. Winkels und seine Genossen antworteten darauf, indem sie den Eingang zur Fabrik mit Sandsäcken verbarrikadierten. "Wir gingen los und holten uns Gewehre, Büchsen, Steinschleudern, Munition, was auch immer zu haben war", sagte Winkels. "Wir bekamen sogar ein altes Maschinengewehr. Wir sagten den Leuten, wir seien bereit - sie sollten nur kommen." [14]

Schließlich gelang es Olson, den Kampf in Austin zu entschärfen, eine Übereinkunft zu treffen und zu erreichen, dass Hormel die Gewerkschaft anerkannte. Es war jedoch für den Gouverneur der Bauern- und Arbeiterpartei eine Sache, einen Kapitalisten zum Einlenken zu bewegen, der im Land isoliert dastand; - ein ganz andere dagegen war es, in Minneapolis eine Schlichtung zwischen der Bürgerallianz und den mobilisierten Streikenden zu erzielen.

Als sich die Kämpfe der Farmer und Arbeiter ausweiteten, wich Olson vom ursprünglich konservativen Kurs seiner Regierung ab. 1933 versuchte er, ein Gesetz zur Schaffung einer Arbeitslosenversicherung durchs Parlament zu bringen.

Die Bürgerallianz stellte sich jedoch entschieden gegen dieses Gesetz der "endgültigen sozialistischen Kontrolle des Lebens und der Industrie", wie sie es nannten. Olson versuchte, die Opposition zu überzeugen. Er warnte: "Die Industrie macht sich nur um den Profit Gedanken und sorgt sich kaum um das Wohlergehen ihrer Arbeiter ... Es ist nun Sache des Staates, zu tun, was die Industrie zu tun versäumte ... Dieser Vorschlag ist ein Versuch, ob nun weise oder nicht, das so genannte kapitalistische System zu flicken, um der Sozialisierung der Industrie vorzubeugen ... Wenn die Unternehmer solchen Schritten nicht zustimmen, wird unvermeidlich ein anderes System das jetzige ersetzen." [15]


Mai 1934

Nach dem Streik vom Februar 1934 ruhten sich die Trotzkisten nicht auf ihren Lorbeeren aus. Sie beschlossen, ihre Aktivitäten über die Kohlehöfe hinaus auszudehnen und alle Arbeiter des Transportwesens zu organisieren. Sie begannen bei den Fahrern und ihren Helfern, wandten sich dann an die Hafen- und Verladearbeiter und erreichten schließlich auch die Lagerarbeiter. Sie veröffentlichten ein Flugblatt, das die Arbeiter mit zwei Leitsätzen ansprach:

"WEISST DU, dass Paragraph 7a des National Industrial Recovery Act den Arbeitern nicht nur das Recht gewährt, sich zu organisieren, sondern auch garantiert, dass sie dieses Recht ohne Diskriminierung wahrnehmen können?

WEISST DU, dass die Kohlefahrer von Minneapolis dieses Recht für sich in Anspruch nahmen und durch unsere Organisation 25 Prozent Lohnerhöhung erreichten?"

Das weckte weit verbreitetes Interesse unter den Arbeitern, die nun beim Local 574 an die Tür klopften. Dem Ortsverband der Gewerkschaft strömte eine Flut neuer Mitglieder zu, ehe Tobin, der sich in Indianapolis aufhielt, Zeit zu Gegenmaßnahmen fand.

Entlassene Berg- und Kohlearbeiter wurden als Redner geschult und als Organisatoren gewonnen, um die Kampagne voranzutreiben. Die Diskussionen mit den Arbeitern führten zu speziellen Treffen, zur Vereinheitlichung von Vertragsforderungen und dem besseren Verständnis der Industrie als ganzer.

Am 15. April führte die Gewerkschaft das Ergebnis ihrer Kampagne der Öffentlichkeit in Form einer Massendemonstration vor einem Theater in der Innenstadt vor. Mehr als 3.000 Arbeiter nahmen teil, und die noch Unorganisierten trugen sich als neue Gewerkschaftsmitglieder ein. Es wurde beschlossen, die Popularität Gouverneur Olsons zu nutzen und ihn als Sympathisanten der Streikenden einzuladen. Olson kam nicht, schickte jedoch jemanden, der in seinem Namen einen Brief vorlas. Darin hieß es: "Mein Rat an Euch lautet ... für Eure eigene Sicherheit und Euer Wohlergehen zusammenzuhalten." [16]

Die Gewerkschaft mietete eine riesige Garage als Streikzentrale an. Zur Versorgung der Streikenden wurde eine Küche eingerichtet, wie auch eine Krankenstation, in der ein Arzt und ehrenamtliche Schwestern arbeiteten. Damit war jedem klar, dass die Führung keine Illusionen hegte, der Streik könne kampflos gewonnen werden. Mechaniker wurden herangezogen, denen die Instandhaltung der 450 Autos oblag, die während des Streiks die Streikposten bewegen sollten.

Alle Mitglieder der Communist League in Minneapolis wurden in die Vorbereitungen des Streiks einbezogen. Sie leiteten die Organisation der 30.000 Arbeitslosen der Stadt und banden die Besten von ihnen in den Streik ein, um so die Möglichkeit zu neutralisieren, sie als Streikbrecher nutzen zu können.

Sie organisierten auch die Hilfe der Ehefrauen der Streikenden und Sympathisanten, die im Büro, als ärztliche Helfer oder in der Küche mitarbeiteten. Auf dem Höhepunkt des Streiks aßen etwa 10.000 Arbeiter und ihre Familien pro Tag in den Streikküchen. Als der Streik andauerte, spielten die Helferinnen eine immer größere Rolle. Sie organisierten Demonstrationen von bis zu 700 Frauen zur Stadthalle und konnten Hausbesitzer dazu bewegen, von Wohnungsräumungen bei Streikenden abzusehen, die ihre Miete nicht bezahlen konnten. Sie demonstrierten vor den Büros bürgerlicher Zeitungen gegen unternehmerfreundliche Lügen und Verleumdungen der Arbeiter.

Die Streikenden waren in Einheiten aufgeteilt, und die fähigsten Arbeiter wurden als Streikpostenleiter eingesetzt. Die besten Kämpfer der Gewerkschaft wurden in besonderen Gruppen in Reserve gehalten, um im kritischen Moment bereitzustehen. Motorradkuriere hielten die Verbindung zwischen den weit verstreuten Punkten des Streikkampfs, und Autos patrouillierten durch die Wohngebiete und benachrichtigten die Streikhauptquartiere über LKW-Fahrer, die sich als Streikbrecher betätigten.


Am Streikbeginn

Die Transportunternehmer wiesen die gewerkschaftlichen Forderungen ab, und so beschloss der Local 574 am 15. März einstimmig den Streikbeginn für den kommenden Tag.

In den ersten Tagen verhinderten fliegende Streikposten die Lastwagentransporte, während zugleich mehr und mehr Beschäftigte der Transportunternehmen der Gewerkschaft beitraten, deren Mitgliederzahl auf 6.000 wuchs. Die Polizei schritt ein und nahm in den ersten vier Streiktagen 169 Arbeiter fest. Die Geldbußen beliefen sich auf mindestens fünfzig Dollar pro Arbeiter und einige wurden per Gerichtsbeschluss zwischen 10 und 45 Tagen ins Arbeitshaus gesperrt.

Am fünften Streiktag warnte die Minneapolis Tribune : "Die Nahrungsmittelversorgung der Stadt beginnt unter dem Streik zu leiden..., man schätzt, dass die allgemeine Stilllegung von Bäckereien unmittelbar bevorsteht. Für Lebensmittelgeschäfte gibt es ähnliche Befürchtungen...." [17]

Am 19. Mai wurde ein großes Polizeiaufgebot mobilisiert, um den LKW-Verkehr der Streikbrecher zu gewährleisten. Die Streikenden gingen mit bloßen Händen in diesen ersten ernsten Konflikt. Am Abend dieses Tages schickte ein Spion der Unternehmer, dem es gelungen war, sich in die Streikführung zu integrieren, drei mit Streikposten besetzte LKWs zu einem vorab vereinbarten Ort, an dem Polizei und Leute der Bürgerallianz warteten. Er überzeugte eine Gruppe Frauen davon, die Streikenden zu begleiten.

Alle Streikposten, die in diese Falle tappten, wurden erbarmungslos verprügelt. Carl Skoglund beschrieb den Vorfall: "Ich erinnere mich an den Abend. Sie brachten die Frauen und die Andern herein ... und legten sie nebeneinander im Hauptquartier ab. Alle Frauen waren verletzt und blutüberströmt, zwei oder drei hatten gebrochene Beine, einige blieben für Stunden bewusstlos. Eisenstangen und Totschläger wurden gegen Männer und Frauen eingesetzt." [18]

In der Vergangenheit hatten Polizisten und Schläger streikende Arbeiter mit derartigen Gewaltmethoden erfolgreich eingeschüchtert. Dieses Mal jedoch stärkte der Vorfall die Entschlossenheit der Streikenden, die sich nun mit allen erdenklichen Schlaginstrumenten bewaffneten. Die Bühne war bereit für die gewaltigen Auseinandersetzungen vom 21. und 22. Mai, die in die Geschichte als "Deputies Run" eingehen sollten.

Auf der einen Seite sammelten sich auf dem Marktplatz Hunderte Polizisten und bezahlte Schläger der Bürgerallianz, die vor allem aus Geschäftsleuten bestand. Der Streik verursachte ihnen allein im Mai Kosten in Höhe von 75.000 bis 100.000 Dollar.

Die Gewerkschaft setzte etwa 500 Streikende ein und hielt 900 Arbeiter in den Streikhauptquartieren in Reserve. Über den Abend hinweg hatten sich weitere 600 Streikende in Dreiergruppen unauffällig ins AFL-Hauptquartier nahe dem Lagerhausviertel, begeben. Mit der ersten Bewegung der Trucks traten die geheimen Gewerkschaftskräfte in Aktion, und das Handgemenge begann. Als die Schlacht heftiger wurde, flohen die Helfer der Bürgerallianz und überließen es den Polizisten, mit dem Angriff fertig zu werden. Anschließend mussten sich dreißig Polizisten im Krankenhaus behandeln lassen.

Am nächsten Tag rief der Polizeichef von Minneapolis, Michael Johannes, die Amerikanische Legion dazu auf, 1.500 Mann zu stellen, und ließ die Gefängnisse nach potentiellen Schlägern durchkämmen, die man anwerben könnte. Die Bürgerallianz stellte weitere Helfer auf.

Auf der anderen Seite traten Elektriker und Arbeiter des Baugewerbes in einen Sympathiestreik und schlossen sich den Streikenden des Local 574 an. Etwa 20.000 bis 30.000 Menschen, einschließlich der Schaulustigen, füllten das innerstädtische Geschäftsviertel und warteten auf den Kampfbeginn. Ein lokaler Radiosender war vor Ort, um aktuell über die Ereignisse berichten zu können. Wieder entzündete sich der Kampf am ersten Versuch, Waren abzutransportieren.

Der Historiker William Millikan verfasste, gestützt auf ausgewählte Berichte von Mitgliedern der Bürgerallianz, eine Darstellung des Tages:

"Ihrem Schlachtplan folgend wichen einige tausend aufgebrachte Streikende auf der First Avenue nach Süden zur Seventh Street aus, wo sie nach Westen schwenkten und in Richtung der Bahngleise marschierten. Verstärkt durch drei LKW mit bewaffneten Streikenden stießen sie an der Ecke der Seventh Street ... mit einer kleinen Polizeiabsperrung zusammen... Während die 23 Polizisten den Marsch kurz aufhielten, waren die Kräfte der Bürgerallianz an der nordöstlichen Ecke der Kreuzung gut beraten, in den Markt zu fliehen. Ohne Führer und zahlenmäßig mit fünfzig zu eins unterlegen, verschwanden sie vom Kampfplatz. Einer von ihnen hörte zufällig, wie ein Streikender bemerkte: 'Wir haben die Ratten im Loch, genau da, wo wir sie haben wollten'.

Drei Trupps beobachteten von der Gasse gegenüber der Gamble Robinson Company unruhig, wie der Mob 'losbrach und wie ein Rudel Hyänen die Third Avenue herunterkam'. Sie wichen vor den Anstürmenden in die Gasse zurück. Binnen Minuten wurden vor der Ryan Kartoffelgesellschaft in der Third und Sixth Street Rufe wie 'Da kommen sie!' laut. Arthur Lyman, Chef der Bürgerallianz, rief mehrere Trupps zusammen und führte sie zur Verteidigung der Straßenecke. Als die Menge die Third Avenue herunterfegte 'schien sie völlig außer Kontrolle zu sein und kochte vor Wut.' Die eigentliche Schlacht um das Geschäftsviertel hatte begonnen. In den nächsten zehn Minuten strömten einige tausend wütende Streikende in die Sixth Street, füllten die Straße und sogar die dem Markt zugewandte Seite der Straße. Die Trupps der Bürgerallianz wichen unter einem Hagel aus Flaschen, Obstkisten, Steinen, Kanthölzern und Eisenstangen zurück. Verletzte oder bewusstlose Polizisten wurden von der Straße getragen, als die Streikenden das zurückweichende Heer einholten.

Im verbissenen Handgemenge wurden weitere Polizisten mit Bleirohren, Baseballschlägern und Eisenhaken zu Boden geprügelt. Zog ein verwundeter Polizist seine Dienstmarke, wurde er bewusstlos geschlagen. Blutende Polizisten wurden geschleppt oder krochen zu den Gebäuden entlang der Sixth Street oder sie rollten sich in der verzweifelten Hoffnung unter Autos, der Raserei der Streikenden zu entkommen. Ein Polizist bemerkte, dass die LKW-Fahrer auf uns fluchten und voller Groll gegen uns waren.

Als die Streikenden gegen ihn vorgingen, überschrie einer der Polizisten den Lärm und wandte sich an einen Polizisten in der Nähe: 'Um Gottes Willen, greifen Sie zum Gewehr. Sonst werden sie uns töten!'

21. Mai: Arbeiter schlagen beim Zurückweichen der Bürgerallianztruppen in der Sixth Street einen Helfer der Bürgerallianz zusammen. Der Chef der Bürgerallianz, Arthur Lyman, sammelt zwanzig Mann, um ihm zu helfen. 'Gebt den armen Kerlen eine Chance', rief er. Innerhalb von Minuten war Lyman von schwingenden Keulen umgeben. Ein kleiner, blasser Mann in einem schmutzigen Overall schlug ihn auf den Kopf. Der benommene Lyman wurde über ein Auto geworfen und mit Knüppeln und Fäusten traktiert. Sein bewusstloser Körper fiel zu Boden und lag dort in der Straße, bis eine improvisierte Ambulanz ihn mitnahm...

Isoliert, ohne jede Führung, weit unterlegen und gnadenlos von den Streikenden überwältigt, begannen die demoralisierten Helfer zu fliehen, um sich selbst zu retten." [19]

Die Polizei wie auch die Helfer der Bürgerallianz verschwanden aus dem Bezirk, und die Streikposten begannen, den Verkehr zu regeln. Es war ein Sieg auf der ganzen Linie, und das Ereignis elektrisierte die Arbeiter im ganzen Land.

"Die Wochenschauen, die damals noch zu jeder Kinovorstellung gehörten, zeigten Kampfszenen, die während der Kämpfe jenes Dienstags aufgenommen worden waren. Überall reagierten die Arbeiter auf diese Nachrichten mit Begeisterung. Kinobesucher brachen in Beifallsrufe aus, wenn gezeigt wurde, wie Streikende Polizisten schlugen. Gewöhnlich war es andersherum die Regel." [20]

Die Bedeutung der Kämpfe vom 21. und 22. Mai im Vergleich mit anderen großen Streiks der Autoarbeiter in Toledo und Ohio und der Hafenarbeiter von San Francisco fasste James P. Cannon zusammen:

"Das messianische Vertrauen in die Roosevelt-Regierung, das für die Streikbewegung des Vorjahres typisch war, und das bis zu einem gewissen Grade der Bewegung ihren ursprünglichen Impuls gab, ist weitgehend verschwunden und hat skeptischem Argwohn Platz gemacht... Die streikenden Arbeiter verlassen sich nun vor allem auf ihre eigene Organisation und Kampfkraft und erwarten wenig oder gar nichts von der Seite, von der sie noch ein knappes Jahr zuvor alles erhofft hatten ... Es hat eine wirkliche Wendung gegeben, weg von der Zuversicht in den NRA [Roosevelts National Industrial Recovery Act] hin zum Vertrauen in die eigene Stärke." [21]

Wegen dieser Entwicklungen waren die AFL-Funktionäre in Minneapolis besonders beunruhigt. Sie wollten nicht, dass die unabhängige Bewegung der Arbeiter den Streik entschied, und versuchten ihn unter die Kontrolle Gouverneur Olsons zu bringen. Sie trafen sich mit Beamten der Stadtbehörden, um zu versuchen, die Straßenkämpfe zu beenden und den Gouverneur der Arbeiter- und Bauern-Partei ins Spiel zu bringen. Der republikanische Bürgermeister Bainbridge forderte Olson auf, die Nationalgarde zu mobilisieren. Olson kam der Aufforderung nach, doch die Einheiten verblieben zunächst außerhalb der Stadt. Local 574 prangerte sofort den Aufruf zum Einsatz der Nationalgarde an und organisierte eine Massendemonstration der Arbeiter in der Stadt.

Es kam zu stürmischen Verhandlungen, in denen 166 Unternehmen gezwungen wurden, die Gewerkschaft anzuerkennen. Allen Arbeitern wurde die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz erlaubt, einschließlich derer, die die Unternehmer während des Streiks noch wegen "Verbrechen" anklagen wollten. Auch wurde das Prinzip der Seniority [bevorzugte Behandlung Älterer] anerkannt, wie auch die Tarifansprüche der Verlade- und Lagerarbeiter, die in einer Erklärung festgehalten wurden. Die zukünftigen Löhne jedoch sollten einem Schlichtungsverfahren unterworfen sein.

Dennoch glaubten die Streikführer, mit dieser Übereinkunft eine Grundlage für die Durchsetzung zukünftiger Ziele geschaffen zu haben, und empfahlen der Mitgliedschaft die Zustimmung. Am 31. Mai wurde die Übereinkunft unterzeichnet, und kurz darauf kehrten die Arbeiter an die Arbeit zurück.

Bis dahin hatten Cannon und die Führung der Communist League in New York den Streik telefonisch unterstützt. Cannon erkannte nun die Notwendigkeit, die ganze Partei hinter die Kämpfe in Minneapolis zu stellen. Er reiste nach Minneapolis. Bald darauf folgten andere erfahrene Parteimitglieder, um die politische und praktische Organisation des Kampfs auszuweiten. Unter jenen, die nach Minneapolis kamen, waren auch Max Shachtman und der Rechtsanwalt der Partei, Albert Goldman.

Innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss stabilisierte sich die Bürgerallianz und begann, die Erfolge des Maistreiks zu untergraben. Das Schlichtungsverfahren scheiterte, und die Verhandlungen über die Zugehörigkeit der Verlade- und Lagerarbeiter, der so genannten "inside workers", wurden sabotiert.

Gouverneur Olson, der sich bisher für die Einbeziehung der "inside workers" ausgesprochen hatte, ruderte zurück und sagte, ein Schiedsrichter müsse die Sache entscheiden. Die Arbeitsbehörde unterstützte die Bürgerallianz und lehnte die Vertretung der "inside workers" durch die Gewerkschaften ab.

Die Unternehmer nahmen die Lohnerhöhungen zurück, die die Arbeiter im Abkommen vom Februar erreicht hatten, und warfen etliche Arbeiter auf die Straße. Anderen Arbeitern gewährten sie Lohnerhöhungen, um die Bewegung zu spalten. Local 574 berichtete von 700 Beschwerden in dieser relativ kurzen Zeit. Ein neuer Streik wurde vorbereitet.

Wird fortgesetzt.



Anmerkungen

10. James P. Cannon, The History of American Trotskyism (Pathfinder, 1972), S. 47.

11. Farell Dobbs, Teamster Rebellion (Anchor Foundation, Inc., 1972) S. 34.

12. Art Preis, Labor's Giant Step: Twenty Years of the CIO (Pioneer Publishers, 1964) S. 41.

13. Luoma, S. 16-17.

14. Interview with Pioneer Packinghouse Organizer: How Sitdown Won First Hormel Strike (Bulletin, September 10, 1985) S. 8.

15. Millikan, S. 256-57.

16. Dobbs, S. 65.

17. Charles Rumford Walker, American City: A Rank-and-File History (Farrar & Rinehart, New York) S. 105.

18. Walker, S. 108.

19. Millikan, S. xxix-xxx.

20. Dobbs, S. 92.

21. James P. Cannon, The Communist League of America 1932-34 (Anchor Foundation, Inc., 1985) S. 334-35.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Führer des Teamster Ortsverbandes 574, "Local 574", in Minneapolis Vincent R. Dunne (links) und Carl Skoglund
1922: Max Eastman, James P. Cannon und William Haywood in Moskau
Minnesota 1931: Gouverneur Floyd B. Olson
National Farm Holiday Strike 1932; Farmer bewachen eine Zugangsstraße zu den Zwillingsstädten Minneapolis und St. Paul, um den Transport landwirtschaftlicher Produkte zu verhindern
Streikende 1933 vor dem Verpackungsbetrieb Hormel.
Frauen versorgen Streikposten in der Streikzentrale
Polizei geht mit Trucks gegen unbewaffnete Streikposten vor
Straßenkampf im Lagerhausbezirk
20.000 bis 30.000 Menschen drängen in das Speicherviertel

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Quelle:
World Socialist Web Site, 31.12.2009
75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis
2. Teil
http://wsws.org/de/2009/dez2009/tru2-d31.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2010