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GLEICHHEIT/2880: Debakel für Obama und Demokraten - Republikaner gewinnen Senatssitz in Massachusetts


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Debakel für Obama und Demokraten
Republikaner gewinnen Senatssitz in Massachusetts

Von Patrick Martin
21. Januar 2010
aus dem Englischen (20. Januar 2010)


Der Republikaner Scott Brown hat die Nachwahl um den Sitz für Massachusetts im US-Senat gewonnen, der durch den Tod von Senator Edward Kennedy frei geworden war. Kennedy hatte den Sitz 47 Jahre lang für die Demokraten gehalten. Die Demokratin Martha Coakley gestand ihre Niederlage kurz vor 20:30 Uhr ein. Zu diesem Zeitpunkt gab die Auszählung von achtzig Prozent der Wahlkreise ihrem Widersacher einen Vorsprung von 52 zu 47 Prozent.

Die Niederlage in Massachusetts ist ein schwerer Schlag für die Demokratische Partei; offenbar sind breite Schichten der Bevölkerung von der Obama-Regierung tief enttäuscht. Vor einem Jahr hatte Obama diesen Staat noch mit 26 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen.

Bei der Wahl in 2008 erhielt Obama in Massachusetts 1.891.083 Stimmen gegenüber 1.104.284 Stimmen für seinen Republikanischen Gegner John McCain. Es sieht so aus, als erreiche Brown nach Auszählung aller Stimmen diese Zahl ebenfalls oder übertreffe sie sogar noch. Coakley hat um 50 Prozent weniger Stimmen erhalten als Obama vor vierzehn Monaten.

Für diese Niederlage ist die Demokratische Partei selbst verantwortlich, und sie hat sie ehrlich verdient. Obama hat Millionen Menschen, die ihn 2008 unterstützt haben, vor den Kopf gestoßen, als er die Banken sanierte, in der Gesundheitsreform vor allem die Kosten senkte und die Kriege der Bush-Regierung noch ausweitete. Besonders die Demokratischen Kernwähler waren enttäuscht.

In Wahlbezirken mit afroamerikanischer Mehrheit oder mit Mehrheiten anderer Minderheiten, z.B. in Boston, Springfield und anderen Städten, war die Wahlbeteiligung offenbar eher schwach. Relativ hoch war sie dagegen in Bezirken der bessergestellten Mittelschichten, wie zum Beispiel in der Umgebung von Boston, wo Brown große Mehrheiten einfahren konnte. In Umfragen vor der Wahl führte Brown auch bei Gewerkschaftsmitgliedern. Das liegt teilweise daran, dass die Obama-Regierung höherpreisige, von den Arbeitgebern subventionierte Gesundheitspolicen besteuern will.

Die Obama-Regierung und die Demokratische Mehrheit im Kongress haben sich um die wirtschaftlichen Probleme der arbeitenden Bevölkerung und der Mittelschichten nicht gekümmert, während sie Billionen an Steuergeldern zur Stützung der Banken aufbrachten. Sie machten die Banken wieder profitabel und verschafften den Vorständen und Händlern bereits wieder exzessive Boni.

Die Arbeitslosenrate in Massachusetts betrug im Sommer letzten Jahres mehr als neun Prozent und liegt immer noch über 8,5 Prozent, d.h. doppelt so hoch wie 2007. In dieser Zahl sind die Zehntausenden Arbeiter, die nicht mehr aktiv nach Arbeit suchen oder Teilzeit arbeiten, nicht enthalten.

Als Obama vergangenen Sonntag gemeinsam mit Coakley an einer Wahlkampfkundgebung an der Northeastern University in Boston teilnahm, hielt er eine zynische Rede. Er nannte Coakley eine Kämpferin gegen die Wall Street, und Brown "eine weitere Stimme für die Banken". Angesichts der Bilanz seiner Regierung im vergangenen Jahr ist Obama jedoch nicht glaubwürdig, wenn er sich auch in die populistische Pose eines Gegners großer Finanzinteressen wirft. Das schlug sich bei der Abstimmung am Dienstag nieder.

Die Niederlage in Massachusetts ist ein Debakel für Obama selbst und für die Demokratische Partei als Ganze. Der Senatssitz wurde seit 58 Jahren von Demokraten gehalten, seit John F. Kennedy ihn 1952 zum ersten Mal eroberte. Im Kongress sitzt nicht ein einziger Republikaner aus Massachusetts. Bei den registrierten Wählern haben die Demokraten einen dreifachen Vorsprung gegenüber den Republikanern, und sie verfügen in beiden Häusern der staatlichen Legislative über große Mehrheiten. Auch der Gouverneur ist Demokrat.

Gleichzeitig ist der Sieg der Republikaner eine Warnung für die Arbeiterklasse. Im Rahmen des amerikanischen Zwei-Parteien-Systems, in dem beide offiziellen Parteien von der Wirtschaft kontrolliert werden und deren Interessen dienen, kann die Republikanische Partei die wachsende Feindschaft gegen Obama und die Demokraten für ihr eigenes rechtes Programm ausnutzen.

Brown stellte ins Zentrum seines Wahlkampfs das Versprechen, im Senat die 41. Stimme gegen Obamas Gesundheitsreform zu sein, weil dort 41 Stimmen notwendig sind, um ein Gesetz zu blockieren. Er konnte sich auf Opposition gegen Obamas Gesundheitspläne von rechts und von links stützen. Er stützte sich sowohl auf die ultrarechte Basis der Republikanischen Partei, die jede Rolle der Regierung im Gesundheitssystem als "Sozialismus" ablehnt, und auch auf das begründete Misstrauen der arbeitenden Bevölkerung und der Rentner. Diese befürchten, dass Obamas Plan in Wirklichkeit beträchtliche Verschlechterungen für die von Arbeitgebern finanzierten Krankenversicherungen und für das Medicare-Programm der Bundesregierung für die Rentner beinhaltet.

Als Browns Umfragewerte in den letzten Tagen vor der Nachwahl immer klarer vorne lagen, zogen die Aktienkurse von Krankenversicherungen und Arzneimittelkonzernen deutlich an. Deren Aktionäre rechnen offenbar darauf, dass der Verlust der 60-Stimmen Mehrheit der Demokraten im Senat ein Gesetz ermöglichen wird, das noch mehr an den Interessen der Wirtschaft ausgerichtet ist.

Der Ausgang der Wahl in Massachusetts wird dazu führen, dass Obama, die Demokratische Partei und die bürgerliche Politik insgesamt noch weiter nach rechts gehen. Die wirtschaftsfreundlichen Medien verbreiten jetzt, die Nachwahl beweise, dass Obama zu weit links stehe und seinen ausgabenfreudigen Liberalismus "mäßigen" müsse.

Das Wall Street Journal schrieb am Dienstag: "Wie jedes Mal in den letzten 40 Jahren, als die Demokraten in allen Organen in Washington die Mehrheit hatten, liefern sie jetzt den Beweis, dass Amerika nicht erfolgreich links regiert werden kann. Wenn Obama diese Lehre aus Massachusetts zieht, dann ist seine Präsidentschaft vielleicht sogar noch zu retten."

Das Journal hat ganz sicher Recht damit, dass Obama aus Massachusetts die Lehre ziehen wird, weiter nach rechts rücken zu müssen. Aber die Herausgeber liegen völlig falsch, wenn sie glauben, dass sich zwei Jahre nach Beginn des größten Wirtschaftszusammenbruchs seit den 1930er Jahren die amerikanische Bevölkerung nach rechts bewegt; noch dazu, da dieser Zusammenbruch von verrückten Spekulationsgeschäften der Wall Street verursacht wurde. Die Republikanische Partei profitierte in Massachusetts davon, dass die Desillusionierung wächst und die Bevölkerung sich mehr und mehr gegen Obama wendet. Sie erhofft sich den gleichen Effekt bei der Wahl zum Repräsentantenhaus Ende des Jahres. Aber Dutzende Millionen Arbeiter, denen der Verlust des Arbeitsplatzes, ihres Hauses und ihres Auskommens und die Zerstörung der Zukunft ihrer Kinder droht, sind nicht geneigt, den Zaubersprüchen der Ultrarechten über den "freien Markt" zu folgen. Arbeiter und Jugendliche müssen ihre Energien auf den Aufbau einer unabhängigen politischen Massenbewegung konzentrieren, die sich gegen das ganze politische Establishment und die kapitalistische Finanzoligarchie richtet.

Siehe auch:
Der amerikanische Liberalismus und die Wall Street
(20. Januar 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 21.01.2010
Debakel für Obama und Demokraten
Republikaner gewinnen Senatssitz in Massachusetts
http://wsws.org/de/2010/jan2010/mass-j21.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2010