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GLEICHHEIT/3326: Chinas Ministerpräsident warnt vor globalen Folgen des Währungskriegs


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Chinas Ministerpräsident warnt vor globalen Folgen des Währungskriegs

Von John Chan
26. Oktober 2010


Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao appellierte in einer Rede in Brüssel zu Beginn dieses Monats an die europäischen politischen und wirtschaftlichen Führer, der Kampagne der Regierung Obamas für eine massive Aufwertung der chinesischen Währung nicht beizutreten. Nachdem er darauf hingewiesen hatte, dass eine solche Währungsverschiebung viele chinesische Exporteure ruinieren würde, warnte er: "Sollte China Probleme in der Wirtschaft und der Gesellschaft haben, werde dies katastrophal für die Welt sein."

Gemäß den neuesten Daten, wuchs die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal weiterhin um 9,6 Prozent, leicht rückläufig gegenüber dem zweiten Quartal mit einer Wachstumsrate von 10,3 Prozent. Wens Kommentare deuten jedoch nicht nur auf den zerbrechlichen Charakter des chinesischen Kapitalismus hin, sondern auch auf die extremen sozialen Spannungen, die zu explodieren drohen.

Wen erklärte, dass viele Exportfirmen eine Gewinnspanne von lediglich zwei bis drei Prozent oder höchstens 5 Prozent aufweisen. Zudem sagte er: "Sollte der Yuan zwischen 20 bis 40 Prozent aufgewertet werden, wie von einigen Leuten gefordert, würden eine große Anzahl von chinesischen Exportunternehmen bankrottgehen, die Arbeiter würden ihre Arbeitsplätze verlieren und die Wanderarbeiter müssten wieder aufs Land zurückkehren, was es für die Gesellschaft schwer machen würde, stabil zu bleiben".

"Die Welt wird keineswegs von einer Krise in der chinesischen Wirtschaft profitieren" setzte Wen fort. "China trug rund 50 Prozent zum weltweiten Wirtschaftswachstum im Jahr 2009 bei. Es ist ein riesiger Markt mit einem großen Potenzial für viele Unternehmen. Ich möchte unseren Freunden in der Industrie und Wirtschaft noch einmal offen sagen: Drängt China nicht zur Aufwertung des chinesischen Yuan".

Wen's Kommentare sind weniger eine Drohung, sondern vielmehr eine Warnung. Das chinesische Regime ist sich der prekären Situation der Wirtschaft und der sozialen Zeitbombe, auf der es sitzt, bewusst. Die Ursache der wirtschaftlichen Schwäche Chinas besteht in seiner Rolle als weltweit führende Plattform für billige Arbeitskräfte für die größten globalen Konzerne.

Chinesische Exporteure arbeiten deshalb mit schmalen Gewinnspannen, weil die Preise für ihre Produkte von den ausländischen Firmenkunden bestimmt werden, die ihre Bestellungen in vielen Fällen leicht auf andere Niedriglohnländer wie Vietnam wechseln können. In fast jedem chinesischen Industriezweig gibt es bereits riesige Überkapazitäten, was in intensivem Wettbewerb zwischen den Unternehmen um die ausländischen Bestellungen resultiert. Die hohen Rohstoffpreise und die steigenden Löhne setzen diese Firmen zusätzlich unter Druck.

Die Verwundbarkeit der chinesischen Unternehmen zeigt sich deutlich in der chinesischen Industrie für Solar-Batterien, die 37 Prozent der Weltproduktion erzeugt und 300.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Exporte von Solar-Batterien stiegen zwischen den Jahren 2005 und 2009 um mehr als das Zehnfache, und betragen heute 15 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Vier der weltweit zehn größten Anbieter von Solarbatterien stammen aus China. Trotz dieser beeindruckenden Statistiken sind chinesische Unternehmen jedoch immer noch hauptsächlich billige Montage-Unternehmen, die von importierter Ausrüstung und Komponenten abhängig sind. Inmitten der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2009 mussten mehr als 200 Unternehmen aufgrund von sinkenden Bestellungen aus dem Ausland die Produktion stilllegen oder den Betrieb ganz einstellen. Nur 70 konnten den Betrieb unverändert fortsetzen.

Die riesigen Ausbeutungsbetriebe von Foxconn sind ein weiteres Beispiel. Das Unternehmen beschäftigt fast eine Million Arbeiter in einigen der größten Fabriken der Welt, die elektronische Produkte für namhafte Konzerne wie Apple, Dell und Sony produzieren. Die niedrigen Löhne sowie die unterdrückenden Arbeitsbedingungen im militärischen Stil sorgten bereits früher in diesem Jahr wegen einer Reihe von Selbstmorden junger Foxconn Mitarbeiter für Schlagzeilen.

Trotz ihrer gewaltigen Produktion arbeiten Foxconn und andere Unternehmen im Sektor der Elektronik-Fertigungs-Dienstleister mit dünnen Margen. Gemäß einer Schätzung, macht ein Elektronik-Fertigungs-Dienstleister bei einem Produkt im Wert von zehn US-Dollar lediglich ein paar Cent Reingewinn. Den größten Teil des Gewinns erzielen multinationale Konzerne, die den Design-Prozess, die Komponenten-Beschaffung, den Transport und die globale Vermarktung kontrollieren.

Foxconns Nettogewinn für das erste Quartal 2010 betrug 3,3 Prozent. Die in diesem Jahr erwartete Aufwertung des Yuan um 2 bis 3 Prozent droht den Jahresgewinn des Unternehmens zunichte zu machen. Unter den Elektronik-Fertigungs-Dienstleistern sank die durchschnittliche Gewinnspanne von 6,2 Prozent im Jahr 2006 auf weniger als 3 Prozent im Jahr 2007, wo diese seitdem verweilt.

Niedrige Gewinne und düstere Export-Aussichten treiben das Kapital aus der Produktion in die Spekulation im aufgeblasenen und instabilen chinesischen Häuser-Markt. Der riesige Sektor der Haushaltsgeräte-Hersteller steht an vorderster Front, da hier die Gewinnspanne lediglich 2-3 Prozent beträgt.

Die staatliche Zeitung für Wirtschafts-Informationen Economic Information warnte letzten Monat: "Weil eine große Menge des mobilen Kapitals der Haushaltsgerätebranche in den Immobilien-Sektor fließt, wird das reinvestierte Kapital für die Haushaltsgeräteindustrie deutlich reduziert werden und die gesamte Liquidität für die Industrie wird dadurch erheblich geschwächt. Sollte eine Turbulenz, wie die globale Finanzkrise, auftreten, werden sich diese Unternehmen in einem riesigen Liquiditäts-Test beweisen müssen. Die Investitionen im lukrativen Immobiliensektor können sich dann als "Gift" erweisen, das die Entwicklung in der großen Haushaltsgeräte-Industrie behindern wird. "

Der chinesische Wirtschaftswissenschaftler Dee Woo fasste die Überlegungen hinter Pekings Währungspolitik im Wall Street Journal vom 8. Oktober zusammen: "Ja, ein starker Yuan würde helfen die chinesische Wirtschaft weniger arbeitsintensiv und kapitalintensiver zu machen, was China in der internationalen Nahrungskette eine Stufe höher bringen würde. Aber China hat noch kein besseres Modell als die arbeitsintensive Produktion gefunden, um den Überfluss an Arbeitssuchenden zu beschäftigen."

Woo unterstrich die politischen Gefahren: "Der Aufbau einer harmonischen Gesellschaft ist das wichtigste Gebot der chinesischen Regierung. Sobald eine chinesische Person ihren Lebensunterhalt bestreiten kann, stellt sie die Regierung selten in Frage. Niemand sollte jemals die Entschlossenheit der chinesischen Regierung unterschätzen, die Grundbedürfnisse zu verteidigen." Mit anderen Worten, wenn eine große Anzahl von chinesischen Firmen bankrottgeht und die Arbeitslosigkeit sprunghaft ansteigt, wird die arbeitende Bevölkerung die Autorität des Regimes herausfordern.

Am Ende des Jahres 2008 und Anfangs 2009 verloren mehr als 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Arbeitsplatz, vor allem in der Exportindustrie. Peking vermochte die Wirtschaft nur mittels einer Flut von billigen Krediten der staatlichen Banken, eines massiven Infrastruktur-Bauprogramms und Subventionen für die Produktionsbetriebe zu stabilisieren. Gleichzeitig intervenierte die Regierung bei der Währungspolitik um zu gewährleisten, dass der Yuan gegenüber dem US-Dollar relativ günstig blieb, um chinesische Exporte zu unterstützen.

Diese Maßnahmen sorgten zwar für ein weiteres Wachstum der chinesischen Wirtschaft um rund 10 Prozent, doch sie verschärften das Dilemma, in dem Peking steckt. Die Intensivierung der US-Kampagne gegen China bezüglich des Wechselkurses ist Teil der wachsenden Rivalität zwischen den beiden Mächten an verschiedenen Fronten. Die USA betrachten die wirtschaftliche Expansion Chinas als Herausforderung für die schwindende globale Position Amerikas. Die Obama-Regierung hat gedroht, China als "Währungs-Manipulator" zu bezichtigen, was die Tür zu Vergeltungsmaßnahmen öffnen würde.

Chinas massives Konjunkturpaket in Höhe von 585 Milliarden US-Dollar hat die industriellen Überkapazitäten und den Druck zu exportieren noch zusätzlich verschärft und dies zu einem Zeitpunkt, da alle großen Volkswirtschaften das Gleiche tun. Pekings Politik nationale Produkte im öffentlichen Beschaffungswesen zur Förderung der aufstrebenden chinesischen Unternehmen zu bevorzugen, hat einige ausländische transnationale Unternehmen, die traditionell den Protektionismus gegen China verurteilten, ins protektionistische Lager getrieben.

Die von der Regierung unterstützte Expansion der Kreditvergabe durch die Banken hat zu einer Spekulationsblase im Immobilien-Sektor geführt. Wenn die Immobilienblase zusammenbricht, wird diese im ganzen Land im Banken- und Finanzsektor nachhallen. Wie letzte Woche von Fitch Ratings berichtet, steht Chinas allgemeine Staatsverschuldung auf 32 bis 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wenn die Investitionen der lokalen Regierungen in Immobilien einbezogen werden. Die Zeitung China Security Journal warnte vergangene Woche, dass von den 1.15 Billionen in ausstehenden lokalen Staatsanleihen, 26 Prozent mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zurückbezahlt werden können.

Die Spekulationen in China werden zum Teil durch Washingtons Politik der "quantitativen Lockerung" angeheizt, die Schwellenländer wie China mit US-Dollars überschwemmt. Der Volks-Bank von China zufolge flossen 120 Milliarden Yuan (18 Milliarden US-Dollar) an "heißem Geld" im September in das Land, doppelt soviel wie im Monat August.

Pekings größte Befürchtung ist jedoch, dass jeder wirtschaftliche Abschwung soziale und politische Unruhen auslösen wird. Es gab bereits Streiks im Mai und Juni, in denen die Arbeiter der Automobil- und Elektronikindustrie höhere Löhne forderten. Dieser Streik blieb auf einem relativ bescheidenen Niveau und war auf ökonomische Forderungen beschränkt. Wenn jedoch bedeutende Teile von Chinas 400 Millionen Arbeitern beginnen, Streiks und politische Aktionen zu organisieren, wird die daraus entspringende Druckwelle in dem gesamten globalen kapitalistischen System zu spüren sein, wovor Wen Jiabao bereits warnte.

siehe auch:
China und die Aussichten des internationalen Sozialismus
(11./12. April 2006)
http://www.wsws.org/de/2006/apr2006/chi1-a11.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.10.2010
Chinas Ministerpräsident warnt vor globalen Folgen des Währungskriegs
http://www.wsws.org/de/2010/okt2010/chin-o26.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010