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GLEICHHEIT/3573: USA und Europa verstärken Angriffe auf Libyen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

USA und Europa verstärken Angriffe auf Libyen

Von Tom Eley
23. März 2011


Die USA Frankreich und Großbritannien haben am Montag die Bombardierung des weitgehend wehrlosen Libyen intensiviert und Sicherheitskräfte, Militäranlagen und einige zivile Ziele angegriffen, darunter einen Teil von Muammar Gaddafis Regierungs- und Wohngebäude Bab al Azizia in der Hauptstadt Tripolis.

Hunderte Libyer sind bei den Angriffen gestorben. Bei der Zerstörung eines Krankenhauses in Tripolis sollen am Samstag nach Berichten des libyschen Staatsfernsehens 48 Menschen getötet und über 150 verwundet worden sein. Die meisten Opfer sollen Kinder gewesen sein.

Die Straße zwischen der Rebellenhochburg Bengasi und Aschdabija, das noch unter Gaddafis Kontrolle steht, ist "von ausgebrannten gepanzerten Fahrzeugen und Panzern Gaddafis übersät", berichtete Tony Birtley von Al Dschasira am Montag. Diese Soldaten wurden von US-Jets massakriert, als sie sich nach einem einseitig verkündeten Waffenstillstand, den die USA und ihre Verbündeten aber nicht beachteten, aus Bengasi zurückzogen. Es war das zweite Waffenstillstandsangebot Gaddafis innerhalb von drei Tagen.

Der Cruise Missile Angriff auf Bab al Azizia soll von britischen Flugzeugen ausgeführt worden sein. Er fand fast 25 Jahre nach den Luftschlägen der Reagan-Regierung im April 1986 auf das gleiche Gelände statt, die im Namen des Kampfs gegen den Terrorismus ausgeführt wurden. Damals wurden Dutzende Menschen getötet, darunter eine Adoptivtochter Gaddafis.

Trotz der angeblich untergeordneten Rolle der USA bei den Angriffen auf Libyen hat Washington das Kommando über die Operation übernommen. Das amerikanische Militär schoss die bei weitem meisten Cruise Missiles ab und flog am Sonntag auch insgesamt die meisten Angriffe.

Drei amerikanische Tarnkappenbomber haben alleine fünfundvierzig 2.000 Pfund schwere Bomben abgeworfen. Die Langstreckenbomber sollen ein Flugfeld in Misurata, westlich von Tripolis, zerstört haben. Die USA haben bislang 124 Tomahawk Cruise Missiles von Kriegsschiffen aus abgefeuert.

An den militärischen Operationen beteiligen sich auch Italien, Spanien, Kanada, Dänemark, Norwegen, Griechenland und Katar.

Das Weiße Haus und der britische Premierminister David Cameron behaupten, die Bombenkampagne mit der Bezeichnung "Odyssey Dawn" habe die libysche Luftverteidigung schon weitgehend ausgeschaltet, die im großen und ganzen aus veralteter sowjetischer Technologie besteht. "Wir haben praktisch schon eine Flugverbotszone", sagte ein Sprecher des Weißen Hauses gegenüber ABC News.

Aber obwohl eine Flugverbotszone inzwischen praktisch in Kraft ist, haben die Westmächte ihre Raketenangriffe weiter verstärkt. Damit strafen sie die Behauptung Lügen, der einzige Zweck der Operation sei der Schutz von Zivilisten.

Bei einem Staatsbesuch in Chile erklärte Präsident Obama am Montag: "Die USA wollen, dass Gaddafi gehen muss." Der britische Verteidigungsminister Liam Fox sagte am Wochenende in einem Interview, Gaddafi sei ein "legitimes Ziel" amerikanischer und alliierter Raketen und Bomben.

Die westliche Koalition hat sich auf der Seite einer rivalisierenden Fraktion der libyschen Elite in Bengasi in den Bürgerkrieg eingemischt. Die Kräfte dieser Rebellen werden angeblich vom ägyptischen Militär ausgerüstet. Vor drei Tagen standen sie noch unmittelbar vor der Niederlage. Am Montag stießen die Rebellenkräfte von Bengasi aus auf Nachbarstädte vor, die von Gaddafis Truppen kontrolliert werden. Wie Al Dschasira berichtet, kamen sie bis in die Nähe von Aschdabija, zogen sich aber "Hals über Kopf wieder zurück, als sie unter heftiges Feuer von Gaddafis Truppen kamen".

Sollten die Rebellen mit westlicher Luftunterstützung auf Tripolis marschieren, wäre eine blutige Konfrontation fast unvermeidlich. Der Kommandeur der Operation, der amerikanische Armeegeneral Carter F. Ham, sagte am Montag, die Koalition werde die Flugverbotszone nun auf andere Städte ausdehnen, auch auf Tripolis, wo der größte Teil der libyschen Luftabwehr stationiert ist. "Wir werden es dann wohl mit den mobilen Luftabwehrsystemen des Regimes zu tun bekommen, und wir werden sie natürlich angreifen", erklärte Ham.

Weltweit nahm die Kritik an den Angriffen am Montag zu. Die USA, Frankreich und Großbritannien handeln zwar unter dem Deckmantel einer UN-Resolution, aber außerhalb der offiziellen Nato-Strukturen. Die Türkei, die ein militärisches Vorgehen gegen das Gaddafi-Regime ablehnte, verhinderte damit eine offizielle Nato-Mission.

Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin verurteilte die Operation am Montag als einen "mittelalterlichen Kreuzzug" und bezeichnete die Sicherheitsratsresolution, die die Angriffe sanktioniert, als "fehlerhaft". Russland hatte sich neben China, Brasilien, Indien und Deutschland bei der Abstimmung enthalten und den USA, Frankreich und Großbritannien einen Anschein diplomatischer Legitimität für ihren Angriffskrieg verschafft.

Auf einem Treffen der Afrikanischen Union erklärte der südafrikanische Präsident Jacob Zuma am Montag, seine Regierung lehne die "Doktrin des Regimewechsels... und der ausländischen Besetzung Libyens ab".

Zuma war Teil eines hochrangigen Ausschusses der Afrikanischen Union, der nach Tripolis reisen wollte, um ein Friedensabkommen zwischen Gaddafi und den Rebellen auszuhandeln. Die US-geführte Koalition verweigerte ihm aber die Landeerlaubnis.

Indien fordert die sofortige Einstellung der Luftangriffe, und China hat am Montag eine Sitzung des Sicherheitsrats zu Libyen einberufen.

In Kairo wurde UN-Generalsekretär Ban Ki-moon von Dutzenden pro-libyschen Demonstranten attackiert, die gegen die Bombardierung Libyens protestierten. Ban wollte am Montag den Tahrir-Platz besuchen, aber die Demonstranten zwangen ihn, sich wieder in das Gebäude der Arabischen Liga zurückzuziehen.

Auch in der Koalition selbst tauchten schon am Montag die ersten Risse auf. Italien und Norwegen protestierten gegen den ad hoc Charakter des Kriegs, der von Frankreich, Großbritannien und den USA diktiert wird. Norwegen erklärte, seine Flugzeuge würden nur teilnehmen, wenn eine klare Kommandostruktur der Nato in Kraft sei.

Der italienische Außenminister Franco Frattini drohte, Italien könne die Bereitstellung seiner Militärbasen für das Vorgehen gegen Libyen rückgängig machen, wenn die Nato nicht die Kontrolle der Operation übernehme. Italien ist der nächstgelegene europäische Nachbar Libyens, und seine Stützpunkte sind für die Militäroperation wichtig, obwohl Großbritannien, Frankreich und die USA die Luftschläge bisher von ihren eigenen Territorien oder von Flugzeugträgern vor der Küste Libyens gestartet haben.

Die ehemalige Kolonialmacht Italien, deren Kolonialherrschaft von 1911 bis 1943 Zehntausenden Libyern das Leben kostete, wandte sich anfänglich gemeinsam mit Deutschland gegen eine Militärintervention. Italien wurde aber auf Linie gebracht, als die Obama-Regierung sich eindeutig für einen Krieg aussprach. Unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte Italien enge Beziehungen zu Gaddafi entwickelt; es ist von allen Westmächten wirtschaftlich am stärksten in Libyen engagiert.

La Republicca zufolge sagte Berlusconi: "Italien kann nicht abseits stehen und nur die Folgen der Entscheidungen anderer ausbaden." Italien verlangt auch "eine Resolution, die die Respektierung bestehender Öl- und Gasverträge festlegt".

Auch Großbritannien argumentiert, dass die Operationen unter Nato-Kommando geführt werden sollten, aber Frankreich wehrt sich dagegen. Außenminister Alain Juppé sagte am Montag auf einem Treffen der europäischen Außenminister in Brüssel, dass "die Nato in einigen Tagen eine unterstützende Rolle" bei der Bombenkampagne spielen könne.

Deutschland nimmt unter den europäischen Mächten die kritischste Haltung zu der Militäraktion ein. Außenminister Guido Westerwelle bekräftigte seine Haltung auf dem EU-Treffen in Brüssel. "Es werden keine deutschen Soldaten nach Libyen geschickt, weil wir glauben, dass dieser Krieg wirkliche Risiken nicht nur für Libyen bedeutet, sondern für die ganze Region", sagte er. Er wiederholte aber die Unterstützung seiner Regierung für Sanktionen.

Als Handelspartner Libyens rangiert Frankreich hinter Italien und Deutschland. Großbritannien liegt hinter der Türkei an siebter Stelle, und mit den USA werden nur sechs Prozent des libyschen Handels abgewickelt, ungefähr genauso viel wie mit China.

In den USA ist das Weiße Haus mit der überschaubaren Kritik einer Handvoll von Republikanischen und Demokratischen Abgeordneten konfrontiert. Sie monieren, dass militärische Gewalt eingesetzt werde, ohne dass der Kongress dies diskutiert oder beschlossen habe.

Regierungssprecher antworten darauf mit der Erklärung, die Obama-Regierung habe den Kongress vor Beginn der Angriffe "konsultiert". "Wir nehmen seine konsultierende Rolle sehr ernst", sagte ein hoher Sprecher des Weißen Hauses.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 23.03.2011
USA und Europa verstärken Angriffe auf Libyen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2011