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GLEICHHEIT/3686: Europäische Union und IWF planen zweites Rettungspaket für Griechenland


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Europäische Union und IWF planen zweites Rettungspaket für Griechenland

Von Andre Damon
7. Juni 2011


Nachdem die griechische Regierung weitere Kürzungen und Privatisierungen in Milliarden Höhe zugesagt hatte, signalisierten Vertreter der Europäischen Kommission (EK), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) am letzten Freitag ihre Bereitschaft, nächsten Monat kurzfristig zusätzliche Rettungsgelder für Griechenland bereitzustellen.

Nach Angaben von EK, EZB und IWF hat die Regierung von Premierminister Giorgos Papandreou zugestimmt, staatliches Eigentum im Wert von 50 Milliarden Euro zu verkaufen. Außerdem habe Athen der Bildung einer "unabhängig geführten Privatisierungsagentur" zur Kontrolle dieser Veräußerungen beigestimmt.

Zwar enthielt die Presseerklärung keine Einzelheiten, die Formulierungen lassen jedoch den Schluss zu, dass der Ausverkauf großer Teile des griechischen Staates unter Kontrolle internationaler Banken und Finanzinstitutionen ablaufen wird. Ähnliche Vorschläge kamen schon letzten Monat vom luxemburgischen Premier Jean-Claude Juncker, der auch Vorsitzender der Eurogruppe ist.

EK, EZB und IWF beendigten am Freitag eine vierwöchige Mission in Athen. Sie bemerkten, dass die Vorschläge der griechischen Regierung "eine signifikante Reduzierung der Beschäftigung im öffentlichen Sektor, die Umstrukturierung und Schießung öffentlicher Einrichtungen sowie Kürzungen bei Sozialprogrammen beinhalten".

Die Ankündigung löste in ganz Griechenland Demonstrationen aus. Zehntausende gingen auf die Straße, um gegen die neuerlichen Sozialkürzungen und Privatisierungen zu protestieren, die die Arbeitslosigkeit noch vergrößern und Tausende in Armut stürzen werden.

Unter anderem besetzten Demonstranten am Freitagmorgen das griechische Finanzministerium, und tauschten die Flagge der Europäischen Union gegen ein Transparent mit einem Aufruf zum Generalstreik aus.

Eisenbahnarbeiter bei Kifissia-Piraeus (ISAP) führten am Freitag einen 24-stündigen Streik durch, nachdem die Arbeiter der Hellenischen Telekommunikations-Gesellschaft am Donnerstag eine entsprechende eintägige Aktion durchgeführt hatten.

Ebenfalls am Freitag traf sich Papandreou mit Juncker, um die Einzelheiten der Spar- und Privatisierungsmaßnahmen vorzulegen, die er im griechischen Parlament durchzusetzen gedenkt.

Letzten Monat hatte die Regierung Papandreou angekündigt, sie beabsichtige, ihren Zusagen zum Rettungsabkommen vom Mai 2010 gemäß, eine zusätzliche Sparmaßnahme in Höhe von 4,4 Milliarden Euro durchsetzen. Anfang der Woche gab die griechische Regierung an, nach dem Treffen würden die Einzelheiten der vorgeschlagenen Sparmaßnahmen bekannt gegeben. Die Regierung gab dann jedoch keine Stellungnahme ab und weder Papandreou noch Juncker gingen auf Fragen der Presse ein.

Die Ankündigung der EU und des IWF erschien zwei Tage, nachdem die Rating-Agentur Moody's die Kreditwürdigkeit Griechenlands wegen seiner Verschuldung erneut herabgestuft hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Land an seinen Schulden scheitere, liege bei 50 Prozent, so Moody's. Griechenland bezahlt derzeit für Anleihen auf dem freien Markt einen Zins von 16 Prozent - fünf Mal so viel wie Deutschland.

Moody's stufte am Freitag die Kreditwürdigkeit acht weiterer griechischer Banken herunter. Darunter auch der Griechischen Nationalbank SA, da diese wegen ihrer finanziellen Verpflichtungen im Falle eines Zusammenbruchs der griechischen Regierung mit Milliardenverlusten zu rechnen hätte.

Die Delegierten von EU und IWF gaben eine Erklärung ab, nach der sie dem Vorstand des IWF und der Eurogruppe die Freigabe weiterer Finanzspritzen in Höhe von zwölf Mrd. Euro vorschlugen, die "Anfang Juli zur Verfügung stehen werden."

Diese Erklärung ließ die Investoren wieder hoffen, dass Ausgabenkürzungen und der Schuldendeal umgesetzt würden. Die Zinsen für griechische und europäische Schulden waren entsprechend rückläufig.

Griechenland benötigt wegen seiner Haushaltlöcher nächstes Jahr 60 Milliarden Euro zusätzlich. Die Finanzierungslücke ist weitgehend ein Ergebnis des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, den Griechenland in Folge der Ausgabenkürzungen erlitten hat, die ihm als Bedingungen für die Rettungsaktion von 2010 aufgezwungen worden waren.

Unter den ausgehandelten Konditionen der ersten Rettungsaktion war vorgesehen, dass Griechenland 2012 Kredite in Höhe von 27 Milliarden Euro von privaten Investoren aufnimmt und nicht mehr ausschließlich beim IWF und anderen europäischen Regierungen leiht. Anfang dieses Jahres musste Athen jedoch eingestehen, dass dies bei den hohen Zinsen auf griechische Schulden undurchführbar wurde.

Der ausgehandelte Deal verschafft den konkurrierenden europäischen Beteiligten die notwendige Zeit, die Bedingungen einer zweiten Rettungsaktion festzulegen. Deutschland besteht auf einem Deal, der auch private Gläubiger in Haftung nimmt. Die EZB dagegen unterstützt einen Vorschlag, nach dem frisches Geld aus erneuten Anleihen des IWF und der EU-Mitgliedsstaaten kommen soll.

Das Vorgehen verschafft auch Papandreou und seiner sozialdemokratischen PASOK-Regierung die benötigte Zeit, um die parlamentrasche Zustimmung für die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen zu sichern.

Falls kein Deal ausgehandelt wird, wird Griechenland wahrscheinlich unter seinen Schulden zusammenbrechen - ein Szenario, das den Zusammenbruch der Kreditmärkte zur Folge hätte, wodurch der Zerfall von Euro und EU drohen könnte.

Juncker verriet die wachsenden Sorgen in den Finanzkreisen, als er sich gezwungen fühlte, diese Möglichkeit ausdrücklich klein zu reden: "Es ist klar, dass Griechenland die Eurozone nicht verlassen wird." Dann sagte er noch: "Es wird zu keinem Zusammenbruch kommen und Griechenland wird in der Lage sein, seine Verpflichtungen vollständig zu erfüllen."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.06.2011
Europäische Union und IWF planen zweites Rettungspaket für Griechenland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011