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GLEICHHEIT/3693: Weltbank sagt Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums voraus


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Weltbank sagt Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums voraus

Von Barry Grey
10. Juni 2011


Am Dienstag veröffentlichte die Weltbank ihren jüngsten Bericht über die weltweiten Wirtschaftsaussichten, in dem sie für dieses und nächstes Jahr ein langsameres Wirtschaftswachstum vorhersagte. Die Weltbank sieht ein langsamer wachsendes Bruttosozialprodukt in den Vereinigten Staaten, der Eurozone und den asiatischen und lateinamerikanischen Ländern im Vergleich zu den Zahlen von 2010 voraus. Die einzige Region in der sie schnelleres Wachstum erwartet ist Subsahara-Afrika.

Zwar versuchte die Weltbank ihre Vorhersage im bestmöglichen Licht darzustellen, indem sie andeutet, dass es kein Negativwachstum geben wird (auch als "Douple-Dip-Rezession" bezeichnet) und vorhersagt, dass sich das Wachstum früher oder später beschleunigen wird, aber die von der Agentur veröffentlichten Zahlen weisen auf eine wachsende Arbeitslosigkeit, Armut und sozialen Mangel auf dem ganzen Planeten hin.

In den USA, Europa und Japan, wo die so genannte "Erholung" nach dem Zusammenbruch von 2008 und Anfang 2009 von anemischem Wachstum, weiterhin hoher Arbeitslosigkeit und brutalen Angriffen auf die Lebensstandards der Arbeiterklasse gekennzeichnet war, wird selbst ein geringeres Wachstum des Bruttosozialprodukts eine Vertiefung der Krise bedeuten.

Die Bank schätzte, dass die Weltwirtschaft dieses Jahr um 3,2 Prozent wachsen wird, im Vergleich zu 3,8 Prozent im Jahr 2010. Für 2012 und 2013 wird ein Wachstum von 3,6 Prozent vorausgesehen - immer noch weniger als 2010.

Die amerikanische Wirtschaft wird vermutlich um ärmliche 2,6 Prozent wachsen, im Vergleich zu 2,8 Prozent 2010, und mindestens bis 2013 unter 3 Prozent bleiben. Es erfordert durchgehende Wachstumsraten von mindestens 3 Prozent, um die fast zweistellige offizielle Arbeitslosenquote der USA nach unten zu drücken.

Das Wachstum der Entwicklungsländer wird sich vermutlich bis 2013 auf 6,3 Prozent pro Jahr verlangsamen, 2010 waren es noch 7,3 Prozent. Die Bank sagte vorher, dass in sogenannten "Hochlohn-Ländern" das Wachstum bei 2,2 Prozent liegen wird - 2010 lag es bei 2,7 Prozent - und sich in 2012 und 2013 auf 2,7 und 2,6 Prozent erhöhen wird.

Die Wirtschaft Japans, die sich von dem Tsunami und den Erdbeben im März erholen muss, wird voraussichtlich überhaupt nicht wachsen. Das Wachstum der Eurozone wird bis 2013 unter 2 Prozent bleiben.

Die Vorhersagen aus dem Bericht der Weltbank sind, wenn überhaupt, dann unbegründet optimistisch. Sie berücksichtigen nicht, dass die Zahlen vom Mai fast ausschließlich negativ waren.

Letzten Freitag zeigten die Zahlen aus dem US-Arbeitsmarktbericht für den Mai praktisch einen Zusammenbruch bei den geschaffenen Arbeitsplätzen, die Zahl wuchs nur um 54.000, weniger als ein Viertel als im letzten Monat, und die niedrigste Zahl seit acht Monaten. Im Mai stieg die Arbeitslosenzahl auf ihren bisherigen Höchststand in diesem Jahr, die der Langzeitarbeitslosen wuchs besonders stark. Die offizielle Arbeitslosenquote wuchs auf 9,1 Prozent, womit 25 Millionen Menschen entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt waren.

Der desaströse Arbeitsmarktbericht folgte auf Umfragen, die stark gesunkene Immobilienpreise- und Verkäufe zeigten, einen Rückgang der Produktionszahlen, Rückgänge bei Autoverkäufen und Verbraucherausgaben und ein gesunkenes Verbrauchervertrauen.

Berichte aus Europa, China und Indien vom Mai zeigten ebenfalls niedrigere Produktionsaktivität und gesunkenes Wirtschaftswachstum.

Nur Stunden nach der Veröffentlichung des Berichtes der Weltbank hielt der Chef der US-Federal Reserve (Zentralbank der USA) Ben Bernanke bei einem Treffen der American Bankers Association in Atlanta eine düstere Rede über die wirtschaftlichen Aussichten der USA. Zuerst bestätigte er, dass das Wirtschaftswachstum der USA dieses Jahr geringer ausfiel als es die Fed vorhergesagt hatte. Er behauptete zwar, die USA würden eine "Erholung" in "gemäßigtem Tempo" erleben, gab aber zu, dass es "aus Sicht der Millionen arbeitslosen und unterbeschäftigten Arbeiter frustrierend langsam ging."

Bernanke scheint seine vorherigen Beteuerungen zurückzunehmen, dass die Erholung gesichert war und erklärte: "Bis wir eine längere Phase der Schaffung von Arbeitsplätzen erreicht haben, können wir nicht von einer Erholung reden."

Was die Situation auf dem Arbeitsmarkt angeht, war Bernanke relativ offen und gab zu, dass die Lage "weit von normal entfernt" ist. Er zitierte eine Statistik - die Gesamtarbeitszeit von Produktionsarbeitern - als aussagekräftigen Indikator der Tiefe der Arbeitsmarktkrise. Er erklärte, dieser "umfassende Maßstab für Arbeitsleistung reflektiert das Ausmaß von Teilzeitarbeit und Gelegenheit für Überstunden, sowie die Anzahl von Beschäftigten. Er ist vom Beginn der Rezession bis zum Oktober 2009 stark um fast 10 Prozent gesunken."

Was besonders wichtig war, war die Tatsache dass dieser Maßstab 6,5 Prozent unter dem Niveau vor der Rezession lag. Bernanke wies darauf hin, dass dieser Einbruch schlimmer war als der Niedergang der Gesamtarbeitsstunden in der "tiefen Rezession von 1981-82."

Der Chef der Fed erwähnte eine steigende Inflation - die Verbraucherpreise steigen um 3,5 Prozent pro Jahr - aber versicherte seinem Publikum aus Bankern, dass sinkende Löhne und Lohnstückkosten die Preissteigerung unter Kontrolle halten würde. Er sagte, "Es ist auffallend", dass "aufgrund der schwachen Nachfrage nach Arbeit die Lohnerhöhungen nicht mit den Produktivitätssteigerungen Schritt gehalten haben. Deshalb sind die Lohnstückkosten niedriger als vor der Rezession."

Das war geradezu eine Billigung der Vorgehensweise seines Publikums, Billionen von Dollars aus Rekordgewinnen zurückzuhalten, anstatt Arbeiter einzustellen, und so die Löhne niedrig zu halten.

Bernanke deutete an, dass die Fed, wie geplant ihr 600 Milliarden Dollar-Programm zum Aufkauf von US-Staatsanleihen Ende dieses Monats auslaufen lassen würde, und stellte klar, dass die Zentralbank die kurzfristigen Zinsen weiterhin bei nahezu Null halten würde.

Was ein Vorgehen gegen die Massenarbeitslosigkeit angeht, so hatte Bernanke nichts anzubieten. Er sagte, "in dieser Hinsicht kann die Geldpolitik kein Wundermittel sein. Stattdessen wiederholte er seine Forderung nach Sparprogrammen und Defizitabbau, mahnte allerdings an, dass ein Plan für Ausgabenkürzungen zwar jetzt in Kraft treten sollte, aber auf mittlere und längere Sicht umgesetzt werden sollte anstatt sofort.

Bernankes düsteres Bild des Arbeitsmarktes wurde am Dienstag von einem neuen Bericht des Arbeitsministeriums bestätigt, der zeigte, dass es Ende April 3 Millionen offene Stellen gab, im März waren es 3,1 Millionen. Im April gab es ungefähr 4,6 Arbeitslose für jede offene Stelle.

das Wall Street Journal unterstrich die düsteren Vorhersagen am Mittwoch. Es berichtete, dass Charles Evans, der Präsident der Federal Reserve Bank von Chicago, der Zeitung gesagt habe, er korrigiere seine Vorhersagen für das amerikanische Wirtschaftswachstum von 4 Prozent auf bestenfalls 3,25 für 2011 und 3,75 für 2012.

Ebenfalls am Mittwoch zeigte das "Beige Buch" der Fed zum ersten Mal in diesem Jahr einen Rückgang des Wirtschaftswachstums in vier der zwölf Bezirke der Bank - in New York, Philadelphia, Chicago und Atlanta.

Als direktes Instrument der Wall Street nutzt die Obama-Regierung die Wirtschaftskrise aus, um die Löhne, Lebensbedingungen und den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiterklasse drastisch zu senken. Das wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz von Obama und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag unterstrichen, auf der er die Bedeutung des Arbeitsmarktberichtes vom Mai herunterspielte, die Möglichkeit einer Douple-Dip-Rezession zurückwies und sich zu seiner wirtschaftsfreundlichen Politik bekannte.

Obama sagte, seine Antwort auf die Arbeitsmarktkrise wäre es, die amerikanischen Unternehmen "konkurrenzfähiger im Vergleich zu den aufsteigenden Wirtschaftsmächten" zu machen und "unsere Schulden und unser Defizit in den Griff zu bekommen" - mit anderen Worten, die Amerikaner dazu zu zwingen, für weniger Geld härter zu arbeiten und grundlegende Sozialleistungen wie Medicare und Medicaid aushöhlen zu lassen.

Darum geht es bei den Verhandlungen der Regierung mit den Republikanern über Einsparungen in Billionenhöhe bei den Sozialausgaben als Teil einer Abmachung, die staatliche Schuldengrenze zu erhöhen. Am Mittwoch schaltete sich die Ratingagentur Fitch Ratings auf Seite der großen Banken ein und warnte, dass sie die Kreditwürdigkeit der USA unter Beobachtung stellen und möglicherweise Anfang August herabstufen werde, wenn keine derartige Einigung erzielt werde.

Sie schloss sich damit den größeren Ratingagenturen an, die ebenfalls drohten, US-Staatsanleihen herabzustufen. Standard & Poor's gab im April eine ähnliche Warnung heraus, und Moody's veröffentlichte letzte Woche ebenfalls eine Warnung.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.06.2011
Weltbank sagt Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums voraus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2011