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GLEICHHEIT/3726: Proteste in Ägypten vom Militär blutig niedergeschlagen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Proteste in Ägypten vom Militär blutig niedergeschlagen

Von Joseph Kishore und Jonathan Aswan
1. Juli 2011


Die von den USA gestützte ägyptische Militärregierung ist mit blutiger Gewalt gegen Tausende von Demonstranten auf dem Tahrir-Platz vorgegangen. Mehr als eintausend Menschen wurden verletzt, Dutzende befinden sich noch in Krankenhäusern.

Ausgelöst wurden die Zusammenstöße am Dienstag, als die Polizei Angehörige von Menschen angriff, die während der Revolution im Februar getötet worden waren. Durch die Februarrevolution war der langjährige Diktator Hosni Mubarak gestürzt worden.

Sie begannen vor dem Al-Balloon Theater außerhalb von Kairo, wo eine Gedenkfeier für Polizisten abgehalten wurde, die im Februar getötet worden waren. Familienmitgliedern von Märtyrern der Revolution war es nicht erlaubt, teilzunehmen. Dann kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam und - laut einigen Augenzeugen - mit Schlägern, die mit der Polizei zusammenarbeiteten.

Wie Ahram Online meldete, dass "einige Augenzeugen behaupteten, eine Person sei erschossen und mehrere verletzt worden, darunter eine ältere Frau, die von einem Polizisten in Gesicht geschlagen wurde."

Die Demonstranten zogen zum Innenministerium, das seit Langem mit der Unterdrückung durch Militär und Polizei in Verbindung gebracht wird, in dem angeblich zwei der Angehörigen gefangen gehalten wurden.

Als Reaktion auf diese Zusammenstöße versammelten sich am Dienstagabend bis zu 6000 Demonstranten auf dem Tahrir-Platz, der im Februar das Zentrum der Massendemonstrationen war. Ihnen stellten sich 1000 Bereitschaftspolizisten mit Tränengaswerfern und Gummigeschossen in den Weg (Videolink: Video of police officers throwing stones at protesters, http://www.youtube.com/watch?v=EMrMDNOFgQ0)

Das brutale Vorgehen gegen die Demonstrationen unterstreicht die Kontinuität zwischen dem alten und dem neuen Regime, das von denselben Militärangehörigen kontrolliert wird, die auch in Mubaraks Regierung das Sagen hatten. Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, ein enger Verbündeter von Mubarak und ehemaliger Verteidigungsminister ist jetzt Vorsitzender des Obersten Rats der Streitkräfte und de-facto-Staatschef. Er pflegte und pflegt vor und nach Mubarak erzwungenem Rückzug beste Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und dem US-Militär.

Einige der Parolen, die die Demonstranten riefen, waren: "Nieder mit der Militärjunta", "Das Volk will den Feldmarschall vertreiben", "Tantawi ist Mubarak" und "Revolution bis zum Sieg." Die Demonstranten fordern außerdem die schnelle Anklage der Verantwortlichen für die Massenmorde und Verhaftungen während der Ereignisse im Februar, darunter auch des ehemaligen Innenministers Habib el-Adly und Mubaraks selbst. Anfang dieser Woche wurde der Prozess gegen el-Adly um einen Monat verschoben, was zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Angehörigen der Opfer führte.

Ein Arbeiter, der sich an den Demonstrationen beteiligte, sagte der WSWS: "Das System und die Polizisten sind immer noch die Alten. Es hat sich nichts geändert. Mubaraks Generäle und Polizisten sind weiter an der Macht und wenden die gleichen brutalen Methoden gegen uns an." Er zeigte Tränengaskanister, die gegen die Demonstranten eingesetzt wurden, und erklärte, dass sie alle aus amerikanischer oder israelischer Produktion seien.

Das Militär reagierte sofort mit provokanten Kommentaren, die darauf abzielten, den Boden für weitere Repressionen vorzubereiten. Wie es in einer Verlautbarung hieß, seien die Proteste darauf gerichtet, "das Land zu destabilisieren." Am Mittwoch wurden 44 Menschen angeklagt, die bei den Ereignissen verhaftet wurden.

Die Organisatoren der Proteste, darunter eine Gruppe namens "Bewegung des 6. April", hatte für den 8. Juli zu Demonstrationen aufgerufen. Nach dem gewalttätigen Vorgehen der Behörden veröffentlichten sie einen neuen Aufruf, sofort mit den Demonstrationen zu beginnen. Demonstranten haben auf dem Platz Zelte aufgestellt und einen Sitzstreik begonnen, der andauern soll, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Im Verlauf der vergangenen Woche wurde die Präsenz von Polizei und Militär in den Straßen Kairos merklich erhöht. Große Mengen von Polizisten werden eingesetzt, und auf Universitätsgeländen und in der Innenstadt stehen Panzer und Lastwagen der Armee.

Die immer offenere Repression fällt zusammen mit wachsenden Klassenkonflikten, darunter Streiks von verschiedenen Teilen der Arbeiterklasse gegen katastrophale wirtschaftliche Bedingungen, Massenarbeitslosigkeit und die Weigerung der Militärregierung, auch nur eine der Forderungen der Demonstranten zu erfüllen, die Mubarak zum Rücktritt gezwungen hatten.

Letzten Freitag blockierten Bauern die Hauptzugangsstraßen nach Kairo, und die Arbeiter am Suezkanal befinden immer noch im Streik. Im Verlauf des vergangenen Monats gab es Streiks der Ölarbeiter, der Lokführer, in der Luftfahrt, in der Autobranche, von Studenten und Bauern.

Am 8. Juni bestätigte die ägyptische Regierung die Anwendung eines Gesetzes, das Proteste und Streiks kriminalisiert. Der Oberste Rat der Streitkräfte behauptete, das Gesetz sei notwendig, um "Stabilität zu erreichen", und er würde "nicht zögern, auf alle Versuche... die Ordnung zu stören oder die nationale Wirtschaft zu schädigen, entsprechend zu reagieren." Streikende Arbeiter und Demonstranten müssen mit Geldstrafen bis zu 500.000 ägyptische Pfund (83.000 Dollar, bzw. 57.768 Euro) und Freiheitsstrafen von einem Jahr oder mehr rechnen.

Die Unterdrückung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, die seit Beginn der Massendemonstrationen daran gearbeitet haben, die Kontrolle des Militärs über Ägypten, einen wichtigen Satellitenstaat der USA, aufrechtzuerhalten.

Am Mittwoch traf sich Tantawi mit William Burns, dem amerikanischen Stellvertretenden Außenminister. Burns sagte, dass die USA entschlossen seien "kurzfristig finanzielle Stabilität" in Ägypten zu garantieren. Die Parallele zu der Forderung des Regimes nach "Stabilität" - d.h. einem Ende der Streiks und Proteste - kann den Militärchefs nicht entgangen sein, allerdings wurde hinter verschlossenen Türen zweifellos auf deutlichere Art die Unterstützung zugesichert. Burns erwähnte das gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste, wenige Stunden vor seinem Besuch, nicht.

Laut der Tageszeitung Al-Masri Al-Youm diskutierten die beiden "den demokratischen Umwandlungsprozess in Ägypten und die Bedeutung der amerikanischen Investitionen in die ägyptische Wirtschaft. Die Obama-Regierung und die europäischen Mächte versuchen, die revolutionären Erhebungen im Nahen Osten und Nordafrika dazu auszunutzen, die Länder noch weiter unter die Vorherrschaft westlicher Konzerne zu bringen.

Auf Burns' Besuch folgte eine Wirtschaftsdelegation unter Führung der US-Senatoren John Kerry (Demokraten) und John McCain (Republikaner). Unter den Delegierten waren Jeffrey Immelt, Vorsitzender und Topmanager von General Electric (und Vorsitzender von Obamas "Rat für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit") und Curt Ferguson, Präsident von Coca-Cola Middle East.

Laut Daily Egypt News läuteten die beiden Senatoren die Startglocke der ägyptischen Börse, besuchten dann ein Coca-Cola-Werk und trafen sich anschließend mit Tantawi. McCain erklärte, "Erfolg oder Scheitern der Revolution in diesem Teil der arabischen Welt hängen direkt mit der Fähigkeit zusammen, Investitionen und Arbeitsplätze für das ägyptische Volk zu schaffen."

McCain verband sein Bekenntnis zur Unterstützung des ägyptischen Regimes und der amerikanischen Konzerne mit einer Drohung gegen Syrien: Er forderte den Abzug des US-Botschafters aus dem Land, und Sanktionen gegen die syrische Regierung.

Diese Entwicklung unterstreicht die grundlegende Tatsache, dass trotz der Massenproteste Anfang des Jahres keine der wirtschaftlichen und politischen Forderungen des ägyptischen Volkes erfüllt wurde. Die Militärregierung arbeitet daran, vor den Wahlen im September Bedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass eine genehme Regierung an die Macht kommt. Sollte sich dies als zu schwer erweisen, werden die Wahlen verzögert oder auf unbestimmte Zeit vertagt.

Siehe auch:
Massenproteste verlangen "zweite Revolution" in Ägypten
http://wsws.org/de/2011/mai2011/egyp-m31.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.07.2011
Proteste in Ägypten vom Militär blutig niedergeschlagen
http://www.wsws.org/de/2011/jul2011/egyp-j01.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2011