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GLEICHHEIT/3769: Imperialistische Mächte erwägen Rückzug aus Libyen-Krieg


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Imperialistische Mächte erwägen Rückzug aus Libyen-Krieg

Von James Cogan
29. Juli 2011


Die Regierungen Großbritanniens und der USA haben sich Frankreich, dem dritten Hauptverantwortlichen für den imperialistischen Krieg gegen Libyen, bei der Suche nach Rückzugsmöglichkeiten angeschlossen. Es ist ihnen bisher nicht gelungen, den langjährigen Diktator des Landes, Muammar Gaddafi, zu stürzen, und den in Bengasi stationierten Nationalen Übergangsrat (NÜR) als Marionettenregime einzusetzen.

Nach fünfmonatigen todbringenden Angriffen auf das libysche Volk und zahlreichen Anschlägen auf das Leben des libyschen Führers, bieten die Großmächte Gaddafi und seinem Regime nun eine Beilegung des Konfliktes an.

Am Montag signalisierte der britische Außenminister William Hague die Kompromissbereitschaft seiner Regierung. Er distanzierte sich von früheren Erklärungen, der Krieg ende erst, wenn Gaddafi gestürzt sei und Libyen verlassen habe. Stattdessen erklärte Hague, Gaddafis Schicksal sei eine Frage, die "von den Libyern zu entscheiden sei".

Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, unterstützte die britische Position einige Stunden später und sagte Journalisten gegenüber, dass "das libysche Volk darüber entscheiden muss", ob Gaddafi im Lande verbleibe oder nicht.

Die französische Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy hatte ihre Bereitschaft zu einer Übereinkunft mit Gaddafi bereits angedeutet. Am 10. Juli erklärte Verteidigungsminister Gérard Longuet, man dränge die "Rebellen" des TNC, Friedensgespräche mit Gaddafi-Loyalisten zu führen und zu akzeptieren, dass der Diktator in seinem Palast "mit einem anderen Titel in einen anderen Raum umziehen" könne.

Die zynischen Gesten in Richtung des "demokratischen" Willens des libyschen Volkes sind nichts als Augenwischerei. Gaddafis Verbleiben im Lande hinzunehmen, ist vor allem ein klares Signal an den inneren Kreis und die Mächtigen seines Regimes, dass die imperialistischen Mächte zu einem Handel bereit sind, der es ihnen erlaubt, ihre Privilegien, ihre Stellungen und ihren Wohlstand zu erhalten.

Die Erklärungen fielen zeitlich zusammen mit diplomatischen Aktivitäten zwischen dem UN-Gesandten Abdul Elah al-Khatib und Vertretern der Gaddafi-Regierung, die sich um die Erstellung eines Planes für eine "Regierung der Machtteilung" bemühten. Angeblich hat die russische Regierung ein fünfköpfiges Übergangsregime vorgeschlagen, das sich aus zwei Gaddafi-Getreuen, zwei Mitgliedern des NÜR und einer von beiden Seiten akzeptierten fünften Person zusammensetzt.

Diese Kehrtwende der imperialistischen Diplomatie ist eine vernichtende Bestätigung des räuberischen neokolonialen Charakters der Politik, die den Krieg von Anfang an bestimmt hat.

Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der USA sahen die Massenaufstände, die zum Sturz der pro-imperialistischen Diktatoren in Tunesien und Ägypten führten, als Bedrohung ihrer Interessen in Nordafrika und im Nahen Osten an. Sie wollten unbedingt sicherstellen, dass Gaddafis Libyen, mit dem sie enge politische und wirtschaftliche Beziehungen eingegangen waren, fest unter ihre Kontrolle gebracht wurde.

Wie von WikiLeaks veröffentlichte Depeschen zeigen, sorgten sich die Vereinigten Staaten wegen Gaddafis Bemühungen, sich bessere Bedingungen für die Ausbeutung der lukrativen Öl- und Gasvorkommen des Landes zu sichern und wegen seiner Offenheit für die Interessen chinesischer und russischer Konzerne. Jede Regierung, die durch einen vom Volk getragenen Umsturz seines Regimes zustande gekommen wäre, hätte vermutlich einen noch größeren Anteil an den natürlichen Reichtümern des Landes verlangt.

Deshalb entschieden sich die imperialistischen Mächte für die Alternative, ein neues Regime aus Elementen aus Bengasi in Ostlibyen einzusetzen, die ohnehin einen Groll gegen Gaddafis Regierung in Tripolis hegen. Ein solches Regime sollte nicht nur die Reichtümer des Landes den Interessen des Westens und der USA unterordnen, sondern durch Truppenstationierungsabkommen auch als Bollwerk gegen die Ausbreitung von Unruhen in der Region dienen.

Innerhalb von Wochen nach dem Ausbruch von Protesten für mehr Demokratie in Bengasi begann eine kleine Anzahl von Leuten, die später den TNC bildeten, einen bewaffneten Aufstand. Die Kräfte, die hinter der sogenannten Rebellion standen, bestanden aus einer Mischung aus früheren Gaddafi-Ministern, CIA-Agenten und Al-Kaida-freundlichen islamistischen Fundamentalisten. Das militärische Eingreifen der libyschen Streitkräfte zur Niederschlagung des begrenzten Aufstandes wurde von den Großmächten medial zu einem Völkermord an Zivilisten aufgeblasen, den angeblich nur eine Militärintervention von außen verhindern konnte.

Alle Informationen, die seitdem durchgedrungen sind, zeigen, dass der pro-imperialistische Aufstand keine breite Volksbewegung repräsentiert und keinen Rückhalt bei den Massen in ganz Libyen genießt. Tripolis und Umgebung sind fest unter Gaddafis Kontrolle.

Entgegen den Erwartungen hat sich das libysche Militär der Regierung gegenüber weitgehend loyal verhalten. Es hat keinen Massenzustrom zu den bewaffneten Einheiten des TNC gegeben. Das schlecht ausgebildete "Rebellen"-Militär hat es mehrfach nicht geschafft, Gebiete zu halten, die nach Nato-Luftschlägen von den libyschen Streitkräften aufgegeben worden waren.

Der Schutz von Zivilisten war zu keinem Zeitpunkt Ziel des Krieges. Seitdem die Vereinten Nationen den Krieg durch die Resolution 1973 legitimiert haben, haben die USA, Großbritannien und Frankreich, die gemeinsam unter dem Schirm des Nato-Bündnisses operieren, kein Geheimnis daraus gemacht, dass ihr wahres Ziel der Regimewechsel ist.

Die Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, sind ein Verbrechen. Gaddafi war Ziel zahlloser Mordanschläge, von denen einer seinen Sohn und drei seiner Enkel das Leben kostete. Hunderte, wenn nicht tausende libysche Soldaten sind durch die Luftangriffe, die Gaddafis Armee dezimieren sollten, abgeschlachtet worden.

Hunderte von Millionen Dollar wurden aufgewendet, Spezialeinsatzkräfte, Söldner und Geheimdienstmitarbeiter aus Nato-Ländern eingeflogen, um die "Rebellen" bei der Aufstellung ihrer Militäreinheiten zu unterstützen. Frankreich hat in einer illegalen Aktion aus der Luft Waffen an Stammesgruppen im Westen des Landes abgeworfen.

Nach Aussage der libyschen Regierung sind bei Bombardements der lebenswichtigen Infrastruktur in Tripolis und anderen von Pro-Gaddafi-Kräften gehaltenen Gebieten mindestens 1.108 Zivilisten getötet und mehr als 4.500 verletzt worden. Die Beweise verdichten sich, dass die Nato absichtliche Angriffe auf zivile Ziele verstärkt hat, um die Bevölkerung zu terrorisieren und zur Abkehr vom Regime zu bewegen.

Diese Woche wurden eine Klinik für Grippeschutzimpfungen und ein Nahrungsmittellager in der Stadt Zlitan östlich von Tripolis bombardiert. Journalisten des TV-Senders CNN durften die Ruine einer Moschee und einer Schule besichtigen. Ein örtlicher Beamter sagte zu CNN: "Sie (die Nato) führt einen flächendeckenden Kampf gegen das Volk. Sie zerstört alles."

Der kriminelle Krieg gegen Libyen ist nun in ein schmutziges Stadium eingetreten. Es wird nach einem Ende für die fünfmonatige Operation gesucht, die für die USA und ihre Verbündeten zu einem Debakel und einer Peinlichkeit geworden ist. In diesem Monat haben alle Großmächte den TNC als "Libyens rechtmäßige Regierung" anerkannt. Das hat sie in die Lage versetzt, 130 Milliarden Dollar zu stehlen, die von Libyen in westlichen Banken und Finanzinstitutionen gehalten wurden.

Die Absicht ist klar. Um sich die Werte wieder zu sichern, muss die libysche Elite mit dem TNC über Gaddafi verhandeln und eine Regierung zu den von den USA, Großbritannien und Frankreich diktierten Bedingungen bilden. Was auch immer für eine Kombination aus Elementen von Gaddafis Regime und dem TNC dabei herauskommt, sie wird mit Demokratie nichts zu tun haben.

Der Krieg von USA und Nato gegen Libyen hat die pseudo-linken und liberalen Tendenzen und Einzelpersonen bis auf die Knochen entlarvt, einschließlich Frankreichs neuer Antikapitalistischer Partei, der Zeitschrift Nation und des Uniprofessors Juan Cole, die die Intervention mit ihrem "humanitären" Hintergrund rechtfertigten.

Sie haben den Tod tausender Menschen und die Zerstörung eines unterdrückten Landes legitimiert, damit die imperialistischen Mächte ihm eine neue Regierung geben können - gegen die Interessen der Massen in Libyen und in der ganzen Region.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.07.2011
Imperialistische Mächte erwägen Rückzug aus Libyen-Krieg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011