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GLEICHHEIT/4149: Der preisgekrönte Film "Eine Trennung" und die Menschlichkeit des iranischen Volkes


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Der preisgekrönte Film "Eine Trennung" und die Menschlichkeit des iranischen Volkes

Von David Walsh
31.‍ ‍März 2012



Es kommt nicht oft vor, dass wir unsere Perspektive einem Film oder einem anderen Kunstwerk widmen. Allerdings lassen der Zusammenhang, in dem "Nader und Simin - Eine Trennung" des iranischen Filmemachers Asghar Farhadi in die Kinos kommt, und die Qualität des Films seine Würdigung als angemessen erscheinen. Es ist ein Film, der eine Menge zu sagen hat, und außerdem verleiht die gegenwärtige Situation dem Werk eine ganz besondere Bedeutung.

Die Regierung der Vereinigten Staaten und ihr Geheimdienstapparat arbeiten zusammen mit dem israelischen Regime und ihren Verbündeten in Europa unerbittlich auf eine militärische Konfrontation mit dem Iran hin. Als Vorwand dient dabei das iranische Atomprogramm.

Ein solcher Krieg würde unsägliches Leid für die iranische Bevölkerung und die Menschen in der Region bedeuten. Er hätte möglicherweise auch verheerende weltweite Folgen, auch für Israelis, Amerikaner und Europäer.

Mit der Gleichmäßigkeit von Maschinen geben Präsident Obama, Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Leon Panetta unbegründete Behauptungen über iranische Atom-Ambitionen von sich, als hätte die amerikanische Bevölkerung die zahllosen Lügen der US-Regierung und der Massenmedien über "Massenvernichtungswaffen" vor der Invasion des Irak vergessen.

Droht der Welt im Iran eine Wiederholung dieser schrecklichen Erfahrung in einem noch fürchterlicheren Ausmaß?

Die amerikanische Bevölkerung wird fast täglich mit Berichten bombardiert, in denen die Bösartigkeit des Iran beschrieben wird: seine "Drohungen" gegen die USA und Israel, seine Unterstützung des Terrorismus, seine aggressiven geopolitischen Ambitionen. Das iranische Volk selbst wird - außer dann, wenn es Propagandazwecken dient, d.h. in Beziehung zur grünen Oppositionsbewegung der Oberschicht - als Ansammlung fremder, feindseliger, praktisch unmenschlicher Kreaturen dargestellt, die von religiösem Fanatismus und irrationalem Hass auf Amerikaner beseelt sind.

"Eine Trennung" liefert Amerikanern und anderen in der westlichen Welt ein paar Einblicke in die Wirklichkeit des iranischen Lebens. Der Film ist direkt und ehrlich, im Gegensatz zu den meisten Produkten der amerikanischen Filmindustrie. Der Kritiker des Politmagazins New Republic konnte nicht umhin anzuerkennen, dass amerikanische Filme, die sich mit dem Thema beschäftigen, im Vergleich zu Farhadis Werk "oberflächlich, hübsch anzusehen und im Überfluss vorhanden sind".

Die zentralen Probleme, um die es in "Eine Trennung" geht, sind zutiefst menschlich und absolut glaubhaft. Ein Paar aus der Teheraner Mittelschicht steht kurz vor der Trennung. Die Frau, Simin, möchte den Iran verlassen und ihre Tochter mitnehmen. Ihr Ehemann, Nader, fühlt sich verpflichtet zu bleiben und sich weiter um seinen von Alzheimer betroffenen Vater zu kümmern. Als Simin Nader sagt, dass sein Vater ihn nicht einmal mehr erkennt, antwortet er: "Aber ich weiß, dass er mein Vater ist".

Als seine Frau ihn verlässt, um bei ihrer Mutter unterzukommen, heuert Nader eine tief religiöse Arbeiterfrau, Razieh, an, damit sie sich um seinen Vater kümmert. Razieh ist schwanger. Ihr hitzköpfiger Ehemann, Hodjat, ist arbeitslos und seine Gläubiger sind hinter ihm her. Aufgrund ihres Zustands ist Razieh gezwungen, Naders Apartment tagsüber zu verlassen und einen Arzt aufzusuchen. Für diese Zeit fesselt sie den demenzkranken alten Mann an sein Bett.

Als Nader nach Hause kommt, gerät er angesichts des Zustands seines Vaters in Rage. Als Razieh zurückkehrt, kommt es zum Streit und Nader wirft sie aus dem Haus. Das nächste, was wir erfahren, ist, dass sie sich nach einer Fehlgeburt im Krankenhaus befindet. Sie und ihr Ehemann beschuldigen Nader, den Tod des Kindes dadurch verursacht zu haben, dass er sie eine Treppe hinuntergeworfen habe.

Während sich die Geschichte entfaltet, spürt man den fast unerträglichen Druck, der auf jeder einzelnen Figur, einschließlich der Kinder, lastet. Würde man einige entsprechende Veränderungen vornehmen, könnte der Film an zahllosen anderen Orten, einschließlich vieler Städte in den USA, spielen.

"Eine Trennung" ist ein realistisches, kaum schmeichelhaftes Porträt des Iran, einer Gesellschaft, die von intensiven Widersprüchen zerrissen ist. Der Film ist gegenüber allen Bereichen der Bevölkerung offen und ehrlich. Gleichzeitig wird jede der Hauptfiguren fair und sympathisch behandelt, selbst der Richter, der über die widersprüchlichen Ansprüche zu entscheiden hat. Die Unterschiede in der Schuld oder der Unschuld der einzelnen Charaktere treten in den Hintergrund, da die Verantwortung für die Tragödie letztendlich eindeutig in den tiefen sozialen und wirtschaftlichen Spannungen liegt. Am Ende behält - wie anderswo - das wohlhabendere Paar die Oberhand.

Die darstellerischen Leistungen in "Eine Trennung" sind hervorragend. Es ist ein Film, der praktisch ohne einen einzigen falschen Ton auskommt. Farhadis Werk steht in der besten, zutiefst menschlichen Tradition des iranischen Kinos der vergangenen Jahrzehnte, zusammen mit Abbas Kiarostimis Wo ist das Haus meines Freundes?, Close-Up und Durch die Olivenbäume, and Jafar Panahis Der weiße Ballon und Der Spiegel und zahllosen anderen.

"Eine Trennung" enthüllt dem Zuschauer eine komplexe und hochkultivierte Gesellschaft, in der es im Alltagsleben, um offen zu sein, oft zivilisierter zugeht als in den USA unserer Tage.

Es ist ein Land mit einer langen, schrecklichen Geschichte ausländischer Unterdrückung. 1953 organisierten die USA und Großbritannien einen Putsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung und setzten das Folterregime des Schahs ein, das das iranische Volk terrorisierte und die Interessen westlicher Ölkonzerne bis zu seinem Sturz 1979 verteidigte.

Wird es bald "im Namen des amerikanischen Volkes" auf der Grundlage offensichtlicher Lügen zu einem Krieg gegen den Iran kommen? Werden tödliche amerikanische Bomben und Raketen bald auf die Straßen, die Gebäude und die Menschen regnen, die wir in "Eine Trennung" sehen? Wird die kriminelle Kabale aus Obama, Cameron, Sarkozy und Netanjahu sich durchsetzen? Es ist fast unmöglich, sich das vorzustellen. Aber es ist die raue Wirklichkeit. Selbst ohne einen Krieg wird das Leben im Iran durch die Wirtschaftssanktionen und andere Maßnahmen abgewürgt, die zweifellos zu dem Druck beitragen, der in "Eine Trennung" gezeigt wird.

Warum? Damit die USA und das ihnen folgende Schakalsrudel besseren Zugang zu den Energievorräten des Nahen Ostens bekommen und ein Regime beseitigen können, das ihnen als Hindernis im Weg steht.

Die amerikanischen Medien bemühen sich nach Kräften, die Situation falsch zu interpretieren und die Bevölkerung zu indoktrinieren. Am 28. März brachte zum Beispiel die New York Times, an deren Redaktionsfingern bereits das Blut unzähliger Iraker klebt, einen weiteren Artikel, hinter dessen Stil man die gewalttätige Präsenz der Geheimdienste spürt. Es fällt schwer, einen Einzelfall herauszuheben, da die Times ohnehin wie ein "Autopilot" als Propagandaarm des Pentagon und der CIA funktioniert.

Der Artikel vom 28. März erzählt von der engen Zusammenarbeit zwischen dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak bei ihrer Planung eines Krieges gegen den Iran. ""Für Netanjahu", so erfahren wir, "wäre eine iranische Atombombe das Äquivalent des 21. Jahrhunderts zur nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie und der Spanischen Inquisition." Historische Ignoranz und moralische Verkommenheit reichen sich hier mit neokolonialer Arroganz die Hand.

Dass Israel die einzige Macht in der Region ist, die bereits mit Atomwaffen bestückt ist und seit Jahrzehnten eine aggressive und mörderische Politik gegen die Palästinenser und andere arabische Völker verfolgt, sind Tatsachen, die den Times-Reporter nicht stören.

Wird ein Angriff auf den Iran in eine "Katastrophe" führen? Durch die Art, wie sie die Ansichten von Netanjahu und Barak schildert, weist die Times diese Vorstellung von sich. Die kriegstreibenden israelischen Führer argumentieren, dass "im Fall einer Wahl zwischen einem Iran mit Atomwaffen... und den Folgen eines Angriffes auf den Iran, bevor er Atomwaffen besitzt, letzteres vorzuziehen wäre.

Es wird einen Gegenschlag geben, sagen sie; Menschen werden sterben und ihr Besitz wird zerstört werden. Aber sie halten es für das kleinere von zwei Übeln". Sollte der Iran zum Gegenschlag ausholen, so werden natürlich die USA ihre Verpflichtung erfüllen und Israel "zu Hilfe eilen" und ihren eigenen Angriff starten.

Was für kaltblütige Verbrecher diese Menschen sind, ob sie in der Obama-Regierung sitzen oder im Kongress, ob im israelischen Staat oder in den amerikanischen Medien!

Eine relativ kleine Anzahl von Menschen in den USA hat "Eine Trennung" gesehen, einige Hundertausende. Eine weitere Million hat den Film in Frankreich gesehen, erheblich weniger in Großbritannien. Die Regierungen dieser Länder planen, den Iran als regionale Macht zu zerstören, eine Aufgabe, die die Bestrafung seiner Bevölkerung mit der tödlichsten Kriegsmaschinerie vorsieht, die Menschen jemals entwickelt haben.

Amerikaner und Europäer sollten sich diesen Film ansehen. Bei der Verleihung der Oscars widmete Regisseur Farhadi den Preis dem iranischen Volk. Einem Volk, das "alle Kulturen und Zivilisationen respektiert und Feindschaft und Missgunst verachtet". Gegen den drohenden Krieg gegen den Iran muss sich eine Massenbewegung bilden. Alles muss getan werden, um dieses Verbrechen zu verhindern, das vor den Augen der Weltöffentlichkeit vorbereitet wird.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 31.03.2012
Der preisgekrönte Film "Eine Trennung" und die Menschlichkeit des iranischen Volkes
http://www.wsws.org/de/2012/mar2012/tren-m31.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2012