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GLEICHHEIT/4226: Der britische Premierminister warnt vor Zusammenbruch der Euro-Zone


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Der britische Premierminister warnt vor Zusammenbruch der Euro-Zone

Von Julie Hyland
25. Mai 2012



Der britische Premierminister David Cameron stellte am Vorabend des G8-Gipfels während einer Rede vor Unternehmensführern in Manchester das Rezept seiner Regierung für die Euro-Zone dar. Er warnte, dass der Euro an einem "Scheideweg" stehe und sagte, die Euro-Zone müsse sich entweder "zurechtmachen" oder sie werde "zusammenbrechen."

Griechenland steht "auf der Kippe, das Überleben des Euros ist in Frage gestellt", sagte Cameron in seiner bisher schroffsten Äußerung. Er sagte, entweder baut Europa eine "wirksame Brandmauer, schafft gut kapitalisierte und regulierte Banken, ein System der steuerlichen Lastenteilung und eine unterstützende Geldpolitik in der gesamten Euro-Zone, oder wir befinden uns auf Neuland, das enorme Risiken für jedermann birgt".

Davor gab Schatzkanzler George Osborne bekannt, dass die Regierung "die erforderlichen Notfallpläne" für den Fall eines griechischen Ausstiegs aus der Eurozone vorbereite. Die Bemerkungen waren zum Teil darauf ausgerichtet, Deutschland unter Druck zu setzen, um die Last der Krise innerhalb der Euro-Zone durch die Annahme einer expansiven Strategie aufzuteilen.

Die unerbittliche Logik einer einheitlichen Währung, belehrte Cameron, sei es, dass, wenn "ein Teil des Landes ums Überleben kämpft, andere Teile hervortreten, um Unterstützung zu leisten."

Einige weisen auf die Ironie hin, dass der Führer der Konservativen Partei, der ein Land außerhalb der Euro-Zone und eine zutiefst "euro-skeptische" Partei leitet, jetzt einer der größten Befürworter der fiskalischen und politischen Union für die Eurozone ist. Die scheinbare Besonderheit wird durch die Tatsache erklärt, dass seine Äußerungen nicht von seiner Sorge um die wirtschaftliche Katastrophe motiviert ist, die die Menschen in Griechenland und Südeuropa bedroht, sondern durch den Wunsch, die Interessen der Londoner City zu schützen.

Im Vereinigten Königreich wurden in den vergangenen zwei Monaten 190 Milliarden Pfund (235 Milliarden Euro) an Aktien-Werten vernichtet. Anfang der Woche sagte Mervyn King, der Gouverneur der Bank von England, Europa "reiße sich selbst auseinander" und stelle somit die größte Gefahr für die britische Wirtschaft dar.

Er sagt, "wir navigieren durch turbulentes Fahrwasser und die Gefahr eines Sturms droht vom Kontinent her auf uns zuzukommen". Das Vereinigte Königreich ist bereits offiziell in einer Doppel-Rezession, und die Bank von England hat ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr bereits herabgestuft.

Sowohl die Zentralbank als auch die Regierung haben zugegeben, dass sie einen Notfallplan für einen griechischen Ausstieg aus dem Euro vorbereiten.

The Guardian berichtete, dass Griechenland im Falle eines Austritts seine Grenzen und seine Banken "schließen müsste, um zu verhindern, dass die flüssigen Geldmittel aus dem Land strömen." Die Zeitung fuhr fort: "Die Hoffnung besteht darin, dass sich ein Austritt aus der Euro-Zone an einem Wochenende abspielen würde, so dass die großen Banken des Vereinigten Königreichs mit Hilfe von Hunderten Leuten die EDV-Systeme anpassen könnten, damit diese wieder mit der griechischen Drachme umgehen können."Währungshändler installieren Berichten zufolge bereits neue Anzeigen auf ihren elektronischen Bildschirmen, um den Handel mit der Drachme zu erleichtern.

Unabhängig davon wurde bestätigt, dass der Nationale Sicherheitsrat Großbritanniens die möglichen Folgen einer Zerschlagung des Euros diskutiert habe, einschließlich eines Bürgerkrieges auf dem ganzen Kontinent.

Cameron erntete Kritik für seine Entscheidung, im Vorfeld des G-8-Gipfels eine solche öffentliche Äußerung über das mögliche Schicksal der Euro-Zone zu machen, sowie für seine Behauptung, egal was in Europa passiere, "dass ich bereit bin Alles zu tun, was nötig ist, um dieses Land zu schützen und unsere Wirtschaft und unser Finanzsystem abzusichern."

Diese Behauptung ist ohne Inhalt. Doch sie ist wiederum von innenpolitischen Überlegungen motiviert, nämlich von der Verteidigung der Sparmaßnahmen der eigenen Regierung.

Cameron sagte, die Aufgabe der hoch verschuldeten Länder der Euro-Zone sei es, "ihre Ausgaben zu senken, ihre Einkünfte zu steigern und sich strukturellen Reformen zu unterziehen, um wettbewerbsfähig zu werden". Die bisherigen Ausgabenkürzungen der britischen Regierung in Höhe von 83 Milliarden Pfund (103 Milliarden Euro) seien ein Beweis dafür, dass "es getan werden kann", fuhr er fort.

Während er die "gefährlichen Stimmen", die Konjunkturprogramme fordern, ablehnte, betonte er, dass "Verringerung des Defizits und Wachstum keine Alternativen sind," und gegenteilige Aussagen seien nichts anderes als "eine faule Ausrede." In Großbritannien sei eine "verantwortungsvolle Finanzpolitik" mit Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kombiniert worden, darunter eine Senkung der Unternehmenssteuern, die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen, und die "Reform" des Sozialstaates und der Schutzmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt.

Seine Aussage wurde von einigen als eine implizite Zurechtweisung des neuen Präsidenten Frankreichs, François Hollande, wahrgenommen, der zu einem "Wachstumspakt" für Europa aufgerufen hatte, sowie ähnlicher Aufrufe der Labour Partei in Großbritannien. Doch Cameron unterstützt Hollandes Aufruf an Deutschland, zusätzliche Mittel bereitzustellen, um Europas Banken zu stützen. Es gibt nur wenig Substantielles in der Politik des britischen Premierministers, das sich von der Labour Partei unterschiede.

Der ehemalige Labour-Schatzkanzler Alistair Darling verglich kürzlich den Fiskalpakt, der jetzt Europa auferlegt wird, mit dem Vertrag von Versailles gegen Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs. Dieser barg die Gefahr, die Länder "in eine Abwärtsspirale" einzusperren, sagte er.

Darling identifizierte als ein zentrales Problem die Tatsache, dass zu viele europäische Banken "nicht so gerettet wurden, wie wir und die Amerikaner es im Jahr 2008 taten" - ein Hinweis auf die Billionen an Geldern der Steuerzahler, die verwendet wurden, um die Banken in den USA und in Großbritannien zu retten.

Ein gemeinsamer Gastkommentar im Guardian von Ed Balls und Peter Mandelson von der Labour Partei wurde letzte Woche als die alternative Wirtschaftspolitik der Labour Partei präsentiert. Sie beharren aber genau wie Cameron darauf, dass es sei falsch, "Europa vor eine falsche Wahl zwischen Wachstum und Abbau des Defizits zu stellen."

Die "richtige Kombination von Beidem" sei erforderlich: "Hartes mittelfristiges Aktionsprogramm ... die öffentlichen Finanzen wieder in Form bringen", und eine Strategie zur Erhöhung "der Produktivität und des Qualifikationsniveaus des Kontinents."

Wie Cameron, unterstützten die Beiden die Stärkung der Europäischen Brandmauer, um die "Liquidität der Staatsanleihen" zu gewährleisten und um "das europäische Bankensystem" zu rekapitalisieren.

Sie forderten, dass "erhebliches" Kapital in die Europäische Investitionsbank injiziert werde, um Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen. Der Erfolg dessen wiederum hänge von den "Strukturreformen" ab, um die Länder wettbewerbsfähiger zu machen.

Ein Hinweis darauf, wie das in der Praxis aussieht wurde mittels der Ankündigung gegeben, dass der Autohersteller General Motors (GM) plane, 125 Millionen Pfund in das Vauxhall-Werk in Ellesmere Port in Cheshire zu investieren. Cameron hatte die Entscheidung als Beweis dafür angeführt, dass die Politik der Regierung funktioniere.

GM teilt die Produktion des neuen Astra zwischen dem Standort Ellesmere Port und seinem Werk in Polen auf. Das Opel-Werk in Bochum wird jedoch geschlossen, was den Verlust von mehr als 3.000 Arbeitsplätzen bedeutet.

Die Entscheidung wurde auch von Labour als großer Erfolg für die britische Wirtschaft gelobt. Die Partei lobte aber auch die Schlüsselrolle, die die britischen Gewerkschaften bei der Ermöglichung der Vereinbarung gespielt hatten.

Ellesmere Port hatte bereits die zweitniedrigsten Stückkosten in Europa. Die neue Vereinbarung der Lohn- und Arbeitsbedingungen umfasst einen vierjährigen Tarifabschluss, der ein zweijähriges Einfrierung der Löhne ab 2013 beinhaltet und ein "beispielloses" Maß an Flexibilität.

Traditionelle Werksferien im Sommer werden abgeschafft, so dass die Produktion 51 Wochen im Jahr, rund um die Uhr läuft. Das Zwei-Schicht-System wird auf drei umgestellt, mit der Maßgabe, dass ein Minimum von 160.000 Fahrzeugen jährlich produziert wird, 20.000 mehr als bisher.

Nach Angaben der Daily Mail, "produzieren deutsche Arbeiter in Bochum derzeit lediglich 30 Autos pro Stunde in drei Schichten. Im Gegensatz dazu produzieren Arbeiter in Ellesmere Port 47 Autos pro Stunde in nur zwei Schichten und werden dies noch steigern, wenn sie rund um die Uhr in drei Schichten arbeiten."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.05.2012
Der britische Premierminister warnt vor Zusammenbruch der Euro-Zone
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2012