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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Banken und Geldmärkte unterstützen Pläne für europäische Bankenunion

Von Stefan Steinberg
27. September 2012



Letzten Monat trieb die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, unbegrenzt Staatsanleihen auf dem sogenannten sekundären Markt, d.h. nicht nur von den Regierungen, sondern auch von privaten Investoren und Banken kaufen zu wollen, die Aktienmärkte und Bankaktien in die Höhe.

Nach diesem Versprechen der Europäischen Zentralbank, unbegrenzt frisches Geld in die Tresore der Großbanken und Finanzinstitute zu spülen, drängen diese darauf, der EZB ähnliche Befugnisse zu geben wie der amerikanischen Federal Reserve, die Billionen Dollar in die Finanzmärkte gepumpt hat, um nach der Lehman-Brothers-Pleite von 2008 die Banken zu retten.

Das ist die Logik hinter den Forderungen der führenden Banken nach der Gründung einer europäischen Bankenunion. Europas Politiker versuchen, eine Bankenunion als Mittel darzustellen, die Exzesse der Banken einzudämmen, aber die Realität sieht ganz anders aus. Die Bankenunion wird ein Mittel sein, den Zugang der europäischen Finanzinstitute zu staatlichen Geldern zu verbessern. Sie würde eine neue Runde von Rettungspaketen erleichtern, für die die arbeitende Bevölkerung des Kontinents zahlt.

Die europäischen Banken und Geldmärkte hoffen auch, dass eine solche Union ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und es ihnen erlauben wird, die Vorherrschaft des amerikanischen Finanzkapitals anzugreifen.

Anfang September sagte der Co-Vorsitzende der Deutschen Bank Jürgen Fitschen auf einer Bankerkonferenz in Frankfurt, Deutschland solle die Idee einer Bankenunion unterstützen und der EZB die Befugnisse geben, die Aktivitäten aller Zentralbanken zu überwachen.

Eine europäische Bankenunion ist auch ein "Wunschtraum" der europäischen und der britischen Anleihenmärkte, erklärt Ralph Atkin in der Financial Times. Atkin gibt zu, dass die "Unternehmensschuldenaufkäufer der weltweiten Investmentbanken" dank der niedrigen Zinssätze der EZB und anderer internationaler Zentralbanken "voll beschäftigt" sind und in den letzten Monaten "ein Fest" gefeiert haben.

Atkin weist auch darauf hin, dass der Markt für Schuldverschreibungen, die in Euro gehandelt werden, im Vergleich zu den transatlantischen Transaktionen immer noch klein wirkt - er beträgt seit Einführung des Euro im Jahr 1999 nur knapp ein Drittel des amerikanischen Marktes. Er deutet an, dass eine Bankenunion den europäischen Banken helfen würde, Amerika einzuholen.

Gleichzeitig enthüllt er, dass die amerikanische und die europäische Wirtschaft in den kommenden Jahren einen riesigen Finanzierungsbedarf haben werden. Atkins beruft sich dabei auf einen Bericht von Standard & Poor's, laut dem die Eurozone und Großbritannien alleine bis 2016 8,6 Billionen Dollar brauchen werden. Der Aufbau einer Bankenunion ist ein wichtiges Element darin, solche frischen Geldspritzen in die Märkte zu erleichtern, erklärt Atkin.

Die Details der neuen Befugnisse und Finanzierungsabkommen der EZB werden momentan in einer Reihe von Treffen zwischen Bankenlobbyisten, nicht gewählten Brüsseler Bürokraten und führenden europäischen Politikern ausgehandelt. Vorschläge der Europäischen Kommission für die Bankenunion wurden bei einem Treffen der europäischen Finanzminister auf Zypern Mitte September diskutiert. Große Differenzen gab es dabei zwischen den Mitgliedsstaaten der Eurozone über die Frage, welche Länder die finanzielle Hauptlast tragen sollen.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, der EZB neue Vollmachten zu geben, um an drei Fronten zur Unterstützung der Banken zu intervenieren.

Zuerst soll die EZB dafür verantwortlich gemacht werden, die Bücher der Banken der Eurozone zu kontrollieren, wodurch bestehende Aufsichts- und Regulierungssysteme der einzelnen Staaten übergangen werden.

Zweitens soll die EZB einen neuen Fonds zugeteilt bekommen, einen sogenannten Banken-Abwicklungsfonds, für den die Mitgliedsstaaten garantieren sollen. Mit diesem soll sie insolvente Banken abwickeln können.

Der dritte und kontroverseste Vorschlag ist, dass die EZB die Macht bekommen soll, neue Finanzierungsabkommen abzuschließen, die die Einlagen von Investoren in europäischen Banken garantieren werden, d.h. ein "einheitliches Einlagen-Sicherungssystem."

Bei dem Treffen in Zypern stellten Frankreich, Spanien, Italien und Belgien klar, dass sie eine Bankenunion mit einem voll ausgearbeiteten Einlagen-Sicherungssystem so schnell wie möglich auf den Weg bringen wollen, d.h. bis Ende dieses Jahres. Frankreich ist auch dafür, der EZB zu ermöglichen, die Bücher der mehr als 6000 europäischen Banken zu kontrollieren.

Der meiste Widerstand gegen Frankreichs Vorschläge kam von Deutschland. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat mehrfach die Hoffnungen auf eine schnelle Gründung einer Bankenunion zunichte gemacht.

Deutschland hat Dutzende kleine regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken, von denen einige als Lagerstätten für toxische Papiere bekannt sind. Deshalb ist das Bundesfinanzministerium dagegen, der EZB umfassende Kontrollrechte zu geben und hat vorgeschlagen, der EZB nur die Aufsicht über die fünfundzwanzig größten europäischen Banken zu geben.

Wichtiger ist noch, dass führende Köpfe in Berlin, darunter Regierungspolitiker und der Präsident der Bundesbank vehement Widerstand gegen die Vollmachten für die EZB leisten. Sie argumentieren, eine europäische Bankenunion würde zu einer Vergesellschaftung der Schulden der Eurozone führen und die EZB dazu ermächtigen, die nationale Finanz- und Haushaltspolitik zu beeinflussen. Dadurch wären deutsche Investoren und Steuerzahler gezwungen, insolvente Banken anderer Länder zu retten.

Sharon Bowles, Ausschussvorsitzende für Wirtschafts- und Währungsfragen des Europäischen Parlaments, erklärte diesen Monat: "Aber [die Deutschen] drücken sich vor der Vergemeinschaftung, und alles was dann bleibt ist die Aufsicht, die alleine mehr Nachteile als Vorteile hätte. Sie könnte den einheitlichen Markt spalten."

Zusätzlich zu den tiefen Differenzen zwischen Deutschland und anderen Staaten der Eurozone gibt es auch Konflikte mit Ländern außerhalb der Eurozone. Die EU-Mitglieder Großbritannien und Schweden haben erklärt, sie seien nicht bereits, ihre Banken von der EZB beaufsichtigen zu lassen, wenn sie kein Recht hätten, den Vorstand der EZB zu wählen.

Das Projekt einer europäischen Bankenunion bedeutet Konflikte zwischen den großen europäischen Mächten. Aber da das Damoklesschwert einer neuen Rezession über dem Kontinent schwebt, üben die Banken und ihre Lobbyisten einen enormen Druck auf die europäischen Politiker aus, eine Lösung zu finden, die am besten die Interessen der Finanzmärkte bedient.

Wie wichtig es für die Banken und Geldmärkte ist, eine Bankenunion zu schaffen, die die Macht hat, nationale Haushaltspolitik zu umgehen, wurde von einem Wirtschaftsberater der Brüsseler Bürokraten zusammengefasst. "Die Menschen leben mit der Illusion, eine Bankenunion sei ein Ersatz für eine Finanzunion," erklärte Paul de Grauwe. Der Professor der London School of Economics ließ die Katze aus dem Sack: "Es geht um Geld und den Zugang zu den Ressourcen der Steuerzahler. Das Risiko ist, dass die Sache halbherzig gemacht wird, wenn sie keinen haushaltspolitischen Hintergrund hat."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.09.2012
Banken und Geldmärkte unterstützen Pläne für europäische Bankenunion
http://www.wsws.org/de/2012/sep2012/bank-s27.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012