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GLEICHHEIT/5039: Proteste in Venezuela - Zahl der Toten steigt auf vierzehn


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Proteste in Venezuela: Zahl der Toten steigt auf vierzehn

Von Bill Van Auken
26. Februar 2014



Seit Beginn der rechten Proteste in Venezuela vor zwei Wochen wurden Berichten zufolge mindestens vierzehn Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt und Dutzende verhaftet. Die Zusammenstöße in der Hauptstadt Caracas dauern an, dort wurden im Geschäftsviertel und den wohlhabenderen östlichen Stadtvierteln Barrikaden aus Trümmern und Reifen errichtet, die den Verkehr blockieren. In den östlichen Stadtvierteln liegt das Zentrum der Bewegung, die den Rücktritt (la salida) von Präsident Nicolas Madura fordert, der im letzten April die Wahl mit knapper Mehrheit gewonnen hatte.

Die Maduro-Regierung hat die andauernden Proteste als von den USA unterstützten Putschversuch verurteilt. Es besteht kein Zweifel daran, dass die wichtigsten Führer der Protestbewegung, Leopoldo Lopez, Führer der Voluntad Popular (Volkswille), der in Harvard studiert hat, und Maria Corino Machado, Mitglied der Nationalversammlung, jahrelang in großem Umfang von der amerikanischen National Endowment for Democracy finanziert wurden und ihre Politik eng mit der amerikanischen Botschaft koordiniert ist.

Bis jetzt gibt es jedoch noch kein Anzeichen dafür, dass das Militär gegen die Regierung aktiv wird, und die Zahl der Demonstranten auf den Straßen ist viel niedriger als während der Proteste, die die politische Rechte während des Putschversuchs mobilisierte, der im April 2002 kurzzeitig Maduros Amtsvorgänger und Mentor, den verstorbenen Hugo Chavez, entmachtet hatte. Der damalige Putsch war jedenfalls von den USA unterstützt worden.

Dennoch hat die politische Krise, die die Proteste geschaffen hat, zu offenen Streitigkeiten innerhalb der herrschenden PSUV (Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas) geführt und den Präsidenten sichtlich in Bedrängnis gebracht.

Der offenste Alleingang innerhalb der PSUV kam vom Gouverneur des Bundesstaates Tachira an der kolumbianischen Grenze, wo die Proteste begannen und die gewalttätigste Form annahmen - hier griffen Mobs Regierungsgebäude an und setzten sie in Brand, bauten Straßensperren und forderten von Autofahrern unter Gewaltandrohung Zoll.

Letzte Woche behauptete die Madero-Regierung, die Ereignisse in Tachira, und vor allem in dessen Hauptstadt San Cristobal, seien Ergebnis einer gemeinsamen Verschwörung der kolumbianischen Rechten und Washingtons. Der Präsident schickte einen Großteil seiner Militärführung in den Staat und stationierte dort ein Bataillon Fallschirmjäger und Verstärkungseinheiten der Nationalgarde. In diesem Staat kam es auch zu einem der letzten Todesopfer: ein Mann wurde von einer verirrten Kugel getroffen, als er vom Balkon seiner Wohnung aus Straßenproteste beobachtete.

Gouverneur Jose Vielma kritisierte am Montag die Reaktion der Regierung auf die Proteste als schwerfällig und forderte die Freilassung von Leopoldo Lopez, der seit letzter Woche in Haft sitzt und wegen Brandstiftung und Verschwörung angeklagt wurde. Vielma bezeichnete die Reaktion des Militärs in Tachira als "übertrieben" und erklärte, er sei besonders bestürzt darüber, dass Militärflugzeuge über die Region geflogen seien. Er fügte hinzu: "Ich bin kein Teil des Regimes, ich wurde von den Bürgern von Tachira gewählt."

Vielmas Kommentare zogen scharfe Kritik von anderern PSUV-Führern nach sich, die ihm vorwarfen, er habe die Beherrschung verloren und sei auf die Seite der Gegner gewechselt. Am Montagabend verurteilte er in einem Twitter-Post die "ungesunden Gerüchte", die seinen "Einsatz für Frieden, den Präsidenten und die Revolution" in Frage stellten.

Der Gouverneur von Tachira ist ein ehemaliger Offizier, der 1992 an dem gescheiterten Putsch von Hugo Chavez und anderen nationalistischen Offizieren beteiligt war und seither eine Reihe von hohen Posten in der Chavez-Regierung innehatte.

Maduro bezeichnet abwechselnd seine rechten Gegner als "Faschisten" und verurteilt Washington wegen seiner imperialistischen Intervention zugunsten des Putschversuchs, und fordert einen "Dialog" mit beiden. Er forderte außerdem die Bildung einer "Wahrheitskommission" durch die Nationalversammlung und eine "nationale Friedenskonferenz", die am Mittwoch beginnen soll.

Diese Angebote wurden, zumindest anfangs sowohl von der venezolanischen Rechten, als auch von ihren Hintermännern in Washington grob zurückgewiesen.

Der Gouverneur von Miranda, Henrique Capriles, der zweimal erfolglos für die Rechten als Präsidentschaftskandidat angetreten war, wurde während eines Treffens mit Gouverneuren und Bürgermeistern im Präsidentenpalast Miraflores zur Teilnahme an einem "Dialog" eingeladen. Er lehnte ab und erklärte, er werde der Maduro-Regierung keine Legitimität verleihen und behauptete, man hätte ihm angedroht, die Gelder für seinen Bundesstaat zu kürzen, wenn er nicht teilnehme. Die Regierung leugnete das und wies darauf hin, dass an der Finanzierung für Miranda keine Änderungen geplant seien und dass Capriles der einzige venezolanische Gouverneur sei, der nicht daran teilnehme.

Capriles, der mit dem inhaftierten Lopez um die Führung konkurriert, hat die Eröffnung für eine lange demagogische Erklärung genutzt, in der er äußerte, er könne daran nicht teilnehmen, "während Venezolaner unterdrückt und angegriffen werden."

Die US-Regierung lehnte am letzten Freitag Maduros Angebot ab, den "Dialog" mit den USA zu erneuern. Maduro hatte den USA vorgeschlagen, Außenminister John Kerry zu schicken, er selbst wollte den venezolanischen Außenminister Elias Jaua zu Gesprächen schicken. Die beiden hatten im Juni letzten Jahres auf Maduros Aufforderung hin solche Gespräche begonnen und Pläne für umfassende Verhandlungen ausgearbeitet, um "konstruktive und positive Verhältnisse" wiederherzustellen." Diese Initiative war jedoch nur von kurzer Lebensdauer und scheiterte aufgrund der Teilnahme der amerikanischen Botschaft an den Verschwörungen der rechten Opposition.

Der Sprecher des Weißen Hauses Jay Carney wies Maduros Vorschlag am Montag zurück und erklärte: "Er sollte sich lieber auf einen Dialog mit dem venezolanischen Volk konzentrieren, denn darum geht es hier. Es geht nicht um die Vereinigten Staaten." Die Stellungnahme war praktisch eine klare Botschaft, dass Washington weiter versuchen wird, Venezuela zu destabilisieren, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Bisher sind die Proteste außerhalb der privilegierteren kleinbürgerlichen Gebiete von Caracas und anderen Städten auf wenig Unterstützung gestoßen. Es gab nur wenige Berichte darüber, dass in Arbeiter- und Armenvierteln der Hauptstadt Menschen auf Töpfen und Pfannen Lärm gemacht hätten.

Der Unmut der Bevölkerung in diesen Gebieten und unter der arbeitenden Bevölkerung von ganz Venezuela steigt aufgrund der durch Inflation und Währungsentwertung sinkenden Reallöhne, der Versorgungsprobleme und der Angriffe der Regierung auf militante Streiks und Proteste der Arbeiter. Die rechten Parteien, die die Demonstrationen gegen Maduro anführen, haben jedoch wenig für diese Bevölkerungsschichten übrig. Sie versuchen, unter reaktionären Parolen wie "Volkskapitalismus" die Errungenschaften zu zerstören, die die venezolanische Arbeiterklasse in den letzten Jahrzehnten errungen hat, und wollen die eiserne Herrschaft der traditionellen Oligarchie des Landes wiederherstellen.

Die Gefahr, die sich aus den aktuellen Entwicklungen ergibt, ist die, dass die Demonstrationen die Maduro-Regierung noch weiter nach rechts drücken. Die Forderung nach einem Dialog mit den Rechten ist nicht neu. Die Regierung hatte schon vor Beginn der Proteste mit Capriles und anderen rechten Politikern Gespräche geführt und ein Abkommen über wirtschaftliche Anpassungen erzielt, das die Aufhebung der Subventionen für Benzin und höhere Kosten für Transport, Elektrizität und andere Dienstleistungen vorsah.

Trotz der erbitterten Spaltung zwischen den Rechten und der Maduro-Regierung ist es Tatsache, dass Venezuela auch nach fünfzehn Jahren "bolivarischem Sozialismus" ein kapitalistisches Land ist, in dem 71 Prozent der Produktion und der Löwenanteil der Gewinne aus der Ölindustrie in privaten Händen sind. Der Finanzsektor des Landes ist einer der profitabelsten der Welt, die Banker erzielen beispiellose Gewinne, obwohl der Lebensstandard der Arbeiterklasse sinkt und das Wirtschaftswachstum zurückgeht.

Die Verteidigung sozialer Bedingungen und grundlegender Rechte der Masse der Bevölkerung gegen die Gefahr eines echten Putsches ist nur möglich, wenn dafür die venezolanische Arbeiterklasse politisch unabhängig von der bürgerlich-nationalistischen PSUV und der Maduro-Regierung für den Kampf für den Sozialismus mobilisiert wird.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.02.2014
Proteste in Venezuela: Zahl der Toten steigt auf vierzehn
http://www.wsws.org/de/articles/2014/02/26/vene-f26.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2014