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GLEICHHEIT/5386: Zweite Runde der griechischen Präsidentschaftswahl


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zweite Runde der griechischen Präsidentschaftswahl

Von Robert Stevens
23. Dezember 2014



Da die Abgeordneten des griechischen Parlaments entsprechend ihren Parteiblocks stimmten, erhielten die griechische Regierung und ihr Präsidentschaftskandidat Stavros Dimas im ersten Wahlgang nur 160 von 300 Stimmen.

Die Wahl am Mittwochabend sollte eigentlich im Februar 2015 stattfinden, angesichts einer zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Krise zog Premierminister Antonis Samaras von der konservativen Nea Dimokratia (ND) sie jedoch vor. Die Wahl soll in drei Wahlgängen stattfinden. Die letzte Runde ist für den 29. Dezember geplant.

Gemäß der griechischen Verfassung kann ein Präsident nur mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Wenn sich das Parlament nicht auf ein Staatsoberhaupt einigen kann, findet umgehend eine Parlamentswahl statt. In allen Meinungsumfragen liegt die oppositionelle Syriza (Koalition der radikalen Linken) an erster Stelle.

Da die herrschende Koalition aus ND und der sozialdemokratischen PASOK mit 155 Sitzen nur eine äußerst knappe Mehrheit im Parlament hat, wird die Präsidentschaftswahl vermutlich in die letzte Runde gehen. Der Kandidat der Regierung erhielt im ersten Wahlgang weit weniger als die erforderlichen 200 Stimmen, die in der ersten Runde erforderlich sind. Mit Sicherheit wird sie dieses Ziel auch in der zweiten Runde am 23. Dezember nicht erreichen. Im dritten Wahlgang wird die Mindestanzahl von Stimmen jedoch auf 180 fallen.

Bis dahin muss die Regierung weitere fünfundzwanzig Abgeordnete von kleineren Parteien - der Demokratischen Linken, der Unabhängigen Griechen und der faschistischen Goldenen Morgenröte auf ihre Seite gebracht haben. Die Regierung hofft außerdem, die Unterstützung einer Reihe von unabhängigen Abgeordneten zu gewinnen, die die Koalition seit dem Wahlsieg vor zwei Jahren verlassen haben.

Im ersten Wahlgang unterstützten nur fünf unabhängige Abgeordnete die 155 der Regierung. 135 Abgeordnete enthielten sich (sie können bei einer Präsidentschaftswahl nicht mit "Nein" stimmen und müssen stattdessen bei der Abstimmung erklären, sie seien "anwesend").

Fünf weitere waren bei der Abstimmung nicht anwesend. Acht der vierundzwanzig unabhängigen Abgeordneten hatten vor der Abstimmung angedeutet, sie würden für die Regierung stimmen.

Alle 70 Syriza-Abgeordneten stellten sich gegen die Regierung, einzige Ausnahme war ein Abgeordneter, der sich im Ausland aufhielt. Auch die zwölf Abgeordneten der Unabhängigen Griechen, die zwölf der Kommunistischen Partei (KKE), die zehn der Demokratischen Linken (DIMAR) und alle sechzehn Abgeordnete der Goldenen Morgenröte stimmten gegen sie. Wie die Zeitung Kathimerini am Mittwochabend meldete, verschärft die Regierung "ihre Versuche, die unentschlossenen Abgeordneten für sich zu gewinnen," Quellen deuteten darauf hin, dass "eine Initiative von fünf unabhängigen und drei DIMAR-Abgeordneten in den kommenden Tagen zusätzliche Unterstützung erhalten könnte, durch die ein parteiübergreifender Konsens für einen Präsidenten gebildet und die Wahlen auf später im nächsten Jahr verschoben werden könnten."

Der PASOK-Parteichef und stellvertretende Premierminister Evangelos Venizelos erklärte, die Regierung sei zu Kompromissen bereit, um sicherzustellen, dass der Präsident gewählt werden wird. "Er schlug beispielsweise vor, Vertreter von Syriza in ein Team von griechischen Unterhändlern mit der Troika aufzunehmen," berichtete Kathimerini. Die Troika ist das Team aus Vertretern der Europäischen Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, das die Sparmaßnahmen mit der griechischen Regierung koordiniert.

Venizelos erklärte: "Während die dritte Runde heranrückt, warten wir auf eine Reaktion der Oppositionsparteien auf ein Angebot, die Präsidentschaftswahl mit dem nationalen Verhandlungsteam zu verbinden. Dann wären wir dazu bereit, über alle Optionen zu diskutieren, denn wir sind um die nationalen Interessen besorgt."

Da sowohl die Unabhängigen Griechen als auch die Demokratische Linke erklärt haben, sie würden Dimas' Wahl nicht unterstützen, könnte das Schicksal der Regierung von den Stimmen der Goldenen Morgenröte abhängen.

Kurz vor der Abstimmung erklärte der Chef der Partei Unabhängige Griechen Anexartiti Ellines (ANEL) Panos Kammenos: "Wir wollen Wahlen, weil das Land so schnell wie möglich mit einer neuen Wirtschaftspolitik beginnen muss, darunter ein Programm zur Senkung der Schulden... Uns schwebt eine Koalitionsregierung vor, in der Befürworter der Rettungspakete wie Nea Dimokratia und die Sozialisten [PASOK] ausgeschlossen wären, die die Wirtschaft nicht herumreißen konnten."

Am Donnerstag traf sich Kammenos mit dem ehemaligen Premierminister und ND-Parteichef Konstantinos Mitsotaki, der ihn eingeladen hatte. Die Zeitung I Efimerida Ton Syntakton (Ef.Syn.) erklärte zur Bedeutung der Gespräche: "Diejenigen, die davon wissen... sehen hinter diesem Handeln von Mitsotakis die Absicht, Samaras als Premier zu stürzen, ihn vielleicht sogar ganz aus der Politik des Landes zu verdrängen, und eine Allparteienregierung aufzubauen."

Der Abgeordnetenblock der Goldenen Morgenröte konnte an der Abstimmung nur teilnehmen, weil die Behörden sieben Abgeordneten, darunter dem Parteichef Nikos Michaloliakos, einen eintägigen Freigang aus dem Gefängnis ermöglicht hatten. Die Abgeordneten der Goldene Morgenröte sitzen seit mehr als einem Jahr im Gefängnis, ihnen droht eine Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Sie waren in einem beispiellosen Schauspiel von bewaffneten Wachen aus dem Hochsicherheitsgefängnis Korydallos ins Parlament gebracht worden und trafen erst kurz vor Beginn der Abstimmung ein.

Der außergewöhnliche Schritt der Regierung, die Anwesenheit der Faschisten sicherzustellen, die sonst als "Verbrecher" bezeichnet werden, deutet darauf hin, dass beide ein Abkommen ausgehandelt haben.

Die Vertreter der Goldenen Morgenröte erklärten zwar in Voraus, sie wwürden Dimas' Kandidatur im ersten Wahlgang ablehnen, äußerten sich jedoch nicht darüber, wie sie sich in weiteren Wahlgängen entscheiden würden. Angesichts der nachweislich engen Verbindungen zwischen Teilen der Regierung und der Goldenen Morgenröte ist es durchaus möglich, dass ihnen im Gegenzug für ihre Unterstützung eine Begnadigung versprochen wurde, und dass die Anklagen gegen die Faschisten sogar vor dem Prozess im Jahr 2015 gänzlich fallengelassen werden könnten.

Samaras hatte zu der Präsidentschaftswahl aufgerufen, da er keine weiteren Kredite von der Troika mehr sichern konnte. Die Troika fordert noch weitere Sparmaßnahmen und gewährt Athen eine zweimonatige Verlängerung seiner aktuellen Kredite; in dieser Zeit müsse es Vorschläge für weitere Kürzungen vorlegen, unter anderem weitere Einsparungen bei den Renten.

Das ist selbst auf die Fassade der Demokratie ein Hohn und entlarvt die Tatsache, dass die internationale Finanzaristokratie das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wie in einem Schraubstock kontrolliert.

Das zeigten die Einmischungen höchster Ebenen in die Wahl. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, erklärte offen seine Unterstützung für Samaras' Kandidaten. Juncker warnte vor kurzem vor der Gefahr eines "falschen Wahlergebnisses." Er erklärte: "Ich möchte nicht, dass extreme Kräfte an die Macht kommen," und fügte hinzu, er ziehe es vor, wenn sich "bekannte Gesichter zeigen".

Junckers Stellungnahme wurde von dem europäischen Kommissar für Wirtschaftsangelegenheiten Pierre Moscovici während eines zweitägigen Besuchs in Athen am Dienstag unterstützt. Moscovici erklärte, die Regierung müsse ihr Sparprogramm vervollständigen und betonte: "Es ist Zeit, die Reformanstrengungen zu verstärken, es ist auch Zeit, die Anstrengungen zur Schaffung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu verstärken."

Er fügte hinzu, Brüssel würde es vorziehen, mit denjenigen zu verhandeln, die sich der "die Wahrung der Integrität der Eurozone und Reformen" verschrieben hätten.

Die offene Einmischung der Europäischen Kommission in die griechische Präsidentschaftswahl ist eine Botschaft der Finanzelite, die nicht nur an Griechenland gerichtet ist. Sie ist auch eine Warnung an alle anderen Länder, in denen massive Sparmaßnahmen durchgeführt werden - Irland, Spanien und Portugal: sie wird keine Abkehr vom Sparkurs dulden.

Moscovici achtete während seines Besuchs in Athen darauf, sich nicht mit Syriza-Chef Alexis Tsipras zu treffen. Obwohl Syriza bereits einen Großteil ihrer Rhetorik über einen einseitigen Rückzug vom Sparprogramm der Troika aufgegeben hat, hat sie noch nicht genug getan, um die Forderungen der Troika zu erfüllen. Ihr wird nicht zugetraut, in der Lage zu sein, den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse einzudämmen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 23.12.2014
Zweite Runde der griechischen Präsidentschaftswahl
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2014


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