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GLEICHHEIT/5507: Asien-Afrika-Gipfel in Jakarta - Ruf nach neuer Weltwirtschaftsordnung


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Asien-Afrika-Gipfel in Jakarta:
Ruf nach neuer Weltwirtschaftsordnung

Von Nick Beams
24. April 2015


Auf der Asien-Afrika-Konferenz in Jakarta war am Mittwoch gut zu beobachten, wie der wirtschaftliche Einfluss der Vereinigten Staaten weiter zurückgeht.

Die Konferenz fand anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung der Gruppe blockfreier Staaten im indonesischen Bandung statt. In seiner Eröffnungsansprache schlug der indonesische Präsident Joko Widodo eine neue Weltwirtschaftsordnung vor, die nicht von den drei großen internationalen Kreditinstitutionen abhängig sein soll.

"Die Vorstellung, dass die Weltbank, der Internationale Währungsfond und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) die weltweiten Wirtschaftsprobleme lösen könnten, ist obsolet und muss aufgegeben werden", sagte er den Vertretern der 92 anwesenden Länder.

Widodo nannte die von China initiierte Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB) zwar nicht beim Namen, aber er bezog sich in seiner Ansprache auf ihre Gründung. Die Vereinigten Staaten lehnen diese Institution ab. Sie sehen darin eine Bedrohung ihrer zentralen, nach dem zweiten Weltkrieg geschaffenen Einrichtungen. Das gilt auch für die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), die unter der Kontrolle Japans steht. Indonesien gehört zu den 57 Gründungsländern der AIIB.

"Ich bin der Meinung, dass das Schicksal der globalen Wirtschaft nicht diesen drei Finanzgremien überlassen werden darf. Es ist wesentlich, dass wir eine neue Wirtschaftsordnung schaffen, die den aufstrebenden Wirtschaftsmächten gegenüber offener ist", fuhr Widodo fort.

Die globale Wirtschaftsarchitektur müsse reformiert werden, "um zu vermeiden, dass bestimmte Ländergruppen vorherrschen", ein klarer Seitenhieb auf die Vereinigten Staaten, Japan und ihre westlichen Verbündeten.

Widodo richtete sich auch gegen die Vereinten Nationen. Er sagte, asiatische und afrikanische Länder sollten eine Reform der Weltorganisation verlangen, denn sie sei nicht mehr in der Lage die globalen Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten zu beheben. Er nannte vor allem die Palästinafrage und forderte die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates.

Die Konferenz selbst ist völlig unbedeutend und wird als Relikt der geopolitischen Verhältnisse des Kalten Kriegs betrachtet. Ganz anders verhält es sich mit den wirtschaftlichen Verschiebungen, die darin zum Ausdruck kommen.

1955 repräsentierten die 29 Länder, die sich damals unter dem Banner der Blockfreiheit zur Bandung-Konferenz versammelten, etwa ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Heute stehen sie praktisch für die Hälfte der Weltwirtschaft. China ist jetzt die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, und Indien wird immer mehr zu einem wirtschaftlichen Schwergewicht.

Ein weiteres wichtiges Ereignis des Eröffnungstages war die Ansprache des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, dessen Erklärung zu Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg vor allem von China und Südkorea mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde.

Abe wird nächste Woche vor dem amerikanischen Kongress sprechen, wo seine Bemerkungen zum Zweiten Weltkrieg in der Vorbereitung auf den siebzigsten Jahrestag des Kriegsendes im August ebenso sorgfältige Beachtung finden werden.

In seiner Rede auf dem Kongress äußerte Abe "tiefstes Bedauern" über Japans Taten im Zweiten Weltkrieg, aber interessanterweise ließ er Formulierungen aus, die bei früheren Gelegenheiten regelmäßig benutzt worden waren.

Die Bedeutung von Entschuldigungen in der japanischen Politik und Diplomatie ist nicht so sehr durch die formelle Anerkennung von Fehlverhalten bestimmt, sondern liegt eher in den Details der Wortwahl.

Es war daher bedeutsam, dass Abe krampfhaft versuchte, die Formulierung zu vermeiden, die 1995 von Ministerpräsident Murayama eingeführt worden war und zehn Jahre später wörtlich von Ministerpräsident Koizumi aufgegriffen wurde. Die Erklärung bot den Völkern der asiatischen Länder, "die unter der Kolonialherrschaft und Aggression Japans gelitten hatten, die tiefempfundene Entschuldigung Japans an."

Rechte nationalistische Kreise in Japan, die in der Abe-Regierung großen Einfluss haben, versuchen heute zu leugnen, dass die japanische Armee in Korea die so genannten "Trostfrauen" als Zwangsprostituierte missbraucht hatte, und sie bestreiten sogar, dass das Massaker von Nanjing 1937 in China überhaupt stattgefunden hat.

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, die Abes Bemerkungen veröffentlichte, bezeichnete ihn als hartnäckigen Nationalisten und aktiven Revisionisten, der im Verein "mit der Mehrheit seines Kabinetts und einer Horde Abgeordneter" nicht die Absicht habe, dem Pfad seiner Vorgänger zu folgen. Abe sagte, er habe Murayamas Erklärung in ihrer Gesamtheit übernommen und brauche deshalb die entscheidenden Formulierungen nicht noch einmal zu nennen.

Diese Beteuerungen finden in Peking keine Gegenliebe, wo Abe als der nationalistischste Ministerpräsident seit dem Krieg angesehen wird. Abes Bemerkungen auf dem Gipfel werden diese Einschätzung Chinas sicherlich noch bestärkt haben. Sie richteten sich zwar nicht ausdrücklich gegen China, wiesen aber deutlich in seine Richtung.

"Wir sollten niemals zulassen, dass die Mächtigen Gewalt anwenden, um die Schwächeren gefügig zu machen", sagte Abe. "Die Weisheit unserer Vorväter in Bandung bestand darin, dass sie erklärten, das Recht müsse die Würde souveräner Staaten schützen, seien sie groß oder klein."

Diese Kommentare liegen auf einer Linie mit der japanisch-amerikanischen Kampagne gegen die angebliche Entschlossenheit und Aggressivität Chinas im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer. Im Fall des langjährigen Streits über die Felsengruppe, die in Japan als Senkaku und in China als Diaoyu bekannt ist, eskalierte Japan 2012 die Spannungen, als es die Inselchen offiziell ihren vorherigen privaten Besitzern abkaufte.

Die USA verschärfen die bestehenden Konflikte zwischen China, Vietnam und den Philippinen über territoriale Ansprüche noch durch ihr Eingreifen und ihre aktuelle "Pivot to Asia"-Politik.

Japan hat versprochen, in den nächsten fünf Jahren in Asien und Afrika 350.000 Menschen auszubilden, um qualitatives Wachstum zu ermöglichen und Armut zu beseitigen. Das ist eine zumindest stillschweigende Anerkennung der Tatsache, dass der wirtschaftliche Einfluss der USA und Japans durch den großen Erfolg der AIIB in der Region Rückschläge erlitten hat.

"Japan ist entschlossen, Wachstum in Asien und Afrika zu verstetigen", sagte Abe. Er versprach, mit den "Jungen und Ambitionierten" in Afrika und Asien zusammenzuarbeiten und eine Generation zu fördern, die sich "für die Wirtschaftsentwicklung ihrer Länder verantwortlich fühlt".

Im Zentrum dieser Initiative steht allerdings nicht Wirtschaft und Entwicklung als solche, sondern der Versuch Japans, dem wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss Chinas in Asien und Afrika entgegenzutreten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.04.2015
Asien-Afrika-Gipfel in Jakarta:
Ruf nach neuer Weltwirtschaftsordnung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

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