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GLEICHHEIT/5704: Gespräche zwischen USA und Russland nach Assads Besuch in Moskau


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Gespräche zwischen USA und Russland nach Assads Besuch in Moskau

Von Bill Van Auken
23. Oktober 2015


Nach Präsident Bashar al-Assads Besuch in Moskau hat der russische Präsident Wladimir Putin mehrere diplomatische Fühler ausgestreckt. Sie deuten darauf hin, dass der Kreml bereit ist, an einer Verhandlungslösung mit einem "politischen Übergang" in Syrien mitzuwirken.

Assad sprach mehrere Stunden mit Putin und anderen hochrangigen russischen Vertretern, nachdem er am Dienstag überraschend in Moskau eingetroffen war. Der Besuch wurde erst bekanntgegeben, nachdem Assad wieder nach Syrien zurückgeflogen war. Es war der erste bekannte Auslandsbesuch des syrischen Präsidenten, seitdem sein Land in einem religiös motivierten Bürgerkrieg versinkt, bei dem die CIA und Washingtons regionale Verbündete Saudi-Arabien, Katar und die Türkei die Fäden ziehen.

In einer in den russischen Medien verbreiteten Erklärung lobte Assad die Putin-Regierung für ihre Bombenangriffe in Syrien, die am 30. September begonnen hatten. Er sagte, sie hätten "eine weitere Ausbreitung" des "für Syrien schädlichen Terrorismus" verhindert.

Putin antwortete, Moskau hoffe, dass seine Initiative eine "positive Dynamik in die Kämpfe" bringe und eine Situation herbeiführen werde, in der eine "langfristige Lösung auf der Grundlage eines politischen Prozesses unter Beteiligung aller politischen Kräfte sowie ethnischen und religiösen Gruppen gefunden werden kann".

Die russische Armeeführung behauptet, 669 Kampfeinsätze in Syrien geflogen zu haben. Außerdem hätten russische Kriegsschiffe im Kaspischen Meer 26 Cruise Missiles auf Ziele in dem Land abgefeuert.

Syrische Bodentruppen begleiteten diesen Luftkrieg in Westsyrien mit einer Offensive gegen islamistische Milizen, die von den USA und ihren Verbündeten unterstützt werden. Syrische Regierungstruppen rücken auch wieder gegen "Rebellen"-Positionen bei Aleppo vor, der zweitgrößten Stadt Syriens. Die neu aufgeflammten Kämpfe vertreiben dort offenbar Zehntausende aus ihren Wohnungen.

In seinen öffentlichen Erklärungen räumte Putin ein, dass ein Grund für Russlands Intervention in Syrien die Sorge über die Beteiligung von mindestens 4.000 Kämpfern aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion sei, die unter den islamistischen Milizen gegen die Assad-Regierung kämpfen.

Die russische Regierung hat mit ihrer brutalen Unterdrückung separatistischer Bewegungen in Tschetschenien und dem benachbarten Dagestan selbst dem Extremismus im Kaukasus den Boden bereitet. Sie fürchtet zurecht, dass diese Kräfte, von der CIA bewaffnet und unterstützt, nach Russland zurückgeschickt werden könnten, um sein Territorium zu zerstückeln und den Zugang Moskaus zu lebenswichtigen Energiepipelines und Rohstoffen im Süden abzuschneiden.

Nach seinen Gesprächen mit Assad telefonierte Putin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem saudischen König Salman, zwei wichtigen Hintermännern der islamistischen Milizen in Syrien, vor allem der al-Nusra Front, dem al-Qaida-Ableger in Syrien.

Am Freitag wollen sich der russische Außenminister Sergei Lawrow und US-Außenminister John Kerry in Wien mit ihren türkischen und saudischen Amtskollegen treffen, um die Krise in Syrien zu diskutieren.

Vor den Gesprächen in Moskau hatten sich die USA und Russland auf ein "memorandum of understanding" geeinigt, um ihre jeweilige Bombenkampagne in Syrien aufeinander abzustimmen. Damit wollen sie unbeabsichtigte Zusammenstöße vermeiden, die sonst außer Kontrolle geraten könnten. Vereinbart wurde, dass amerikanische und russische Kampfflugzeuge die gleichen Funkfrequenzen nutzen, sodass sie miteinander kommunizieren können. Auch soll eine spezielle "Hotline" eingerichtet werden, die die Militärkommandeure der beiden Länder miteinander verbindet.

Washington behauptet, in Syrien als Teil einer "Koalition" zu operieren, aber mehr als neunzig Prozent der Angriffe auf Positionen des IS sind das Werk der US-Air Force, während Frankreich, Kanada, Australien, die Türkei, Jordanien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nur wenige Angriffe fliegen.

Russische Vertreter hatten eine engere Kooperation vorgeschlagen, zum Beispiel den Austausch von Aufklärungs- und Zielinformationen, waren von Washington aber abgewiesen worden. "Wir sind mit dem, was sie tun, nicht einverstanden", erklärte der Pressesprecher des Pentagon, Peter Cook, zur russischen Intervention. "Das hat sich auch nicht geändert. Wir können uns auf dieser begrenzten Grundlage darauf verständigen, die Sicherheit unserer Flugzeugbesatzungen über Syrien zu gewährleisten."

Washington beschuldigt die Putin-Regierung, sie führe ihre Luftschläge nicht gegen den IS, sondern gegen "Nicht-IS-Kräfte", die gegen die Assad-Regierung kämpfen. US-Vertreter nennen niemals Ross und Reiter. Sie sagen nicht, wer diese sogenannten "Gemäßigten Kräfte" eigentlich sind. Aber es ist klar, dass die wichtigsten "Nicht-IS-Kräfte", die gegen die syrische Regierung kämpfen, die al-Nusra-Front und andere al-Qaida-freundliche Milizen sind, mit denen Washington und seine Verbündeten eine stillschweigende Allianz unterhalten.

Das russische Verteidigungsministerium hielt mit eigenen Beschuldigungen dagegen. Es erklärte, das russische Militär agiere in Syrien auf Bitten der legitimen Behörden des Landes. Washingtons Intervention hingegen sei eine Verletzung internationalen Rechts, weil sie ohne die Zustimmung von Damaskus stattfinde und sich auf keine zutreffende Resolution des UN-Sicherheitsrats stützen könne.

Unbeschadet des Memorandums zu den Luftoperationen bedeuten die militärischen Aktionen in Syrien eine akute Bedrohung durch einen bewaffneten Konflikt zwischen zwei Atommächten, weil Moskau und Washington diametral entgegengesetzte Ziele verfolgen.

Unter dem Deckmantel des "Kampfs gegen den Terror" versuchen die USA einen Regimewechsel zu bewirken und ein gefügiges Marionettenregime in Damaskus zu installieren, das Washingtons Hegemoniebestrebungen im ganzen Nahen Osten unterstützen würde. Russland auf der anderen Seite will seinen einzigen arabischen Verbündeten im Nahen Osten an der Macht halten und seinen einzig verbliebenen Marinestützpunkt außerhalb der ehemaligen UdSSR erhalten.

Es besteht kaum ein Zweifel, dass Putin und die russische Oligarchie bereit wären, Assad zu opfern, wenn sie im Gegenzug einige Garantien für die russischen Interessen in der Region erhielten. Die USA haben ihre Position in den letzten Wochen leicht verändert. Sie wären bereit, Assad im Rahmen eines politischen Übergangs für bis zu sechs Monate im Amt zu lassen, wenn seine Absetzung Teil des Abkommens wäre.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.10.2015
Gespräche zwischen USA und Russland nach Assads Besuch in Moskau
http://www.wsws.org/de/articles/2015/10/23/puti-o23.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2015

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