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GLEICHHEIT/6583: Nordrhein-Westfalen verschärft Sicherheitsgesetze


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nordrhein-Westfalen verschärft Sicherheitsgesetze

Von Elisabeth Zimmermann
1. März 2018


Die CDU-FDP-Regierung in Nordrhein-Westfalen hat ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, das die Befugnisse der Sicherheitsbehörden erheblich ausweitet. Das neue Polizeigesetz erlaubt den Einsatz von elektronischen Fußfesseln für sogenannte terroristische Gefährder und Kriminelle, mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen sowie die Ausrüstung der Polizei mit Elektroschockpistolen (Tasern).

Unter dem Vorwand, die Bevölkerung vor Terroranschlägen und Kriminalität zu schützen, sind weitgehende Eingriffe in demokratische Rechte geplant. So soll die Polizei in Nordrhein-Westfalen in Zukunft auch auf verschlüsselte digitale Texte, wie sie unter anderen beim Messengerdienst Whatsapp üblich sind, zugreifen können.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) rechtfertigte dies damit, dass die Sicherheitskräfte diesen Zugriff bisher nur nach einer "Gefahrenlage" hätten, also erst nachdem etwas Schlimmes passiert sei. Man müsse aber vor die "Gefahrenlage" kommen. Er fügte hinzu: "Wenn Terroristen ihre Anschläge längst per Whatsapp planen, können wir uns kein Polizeigesetz aus dem Wählscheibenzeitalter leisten."

Weiter sieht das neue Polizeigesetz die Erweiterung der "vorsorglichen In-Gewahrsamnahme" von "Gefährdern" vor. Das bedeutet Inhaftierung ohne Anklage und Gerichtsprozess, nur aufgrund der Verdächtigung, dass jemand eine Gefahr darstellen könnte. Unter der Nazi-Diktatur nannte sich das Schutzhaft. Bisher war dies in Nordrhein-Westfalen für höchstens 48 Stunden möglich. Nun soll die Zeit für den sogenannten "Unterbindungsgewahrsam" auf maximal einen Monat ausgedehnt werden.

Des weiteren sollen die Sicherheitskräfte stark erweiterte Kontrollrechte erhalten. Darunter fallen verdachtsunabhängige Kontrollen, wie sie in einigen anderen Bundesländern möglich sind. Die Einführung der "strategischen Fahndung" soll laut Innenminister Reul in NRW vergleichbare Kontrollmöglichkeiten schaffen. Dies sei unter anderen wichtig, um gegen Einbrecherbanden vorzugehen.

Auch mit der Einführung von Elektroschockern (Tasern) in den Ausrüstungskatalog der Polizei soll nachvollzogen werden, was in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Berlin [1], bereits möglich ist. Sie ist wie die Ausweitung der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen ein Angriff auf demokratische Grundrechte.

Es geht dabei nicht um die Abwehr terroristischer Anschläge, sondern um die Aufrüstung des Staatsapparats zur Unterdrückung von Widerstand gegen Sozialabbau, Entlassungen und die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte massive militärische Aufrüstung.

Es passt ins Bild, dass das Landesparlament in Düsseldorf am Mittwoch einstimmig (bei Enthaltung der Grünen) die Entfristung von Sonderbefugnissen des Verfassungsschutzes beschlossen hat. Die bisher zeitlich befristete Sonderbefugnis, die dem Verfassungsschutz Datenabfragen bei Telekommunikationsanbietern und Finanzdienstleistern ermöglicht, gilt damit dauerhaft, ohne zeitliche Einschränkung, ebenso der Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation im Internet. Die Regierungsparteien CDU und FDP sind sich mit der SPD und der AfD bei der Stärkung des Staatsapparats, von Polizei und Geheimdiensten absolut einig.

Die schwarz-gelbe Koalition, die seit der vernichtenden Abwahl von SPD und Grünen bei der letzten Landtagswahl im Mai 2017 die Landesregierung stellt, setzt die unsoziale und undemokratische Politik ihrer Vorgänger fort.

Während Millionen Menschen in NRW und ganz besonders im Ruhrgebiet aufgrund von hoher Arbeitslosigkeit und starkem Niedriglohnbereich mit Not und bitterer Armut zu kämpfen haben, sind die ehemaligen SPD- und Grünen-Minister nach dem Verlust der Macht nicht in Armut abgerutscht.

Die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist jetzt Aufsichtsratsmitglied beim Energiekonzern RAG. Der ehemalige Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat gerade bei ThyssenKrupp Anlagenbau den gut bezahlten Posten des Arbeitsdirektors übernommen, mit der Einschränkung, dass er sich bei bestimmten Unternehmensentscheidungen bis zum Ablauf der Karenzzeit am 30. Juni 2018 für befangen erkläret.

Diese Einschränkung ist eine Empfehlung der Minister-Ehrenkommission, die darauf achten soll, dass ehemalige Minister nicht direkt aus ihrer Ministertätigkeit in eine führende Position in der Wirtschaft wechseln und ihr Wissen aus ihrer politischen Tätigkeit dort gewinnbringend für das Unternehmen einbringen. Üblicherweise sollte eine Karenzzeit von einem Jahr eingehalten werden. Duin wollte vor seinem Amtsantritt bei ThyssenKrupp bereits in den Aufsichtsrat des Chemieunternehmens Rütgers wechseln, was ihm aber von der Ehrenkommission zunächst untersagt wurde.

Ebenfalls aufgeschoben wurde die Übernahme des Chefpostens bei der Techniker Krankenkasse NRW durch die Ex-Gesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen. Sie darf den gut dotierten Posten erst am 1. Juli dieses Jahres übernehmen und nicht schon zum 1. März. Als Gesundheitsministerin hatte sie jahrelang die Rechtsaufsicht über die Krankenkassen ausgeübt.

Laut einem Bericht der Westdeutschen Allgemeine Zeitung sorgt die aktive Überprüfung bei ehemaligen rot-grünen Kabinettsmitgliedern für Verwunderung, da das Ministergesetz mit einer Karenzzeit von einem Jahr von SPD und Grünen im Jahr 2016 selbst verschärft worden war.

Bemerkenswert an diesem Gesetz ist aber auch: Wird einem Ex-Minister ein schneller Jobwechsel in einen neuen Job wegen Interessenkonflikten untersagt, steht ihm gesetzlich ein Jahr lang die Fortzahlung seiner vollen Amtsbezüge zu. Normalerweise gilt, dass das Übergangsgeld drei Monate nach dem Ausscheiden auf die Hälfte der Amtsbezüge reduziert wird.


Anmerkung:
[1] http://www.wsws.org/de/articles/2016/09/01/teas-s01.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.03.2018
Nordrhein-Westfalen verschärft Sicherheitsgesetze
http://www.wsws.org/de/articles/2018/03/01/nrwe-m01.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2018

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