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IMI/361: Georgien - Brüssels doppelte Standards


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.

IMI-Standpunkt 2018/028 vom 29.04.2011

Georgien: Brüssels doppelte Standards

Von Jürgen Wagner


Manchmal stockt einem der Atem, wie dreist und unverschämt Brüsseler Spitzenpolitiker auf dem internationalen Parkett agieren. Jüngstes Beispiel hierfür ist ein Statement der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Sie übte scharfe Kritik am russischen Außenminister Sergej Lawrow, der am 25. und 26. April den beiden abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien einen Besuch abstattete, ohne vorher die Zustimmung der georgischen Behörden einzuholen. In einem Statement kritisierte die EU-Außenbeauftragte: "Die EU ist der Auffassung, dass diese Besuche nicht mit dem Prinzip der territorialen Integrität vereinbar sind. Die Europäische Union erneuert ihre Unterstützung für die georgische Souveränität und territoriale Integrität und unterstreicht die Bedeutung einer friedlichen Lösung der Konflikte unter voller Beachtung der territorialen Integrität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen."

Soviel Engagement hätte man sich vonseiten der Europäischen Union für die territoriale Integrität und Souveränität Serbiens oder etwa des Sudans gewünscht; doch dort erforderte die Durchsetzung europäischer Interessen die Teilung dieser Länder. Zynisch ist auch die Kritik, der russische Außenminister hätte vor seinem Besuch das Plazet der georgischen Regierung einholen sollen, es liegen schließlich keine Erkenntnisse vor, dass Brüssel in Belgrad oder in Karthum um Erlaubnis nachgefragt hätte, bevor zielstrebig die Parzellierung beider Länder in Angriff genommen wurde.

Die territoriale Integrität und Souveränität anderer Länder ist der Europäischen Union keinen Pfifferling Wert, zumindest dann nicht, wenn sie den eigenen Machtambitionen im Wege stehen. Deren Verletzung anderen Ländern vorzuwerfen, ohne vor der eigenen Haustüre zu kehren, ist mehr als scheinheilig. Der Leitspruch der Europäischen Union lautet offensichtlich "was für andere gilt, gilt noch lange nicht für uns". Offensichtlich setzt die Europäische Union immer konsequenter das Konzept des EU-Toppolitikers Robert Cooper um, der hierfür den Begriff der "doppelten Standards" prägte: "Die Herausforderung der postmodernen Welt ist es, mit der Idee doppelter Standards klarzukommen. [...] Unter uns halten wir uns an das Gesetz, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden." Vor diesem Hintergrund sind Ashtons Aussagen kein Wunder, denn Cooper ist kürzlich in eine führende Position im neuen Europäischen Auswärtigen Dienst berufen worden; schließlich ist Catherine Ashton Chefin der neuen EU-Superbehörde.


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Quelle:
IMI-Standpunkt 2011/028 vom 29.04.2011
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2288
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011