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KAZ/223: Die Glut bewahren, nicht die Asche!


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 348, September 2014
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Die Glut bewahren, nicht die Asche!

23. August 2014, Berlin: Rückblick auf den Aktions- und Gedenktag anlässlich des 70. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns



Wie zu jedem Geburtstag und Jahrestag der Ermordung fanden am 18. August 2014 zahlreiche Ehrungen und Veranstaltungen statt, um an den Arbeiter und Revolutionär Ernst Thälmann zu erinnern.

Der Freundeskreis "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e. V., Ziegenhals hat zusammen mit der Enkelin Rosa und Ernst Thälmanns, Vera Dehle-Thälmann, der Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg und dem Revolutionären Freundschaftsbund (RFB) einen zentralen Aktions- und Gedenkstag in Berlin organisiert. Dazu wurde auch ein Aufruf verfasst (vgl. KAZ Nr. 347, S. 43 ff.), der von zahlreichen deutschen und internationalen Organisationen, Parteien und Einzelpersonen unterstützt wurde.

Am Sonntag, den 24.8., fand in Ziegenhals mit 50 Teilnehmern eine kleine Kundgebung vor dem Areal der geschändeten und zertrümmerten Ernst-Thälmann-Gedenkstätte statt.

Die Organisatoren des Aktions- und Gedenktages am 23. August 2014 planen die Herausgabe einer Dokumentation für diesen Tag, die alle Reden und Beiträge enthalten soll. Zum 23.8. ist bereits das Buch "Thälmanns Ansporn", beim Verlag Wiljo Heinen, erschienen. Es enthält bislang unveröffentlichte Beitrage von Ernst Thälmann und von zwei weiteren Teilnehmern der illegalen ZK-Tagung der KPD in Ziegenhals: Lisa Ullrich und Albert Buchmann. Durch den Verkauf dieses Buchs, aber auch durch Spenden (siehe Kontoverbindung weiter unten) sollen die Ausgaben für den 23.8. gedeckt werden.

Wir zitieren aus dem Kurzbericht des Freundeskreis-Vorstandes und bedanken uns für die Möglichkeit, zwei Reden vorab in dieser Ausgabe der KAZ veröffentlichen zu dürfen.

"Kurzbericht:

Wir blicken auf einen erfolgreichen Aktions- und Gedenktag anlässlich des 70. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns zurück!

Begonnen haben wir den Tag in der langjährigen Wirkungs- und Arbeitsstätte Ernst Thälmanns in Berlin, im Karl-Liebknecht-Haus. Dort fand, mit über 100 Teilnehmenden, die Konferenz "Kampf um antifaschistische Einheit! - Spaltung durch Extremismus- und Gleichsetzungstheorien - gestern & heute" statt. Für den RotFuchs-Förderverein eröffnete Leo Kuntz (Sohn des bekannten KPD-Genossen und Ziegenhals-Teilnehmers Albert Kuntz) die Konferenz. Ihm folgten eine kurze Einführung in das Thema und das erste Referat von Eberhard Czichon über die historischen Wurzeln des Extremismusbegriffs, das von Tobias Jachmann (VVN-BdA) verlesen wurde. Daran anschließend referierte der Rechtsanwalt und Rechtswissenschaftler Ralph Dobrawa über die Verfahrensverschleppungen und die Nicht-Verurteilung der Thälmann-Mörder in der BRD - auch um den antikommunistischen Grundkonsens in diesem Land zu beleuchten. Nach einer kurzen Pause wurde über die Auswirkungen des Extremismusbegriffs für Antifaschisten berichtet. Am Beispiel der Antifaschistischen Aktion Burg (bei Magdeburg), wo junge, aktive Antifaschist/-innen kriminalisiert werden, weil sie sich den braunen Schlägern in den Weg stellen, wurde gezeigt, wem diese Gleichsetzungs- und Extremismustheorien wirklich nützen: Den Faschisten und Reaktionären. Abschliessend stellten zwei Vertreter des Fürther "Bündnisses gegen Rechts" dar, wie es ihnen gelungen ist, in Fürth (bei Nürnberg) antifaschistische Einheit herzustellen, sich nicht in "gute" und "schlechte" Antifaschisten spalten zu lassen und wirksame Arbeit gegen faschistische, antisemitische und rassistische Hetze zu leisten.

Anschließend fand vor dem Karl-Liebknecht-Haus die Kranzniederlegung zu Ehren Ernst Thälmanns statt. Vera Dehle-Thälmann eröffnete diese Kundgebung, ihr folgten der Bundesvorsitzende des Revolutionären Freundschaftsbundes (RFB), Gerd Hommel, und der Vorsitzende des Kuratoriums der Hamburger Gedenkstätte Ernst Thälmann, Hein Pfohlmann, der diese Kundgebung auch moderierte. Nachdem wir unsere Blumen und Kränze zu Ehren Ernst Thälmanns niedergelegt haben, begann, leider früher als geplant, unsere Demonstration. Mit zahlreichen Fahnen und Transparenten gut sicht- und hörbar, gingen wir vom Karl-Liebknecht-Haus zum Ernst-Thälmann-Park. Diese Demonstration, an der sich ca. 200 bis 300 Menschen beteiligten und die wohl die erste Demonstration für Thälmann in Berlin seit 1989/90 war, konnte ohne Unterbrechungen und Störungen auf der Straße durchgeführt werden.

Vor dem Thälmann-Denkmal begann dann um 14 Uhr unsere Kundgebung. Dort sprachen Egon Krenz, Ellen Brombacher (KPF in der Linkspartei), Torsten Schöwitz (KPD), Hans-Peter Brenner (DKP), Michael Landmann (VVN-BdA Berlin), Hassan C. (TPK-1920), Alim (kurdischer Volksrat Berlin), Lena G. (SJD-Die Falken Oberpfalz/Nordbayern), Rab O'Donnel (Hope not Hate, Greater Glasgow, Schottland), Keith Stoddart (CP Britain, Scottish Comittee, Schottland), Angela Sabino (KP Portugal) und Eric Marcia (Pol der Kommunistischen Erneuerung, Frankreich). Kulturell begleitet wurde die Kundgebung von der Gruppe Sokugayu (Hamburg) und Ingrid Scharfschwert (Berlin). (...)

Insgesamt blicken wir also auf einen erfolgreichen Tag zurück, indem wir mit guter, vor allem auch internationaler Beteiligung, die Aktionsformen Konferenz, Demonstration und Kundgebung miteinander verknüpfen konnten. Ohne den Auswertungen zu weit vorgreifen zu wollen, können wir aber auch sagen, dass dieser Aktions- und Gedenktag einmalig bleiben wird!

Dank an alle, die uns bei der Vorbereitung und Durchführung geholfen haben. Danke allen für ihr Kommen - vor allem den Genossinnen und Genossen aus dem Ausland!

Abschließend wollen wir auf unser neues Buch "Thälmanns Ansporn" (s.a. http://www.verlag-wh.de/adt/ansporn.html) beim Verlag Wiljo Heinen hinweisen."

*

Rede von Leo Kuntz

Es ehrt mich, heute die Gedenkfeier für Ernst Thälmann eröffnen zu dürfen. Dank meiner Familiengeschichte - ich bin der Sohn von Albert Kuntz, der von 1930 bis 1932 in diesem Hause die Funktion des Organisationssekretärs der Bezirksleitung der KPD Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark ausübte - habe ich noch als Sechsjähriger sowohl dieses Haus als auch Ernst Thälmann kennengelernt.

Liebe Anwesende, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen!

Am 18. August 1944 wurde Ernst Thälmann am Eingang zum Krematorium des KZ Buchenwald hinterrücks erschossen.

Am 18. September 1944 fand in tiefster Illegalität im Keller der Desinfektion eine Gedenkfeier für Thälmann statt, von kommunistischen Häftlingen des Lagers organisiert.

Das war die durch ihre Nähe zum Ort der Ermordung und ihren Teilnehmerkreis wohl bemerkenswerteste Thälmann-Gedenkfeier der Geschichte.

Man mag über die Berechtigung eines solchen Risikos streiten. Was war aber der Antrieb kommunistischer Häftlinge, ihr Leben aufs Spiel zu setzen und eine solche Gedenkstunde zu organisieren?

Im Kampf gegen Faschismus war Thälmann an der Spitze der Kommunistischen Partei Deutschlands weltweit zum Symbol des anderen, antifaschistischen Deutschlands geworden - und dieses andere Deutschland kämpfte weiter, in tiefster Illegalität, selbst in den Höllen faschistischer Kerker und Konzentrationslager.

Doch statt nach der Niederzwingung des faschistischen Staates durch die Antihitlerkoalition diesem Ereignis zu gedenken, wie das in der DDR geschah, wurde und wird in der BRD das Andenken an Thälmann geächtet, verfolgt. Nach der Konterrevolution wurden in der DDR für ihn entstandene Gedenkstätten beseitigt. Eine unglaubliche Verleumdungswelle versucht, seine historischen Leistungen in den Schmutz zu ziehen.

Das ist doch geradezu eine Aufforderung, über Zusammenhänge nachzudenken. Wovor hat der herrschende Politklüngel solche Angst? Was verbindet die BRD mit dem Hitlerstaat, dass beide Thälmann so hasserfüllt verfolgen?

Welches Verbrechen hat er begangen? Er war der Vorsitzende der KPD, der einzigen Partei, die von Anfang an den aufkommenden Faschismus bekämpft hatte. Das wird diese imperialistische BRD weder Ernst Thälmann noch seiner Partei je vergessen.

Es ist Ideologie des Antikommunismus, den die Herrschenden der BRD vom Hitlerstaat voll übernommen haben, auch wenn sie ihn mit der Reduzierung des Faschismus auf den Holocaust und heutiger Judenfreundlichkeit zu kaschieren versuchen.

Und warum dieser Hass auf Kommunisten? Die erste Antwort darauf haben Marx und Engels schon im Kommunistischen Manifest gegeben, in dem sie auf das Gespenst verwiesen, das für die Kapitalherren seit dem Entstehen der kommunistischen Bewegung umgeht.

Immer wieder muss man auf die einfache Tatsache hinweisen, dass es Marx und Engels waren, die den total ausbeuterischen, menschenfeindlichen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise nachwiesen und den Kommunisten auf die Fahne schrieben, eine neue gesellschaftliche Ordnung zu erkämpfen, in der es keine Ausbeutung des Menschen durch Menschen mehr gibt und jeder Mensch sich in Freiheit und Würde entwickeln kann.

Es war Thälmannscher Politikstil, immer das Gegenwärtige, die Tagesforderungen mit dem Grundsätzlichen zu verbinden. Kommunisten sind Kämpfer für eine menschliche Zukunft für Alle!

Linke, die nicht mehr über die Zukunft nachdenken, nicht mehr ständig für sie kämpfen, kommen mir wie sozialdemokratische Frösche vor, die sich im kapitalistischen Sumpf wohlfühlen und Angst haben, dass dieser mal trockengelegt wird.

Der Hitlerstaat kroch aus dem Schoß des Kapitalismus, und die jetzigen Herrschenden des Kapitals haben auf ihre Weise aus dieser Herrschaftsphase gelernt.

Denn sie haben eine bis in ihr Mark gehende Existenzangst um ihr Ausbeutersystem. Auch bei uns müssen wir schon wieder um den Erhalt unserer Demokratie kämpfen.

Aber sie selber bedrohen immer wieder durch ihr Wirtschaftssystem die Existenz der von ihnen Abhängigen, der Lohnabhängigen.

In Krisen entlarvt sich immer wieder ihre heuchlerische Menschlichkeit. Wenn sie investieren, betonen sie ihre Tat als Leistung zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Knabbert aber die Krise an ihrem Reichtum, werden Arbeitsplätze als erstes gestrichen.

Und sowas klagt Menschenrechte in anderen Ländern ein! Merken sie nicht langsam selber, wie lächerlich und dumm sie damit wirken? Die Quelle ihrer Widersprüche sprudelt immer stärker.

Es sind die einfachen, aber grundlegenden Wahrheiten, die immer wieder zum Bewusstsein gebracht werden müssen. Denn Dank den vom Kapital beherrschten Medien wird stets ein Schleier über die kapitalistische Wirklichkeit gezogen. Ohne ständiges Lügen kann das Kapital nicht herrschen.

Doch das Gespenst existiert. Der ideologische Klassenkampf tobt.

Selbst das faschistische Herrschaftssystem konnte die kommunistische Idee nicht besiegen. Als die ersten ausländischen Häftlinge im KZ Buchenwald eintrafen, spürten sie eine deutliche Solidarität durch andere Häftlinge. Das war das Resultat des Wirkens der illegalen deutschen kommunistischen Häftlingsorganisation. Durch sie entstand eine internationale Häftlingsmilitärorganisation, die die Selbstbefreiung vorbereitete und durchführte. An der Formulierung und Verkündigung des Buchenwaldschwures hatten Kommunisten maßgeblichen Anteil.

Kommunisten kann man zwar ermorden, die Idee des Kommunismus aber nicht besiegen.

Denn das ist die Idee vom Frieden in der Welt, der Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Völkerverständigung statt Rassismus, des Wohlstandes für Alle statt Armut, eben eine andere Welt.

Zuvor muss aber der Faschismus besiegt werden.

Denn der bedeutet Terrorherrschaft über der eigenen Gesellschaft, über die Menschen der Welt.

Kämpfen wir also weiter. Gedenken an Thälmann, heißt kämpfen wie Thälmann!

Liebe Anwesende!

Wieder zündeln die Herren des internationalen Monopolkapitals mit dem Faschismus. Angesichts der vielen anwesenden Antifaschistinnen und Antifaschisten sehe ich mich ermutigt, dazu aufzurufen, dass wir in internationaler Solidarität die Bildung einer "Internationalen Kampforganisation gegen den Faschismus" anstreben.

In Anlehnung an die Losung "Proletarier aller Länder vereinigt euch" sollten wir im Kampf gegen das internationale Monopolkapital, das immer dann, wenn seine Herrschaft bedroht ist ,zu faschistischen Herrschaftsmethoden greift, fordern: "Antifaschisten aller Länder, verbündet euch!"

Rot Front

*

Rede von Egon Krenz


Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Anwesende,

unbegreiflich, aber leider wahr:

Eine Berliner Tageszeitung veröffentlichte einen Gastbeitrag mit der Forderung, "den Namen 'Thälmann' aus dem Straßenbild deutscher Städte und Gemeinden zu tilgen."[1] "Thälmann", so heißt es wörtlich, "war in seinem politischen Wirken in erster Linie nicht Antifaschist, sondern Antidemokrat".

Dass eine Zeitung eine so widerliche Verleumdung eines Opfers des Faschismus, eines Widerstandskämpfers, der auf Befehl Hitlers ermordet wurde, veröffentlicht, sagt viel aus über die antikommunistische Atmosphäre hierzulande.

Wenn diese Leute schon keine Achtung vor geschichtlichen Leistungen haben, sollten sie wenigstens menschliche Betroffenheit zeigen, dass Thälmann für die Freiheit des deutschen Volkes vom Faschismus das Wertvollste gegeben hat, was ein Mensch besitzt: sein Leben.

Er hätte es retten können. Die Nazis hätten ihm ein gut bürgerliches Leben garantiert - wenn er denn abgeschworen, wenn er seine Überzeugung verleugnet hätte. Er zog sich nicht ins Private zurück, er flüchtete sich nicht in die Ausrede, man könne sowieso nichts gegen Hitler tun. Er blieb ein Kämpfer, sich und seiner Sache treu - bis in den Tod.

Diese mutige Haltung regt mich zu der Frage an: Wie verhielten sich zu jener Zeit, als Thälmann im Gefängnis litt und nach fast 11 ½ Jahren grausamer Haft ermordet wurde, wie verhielten sich damals Persönlichkeiten aus anderen politischen Lagern, die später in der Bundesrepublik politische Karriere machten?

Ich stelle mir diese Frage, weil ich empört bin, dass Kommunisten ausgegrenzt werden - solche, die noch leben und solche, die für Deutschland ihr Leben gegeben haben.

Mich empört, dass die kommunistische Tradition der Arbeiterbewegung mit Fluch und Schande belegt wird, während das Verhalten bürgerlicher Politiker, ihre Angepasstheit, ihr Opportunismus in der Nazizeit mit viel Verständnis aufgenommen wird.

Jedes Jahr wird der mutigen Männer des 20. Juli gedacht, die 1944 ein Attentat auf Hitler wagten. In der DDR ehrten wir alle, die im Widerstand zum Faschismus standen: Kommunisten wie Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Christen, bürgerliche Demokraten und Adlige.

Wer Stauffenbergs gedenkt - und ich tue es, weil auch er sein Leben im Kampf gegen die Nazibarbaren gab - wer seiner gedenkt, darf Thälmann nicht aus seiner Erinnerung streichen.

Angesichts der Rolle, die Thälmann und seine Genossen im Kampf gegen den Naziterror gespielt haben, sind die heute Regierenden gefordert, endlich den kommunistischen Widerstand in eine Reihe mit jenen Opfern des Naziregimes zu stellen, die aus anderen politischen Richtungen kamen.

Wie selbstverständlich fehlt in diesem als Erinnerungsjahr proklamierten 2014 im offiziellen politischen Kalender ein Hinweis auf den 70. Todestag Thälmanns. Hingegen wird von oben und ganz oben bedenkenlos über mögliche deutsche Kriegsbeteiligungen gesprochen.

Damit wird ein gesellschaftlicher Grundkonsens in Frage gestellt, der selbst in härtesten Zeiten der Systemkonfrontation zwischen der BRD und der DDR galt: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.

Man möge sich nicht hinter deutscher Schuld verstecken,[2] heißt es. Doch deutsche Schuld wird inzwischen leider auf vielerlei Art relativiert. Der Erste Weltkrieg wird zur "Urkatastrophe" erklärt, so, als wäre er wie eine Naturkatstrophe über die Welt gekommen, oder man sei halt als "Schlafwandler" hineingeschlittert. Selten erwähnt wird, dass es ein imperialistischer Krieg war, bei dem es auch für Deutschland um einen "Platz an der Sonne" ging. Und der "besondere Sinn" der Herrschenden für Geschichte kommt auch darin zum Ausdruck, dass man buchstäblich am Tage der deutschen Kriegserklärung an Russland vor 100 Jahren die Sanktionen der EU gegen Russland in Kraft setzte.

Für den Zweiten Weltkrieg soll es nun gleich zwei Schuldige geben: Hitler und Stalin! "Vergessen" wird, dass das Kriegsziel des faschistischen Deutschland die Vernichtung des "Jüdischen Bolschewismus" war, also die Zerschlagung der UdSSR.

Und der 9. November 1989 wird zum wichtigsten Datum des Jahrhunderts erhoben. Dazu eignet er sich nun wahrlich nicht. Man bedenke nur, welchen Platz er in der wechselvollen deutschen Geschichte einnimmt. Es ist ja nicht nur die Erinnerung an die deutsche Novemberrevolution 1918. Nein, es ist vor allem die Erinnerung an eine der schmerzlichsten Seiten der deutschen Geschichte überhaupt, an den Völkermord an den Juden. Ein solches Datum darf durch kein anderes überdeckt oder gar verdeckt werden.

Thälmann steht in einer Reihe mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht, mit Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck. Es sind historische Tatsachen, die ihn in Deutschland und im Ausland zu einem der populärsten Arbeiterführer werden ließen.

Thälmann zu ehren, das heißt auch, Solidarität zu leben. Am Anfang der Hitlerdiktatur stand das Verbot der KPD. Nun sind wir solidarisch mit Pjotr Simonjenko und seinen Genossen aus der Ukraine, deren Partei wegen ihres Eintretens gegen den von Kiew geführten Krieg gegen das eigene Volk verboten werden soll.

Der aus dem Bürgertum stammende deutsche Schriftsteller Heinrich Mann schrieb über Ernst Thälmann: "Der gefangene Ernst Thälmann ist sehr stark, viel stärker als seine Peiniger ... Thälmann ist ein wirklicher Arbeiter mit Fäusten und einem gesunden Verstand. Der Feind, der ihn gefangen hält, stellt von allem das Gegenteil dar."[3]

Tun wir alles, damit viele Menschen Teddy so in Erinnerung behalten und die Kleingeister mit ihrem Antikommunismus nicht durchkommen.


Anmerkungen

[1] 2. Mai 2012, Der Tagesspiegel
[2] Rede des Bundespräsidenten auf der Münchener Sicherheitskonferenz.
[3] "Aber ich glaube an den Triumph der Wahrheit", Ernst Thälmann zum 125. Geburtstag. Herausgegeben von Eberhard Czichon, Heinz Marohn, Wiljo Heinen, Seite 9.

*

Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 348,
September 2014, S. 34-37
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2014