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KAZ/259: Die EU rüstet militärisch auf


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 358, März 2017
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Die EU rüstet militärisch auf
Über 20 Jahre geplant - "Brexit" und Trumpwahl als Vorwand


Seit dem "Brexit", noch lauter seit Trumps Wahlsieg tönt es: Wir brauchen eine EU-Armee! Der wahre Grund wurde eher in Syrien vorgeführt, dass die Durchsetzung von Interessen letztlich eine Frage der militärischen Stärke ist, auch in der Frage der Einheit des "Westens": Wenn es verschiedene Meinungen gibt, gilt die Entscheidung der USA. Denn die USA haben zwar an wirtschaftlichem Gewicht verloren, sind aber militärisch weit überlegen. 2015 gaben die USA für ihr Militär 600 Milliarden Dollar aus, Frankreich und die BRD zusammen 90 Milliarden Dollar. Die deutsche Finanzoligarchie, die Großaktionäre der entscheidenden Unternehmen, wollen nicht länger von den USA dominiert werden und haben ihren Staatsmännern und -frauen längst klargemacht, dass Konflikte mit den US-Konkurrenten im weltweiten Expansionsstreben "auf Augenhöhe" ausgetragen werden müssen. Deshalb muss aufgerüstet werden.

Dabei stellen sich zwei strategische Probleme aus historischer Erfahrung:

1. Deutschland allein ist zu klein, um sich mit den USA zu messen, dazu braucht es die EU. Diesmal soll das Bündnis insbesondere mit Frankreich gelingen. Sollten zunächst die militärischen Ambitionen der BRD durch die enge Zusammenarbeit mit Frankreich in Schach gehalten werden, so ist spätestens nach der Einverleibung der DDR klar, dass Deutschland gerne mehr und mehr auch militärisch den Ton angeben möchte. Dabei soll das Bündnis mit Frankreich nicht wie zur Zeit des Vichy-Regimes im 2. Weltkrieg durch militärischen Zwang sondern diesmal friedlich im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit hergestellt werden.

2. Die große Mehrheit der Deutschen ist immer noch kriegsunwillig. Sie will weder immer mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr noch eine unbegrenzte Aufrüstung.

Neue Machtverteilung - aber wie?

1945 schienen sich alle einig zu sein: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Die deutschen Konzernherren, in der Verteilung der Weltmärkte und Einflusszonen zu spät und zu kurz gekommen, hatten im Kampf um die Neuaufteilung den ersten wie den zweiten Weltkrieg angezettelt und verloren. Dazu Lenin: "Die Kapitalisten teilen die Welt unter sich auf nicht etwa aus besonderer Boshaftigkeit, sondern weil die erreichte Stufe der Konzentration sie zwingt, diesen Weg zu beschreiten, um überhaupt Profite zu erzielen; dabei wird die Aufteilung "nach dem Kapital" "nach der Macht" vorgenommen, eine andere Teilungsmethode kann es im System der Warenproduktion und des Kapitalismus nicht geben. Die Macht aber wechselt mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung." (LW 22, S. 257).

"Die erreichte Stufe der Konzentration" zwingt die deutschen Großunternehmen heute wieder, eine Neuaufteilung der Einflusszonen anzustreben. Zwar gibt es bei ihnen nach wie vor starke "transatlantische" Stimmen, die davor warnen, die starken USA herauszufordern. Das wird von den "Europäern" als überholt betrachtet, die lieber einen wirtschaftlichen und politischen Preis an die herrschenden Kreise Frankreichs bezahlen wollen, um mit ihnen zusammen die EU aufzurüsten. Diese zwei Linien in der Politik der deutschen Konzernherren sind wirksam und historisch gewachsen.

Nach 1945: Zwang zur Kooperation mit den USA und Frankreich

Die Alliierten hatten sich 1945 geeinigt, den deutschen Staat unter der Bedingung bestehen zu lassen, dass er entmilitarisiert wird. Die Ursache der deutschen Aggressivität, die Konzentration des Kapitals, die sie zweimal zur Neuaufteilung der Welt zwang, sollte durch Entflechtung beseitigt werden. Die deutsche Finanzoligarchie rechnete aber damit, dass sich der US-Imperialismus, der keine starken imperialistischen Konkurrenten mehr hatte, gegen die sozialistische Sowjetunion richten würde. So kam es. "Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb" war die Devise des ersten Bundeskanzlers der BRD, Konrad Adenauer. Der Chefplaner des Krieges gegen die SU 1941, General Heusinger, wurde der erste Chef der BRD-Armee, erst direkt von der US-Army kontrolliert, dann 1955 als Bundeswehr in der NATO. Das deutsche Wirtschaftswunder begann mit Stahllieferungen an die USA für den Koreakrieg. In den 60er Jahren waren die alten Konzerne wiederhergestellt, die BRD war wieder größte europäische Wirtschaftsmacht.

Frankreich sollte die deutsche Wirtschaftsmacht in der EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) politisch kontrollieren. Um in der Kooperation mit den USA die Eigenständigkeit nicht zu verlieren, nutzte die BRD - und nutzt weiter - den Zwiespalt des französischen Imperialismus als Konkurrent der USA. In den 70er Jahren, als die USA im Vietnamkrieg finanziell an ihre Grenzen kamen, "half" die BRD mit Tornado, Leopard etc. den europäischen Teil der NATO aufzurüsten.

Nach 1990: Rivalität tritt in den Vordergrund

Durch den Untergang der SU fiel der gemeinsame Feind, das Hauptmotiv für die Kooperation von BRD und USA, weg. In der NATO trat die Rivalität der beiden in den Vordergrund. Unter dem Vorwand der "gewachsenen humanitären Verantwortung" liquidierte die Regierung Schröder/Fischer "das Tabu des Militärischen" im Krieg um die Zerstörung Jugoslawiens. Dafür, dass die BRD sich die DDR einverleiben durfte, wurde ein politischer Kompromiss mit Frankreich gefunden: Das Größerdeutschland sollte mit EU und Euro politisch "eingehegt" werden. Mit der Profitsteigerung durch die Agenda 2010 erwiesen sich die BRD-Konzerne aber in der Krise ab 2007 so stark, dass Frankreich sich politisch nach der BRD richten musste statt umgekehrt.

Die Militarisierung der EU war schon lange der Wunsch der BRD. Schon 1992 wurde damals noch im Rahmen der WEU (Westeuropäische Union) in den "Petersberg-Aufgaben"[1] die militärischen Ziele festgelegt, die bis heute gelten: neben "humanitären" und "friedenserhaltenden" Einsätzen werden "Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung" gefordert. Über den Vertrag von Maastricht 1992/93 und den von Nizza 2003 wurde dann im Vertrag von Lissabon 2009 zielstrebig die Militarisierung der EU vorangetrieben.[2] Der EU-Lissabon-Vertrag von 2009 erklärt die EU durch die Artikel 42-46 zur Militärunion, zumindest auf dem Papier. In Art. 42 ist auch festgelegt, dass im Falle eines militärischen Angriffs auf ein Mitglied "... alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung ..." von den anderen Mitgliedern zu leisten ist.

Nun wurde das zweite strategische Problem angepackt: Drei Viertel der Deutschen wollen keine Aufrüstung.[3] Horst Köhler musste 2010 als Bundespräsident zurücktreten, weil er die Aufrüstung zu plump gefordert hatte. Eine Propagandaoffensive, in die sich auch rechte Sozialdemokraten in Politik und Gewerkschaft einspannen lassen, suggeriert nun wieder, es ginge um "humanitäre Verantwortung". Gauck konnte ab 2013 ungestraft Aufrüstung als "Verantwortung" bezeichnen. Mit Brexit und Trump finden Frank Walter Steinmeier und von der Leyen nun den Vorwand, die "Verantwortung" in Milliarden Euro zu quantifizieren, die die nächste Stufe der Aufrüstung der BRD zur führenden EU-Kriegsmacht kosten wird. Damit soll die EU in die Lage versetzt werden, unabhängig von den USA regionale Kriege zu führen. EU-Außen- und Sicherheitskommissarin Mogherini spricht nun offen aus, was die Konzernherren flüstern: Die EU muss Supermacht werden.[4]

Die Rivalität zu den USA kann sich dabei immer als "Hilfe" gebärden, ob in den Strukturen der NATO oder außerhalb. Ein großer Schritt bei dem dritten Anlauf des deutschen Imperialismus zur Weltmacht ist geplant, wenn auch die zwei strategischen Hindernisse, die freiwillige Unterordnung von Frankreich in der Praxis und die Zustimmung der Mehrheit noch nicht überwunden sind. Unsere wirkliche Verantwortung in Deutschland ist es, den Widerstand der Mehrheit gegen die Supermachtpläne der deutschen Konzernherren zu mobilisieren. Kriegsgefahr wird aber erst beseitigt, wenn die Macht der Finanzoligarchen, die den Zwang zur Neuaufteilung der Welt ausüben, gebrochen ist.


Grundlage dieses Artikels ist ein Beitrag in der Zeitschrift der SDAJ "Position", Ausgabe 1/7, der von der AG Antimilitarismus diskutiert und erweitert wurde.


Anmerkungen:

[1] Petersberg-Aufgaben:
https://eeas.europa.eu/topics/common-security-and-defence-policy-csdp/5388/shaping-of-a-common-security-and-defence-policy-_en

[2] Vertrag von Lissabon:
eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2010:083:FULL&from=DE

[3] Handelsblatt 02.12.2016, S. 41, Umfrage vom Herbst 2015 "Sollte Deutschland sicherheitspolitisch eine größere Rolle spielen? Dafür in D: 25 %.

[4] Siehe Bericht vom 20. Kongress der IMI 18.-20.11.2016, IMI Ausdruck Magazin 6/2016 S. 28

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 358, März 2017, S. 34 - 35
Herausgeber und Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2017

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