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KAZ/263: Rat bei Marx und Engels - Populismus, ein schillernder Kampfbegriff der Bourgeoisie


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 359, Juni 2017
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Rat bei Marx und Engels
Populismus - ein schillernder Kampfbegriff der Bourgeoisie


Der Begriff wurde in der Neuzeit ursprünglich in den USA geprägt, als sich dort 1889/90 eine "Populist Party" (auch "People's Party" genannt) bildete, um den Protest gegen die Ausplünderung der kleineren Farmer durch Banken und Handel zu organisieren. Sie suchte sich für kurze Zeit mit der aufstrebenden Arbeiterbewegung zu verbinden. Wie viele moderne Bewegungen versuchte die Populist Party schon im Namen eine historische Traditionslinie herzustellen, die der Bewegung Legitimität und Glanz verleihen sollte.

So auch im Begriff Populismus, der nicht nur an das lateinische Wort populus = Volk anzuknüpfen sucht, sondern auch an die Populares, eine Gruppe von Politikern im alten Rom, deren berühmteste Vertreter die rebellischen Brüder Tiberius und Gajus Sempronius Gracchus (2. Jahrhundert vor Null) waren. Zu den Populares wird aber auch Gaius Julius Caesar (100 - 44 vor Null) gezählt, der Eroberer Galliens und Totengräber der römischen Sklavenhalter-Republik. Die Populares beriefen sich auf die Plebejer, deren Interessen sie vertreten wollten; im Gegensatz zu den Optimaten, die offen für die römischen Patrizier fochten. Populares wie Optimaten kamen aus der römischen Senatsaristokratie. Der Appell an das Volk enthielt deshalb auch den demagogischen Aspekt, durch Berufung auf das Volk die eigene Stellung stärken zu wollen.

Seit Überwindung der antiken Sklavenhaltergesellschaft, nach Überwindung des Feudalismus und der Herausbildung des modernen Proletariats und der Bourgeoisie als der Hauptklassen im Zeitalter des Kapitalismus verbietet sich eigentlich der Rückgriff auf solche überholten Formen und Verhältnisse; es sei denn man will damit die modernen, heutigen Verhältnisse verunklaren und die wirklichen Klassenverhältnisse übertünchen.[1]

Und das scheint bereits am Ursprung in den USA so gewesen zu sein.

Das Jahr 1886 markiert vor dem Hintergrund einer rasanten kapitalistischen Entwicklung mit der Herausbildung riesiger Monopole einen ungemeinen Aufschwung in der jungen nordamerikanischen Arbeiterbewegung. Im kollektiven Gedächtnis der internationalen Arbeiterklasse verbindet sich mit den Ereignissen dieses Jahres die Herausbildung des 1. Mai als internationaler Kampftag. Allein in Chicago streikten am 1. Mai 1886 etwa 90.000 Arbeiter; am 3. Mai schoss die Polizei - sechs tote Arbeiter. Bei einer Protestversammlung am 4. Mai auf dem Haymarket in Chicago wurde (vermutlich von Provokateuren) eine Bombe gezündet - 12 Menschen starben, darunter auch Polizisten. Daraufhin eröffnete die Polizei das Feuer auf die Menge und richtete ein Blutbad an. Es kam zu gezielten Verhaftungen von anarchistischen Arbeitern, die schließlich ohne Beweise zum Tod oder zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Vier der verurteilten Arbeiter wurden gehängt. Mit Repression allein war der sich in Gewerkschaften und politischen Organisationen formierenden Arbeiterbewegung in den USA aber nicht mehr beizukommen. Zwei Varianten der Zähmung des proletarischen Kampfpotenzials ergaben sich für die Bourgeoisie: Korrumpierung der Führer und Durchsetzung des Opportunismus in der Arbeiterbewegung - das war und ist die bevorzugte Variante nicht nur in den USA. Oder: Zersetzung durch kleinbürgerliche Einflüsse.

Als Bindeglied von Populist Party und nordamerikanischer Arbeiterbewegung wird in der englischsprachigen Literatur häufig Henry George (1839 - 1897) genannt.[2] Sein Buch "Progress and Poverty" (Fortschritt und Armut) spielte eine inspirierende Rolle für die "Populist Party" in dieser Zeit; er begründete darin die Abschaffung aller Steuern - außer der Steuer auf den großen Grundbesitz. Außerdem vertrat er "Gleiches Recht für alle!"

Karl Marx zum "Populisten" Henry George 1881

In seinem Brief vom 20. Juni 1881 an Friedrich Adolph Sorge nimmt Karl Marx Stellung: "Vor Deinem Exemplar des Henry George hatte ich schon 2 andre erhalten, eins von Swinton und eins von Willard Brown; gab also eins an Engels, eins an Lafargue. Ich muss für heute mich darauf beschränken, mein Urteil über das Buch ganz kurz zu formulieren. Der Mann ist theoretisch total arrière (zurückgeblieben). Von der Natur des Mehrwerts hat er nichts verstanden und treibt sich daher, nach englischem Vorbild, in dabei noch hinter den Engländern zurückgebliebnen Spekulationen über die verselbständigten Stücke des Mehrwerts um - über das Verhältnis von Profit, Rente, Zins etc. Sein Grunddogma, dass alles in Ordnung wäre, würde die Grundrente an den Staat bezahlt. (Du findest solche Zahlung auch unter den im "Kommunistischen Manifest" enthaltnen Übergangsmaßregeln.) Diese Ansicht ist ursprünglich den Bourgeoisökonomen angehörig; sie wurde zunächst geltend gemacht (abgesehn von ähnlicher Forderung Ende des 18. Jahrhunderts) von den ersten radikalen Anhängern Ricardos, gleich nach dessen Tod. Ich sagte darüber 1847 in meiner Schrift gegen Proudhon: 'Wir begreifen, dass Ökonomen, wie Mill ..., Cherbuliez, Hilditch und andere, die Forderung gestellt haben, dass die Rente dem Staate überwiesen werde behufs Aufhebung der Steuern. Es ist dies der unverhüllte Ausdruck des Hasses, den der industrielle Kapitalist gegen den Grundbesitzer hegt, der ihm ein nutzloses, überflüssiges Ding in dem Getriebe der bürgerlichen Produktion ist.'[3]

Wir selbst, wie bereits erwähnt, nahmen diese Aneignung der Grundrente durch den Staat unter zahlreiche andre Ubergangsmaßregeln auf, die, wie ebenfalls im "Manifest" bemerkt, in sich selbst widerspruchsvoll sind und sein müssen.

Aber aus diesem desideratum (Wunsch) der radikalen englischen Bourgeoisökonomen die sozialistische Panacea (Allheilmittel) machen, diese Prozedur für Lösung der in der heutigen Produktionsweise eingeschlossenen Antagonismen erklären, das geschah erst von Colins ... Nach ihnen und neben ihnen hat u.a. auch der preußische Bankier und ehmalige Lotteriekollektor Samter aus Ostpreußen, ein Flachkopf, diesen "Sozialismus" in einen dicken Band ausgepatscht.

Alle diese "Sozialisten" seit Colins haben das gemein, dass sie die Lohnarbeit, also auch die kapitalistische Produktion bestehn lassen, indem sie sich oder der Welt vorgaukeln wollen, dass durch Verwandlung der Grundrente in Steuer an den Staat alle Missstände der kapitalistischen Produktion von selbst verschwinden müssen. Es ist das Ganze also nur ein sozialistisch verbrämter Versuch, die Kapitalistenherrschaft zu retten und in der Tat auf noch weiterer Basis als der jetzigen neu zu begründen.

Dieser Pferdefuß, der zugleich ein Eselsfuß ist, guckt auch unverkennbar aus den Deklamationen von Henry George hervor. Bei ihm um so unverzeihlicher, als er sich umgekehrt die Frage hätte stellen müssen: Wie ging's zu, dass in den United States, wo relativ, d. h. verglichen mit dem zivilisierten Europa, der Boden der großen Volksmasse zugänglich war und to a certain degree (bis zu einem gewissen Grade)(wieder relativ) noch ist, die Kapitalwirtschaft und die entsprechende Knechtung der Arbeiterklasse sich rascher und schamloser entwickelt haben als in irgendeinem andern Land?

Andrerseits hat das Buch des George, wie die Sensation, die es bei Euch gemacht, die Bedeutung, dass es ein erster, wenn auch fehlgeschlagner Versuch ist, sich von der orthodoxen politischen Ökonomie zu befreien.

H. George scheint übrigens nichts von der Geschichte der früheren amerikanischen Antirenters, die mehr Praktiker als Theoretiker waren, zu wissen. Er ist sonst ein Schriftsteller von Talent (auch Talent habend zur Yankeereklame), wie z.B. sein Artikel über Kalifornien im "Atlantic" beweist. Er hat auch die widerliche Anmaßung und Überhebung, die alle solche Panaceahecker unverbrüchlich auszeichnet."[4]

Engels schreibt 1887 zu Henry George:

"Nun erstrebt in der Tat die neue amerikanische Partei, wie alle und jede politische Partei, kraft der bloßen Tatsache ihrer Bildung, die Eroberung der politischen Herrschaft. Aber sie ist weit entfernt davon, mit sich einig zu sein über das, wozu diese politische Herrschaft gebraucht werden soll. In New York und den andern Großstädten des Ostens hat die Arbeiterklasse sich nach Gewerkschaften organisiert und in jeder Stadt eine mächtige Central Labor Union gebildet. In New York speziell erkor die Central Labor Union vorigen November Henry George zu ihrem Bannerträger; infolgedessen war ihr damaliges Wahlprogramm stark von Henry Georges Ansichten durchtränkt. ­... Für Henry George ist die Enteignung der Volksmasse vom Grundbesitz die große, allgemeine Ursache der Spaltung des Volks in Reiche und Arme. Das ist aber geschichtlich nicht ganz richtig. ... Nach Marx liegt die Ursache des gegenwärtigen Klassengegensatzes und der gegenwärtigen Erniedrigung der Arbeiterklasse in ihrer Enteignung von allen Produktionsmitteln, worin der Boden natürlich einbegriffen ist.

Nachdem Henry George einmal die Monopolisierung des Bodens zur einzigen Ursache der Armut und des Elends gemacht hat, findet er begreiflicherweise das Heilmittel darin, dass die Gesellschaft als solche den Boden wieder in Besitz nimmt. Nun verlangen die Sozialisten der Marxschen Schule ebenfalls, dass die Gesellschaft den Boden wieder in Besitz nimmt, und nicht nur den Boden, sondern alle andern Produktionsmittel ebenfalls. Aber selbst wenn wir hiervon absehen, so bleibt noch ein anderer Unterschied. Was soll mit dem Boden gemacht werden? Die heutigen Sozialisten, soweit Marx sie repräsentiert, verlangen, dass er gemeinsam besessen und gemeinsam für gemeinsame Rechnung bearbeitet werde, und dass dasselbe mit allen andern gesellschaftlichen Produktionsmitteln, Bergwerken, Eisenbahnen, Fabriken usw. geschehen soll. Henry George dagegen ist damit zufrieden, dass der Boden, ganz wie jetzt, an Einzelne stückweise verpachtet wird, sobald nur die Verpachtung geregelt und die Bodenrente, statt wie jetzt in Privattaschen, in die öffentliche Kasse fließt. Die Forderung der Sozialisten schließt eine vollständige Umwälzung des gesamten heutigen Systems der gesellschaftlichen Produktion ein. Die Forderung Henry Georges dagegen lässt die heutige gesellschaftliche Produktionsweise unberührt und ist auch in der Tat schon vor Jahren von der extremsten Richtung der Ricardianischen bürgerlichen Ökonomen aufgestellt worden. Auch sie verlangten die Konfiskation der Bodenrente durch den Staat. ..."[5]

Nach Beratung mit Marx und Engels

Was lässt sich nach Beratung mit Marx und Engels für unsere heutige Aufgabenstellung gewinnen?

Sie verwenden den Begriff Populismus nicht. Sie versuchen nicht eine Bewegung unter klassenunspezifische, inhaltsleere und unwissenschaftliche Begriffe zu fassen, die vielleicht zur Beschimpfung taugen, aber nicht zum Verstehen und zum Eingreifen dienen.

Stattdessen untersuchen sie bei einer Bewegung kritisch:

  • die theoretischen Grundlagen (Stellung zum Mehrwert und seinen "verselbständigten Stücken")
  • die klassenmäßige Herkunft ("Bourgeoisökonomen")
  • die praktische Bedeutung ("Bannerträger" für einen Teil der Arbeiterbewegung)
  • die Auswirkungen ("... lässt die heutige gesellschaftliche Produktionsweise unberührt ...")

Marx verallgemeinert insoweit, als er diesen Bewegungen vorhält, dass sie die Lohnarbeit, die kapitalistische Produktionsweise bestehen lassen wollen, dass sie (sozialistisch - oder heute auch rassistisch und völkisch - verbrämt) die Kapitalistenherrschaft retten wollen. Er kritisiert, dass sie für die bestehenden Missstände ein Allheilmittel (Panacea) präsentieren. Er wirft ihnen darüber hinaus vor, dass sie wider besseres Wissen im Sinne der bürgerlichen Ideologen falsche Ursachen für die Missstände angeben.

Engels zeigt auf, worin die Ursache des gegenwärtigen Klassengegensatzes und der gegenwärtigen Erniedrigung der Arbeiterklasse liegt: in ihrer Enteignung von allen Produktionsmitteln einschließlich des Bodens. Er weist darauf hin, dass nur eine vollständige Umwälzung des heutigen Systems der gesellschaftlichen Produktion, eine vollständige Aneignung der Produktionsmittel durch die Arbeiterklasse Abhilfe schaffen kann - selbstverständlich durch die politische Macht des Proletariats selbst.

Gerade Henry George, der von beiden durchaus differenziert beurteilt wird, steht für einen ersten Versuch, die amerikanischen Bauern/mer mit den Arbeitern zu vereinen und für die herrschende Klasse gemeinsam in die Irre zu führen.

Bedeutung für heute

Das bedeutet für heute: Statt solche Organisationen wie AfD, Pegida usw. unter dem Begriff "Rechtspopulismus" zu subsumieren, ist es notwendig und sinnvoll, sie näher zu charakterisieren. Deutlich ist zu machen, dass ihre Grundlagen aus der gleichen Quelle schöpfen wie die Nazis.

Zur Philosophie des Faschismus weist die "Geschichte der Philosophie" darauf hin, dass "die reaktionären Richtungen der bürgerlichen Philosophie und Soziologie die faschistische Ideologie vorbereiteten und ihr als theoretische Quellen dienten. Zu ihnen gehören vor allem die Philosophie Nietzsches, die offen menschenfeindlichen Charakter trägt, der Malthusianismus, die rassistischen soziologischen Konzeptionen von Ludwig Gumplowicz, Houston Steward Chamberlain u.a. Eine andere theoretische Quelle des Faschismus waren reaktionäre und nationalistische Elemente des Hegelianismus. Charaktermerkmale der 'Philosophie' und 'Soziologie' des Faschismus sind ihr militanter Antikommunismus, der reaktionäre Idealismus, der einen offen mythologischen Charakter trägt, der bestialische Nationalismus und Chauvinismus, der sich auf die 'biologische Konzeption der geschichtlichen Entwicklung stützt und den Klassenkampf durch den Kampf der Nationen und Rassen ersetzt, die soziale Demagogie und die Mystifizierung der sozialen Verhältnisse."[6]

Ökonomisch stehen sie entweder auf der Grundlage des bürgerlichen Liberalismus, der den Monopolkapitalismus durch die illusionäre Wiederherstellung von freien Märkten, der freien Konkurrenz beseitigen will. Oder sie wollen offen reaktionär die Diktatur des Finanzkapitals mit Rückgriffen auf den mittelalterlichen Ständestaat verkleiden und den ganzen Klimbim noch mit dem Etikett "sozialistisch" versehen.

Politisch stehen sie am rechten Rand des bürgerlichen Spektrums. Das bedeutet, dass sie die Bereitschaft fördern sollen, den Boden der bürgerlichen Demokratie, der formalen Gleichheit vor dem Gesetz zugunsten der offen terroristischen Diktatur zu verlassen und dafür eine Massenbasis zu schaffen. Dafür sparen sie nicht an sozialer Demagogie. Denn es hat sich in Kreisen der herrschenden Monopolbourgeoisie herumgesprochen, dass es in der Gesellschaft eine breite Antipathie gegen den Kapitalismus gibt. Also muss vorgespiegelt werden, gegen den Kapitalismus zu sein, gegen das Etablierte, gegen die alten abgewrackten Parteien und ihr Personal, wenn man die Massen an den Kapitalismus binden will.

Antikapitalismus steht aber auf dem Prüfstand - und das haben Marx und Engels oben klargestellt - ob Hand an die Eigentumsverhältnisse gelegt werden soll, an das Privateigentum an den Produktionsmitteln, unabhängig ob Bank, Handel, Industrie oder Großgrundbesitz, unabhängig von deutsch oder ausländisch, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Nation. Alles was wir brauchen, um zu produzieren, muss in die Hand der Produzenten bzw. in die Hand der Arbeiterklasse als Ganzes überführt werden. Dafür braucht die Arbeiterklasse die konzentrierte Macht in Händen.[7]

Antikapitalismus steht auch auf dem Prüfstand bei allen Konzepten des sozialdemokratischen Reformismus und Transformismus, die auch eine Form der sozialen Demagogie sind, da sie Reformen versprechen, aber die Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft nicht antasten wollen. Dabei holen sie Arbeiter beim wunden Punkt ab: Spontan müssen sie als Besitzer der Ware Arbeitskraft darauf aus sein, um den Preis dieser Ware, um den Lohn, zu markten. Damit erkennen sie aber auch den Käufer dieser Ware, den Kapitalisten, an. In diesem Verhältnis stehen zu bleiben, in dem die Kapitalisten alle Trümpfe, nämlich die Produktionsmittel, das Geld und die Waren, in der Hand haben, heißt die Arbeiter dem Stärkeren auszuliefern, und damit selbst kleinere Verbesserungen und Reformen auf längere Sicht erschweren. Erst wenn in spontanen Aufschwüngen der Arbeiterbewegung die Bereitschaft wächst, Hand an die Macht- und Eigentumsgrundlagen der Klassenherrschaft zu legen, ist einerseits grundlegende Änderung möglich. Andererseits werden sie dann auch wieder alle Zugeständnisse machen, um die Arbeiterklasse vom Umsturz abzuhalten. Dann braucht es Entschlusskraft, Kühnheit und Führung durch die Kommunistische Partei, um den Herrschaften nicht wieder auf den Leim zu gehen (wie z.B. 1918).

Die Einordnung der AfD

Die Einordnung der AfD - aber auch vorher schon die Bewegung um Berlusconi, Le Pen, Fortuyn/Wilders etc. - unter den Begriff "Rechtspopulisten" hat nur dazu geführt, dass die klassenmäßigen Wurzeln versteckt wurden, dadurch die Akzeptanz erhöht wurde und die Faschisten dort leichtes Spiel und Deckung hatten, um ihre soziale Demagogie mit Scheinradikalität weiter hineinzutreiben. So kann die AfD sich einerseits als Teil des Bürgerblocks und als künftige Kraft an der Seite der CSU/CDU präsentieren, andererseits als Sammelbecken fungieren, um das politische Klima weiter nach rechts zu verschieben, um Krieg und Faschismus wieder als Option zu verankern.

"Rechtspopulismus" ist die Phrase zur Beschönigung dieser Bewegung zur Sammlung

  • aller Feinde der Demokratie, weil sie statt Herstellung der Gleichheit vor dem Gesetz die Ungleichheit fordern,
  • die gegen die Nation sind, weil sie letztlich nur Deutschland als Nation anerkennen,
  • die gegen das Volk sind, weil sie alles versprechen ohne die Profit- und Eigentumsverhältnisse anzutasten.

Sie bieten rückwärtsgewandte Scheinlösungen an für alle wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme, die der Kapitalismus aufwirft. Sie sind keine "Rechtspopulisten", sondern Feinde des Menschseins. Von dieser Bande im Gefolge des Hühnerzüchters Heinrich Himmler sollen wir uns vorschreiben lassen, wen wir sympathisch finden, wen wir lieben, mit wem wir uns vermischen dürfen, mit wem wir uns zusammenschließen und kämpfen dürfen! Niemals!

Denn unsere Zukunft liegt nicht in gegenseitiger Konkurrenz und Vernichtung, sondern in Völkerverständigung, Völkerfreundschaft, Völkerverschmelzung, Solidarität. Dafür die Voraussetzung zu schaffen, ist die große Aufgabe, die uns anspornt und nicht ruhen lässt. Oder wie es ein großer Dichter ausgedrückt hat:

"Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen, ist Gnade; ihnen verzeihen, ist Barbarei."
(Georg Büchner, Dantons Tod).

Corell


Anmerkungen:

[1] So verwenden Marxisten auch den Begriff Volk stets mit Bezug auf die Klassen, die in einer bestimmten Entwicklungs- und Kampfetappe zum Volk gehören. Es sind die Klassen, die objektiv an der Seite des Fortschritts bei der Überwindung überlebter gesellschaftlicher Verhältnisse und deren Nutznieße und Verteidiger stehen. So zählte bei den bürgerlichen Revolutionen seit 1776/1789 die Bourgeoisie noch zum Volk gegen den Adel. s. hierzu auch "Was verstehen wir unter 'Volk'" in KAZ Nr. 353

[2] so z.B. die Harvard Professorin Jill Lepore, Here's the guy who invented populism (Das ist der Kerl, der den Populismus erfand) in New York Times 15.10.2011.
www.nytimes.com/2011/10/16/opinion/sunday/heres-the-guy-who-invented-populism.html

[3] MEW Bd. 4, S. 171 - Im Brief an Sorge lautet der Absatz aus "Elend der Philosophie": "Nous concevons que des économistes, tels que Mill" (der ältere, nicht sein Sohn John Stuart, der dies auch etwas modifiziert wiederholt), "Cherbuliez, Hilditch et autres, ont demandé que la rente soit attribuée à l'État pour servir à l'acquittement des impôts. C'est la franche expression de la haine que le capitaliste industriel voue au propriétaire foncier, qui lui parait une inutilité, une superfétation, dans l'ensemble de la production bourgeoise."

[4] s. MEW Bd. 35, S. 199 ff. (Hervorhebungen von Marx)

[5] s. Die Arbeiterbewegung in Amerika - Vorwort zur amerikanischen Ausgabe der "Lage der arbeitenden Klasse in England" 1887, MEW Bd. 21, S. 338 ff. (Hervorhebungen von Engels)

[6] Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Geschichte der Philosophie, Berlin 1967, S. 267 - Das ist im Übrigen auch etwas anderes als wenn Genossen der Fraktion Dio in KAZ 358 die Bedeutung des Pragmatismus als Grundlage der faschistischen "Philosophie" verabsolutieren.

[7] Das ist auch der Inhalt der "Diktatur des Proletariats", die zugleich die breitesteste Demokratie für die Arbeiter und ihre Verbündeten entwickeln muss, wenn sie auf Dauer die gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten will.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus waren Vertreter der altrömischen "Populares". Zu Unrecht als Blaupausen für "Populismus" missbraucht.

*

Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 359, Juni 2017, S. 9 - 13
Herausgeber und Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2017

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