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KAZ/266: "Industrie 4.0" - Revolution ohne Umsturz?


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 359, Juni 2017
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

"Industrie 4.0" - Revolution ohne Umsturz?

von Rolf Fürst und Martin Krauthobel


Einführung:

In der KAZ 358 hat Ludwig Jost formuliert "Mit Weißbuch 'Arbeiten 4.0' gegen Arbeitsrecht und Arbeitszeit"[1] und damit die Seite des Angriffs auf unsere elementaren Rechte im Zuge der "4.0"-Diskussion dargestellt. Mit dem hier vorliegenden Artikel soll daran anknüpfend eine Einordnung von "Industrie 4.0" in historische und polit-ökonomische Zusammenhänge erfolgen. Im nachfolgenden Heft KAZ 360 wollen wir uns dann intensiv mit der technischen Seite und ihrer Bedeutung für die Diskussion befassen. Somit ergibt sich eine kleine, dreiteilige Artikelserie, mit welcher wir dem aktuellen Trommelfeuer auf die Arbeiterklasse durch "Industrie 4.0" begegnen wollen.

"Industrie 4.0" - Revolution oder Propaganda?

BigData, Digitalisierung oder Internet der Dinge - Begrifflichkeiten, die uns derzeit aus Medien, Werbung und Politik geradezu um die Ohren gehauen werden. Alles "Neue" oder auch nur neu erscheinende wird inzwischen mit dem Zusatz "4.0" ausgestattet und nebenbei als "Revolution" betitelt. Egal, ob Kosmetik, Lebensmittel, Kleidung oder Elektronikprodukte, alle sollen sie ihre Märkte "revolutionieren". Selbst die IG Metall entdeckt die Revolution neu und bezeichnet ihre letzte Jugendkampagne als "Revolution Bildung". Die bürgerlichen Organe trompeten aus allen Rohren und verkünden die "vierte industrielle Revolution". In der Thematik der "Industrie 4.0" werfen schon die verwendeten Begrifflichkeiten mehr Fragen auf, als klare Antworten zu erkennen sind. Im nebulösen Geschwafel der Bourgeoisie wird die Begriffsdefinition der Revolution im Interesse der Bourgeoisie aufgelöst, dies ermöglicht die inflationäre Verwendung und macht den Begriff in dem Zusammenhang wertlos.

Der Begriff "Industrie 4.0" begegnet uns seit einigen Jahren verstärkt, zunächst in Medien und Regierungsveranstaltungen, mittlerweile auch in Betrieb und Gewerkschaft. Es begann mit der "Plattform Industrie 4.0" als Initiative einiger Kapitalistenverbände und dem Bundeswirtschafts- und dem Forschungsministerium auf der Hannover Messe 2013. In puncto Informationstechnologie (IT) soll so eine "Weltsprache der Produktion" geschaffen werden. Man will den Begriff im Dialog von und mit Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Unternehmen, Wissenschaft und Politik befördern und mit Inhalt füllen. Dies ist durchschlagend gelungen. An alles wird "4.0" gehängt: Man hält Fachkonferenzen zu "Bildung 4.0"[2], das Handelsblatt prophezeit "Das Auto 4.0 kommt"[3], ein Grüner fordert "Verbraucherschutz 4.0"[4], der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) bietet einen Wettbewerb zu "Wohnen 4.0"[5] und die IG Metall veranstaltet Seminare zum "Sozialstaat 4.0". Aber auch Begriffe, die nun wirklich nicht zur industriellen Produktion gehören, bekommen den Zusatz angehängt: Auf der Münchener Sicherheitskonferenz gibt es "Defence 4.0"[6] und anderswo "Musik 4.0" oder "Schulz 4.0."...

Angst - Ohnmacht und Konkurrenz - alles wird "4.0"

Behauptet wird dabei immer eine neue Qualität der Entwicklung aufgrund allgegenwärtiger Digitalisierung und großer Datenmengen, die neue Anwendungen ermöglichen und bewirken. Doch zunehmend schwingt Bedrohliches mit: Wenn die Technik diese angeblich ganz neue Stufe erreicht, dann bleibt uns nur noch, sich dem bedingungslos zu fügen. Auch die digitale Konkurrenz schläft nicht, wir müssen uns anpassen. Sonst droht Auftragsmangel, Exportverluste und Auslagerung, Massenarbeitslosigkeit und Verelendung wären die Folge. So wird aus der Propagierung moderner, flexibler Produktion mal wieder die Drohgebärde und wir sollen "Angst und Ohnmacht 4.0" bekommen, was nicht ohne Wirkung bleibt.

Diese Methode ist schon mal keinesfalls neu, sondern mindestens so alt wie der Kapitalismus. Bei jeder Forderung nach Arbeitszeitverkürzung in der Geschichte schrie das Kapital, dies sei der Untergang der Wirtschaft, so Anfang der 1980er-Jahre mit dem Ausspruch: "Die 35-Stundenwoche schafft Arbeitsplätze ... in Fernost"[7], verbunden mit der wirren Behauptung, Japan sei im Jahr 2000 die weltweit stärkste Wirtschaftsmacht. Die Durchsetzung der 35-Stundenwoche war dabei der in dieser Dimension vorerst letzte, durch Streik erreichte, offensive Erfolg der Industriegewerkschaften. Es folgte die Dämonisierung der Computertechnologie als Abschaffung menschlicher Industriearbeit, bald werde es nur noch vollautomatische Fabriken geben. Dann wurde uns vorgebetet, wir müssten uns an eine "lean production", eine schlanke und viel effizientere Produktionsweise anpassen. In dieser sollten sich Arbeiterteams als Gruppen eigenverantwortlich und ohne Chef gegenseitig kontrollieren, antreiben und ständige Verbesserungsvorschläge entwickeln. Dies ging einher mit der "Japanisierung der Produktion", gebündelt in Schlagworten wie KAIZEN[8] oder KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess). Begleitet wurde dieses Trommeln mit der angeblichen Notwendigkeit der Verteidigung des "Standort Deutschland".

Darauf folgte die Drohgebärde des Europäischen Binnenmarktes, also der gemeinsame, grenzüberschreitende Markt innerhalb der EU. Gerade das Deutsche Kapital lenkte von seinem Ziel der Profitsteigerung durch Exportausweitung ab, indem den Arbeitern vorgeführt wurde, dass durch die Markt- und Grenzöffnung Horden von billigen Arbeitskräften aus anderen Ländern erwartet werden. In den weiteren 1990er-Jahren wurden alle Veränderungen mit der "Globalisierung" begründet. Die Entwicklung in den asiatischen "Tigerstaaten", verbunden mit den Konterrevolutionen in sozialistischen Ländern, machten angeblich einen Billiglohnwettbewerb notwendig. Ohnmächtig und hilflos sollten wir akzeptieren, dass dieser Wettbewerb nur durch viel Lohnverzicht "gewonnen" werden könne. Wir haben uns damit in der KAZ-Ausgabe 298 intensiv auseinandergesetzt und die Behauptungen widerlegt.[9] In unserer sicherlich unvollständigen Aufzählung erwähnen wir noch die "atmende Fabrik" des VW-Vorstandes Peter Hartz (auch Namensgeber von "Hartz IV"), mit welcher dieser um die Jahrtausendwende die volle Arbeitszeitflexibilisierung verlangte. In der Absatzkrise Mitte der 1990er-Jahre wurde die Arbeitszeit in den inländischen VW-Fabriken schon vorübergehend auf 28,8 Stunden (bei weitgehendem Lohnverzicht) herabgesetzt, um sie bei ansteigender Konjunktur auch über die tarifvertraglichen 35-Stunden auszuweiten. Atmen taten übrigens auch in dieser Fabrik letztlich nur die menschlichen Arbeiter, und zwar meist wieder einmal schneller und gehetzter.

Nun also "Industrie 4.0" oder Alles "4.0", was wieder einmal Ohnmacht und Angst vor der ausländischen Konkurrenz schüren soll und damit von den Kapitalinteressen ablenken. Die Bundesregierung, voran die Arbeitsministerin Nahles hilft dabei gern und schmeißt mit viel Getöse ein "Weißbuch Arbeiten 4.0" auf den Markt, um Arbeitsrecht und insbesondere Arbeitszeit aufzuweichen und zu schleifen. Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" als Unterabteilung des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall stellt in einem Positionspapier vier grundsätzliche Forderungen auf, die die Ziele des Kapitals in dieser angeblichen Revolution deutlich aufzeigen. Wenn es nach der "Initiative" geht, sollen Werkverträge, Befristungen und Zeitarbeit weiterhin nicht eingeschränkt werden. Vielmehr sollen Rahmenbedingungen für individuelle Arbeitszeitgestaltungen geschaffen werden. Dies bedeutet nicht weniger, als die Abschaffung gesetzlicher Schutzrechte und die Auflösung von Tarifverträgen. So heißt es in dem Papier "Pauschale Regulierungen zum vermeintlichen Schutz der Arbeitnehmer werden diesem Potenzial [der flexiblen Arbeitsorganisation] jedoch nicht gerecht. Vielmehr gilt es, auf individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu setzen. ... An diese neuen Möglichkeiten muss konsequenterweise auch das deutsche Arbeitsrecht angepasst werden. Feste, ununterbrochene Ruhezeiten und tägliche Höchstarbeitszeiten passen nicht mehr in die heutige Zeit."[10] Zum "Arbeiten 4.0" oder dann "Ausbeuten 4.0" wurde in der vorherigen KAZ-Ausgabe 358 bereits viel erläutert und gesagt[11]. Wir sehen: Die glatt und modern daherkommende "Industrie 4.0" wird schon wieder zum Schlag gegen unsere Interessen, wir sollen mehr und flexibler arbeiten, starre Regeln passen nicht in das Zeitalter der Digitalisierung. So wie früher angeblich starre Regeln nicht zur "lean production", der "Globalisierung" oder der "atmenden Fabrik" passten. Das erwähnte Weißbuch der Regierung wurde übrigens nicht mit der "Industrie 4.0" produziert. Zwischen Bestellung, einer weiteren Bestellung, erneuter Nachfrage und Lieferung an uns lagen mehrere Monate ... Soviel zur effizienten Datenverarbeitung.

Ist "Industrie 4.0" eine neue industrielle Revolution?

Wenn wir die "vierte industrielle Revolution" ernsthaft untersuchen wollen, müssen wir von den durch die Arbeiterbewegung erarbeiteten wissenschaftlichen Begrifflichkeiten und Definitionen ausgehen. Wir müssen diese Diskussion frei von bürgerlicher Propaganda halten und die wesentlichen, das Proletariat betreffenden, wissenschaftlich relevanten und auf den Fortschritt gerichteten Argumente sammeln und ordnen. Diejenigen, die den Begriff "Industrie 4.0" als zutreffend ansehen, verbinden damit die Aussage, dass wir uns mitten in einer oder zumindest unmittelbar vor einer tiefgreifenden Umwälzung aller Produktionsprozesse befinden. Umwälzungen betreffen aber nicht nur den Produktionsprozess an sich, sondern wirken auf die gesamte Gesellschaft, verändern Beziehungen und die materielle Lage, kurz: Sie betreffen alle wesentlichen Elemente der Produktionsverhältnisse. Die Produktionsverhältnisse beschreiben umfassend die jeweilige Stellung des Menschen im Produktionsprozess in allen daraus folgenden Wechselwirkungen, also: den Menschen in seiner Stellung zu seiner Umwelt und den anderen Gesellschaftsmitgliedern. Auf dieser Grundlage gilt es die Bedeutung von "Industrie 4.0" zu prüfen.

Die "Plattform Industrie 4.0" definiert ihre Sicht: "In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Treibende Kraft dieser Entwicklung ist die rasant zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie verändert nachhaltig die Art und Weise, wie zukünftig in Deutschland produziert und gearbeitet wird: Nach Dampfmaschine, Fließband, Elektronik und IT bestimmen nun intelligente Fabriken (sogenannte "Smart Factories") die vierte industrielle Revolution.

Technische Grundlage hierfür sind intelligente, digital vernetzte Systeme, mit deren Hilfe eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion möglich wird: Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren in der Industrie 4.0 direkt miteinander. Produktions- und Logistikprozesse zwischen Unternehmen im selben Produktionsprozess werden intelligent miteinander verzahnt, um die Produktion noch effizienter und flexibler zu gestalten."[12]

"Industrie 4.0" ist demnach ein qualitativer Sprung, eine grundlegende Veränderung und keine schrittweise Weiterentwicklung des Bestehenden. Schrittweise (quantitative) Änderung erfolgt seit dem Durchbruch des Kapitalismus als Gesellschaftsformation ständig. Immer wird geändert und entwickelt, wenn auch mit Hindernissen und Rückschlägen. In der Tendenz erfolgt insbesondere fortwährend der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen.

Die industrielle Revolution bewirkte ausgehend von Großbritannien historisch die Durchsetzung des Kapitalismus als Gesellschaftssystem. Technisch wird dieser Sprung verbunden mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Durchsetzung der Maschine als Produktionsmittel, die der industriellen Produktionsweise den Weg ebnet. Friedrich Engels schrieb dazu in "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" 1845: "Die Geschichte der arbeitenden Klasse in England beginnt mit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts [ab 1750], mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Maschinen zur Verarbeitung der Baumwolle. Diese Erfindungen gaben bekanntlich den Anstoß zu einer industriellen Revolution, einer Revolution, die zugleich die ganze bürgerliche Gesellschaft umwandelte und deren weltgeschichtliche Bedeutung erst jetzt anfängt erkannt zu werden."[13] Zurecht betont wird die Verbindung von technischer und gesellschaftlicher Umwälzung, die Entstehung der Arbeiter als relevante Klasse (welche damals dennoch weiterhin eine Minderheit gegenüber den Bauern darstellte). Engels bezeichnet die Fabrikarbeiter in dem genannten Werk folglich auch als "älteste Kinder der industriellen Revolution"[14]. Fast spöttisch beschreibt er das Leben der Arbeiter vor der industriellen Revolution, als diese noch keine Fabrikarbeiter gewesen waren:

"Auf diese Weise vegetierten die Arbeiter in einer ganz behaglichen Existenz und führten ein rechtschaffenes und geruhiges Leben in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, ihre materielle Stellung war bei weitem besser als die ihrer Nachfolger ... Sie waren "respektable" Leute und gute Familienväter, lebten moralisch, weil sie keine Veranlassung hatten, unmoralisch zu sein, da keine Schenken und liederlichen Häuser in ihrer Nähe waren, und weil der Wirt, bei dem sie dann und wann ihren Durst löschten, auch ein respektabler Mann und meist ein großer Pächter war, der auf gutes Bier, gute Ordnung und frühen Feierabend hielt. Sie hatten ihre Kinder den Tag über im Hause bei sich und erzogen sie in Gehorsam und der Gottesfurcht; ... Sie konnten selten lesen und noch viel weniger schreiben, gingen regelmäßig in die Kirche, politisierten nicht, konspirierten nicht, dachten nicht, ergötzten sich an körperlichen Übungen, hörten die Bibel mit angestammter Andacht vorlesen und vertrugen sich bei ihrer anspruchslosen Demut mit den angeseheneren Klassen der Gesellschaft ganz vortrefflich. Dafür aber waren sie auch geistig tot, lebten nur für ihre kleinlichen Privatinteressen, für ihren Webstuhl und ihr Gärtchen und wußten nichts von der gewaltigen Bewegung, die draußen durch die Menschheit ging. Sie fühlten sich behaglich in ihrem stillen Pflanzenleben und wären ohne die industrielle Revolution nie herausgetreten aus dieser allerdings sehr romantisch-gemütlichen, aber doch eines Menschen unwürdigen Existenz. Sie waren eben keine Menschen, sondern bloß arbeitende Maschinen im Dienst der wenigen Aristokraten, die bis dahin die Geschichte geleitet hatten; die industrielle Revolution hat auch nur die Konsequenz hiervon durchgesetzt, indem sie die Arbeiter vollends zu bloßen Maschinen machte und ihnen den letzten Rest selbständiger Tätigkeit unter den Händen wegnahm, sie aber eben dadurch zum Denken und zur Forderung einer menschlichen Stellung antrieb."[15]

Der Streit um die Definition etwaiger weiterer industrieller Revolutionen ist dem gegenüber vorwiegend technisch geprägt. Er beginnt um die Behauptung einer zweiten industriellen Revolution Anfang des 20. Jahrhunderts. Hierbei verweist ein Teil auf die Einführung des Fließbandes als Entwicklungssprung, der andere sieht als Wesentliches die flächendeckende Elektrifizierung oder beides gemeinsam. Beide Neuerungen haben fraglos wichtige Bedeutung, jedoch brachten sie keine Änderungen oder gar Sprünge in der Qualität gesellschaftlicher Verhältnisse. Während die industrielle Revolution 100 Jahre vorher mit der Durchsetzung des Kapitalismus, der Herausbildung von Kapital und Proletariat als wesentliche, unversöhnliche Klassen verbunden war, fehlt eine vergleichbare Entwicklung hier. Als dritte oder auch wissenschaftlich-technische Revolution wird dann noch die Durchsetzung der Computertechnologie ab den 1980er-Jahren gesehen. Mit dieser veränderten sich fraglos alle Steuerungs- und Automatisierungsvorgänge in der Produktion, Computertechnik wurde Massenprodukt und zog als PC oder verbaut in Elektro- und Küchengeräten, Autos oder Kinderspielzeugen in praktisch jeden Haushalt ein. Nun wird aktuell auf Basis der weiterentwickelten Hardware (PC) aus der dritten industriellen Revolution mit vergleichsweise kurzem Zeitabstand die vierte industrielle Revolution, das Zeitalter der Digitalisierung oder eben Industrie 4.0 definiert. Selbst wenn man dem folgt, kann nicht bestritten werden, dass diese angebliche vierte industrielle Revolution - im Gegensatz zu den drei vorhergehenden - nicht in der Rückbetrachtung definiert wird, sondern im Voraus! Dies ist ein methodischer Unterschied und eine deutliche Differenz zu den bisherigen Definitionen.

Ob es sich nunmehr bei der anstehenden Veränderung um einen qualitativen Sprung im Sinne einer (weiteren) industriellen Revolution handelt oder um die Fortsetzung der ständigen Produktivkraftentwicklung, wird in etlichen linken Publikationen nicht klar beantwortet. Die Frage wird aufgeworfen und etwas umschlichen, in der Tendenz besteht oft die Neigung, der These von der neuen Revolution zuzustimmen oder die Ablösung des industriellen durch das digitale Zeitalter zu sehen. Die Arbeiterklasse und vor allem ihre Chancen in der Entwicklung kommen regelmäßig gar nicht oder kaum vor, es werden in gut gemeinter Weise die Bedrohlichkeit, die Gefahren für die Verschlechterung der Lage nachgezeichnet. Vergleicht man dies mit Engels Beschreibung der industriellen Revolution, bleibt es unschlüssig. Dann wird die Arbeiterklasse in den Beschreibungen der "Industrie 4.0" gedanklich abgeschafft, weil die Maschinen ja demnächst alles selber machen. Wahrlich keine neue Entwicklung, schon lange wird der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen als Auflösung der Arbeiterklasse betrachtet. Während die, nach dieser Sicht erste industrielle Revolution die Arbeiter als Klasse formte, macht die angeblich vierte also das Gegenteil. Oder die negativen Wirkungen der "Industrie 4.0" sind so verheerend dargestellt, dass danach gar nichts mehr geht, die Lage der Arbeiter wird aussichtslos. Dabei zeigen doch Beschreibungen wie die zitierte von Engels gerade, dass die Umwälzungen für die Arbeiterklasse immer auch Chancen bedeuten. Die industrielle Revolution verschlechterte die materielle Lage der Arbeiter zunächst, aber sie bildete gleichzeitig letztlich die Grundlage für Revolutionen oder mindestens vorübergehende Verbesserungen. So schwer erkennbar es für manchen derzeit sein mag, die Entwicklung fördert auch immer wieder den Kampf, die Entwicklung der Produktivkräfte geht nie ohne dieses Element. Daher gab und gibt es unseres Erachtens bisher eine industrielle Revolution und keine weitere Änderung der Qualität, insbesondere keine Änderung, die einherging mit solchen gesellschaftlichen Umwälzungen, wie wir sie zitiert haben.

Industrie 4.0 - Deutsche Steuerung für die Welt?

"Industrie 4.0" ist ein Begriff aus Deutschland, eine englische Entsprechung wie "Industry 4.0" gibt es nicht. In den USA besteht als Konkurrenz der Zusammenschluss "Industrial Internet Consortium" (IIC), daneben gibt es entsprechende Zusammenschlüsse in Frankreich und Japan. Auf der von den Bundesministerien betriebenen Internetseite "Plattform Industrie 4.0" heißt es dazu: "Die Plattform führt intensive Dialoge mit nationalen und internationalen Allianzen, um Austausch und Standardisierung voranzutreiben sowie Deutschland als Leitmarkt für Industrie 4.0 zu positionieren. [...] International kooperiert die Plattform mit dem Industrial Internet Consortium (USA), der Alliance Industrie du Futur (Frankreich) und der Robot Revolution Initiative (Japan). Zudem gibt es ein Memorandum of Understanding und einen gemeinsamen Aktionsplan mit China, einen regelmäßigen Austausch mit der Europäischen Union sowie den G20-Ländern."[16] Es gibt also vier unterschiedliche Vereinigungen, die Volksrepublik China hält sich noch relativ distanziert. In der internationalen Konkurrenz geht es immer darum, wer die Standards und Normen bestimmt, welche Voraussetzungen für den Absatz außerhalb des Heimatmarktes bestehen. In der Computertechnologie, bei digitaler Vernetzung und Steuerung gilt dies besonders. Die Mitgliedschaften bei den verschiedenen Veranstaltungen sind dabei teils durchaus wechselseitig: So sind Siemens, SAP oder Bosch auch Mitglied im US-amerikanischen IIC[17] und General Electric oder Intel Deutschland auch Teilnehmer der Plattform Industrie 4.0.[18]

Aber es bleibt unübersehbar: Es sind Konkurrenzveranstaltungen, die von den jeweiligen Monopolen bestimmt werden: Siemens vorneweg (mit Bosch und SAP) bei der Plattform Industrie 4.0; General Electric, Intel, AT&T und IBM auf Seiten des amerikanischen IIC. Darüber hinwegtäuschen können auch mit diplomatischen Worten geführte Konferenzen zwischen der Plattform und dem IIC nicht, wie beispielsweise im Frühjahr 2016 in Zürich auf "neutralem schweizer Boden".[19] Solche Kooperationen halten immer nur vorübergehend.[20] Sobald eine Seite in den Nachteil gerät, bricht das Bündnis auf. Die Sicht der Konkurrenz bestätigt beispielsweise der Vorsitzende der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) Mittelbach: "Zunächst benötigen wir die Politik, um in Europa einen digitalen Binnenmarkt zu errichten. Gegenüber den USA haben wir da einen gewissen Wettbewerbsnachteil: Unser Binnenmarkt ist erst dann tatsächlich groß, wenn er europäisch ist, ausgestattet mit den entsprechenden Rahmenbedingungen. Dann können wir den Wettbewerb mit der Welt aufzunehmen - und den brauchen wir dringend auch im digitalen Bereich. ... Natürlich ist das IIC auch Wettbewerber der Plattform Industrie 4.0. Wir sind das Thema allerdings schon vor vielen Jahren angegangen. Nicht umsonst ist der Begriff "Industrie 4.0" hierzulande entstanden, und wir achten darauf, dass wir ihn nicht ins Englische übersetzen und von "Industry 4.0" sprechen. Im Kern ist das IIC die Antwort der Amerikaner auf das, was wir in Deutschland [...] längst initiiert haben."[21] Die Kanzlerin wurde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) 2015 noch etwas deutlicher: "Wir müssen - das sage ich als deutsche Bundeskanzlerin angesichts einer starken deutschen Wirtschaft - die Verschmelzung der Welt des Internets mit der Welt der industriellen Produktion - wir nennen das in Deutschland "Industrie 4.0" - schnell bewältigen, weil uns sonst diejenigen, die im digitalen Bereich führend sind, die industrielle Produktion wegnehmen werden."[22]

Ein schädliches Missverständnis der Konkurrenz begegnet uns auch in linken Publikationen gelegentlich. Die fraglos in ihrem Geschäft großen Akteure Amazon, Facebook und Google werden dämonisiert als Datenkraken, die ihre umfangreichen Informationen nicht nur zum Profit machen einsetzen wollten, sondern undemokratische Strukturen fördern, gelegentlich bis hin zur Behauptung eines drohenden "Digitalfaschismus". Hierzu ist festzustellen, dass Monopole[23] nie demokratisch sind, weder US-amerikanische, noch deutsche, noch andere. Es bleibt unklar, warum die drei immer so stark in dem Zusammenhang von "4.0" herausgehoben werden, in den Veranstaltungen von Plattform Industrie 4.0 oder IIC sind sie jedenfalls nicht vertreten. Wer den absolut berechtigten Blick auf unkontrollierte Datensammlungen richtet, sollte sich in Deutschland beispielsweise den Bundesnachrichtendienst genauer ansehen. Diese staatliche und von jeher undemokratische, maßgeblich von alten Nazis aufgebaute Einrichtung zeigt nunmehr mitten in Berlin deutlich ihre Funktion: 4.000 Beamte hocken in einem Komplex mit einer Ausdehnung von etwa 35 Fußballfeldern, es war zeitweilig die größte Baustelle Europas. Hier ist sicher, dass allerlei Daten nicht zu unserem Nutzen über uns gesammelt werden, hier sollte man konkret gegen digitale Entwicklungen protestieren, die fraglos undemokratisch sind.[24]

Kapital bleibt Kapital

Bei allen bunt gemalten Bildern über automatische und digital vernetzte Produktion dürfen wir nie vergessen auf welchen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Kapitalismus beruht. Diese können und werden nicht außer Kraft gesetzt, durch technische Entwicklungen. Letztere machen nur den Grundwiderspruch kapitalistischer Verhältnisse zwischen dem Privatbesitz der Produktionsmittel durch eine winzige Schicht und der gesellschaftlichen Produktion immer schreiender. Auch die "Industrie 4.0" soll die Ausbeutung steigern und verschärfen und erfolgt auf Basis der kapitalistischen Konkurrenz. Schon die beiden wichtigsten, separaten Organisationen Plattform Industrie 4.0 und IIC zeigen dies. Doch auch wenn es weltweit nur eine gemeinsame Gruppierung gäbe: Konkurrenz bedeutet in diesem Zusammenhang rein technisch insbesondere die Tatsache, dass die digitale Vernetzung zwischen den einzelnen Produzenten eine Öffnung bedeutet, teils auch Öffnung gegenüber der Konkurrenz. Wer hat dabei die Herrschaft über die Definitionen der Standards, Schnittstellen und Normen? Jeder dieser Kapitalisten will, dass sich die jeweils anderen öffnen und Zugang zu ihren Systemen gewähren, will sich gleichzeitig gegenüber den anderen aber möglichst wenig öffnen. Zumindest wird jeder eine Option haben wollen "den Stecker ziehen zu können". Somit bleibt die kapitalistische Konkurrenz letztlich ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zur propagierten Revolution im Kapitalismus. Erkennbar ist dabei nur, dass die kleineren Akteure, die Zulieferer und Handlanger der großen Monopole ein weiteres Stück abhängiger von diesen werden.

Keine Änderung der Produktionsweise im Kapitalismus beseitigt die insgesamt chaotischen Marktverhältnisse, die anarchistischen Produktionsverhältnisse. Wo an der einen Stelle komplexe Prozesse mit hohem Aufwand scheinbar perfekt durchorganisiert werden, scheitert es kurz davor oder danach wieder an einem vergleichsweise kleinen Detail. Bei VW als gewichtigem Akteur von "Autoindustrie 4.0" fehlten im Februar 2017 plötzlich Handschuhfachklappen für das Passat Modell. Täglich 1.100 Fahrzeuge mit einem Produktwert von vielen Millionen konnten aufgrund eines vergleichsweise geringwertigen Kunststoffteiles nicht ausgeliefert werden. Ein passender 3D-Drucker, der auf die Schnelle Handschuhfachklappen in Losgröße[25] von täglich 1.100 Stück liefert, war offensichtlich nicht verfügbar und so mussten für etliche Millionen Euro Parkplätze und leere Hallen angemietet werden. Hier wurden die fertig produzierten Fahrzeuge zwischengelagert, um auf ihre abschließende Veredelung durch die Handschuhfachklappe zu warten. Jeder Kollege kennt aus seinem betrieblichen Alltag vergleichbare Beispiele, der die vielen bunten Filmchen der reibungslosen und sich selbststeuernden Produktion widerlegt. Auch kann man diese Widersprüche durchaus im Alltag als Konsument erleben, wir erwähnen nur die reibungslose, vollautomatische Flaschenrückgabe am Pfandautomaten ... Oder was bringt es, wenn man sich die exakte Verspätung der Deutschen Bahn in Echtzeit per App auf alle Geräte senden lassen kann? Die Verspätungen werden dadurch nicht weniger, es werden Mittel zur genauen Erfassung der Verspätungen statt zu deren Beseitigung ausgegeben. Das ist dann wohl "Verspätung 4.0" und damit mehr Fäulnis als Fortschritt.

Auch wird keine "weitestgehend selbstorganisierte" Produktion bewirken, dass etliche der Produkte anschließend nicht auf zahlungskräftige Nachfrage treffen, die Überproduktion wird mit "Industrie 4.0" bestehen bleiben, bzw. möglicherweise noch verstärkt. Dieser Aspekt wird in der Diskussion selbstverständlich ausgespart, es geht um Effektivierung und Profitsicherung innerhalb des heutigen Systems. Deshalb stößt jede Veränderung früher oder später an die Grenze des Absatzes, der weiter durch die zahlungskräftige Nachfrage bestimmt wird. Es bleibt auch dabei, dass Mehrwert (bzw. Profit als verwandelte Form des Mehrwerts) nur durch die konkrete Anwendung menschlicher Arbeitskraft, durch die Ausbeutung entsteht. Je mehr vergangene menschliche Arbeitskraft wiederum in Maschinen, Anlagen oder Steuerungen (konstantes Kapital) angehäuft wird, desto geringer ist tendenziell die Profitrate. So sehr das Kapital danach strebt, mit möglichst wenig Menschen zu produzieren, desto schneller fällt ihnen dieses Streben auf die Füße und bewirkt das Gegenteil dessen, was gewollt war: weniger Profit als mehr. Insofern gilt auch hier: "Industrie 4.0" mindert tendenziell die Profitrate.

Weil dies alles so ist, ist "Industrie 4.0" ein wichtiges Thema für die Werktätigen und die Gewerkschaften, weil es ihre Bedingungen berührt. Dabei fragen wir uns, was der IG Metall-Vorsitzende Hofmann im Leitungsgremium der Plattform Industrie 4.0 denn so genau macht. Der Angriff, der im Zuge von "4.0" derzeit rollt, erfordert die Organisierung von Gegenwehr, keine "Mitgestaltung" in trauten Diskussionsrunden. Denn spätestens wenn das Kapital feststellt, dass die ganzen schönen Luftschlösser von 4.0 einen Haufen Geld gekostet haben, wird man die Arbeiter wieder einmal zum Zahlen rufen. Das im Blick zu haben, ist richtig, "Angst und Ohnmacht 4.0" hilft uns dabei nicht und Erstarren vor der scheinbar völlig neuen Produktionswelt auch nicht.

Die Frage bleibt: Die oder wir!

Stattdessen gilt es doch festzustellen: Der jetzt unter dem Deckmantel von "4.0" geführte Angriff auf die gesetzlich festgelegte Arbeitszeit, das Bestreben des Kapitals nach zeitlich unbegrenzter Verfügung über unsere Arbeitskraft, betrifft unmittelbar die gesamte Arbeiterklasse, über alle heute schon bestehenden Differenzierungen und Spaltungen hinweg:

Er betrifft die doppelt unterdrückten Kollegen im Osten, wie die im Westen; die Belegschaften in den Großbetrieben, wie die in den vielfältigen kleineren oder Kleinstbetrieben; die Leiharbeiter und befristet Angestellten, wie die sog. Stammbelegschaften; die Lohnabhängigen in denjenigen Bereichen, in denen aus unterschiedlichen Gründen derzeit ein Fachkräftemangel herrscht und die deshalb etwas bessere Bedingungen beim Verkauf ihrer Arbeitskraft haben, wie diejenigen, die aufgrund geringer Ausbildung oder weil ihre Ausbildung als Einwanderer nicht anerkannt wird.

Dabei sind wie immer die Gründe für den Mangel bestimmter Arbeitskräfte ("Fachkräftemangel") wie immer durch den deutschen Imperialismus selbst gemacht. So werden in dem unsäglich rückständigem Bildungssystem zwar mehr Abiturienten als je zuvor produziert. Diese haben trotz Schwächen in Grundfertigkeiten wie Kopfrechnen oder Rechtschreibung sogar immer bessere Noten. Dennoch werden in paar Jahre später etliche von ihnen Studienabbrecher. Oder aber es werden vermehrt Leiharbeiter eingestellt, statt Fachkräfte aus- und weiterzubilden, Leiharbeitsfirmen bilden nicht aus. So besteht in Deutschland auf Facharbeiterebene und insbesondere in technischen Berufen ein beginnender Arbeitskräftemangel. Neben Defiziten im Bildungssystem wirkt hier auch der besondere Aspekt der Fäulnis, dass etliche gut ausgebildete Ingenieure als technische Verkäufer oder Gutachter in irgendwelchen Streitigkeiten ihr teils durchaus gutbezahltes Auskommen haben. Es geht dabei aber nicht um forschen, entwickeln und bauen, sondern lediglich um Profitverteilung zwischen verschiedenen Kapitalisten.[26]

In diesem ganzen Chaos und Elend steht im Kapitalismus immer die Frage: Mehr Zeit für uns, für unsere Interessen, mehr Zeit zum Leben und zum Kämpfen, haben wir noch nie geschenkt bekommen. Und es wäre dumm von uns zu glauben, es gäbe im Kapitalismus auch nur den geringsten Fortschritt, ohne unseren Kampf gegen die Klasse der Kapitalisten oder das ließe sich über "richtig" wählen regeln. Anpassung an die "neuen Bedingungen", an die "Arbeit 4.0", an den technischen Fortschritt kann und muss für uns heißen: Keine Arbeitszeitverlängerung - wie vom Kapital verlangt -, sondern Arbeitszeitverkürzung und planmäßige Produktion für unsere Bedürfnisse statt Produktion für den Profit des Kapitals, bei der die Gefahr von Faschismus und Krieg systemimmanent ist.

Es gilt also die Kräfte für den Kampf gegen diesen Angriff zu konzentrieren und ausgehend von den objektiv schlagkräftigen Belegschaften in den Großbetrieben im ganzen Land in den Betrieben und Gewerkschaften die Auseinandersetzung um die Organisierung des politischen Streiks zu führen. Hände weg vom gesetzlichen Acht-Stunden-Tag, stattdessen Verkürzung des Arbeitstages, das muss die Antwort sein auf die Diskussion um "4.0". Damit die Klasse als Klasse für jeden Lohnabhängigen wieder sichtbar wird. Um an die Lösung der Frage heranzukommen, die Friedrich Engels bereits im Vorwort zu Marx "Lohnarbeit und Kapital" als möglich und notwendig zu lösen formulierte und deren Lösung heute immer drängender wird: "Aber diese stets rascher einander verdrängenden Erfindungen und Entdeckungen, diese sich in bisher unerhörtem Maße Tag auf Tag steigernde Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit schafft zuletzt einen Konflikt, worin die heutige kapitalistische Wirtschaft zugrunde gehn muss. Auf der einen Seite unermessliche Reichtümer und einen Überfluss von Produkten, den die Abnehmer nicht bewältigen können. Auf der andern die große Masse der Gesellschaft proletarisiert, in Lohnarbeiter verwandelt und eben dadurch unfähig gemacht, jenen Überfluss von Produkten sich anzueignen. Die Spaltung der Gesellschaft in eine kleine, übermäßig reiche und eine große, besitzlose Lohnarbeiterklasse bewirkt, dass diese Gesellschaft in ihrem eignen Überfluss erstickt, während die große Mehrzahl ihrer Glieder kaum oder nicht einmal vor dem äußersten Mangel geschützt ist. Dieser Zustand wird mit jedem Tag widersinniger und - unnötiger. Er muss beseitigt werden, er kann beseitigt werden. Eine neue Gesellschaftsordnung ist möglich, worin die heutigen Klassenunterschiede verschwunden sind und wo - vielleicht nach einer kurzen, etwas knappen, aber jedenfalls moralisch sehr nützlichen Übergangszeit - durch planmäßige Ausnutzung und Weiterbildung der schon vorhandnen ungeheuren Produktivkräfte aller Gesellschaftsglieder, bei gleicher Arbeitspflicht, auch die Mittel zum Leben, zum Lebensgenuss, zur Ausbildung und Betätigung aller körperlichen und geistigen Fähigkeiten, gleichmäßig und in stets wachsender Fülle zur Verfügung stehn."[27]

*

Marx zu Maschinerie und große Industrie

"Alle entwickelte Maschinerie besteht aus drei wesentlich verschiednen Teilen, der Bewegungsmaschine, dem Transmissionsmechanismus, endlich der Werkzeugmaschine oder Arbeitsmaschine. Die Bewegungsmaschine wirkt als Triebkraft des ganzen Mechanismus. Sie erzeugt ihre eigne Bewegungskraft, wie die Dampfmaschine, kalorische Maschine, elektro-magnetische Maschine usw., oder sie empfängt den Anstoß von einer schon fertigen Naturkraft außer ihr, wie das Wasserrad vom Wassergefäll, der Windflügel vom Wind usw. Der Transmissionsmechanismus, zusammengesetzt aus Schwungrädern, Treibwellen, Zahnrädern, Kreiselrädern, Schäften, Schnüren, Riemen, Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt, wo es nötig, ihre Form, z.B. aus einer perpendikulären in eine kreisförmige, verteilt und überträgt sie auf die Werkzeugmaschinerie. Beide Teile des Mechanismus sind nur vorhanden, um der Werkzeugmaschine die Bewegung mitzuteilen, wodurch sie den Arbeitsgegenstand anpackt und zweckgemäß verändert. Dieser Teil der Maschinerie, die Werkzeugmaschine, ist es, wovon die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert ausgeht. Sie bildet noch jeden Tag von neuem den Ausgangspunkt, sooft Handwerksbetrieb oder Manufakturbetrieb in Maschinenbetrieb übergeht."

Karl Marx, Kapital Band I (MEW 23), Vierter Abschnitt, 13. Kapitel, S. 391-440


Anmerkungen:

[1] kaz-online.de/artikel/mit-weissbuch-arbeiten-4-0-gegen-arbeitsrecht-und-arbeitszeit

[2] Süddeutsche Zeitung 30.06.2016
www.sueddeutsche.de/karriere/bildung-lehre-im-wandel-1.3054987

[3] Handelsblatt 23.09.2014 nach
www.handelsblatt.com/technik/vernetzt/auto-4-0-wenn-alt-und-neu-zusammenarbeiten/10738828.html

[4] Berliner Zeitung 21.12.2016
www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/-verbraucherschutz-4-0-gruenen-politiker-remmel-moechte-reichenrabatt-abschaffen-25354428

[5] www.vdi.de/technik/fachthemen/bauen-und-gebaeudetechnik/studenten-und-jungingenieure/wohnen-40/

[6] Gemeint sind "Cyber-Krieg" und "Cyber-Abwehr". Die Formulierungen tauchen im Bericht zur Münchner Sicherheitskonferenz 2017 auf.

[7] Die ver.di-Branchenzeitung: DRUCK + PAPIER 04.2014 S. 8
www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=9&ved=0ahUKEwjsyceEif7SAhVCWRoKHTvmAFwQFghWMAg&url=https%3A%2F%2Fverlage-druck-papier.verdi.de%2F%2B%2Bfile%2B%2B54046d48aa698e36700001d6%2Fdownload%2Fd%252Bp%25204-2014.pdf&usg=AFQjCNGBeSe_RDGcnwReq3vQj7txJIWI3Q&cad=rja

[8] Bedeutet soviel wie positive Veränderung

[9] archiv.kaz-online.de/magazine.php?curl=cur&i=287

[10] INSM-Position: Arbeit 4.0, Digitalisierung als Chance S. 2

[11] kaz-online.de/artikel/mit-weissbuch-arbeiten-4-0-gegen-arbeitsrecht-und-arbeitszeit

[12] www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html

[13] Engels in Karl Marx Friedrich Engels Werke (MEW), Band 2, S. 237, Dietz Verlag Berlin, Ausgabe 1962

[14] ebenda, S. 253

[15] ebenda, S. 238 ff.; Hervorhebung durch uns

[16] www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/Plattform/Ergebnisse/ergebnisse.html

[17] www.iiconsortium.org/members.htm

[18] www.plattform-i40.de/I40/Redaktion/DE/Downloads/Publikation-gesamt/zusammensetzung_plattform.pdf?__blob=publicationFile&v=9

[19] www.plattform-i40.de/I40/Redaktion/EN/PressReleases/2016/2016-03-02-kooperation-iic.html

[20] Wobei hier unklar ist, ob es sich überhaupt um eine ernsthaft angestrebte Kooperation handelt

[21] www.handelsblatt.com/technik/hannovermesse/plattform-industrie-4-0-deutschland-wehrt-sich-gegen-das-y/11636154.html

[22] www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/01/2015-01-22-merkel-wef.html

[23] Also die großen, herrschenden Kapitalkonzentrationen, in denen das Bank- und Industriekapital verschmilzt

[24] www.bnd.bund.de/DE/Organisation/Neubau_der_Zentrale/Fakten_neue_Zentrale/fakten_zentrale_node.html;jsessionid=65A4A9ECA5CBC99C86CE4AF3D95E8C17.2_cid377

[25] Produktionsmenge

[26] So erkennt man bei Großaufträgen oder großen Bauprojekten mittlerweile drei Gruppen von Ingenieuren. Die erste Gruppe bei den Bau- oder Maschinenbaufirmen, die Lücken in den Verträgen oder vereinbarten Aufträgen suchen, um zusätzliche Rechnungen durchzusetzen. Die zweite Gruppe des Auftraggebers, die diese zusätzlichen Ansprüche versucht abzuwehren und die dritte Gruppe, die in der ganzen chaotischen Anarchie versucht, das eigentliche Werk (Maschine, Gebäude oder Straße) tatsächlich von den Arbeitern erstellen zu lassen.

[27] Karl Marx/Friedrich Engels - Werke (MEW), Band 22, Dietz Verlag, S. 209; Hervorhebungen (fett) im Original kursiv

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 359, Juni 2017, S. 26 - 32
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2017

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