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KAZ/323: Zur politischen Ökonomie der Seuche


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 371, April 2020
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Zur Politischen Ökonomie der Seuche oder Das Virus und der Klassenkampf

Erklärung der Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (Stand: 28. März 2020)


1. Die Seuche ist real und gefährlich wegen des außergewöhnlichen und neuartigen Ansteckungspotentials des Sars-CoV-2-Virus, allgemein Corona Virus genannt. Es ist alles zu tun, um die schnelle Ausbreitung der Covid19-Seuche zu bekämpfen.

2. Die Herrschenden im Land aus Wirtschaft und Politik erwiesen sich einmal mehr als unfähig, sich auf diesen Fall vorzubereiten und entsprechend zu handeln. Sie haben seit vielen Jahren das Gesundheitswesen kaputtgespart, privatisiert und auf Profit statt auf Patienten ausgerichtet.

3. Jetzt, da es ernst wird, stehen nicht die Werktätigen, sondern "die Wirtschaft" im Zentrum ihrer Anstrengungen, die Großkonzerne zuerst. Da werden mit hunderten von Milliarden Euro die Porsche und Piëchs (VW), die Quandts (BMW), die Schäfflers, Siemens und wie sie alle heißen "gerettet". Ihr Milliardenvermögen bleibt unangetastet, das sie jetzt im Homeoffice verwalten dürfen, in ihren Villen als Festungen ausgebaut, von Dienstboten verwöhnt und von Leibärzten versorgt. Dafür ist jetzt das Geld da, während die Hartz IV-Empfänger immer noch auf Hungerration gesetzt sind. Aber bei VW wird erwartet, dass die Dividende/Aktie aus dem Geschäftsjahr 2019 um 40% steigen soll.

4. Jetzt, da es ernst wird, propagieren führende Vertreter aus Politik und Kapitalistenkreisen scheinbar harmlos eine schnelle "Herdenimmunisierung" und nehmen damit bewusst den Tod von weltweit Millionen in Kauf, um nur möglichst rasch wieder die "Wirtschaft", sprich die Profitmaschine, anzuwerfen. "Aus der deutschen Wirtschaft werden Forderungen nach einer Abkehr von den jüngsten Schutzmaßnahmen im Kampf gegen die Covid-Pandemie laut. Die Maßnahmen träfen die Wirtschaft schwer, urteilt ein einflussreicher deutscher Finanzmanager: Der 'akute Absturz der Weltwirtschaft' sei 'der weit größere und gefährlichere Stresstest als Sars-CoV-2'. Man müsse fragen, 'ob es richtig sei, dass zehn Prozent der wirklich bedrohten Bevölkerung geschont, 90 Prozent samt der gesamten Volkswirtschaft aber extrem behindert werden mit der unter Umständen dramatischen Konsequenz, dass die Basis unseres allgemeinen Wohlstands massiv und nachhaltig erodiert?'" (German Foreign Policy zitiert hier Handelsblatt vom 20.3.2020). Der "einflussreiche Finanzmanager" ist der Herr Dibelius, Großneffe des berüchtigten evangelischen Bischofs, des eifernden Antisemiten und Antikommunisten, Otto Dibelius, Eigner u.a. einer 10-Mio.-Villa in St. Tropez, eines 16-Mio.-Palasts bei Kitzbühel, er war Teilhaber bei McKinsey und langjähriger Chef von Goldman Sachs Deutschland, Berater der Bundesregierung. Er verteidigt das Vorgehen in England: "Während man extreme Risikogruppen wie Senioren und Vorerkrankte isolieren wollte, sollte das Gros der wenig anfälligen Bevölkerung weiter seinen Alltag leben. Die Folge wäre eine Art bald eintretende Herdenimmunität, die so ab 50 Prozent 'Durchseuchung' auftritt und ihrerseits dann die besonders Gefährdeten auch wieder schützt. Eigentlich eine relativ vernünftige Strategie." Und auf den Punkt gebracht: "... besser eine Grippe als eine kaputte Wirtschaft." (Handelsblatt vom 20.3.) Und dann kommt der Herr Döpfner. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, urteilt, die "Folgen der Virusbekämpfung" könnten "schlimmer sein ... als die Folgen des Virus selbst". Folgsam tutet der Herr Linnemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag, ins gleiche Horn, das mit der Melodie vom schnellen "Exit" daherkommt, also der ungebremsten Ausbreitung der Seuche das Wort redet. Also: Her mit der Barbarei, Hunderttausende in Deutschland verrecken lassen und aus sicherer Entfernung zuschauen, wie die Reichen überleben.

5. Das Ganze bringt den Widerspruch von Einzelkapitalisten und Gesamtkapital zum Ausdruck. Das Interesse des Gesamtkapitals muss sich per Zwangsgesetz gegen die Interessen der vielen Einzelkapitale durchsetzen, wie es Marx etwa bei der Einführung des 10-Stunden-Tags in England beschreibt. Das Gesamtkapital muss mithilfe seines Staats die Grundlagen der Ausbeutung sichern, auch wenn dadurch die Ausbeutungsmöglichkeiten für den Einzelkapitalisten zeitweise verringert werden. Das Gesamtkapital kann Katastrophen nicht brauchen. Es steht auf Ausbeutung in Ruhe und Ordnung, kranke Arbeiter will es nicht, weil die keinen Profit bringen. Werden sie massenhaft krank und von der Seuche bedroht, dann muss etwas getan werden, um die Arbeitskraft wieder herzustellen, zwar so billig wie möglich und mit allerlei Schikanen und Repressalien, mit Zeigen der Machtinstrumente und Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, aber immerhin zur Wiederherstellung des "Menschenmaterials". - Der Einzelkapitalist steht in der Katastrophe vor dem Untergang als Kapitalist, besonders wenn er nicht zu den großen angeblich systemrelevanten Monopolen zählt. Da schreit man dann für den Erhalt "der Wirtschaft", dass die Räder doch ungebremst rollen müssen. Das heißt aber nichts anderes, als die Arbeiter ohne Schutz und Vorkehrung an die Maschinen zu jagen, was ja bei uns immer noch (Stand 27. März 2020) der Regelfall ist. Das ist auch der zur Schau gestellte Katastrophenkurs der AfD, deren Abgeordnete im Bundestag angeblich gelassen, in Wirklichkeit aber lemmingartig eng in ihrer Fraktionsherde zusammensitzen.

6. Beispielhaft kann von der VR China gelernt werden. Nicht nur, dass sie dort in der Bekämpfung der Ausbreitung des Virus vorbildlich sind: Es werden flächendeckend Maßnahmen getroffen: Bau neuer Intensivkrankenhäuser in gigantischem Tempo, rasche Bereitstellung von riesigen Testkapazitäten (Geräte und vor allem Helfer!), Schutzmasken und -vorrichtungen bis zu den kleinen Maßnahmen der Markierungen, um Abstand zu halten vor Läden, Einrichtungen, in Aufzügen etc. Dazu die staatlich organisierte großzügige Versorgung von denen, die in Quarantäne sind, mit Lebensmitteln und Medikamenten. Doch das ist nur der kleine sichtbare Teil. Die Basis ist, dass weitgehend Sicherheit geschaffen wird für Arbeitsplatz und damit Einkommen, für die Wohnung. Dass die Drohung von Obdachlosigkeit, Erwerbslosigkeit oder von Hunger weitgehend gebannt ist, kein Grund zur Angst vor Einsamkeit besteht trotz Isolation. Selbstverständlich sind sie eingebunden in soziale Zusammenhänge, in denen niemand allein gelassen wird. Bei allen Schwierigkeiten, die im Einzelnen aufgetreten sind, hat das sozialistische China mit Bravour den Kampf gegen die Seuche aufgenommen und hat sie hoffentlich bald überwunden. In Südkorea hat man immerhin schnell Testkapazitäten bereitgestellt, die gezielte Maßnahmen schneller ermöglicht haben. Die Volksrepublik China reicht ebenso wie das unvergleichliche Kuba allen Völkern die Hand, bietet Unterstützung von Material und Personal an, so arm wie diese Länder selbst noch sind. Dagegen die vor Kriegsrhetorik strotzenden reichen Imperialisten aus deutschen Landen, aus Frankreich, Großbritannien und den USA, die nicht einmal die eigene Bevölkerung schützen können oder wollen. Ausnahmen sind hier immer besonders hervorzuheben. So hat z.B. als China in Not war, wenigstens die Stadt Duisburg Hilfe geleistet.

7. Vorherrschend hier bei uns war das nicht. Wie hat man die "Machthaber in Peking" beschimpft für ihre "undemokratischen, Menschenrechte verletzenden Maßnahmen" für das "Zwangsregiment" usw. Statt China zu helfen oder wenigstens von ihm zu lernen, hat man hierzulande geradezu höhnisch und von oben herab die konsequenten Maßnahmen herabgewürdigt, nicht einmal anerkennend, dass auch China von dem Virus überrascht wurde und seine Gefährlichkeit zu Beginn noch nicht abschätzen konnte. Großkotzig lehnt der Bankkaufmann Jens Spahn, unser Krankheitsminister, die angebotene Hilfe aus China ab. Der vom Virus schwer betroffene Kreis Heinsberg/NRW hat sich davon allerdings nicht beeindrucken lassen und die VR China offiziell um Unterstützung gebeten. Muss es erst so weit wie in Italien kommen, von vielen in Unterentwicklung gehaltenen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika ganz zu schweigen? Bei den EU-Mitgliedern Italien, Spanien, Griechenland ist die Lage auch deswegen so dramatisch, weil diesen Ländern im Zuge der Finanzkrise 2008 bis 2011 durch die sog. Troika und das heißt durch die führende Macht in der EU, Deutschland nämlich, brutale Ausblutungsprogramme diktiert wurden, die zu drastischen Einsparungen im Gesundheitswesen führten. Und gerade diese Länder lässt man überdies im Stich bei der Aufnahme von Flüchtlingen, die unter brutalen Bedingungen in Lager gepfercht sind, Brutstätten der Pandemie. Infektion und Massensterben wird dabei offenbar billigend in Kauf genommen. Und das Festhalten an den Sanktionen bzw. Embargos gegen Kuba, Venezuela, Syrien, Iran, Russland ist kriminell.

8. Und bei uns: Zögerlicher Aufbau der notwendigen Testmöglichkeiten, fehlende Schutzbekleidung, fehlende Desinfektionsmittel, dass selbst Arztpraxen schließen müssen, die für die normale Versorgung der Bevölkerung zuständig sind. usw. Aber nun hunderte Milliarden schwere Hilfsprogramme für die Großkonzerne. Da kam das Virus gerade recht. Die Krise ist seit dem 3. Quartal 2018 in Gang - nicht wegen Brexit, Handelskrieg oder jetzt der Seuche. Es ist die zyklische Krise des Kapitalismus mit ihrem Zuviel an Waren, an Autos, an Maschinen, aber auch an Lebensmitteln, die produziert, aber nicht gekauft werden können, weil die Löhne und Sozialleistungen nicht mit den Produktionsmöglichkeiten mitgewachsen sind. Durch die Krise werden die schon chronisch vorhandenen Krisenerscheinungen noch verstärkt: die Erwerbslosigkeit, die Kluft zwischen Arm und Reich, die Unsicherheit der Existenz, die Enteignung der Sparer durch Negativzinsen. Jetzt kommt noch der Börsencrash dazu, dessen Ausmaße den letzten großen Einbruch von 2008 noch übertreffen. Aber unsere Herrschaften in Berlin haben nicht Patienten und Werktätige im Blick, sondern die Finanzoligarchen vom Schlage Quandt, Porsche usw. Keine Garantie des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, keine gesicherte häusliche Versorgung mit dem Lebensnotwendigen, beschämendes Imstichlassen der Ärmsten und Bedürftigsten - wenn da nicht das bewundernswerte Engagement der vielen, vielen Ehrenamtlichen und Freiwilligen wäre, die allerdings das Versagen des angeblich auf das Gemeinwohl verpflichteten Staats und seinen wirklichen Klassencharakter umso sichtbarer machen.

9. Das Bestreben einiger Teile von Regierung und Kapital, die Krankheit und die Wirtschaftskrise für Notstandsübungen und Kriegsvorbereitung zu benutzen, ist unübersehbar und muss scharf zurückgewiesen werden. Dabei nützt es gar nichts und schadet sogar, wenn die Pandemie als Panikmache verniedlicht und generell - ohne die Klassenfrage zu stellen - jegliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bekämpft werden. Damit würde man nur den oben genannten großkapitalistischen "Herdenimmunisierern" hinterherlaufen.

10. Worin liegt der Unterschied von Gesundheitsschutz und Notstandsübung? Der Unterschied liegt in der bewussten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, der Grundlage der Demokratie. Wenn mit zweierlei Maß gemessen, wenn die Maßnahmen einseitig für die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen gelten, während die Großkapitalisten ungeschoren bleiben, dann sieht man, dass es nicht mehr um die Bekämpfung der Pandemie, sondern um Notstandsübung und Kriegsvorbereitung geht.

Nehmen wir die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und in den Arztpraxen, die allseits gerühmt werden, aber als Kanonenfutter zu erbärmlichen Gehältern gnadenlos verheizt werden. Dagegen versuchen z.B. die Eigentümer der privaten Krankenhauskette Asklepios, auf Sparflamme zu kochen, solange die Fallpauschale für die Behandlung von Corona-Patienten nicht stimmt. So heißt es in der Süddeutschen Zeitung vom 15.3.: "Die Asklepios-Klinik (in Gauting) verfügt bayernweit über die größte Abteilung für Infektionskrankheiten der Lunge, hat aber keine Notaufnahme. Deshalb befinden sich bislang alle acht Coronavirus-Patienten, die stationär überwacht werden, im (kommunalen) Starnberger Krankenhaus." Oder: die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst, die etwa jetzt den Ansturm auf das Kurzarbeitergeld bewältigen sollen und das noch weitgehend ohne Schutzausrüstung, Schutzeinrichtungen, Gefahrenzulage. Dagegen die Großunternehmen, die unbehelligt auch nicht lebensnotwendige Produktion aufrechterhalten und Profit machen - ebenfalls ohne hinreichende Schutzmaßnahmen für die Lohnempfänger. Warum wird dies nicht mit Zwang durchgesetzt? Warum nicht das Gleiche für die Kolleginnen und Kollegen an der Kasse bei Lidl, Aldi und Co. und in Unternehmen, die für die Versorgung der Bevölkerung tatsächlich lebensnotwendig sind? Während Polizisten allenthalben den öffentlichen Raum überwachen, um Ansammlungen zu verhindern, wo bleibt die Überwachung von Schutzbestimmungen für die Belegschaften in den Betrieben durch Gesundheitsämter, Gewerbeaufsicht oder Berufsgenossenschaften? Offenbar muss dafür erst gestreikt werden (das ist bisher nicht verboten) wie die Kollegen vom Fiat-Werk im italienischen Pomigliano d'Arco bei Neapel. Warum werden keine Tarifverträge durchgesetzt mit Zwang etwa bei Amazon? Warum wird nicht der Forderung Nachdruck verliehen, dass Arbeit in Zeiten der Seuche mit mindestens 4.000,- Euro/Monat entlohnt wird? Warum nicht endlich die Vermögenssteuer wieder einführen und die sonstigen Steuern für die Reichen erhöhen? Und während bei der Masse der Bevölkerung mit empfindlichen Einbußen gerechnet wird, wetten Börsenspekulanten auf Profit, diesmal aus fallenden Kursen. Warum werden die nicht herangezogen und die Profite und Dividenden für die Bekämpfung der Seuche verwendet?

11. Warum Einsatz der Bundeswehr im Innern? Warum zivile Kräfte wieder einberufen und in Uniform stecken, statt Soldaten die Uniform ausziehen und ihren Dienst in zivilen Krankenhäusern leisten zu lassen, unter dem Kommando der dort vorhandenen Strukturen?

Stattdessen: "Bundeswehr mobilisiert 15.000 Soldaten", die zum Schutz "kritischer Infrastruktur" eingesetzt werden sollen. (Spiegel, 27.3.) Möglicherweise aber auch, um die Unterwerfung der Bürger unter das Regime des Ausnahmezustandes zu überwachen. Die "Informationsstelle Militarisierung" (IMI) berichtete: "Generalinspekteur Zorn beschwichtigte noch, indem er behauptete, die Bundeswehr werde nicht Streife fahren oder 'Corona-Partys' auflösen. Durch einen Bericht der Stuttgarter Zeitung am (...) 26. März wurde bekannt, dass das Innenministerium von Baden-Württemberg mit der Bundeswehr im Gespräch ist, ob nicht Soldat*innen, die wegen einem hohen Krankenstand geschwächte Polizei unterstützen könnte. Damit stehen auch gemeinsame Patrouillen von Polizist*innen und bewaffneten Soldat*innen in der Öffentlichkeit im Raum." (IMI-Standpunkt 2020/010, 27.03.2020). Damit wird im Innern eine Strategie der Spannung forciert, die den Ruf nach dem "starken Mann" lauter machen soll. Nach Außen wäre es ein Zeichen für die vollmundig beschworene "gute Nachbarschaft" gewesen, hätte die Regierung einen Rüstungsstopp verfügt. Stattdessen wird die Beschaffung von 90 Eurofightern und 45 F18-Kampfflugzeugen festgeklopft.

12. Staatliche Verfügungen, die die Rechte der Gewerkschaften und der gewählten Belegschaftsvertretungen außer Kraft setzen und damit den Kapitalisten freie Hand geben, alle Beschränkungen bei der Arbeitszeit, den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung aufzuheben. Einschränkungen für die Werktätigen, keine Einschränkungen für die Kapitalisten - daran kann man den Unterschied von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Gegensatz zu Notstandsübungen erkennen.

13. Die sog. Solo-Unternehmen, die kleinen Buden und landwirtschaftlichen Kleinbetriebe sind ja nun - allein schon mangels Kapital - wirklich keine Kapitalisten, sondern Scheinselbständige, die für die Bank arbeiten und eher des gewerkschaftlichen Schutzes bedürfen. Ihre Fixkosten sind vom Staat zu übernehmen, der sie zwingt, den Laden dicht zu machen.

14. Die Pandemie-Gewinner, nicht die steuerzahlenden Werktätigen, müssen für die Finanzierung der Krisenmaßnahmen herangezogen werden: die großen Einzelhandelskonzerne an der Spitze Aldi und Lidl mit ihren Oligarchenclans Albrecht und Schwarz, die Onlinehändler mit der Online-Plattform Amazon an der Spitze, die Nahrungsmittelkonzerne, die Hersteller von sonstigen Lebensmitteln nicht zuletzt die in der BRD anscheinend besonders wichtigen Hersteller von Toilettenpapier, die Hersteller von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung, die Logistikkonzerne, die ihre Fahrer und Subunternehmer bis zur Erschöpfung im Einsatz halten und meinen, sie mit einem feuchten Händedruck abspeisen zu können.

15. Wie soll diesen Forderungen Nachdruck verliehen werden und wer soll das machen? Im Kampf um Lohn und Arbeitsbedingungen, aber auch im Kampf um die Demokratie kommt den Gewerkschaften besondere Bedeutung zu. Doch manche Gewerkschaftsführer scheinen das vergessen zu haben. Gerade wurde in NRW von der IGM ein Tarifvertrag klammheimlich abgeschlossen, der den Kapitalisten Alles, den Kollegen Nichts garantiert. Keine Maßnahmen zum Schutz der Kollegen vor der Pandemie vorsieht. Und damit auch noch die ganze Arbeiterklasse spaltet, diejenigen aus den anstehenden Kämpfen herausnimmt, die noch halbwegs über die Runden kommen können. Der Rest der Klasse darf sehen, wie es weiter geht, die Kollegen mit Hartz IV, in prekären Verhältnissen, in Obdachlosigkeit, die jetzt auf die Brösel angewiesen sind, die vom Rettungstisch für die Reichen angerichtet abfallen. Werden sich das die anderen Gewerkschaften bieten lassen? Wird sich die mittlere Funktionärsebene der Gewerkschaften das bieten lassen, die zunehmend die wachsende Empörung der Kolleginnen und Kollegen zu spüren bekommen, die in den Betrieben aufgerieben oder zu Untätigkeit verdammt sind bei gekürztem Lohn. Diesen Protest jetzt zu organisieren innerhalb der Gewerkschaft mit den Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel, ist das Gebot der Stunde. So auch Strukturen schaffen, die nach der Seuche dazu dienen können, den Kampf wieder offen und mit neuer Kraft aufnehmen zu können. Ein wichtiges Zeichen hat z.B. die "Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften" mit ihrem Protest gegen den genannten Tarifabschluss der IGM in NRW gesetzt (s. UZ 27.3.)

16. Die reaktionärsten Teile des deutschen Großkapitals und ihre politischen Vertreter, allen voran die CSU, nutzen die Notwendigkeit der Bekämpfung der Seuche, um die bürgerliche Demokratie weiter zu schleifen. Die bayerische Staatsregierung spielt dabei wieder einmal eine Vorreiterrolle. Söder, der neue "starke Mann", ist zum vermeintlich "beliebtesten Politiker" Deutschlands avanciert und wird entsprechend von einigen bereits als künftiger Kanzlerkandidat gehandelt.

Die Vorbereitungen für die Ablösung der bürgerlichen Demokratie durch die offene Reaktion, den Faschismus, erfordern die Aushöhlung des bürgerlich-demokratischen Rechts durch immer mehr Willkür, die in scharfem Gegensatz zu ihm steht. Willkür in Gesetze gießen, um ihr damit den Anstrich der Legitimität zu geben, so dass auch ein Verfassungsgericht nicht willens ist, sie zu stoppen, das kann die CSU. Das hat sie mehrfach in den letzten Jahren bewiesen. So beim sog. "Bayerischen Integrationsgesetz". So bei der Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und der erneuten Einführung der Schutzhaft gegen sog. "Gefährder" usw.

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist seit dem 20. März nur noch bei Vorliegen "triftiger Gründe", die gegenüber der Polizei "glaubhaft" zu machen sind, erlaubt. Wann ein "triftiger Grund" zum Verlassen der Wohnung berechtigt, das hängt im Zweifel - von einigen Ausnahmen abgesehen - von willkürlichem Gutdünken der Polizei ab.

17. In München und Berlin wurden im Eiltempo sog. "Infektionsschutzgesetze" verabschiedet, die "elementare Grundsätze der Verfassung" unterlaufen. (SZ, 25.3.2020) Inzwischen melden sich vermehrt kritische Stimmen zu Wort, die die weit reichenden Ermächtigungen, die die Gesetze den Regierungen geben, nicht einfach widerspruchslos hinnehmen wollen: "Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein deutsches Parlament wieder eine solche Hindenburg-Klausel beschließen soll. (...) Ich halte es jedenfalls für verfassungswidrig, wenn ein Ministerium per Notverordnung Gesetze des Bundestags ändern kann, ohne dass der Bundestag eine Möglichkeit hat, dies zu verhindern." (Thorsten Kingreen, Staatsrechtler und Professor für Öffentliches Recht in SZ 26.3.2020)

18. Alle Kräfte, die sich gegen Notstandsübungen, Bürgerkriegsvorbereitungen u.a. durch den Einsatz des Militärs im Inland und den Angriff auf unsere demokratischen Rechte zur Wehr setzen, müssen unterstützt werden. In Berlin und anderen Städten haben es antifaschistische und demokratische Kräfte gewagt, auf die Straße zu gehen - mit Mundschutz und in gehörigem Abstand zueinander -, um den Herrschaften ein erstes Warnsignal zu geben, dass wir nicht verschwunden sind und nicht nur die Pandemie besiegen wollen, sondern auch die Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik, von Regierung und Kapital.

Was dringlich zu fordern ist:

- Vorübergehende Schließung aller nicht lebenswichtigen Betriebe, um die Ansteckungsgefahr für die Beschäftigten zu reduzieren! In den lebensnotwendigen Betrieben Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Belegschaften.

- Staatliches Verbot von Kündigungen in den geschlossenen Betrieben und Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100% des vollen Lohnes!

- Unentgeltliche Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und anderer Schutzmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung! Massentests, wie sie die WHO dringend empfiehlt, und Schaffung der dazu notwendigen Infrastruktur, der Laborkapazitäten und des Personals.

- Das im Interesse der Konzerne staatlich betriebene und geförderte "Einschrumpfen" der öffentlichen Krankenhäuser muss sofort gestoppt werden! Ende der Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung! Für ein zentralisiertes Gesundheitswesen mit integrierter ambulanter und stationärer Versorgung! Für ein einheitliches Krankenkassenversicherungssystem! Bereits privatisierte Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens sind wieder in staatliches Eigentum zu überführen! Runter mit der Rüstung und Verwendung der so freiwerdenden Mittel für die Gesundheitsversorgung!

- Kein weiterer Stellenabbau im Krankenhaus! Sinnvolle Personalschlüssel, die die Arbeitsbelastung reduzieren und die Patientensicherheit widerherstellen! Ausreichende Bezahlung: Monatseinkommen von 4.000,- Euro/Monat, mindestens 500,- Euro Erschwerniszulage (netto)!

- Die Bundesregierung muss das Angebot der VR China, dringend benötigte medizinische Hilfsgüter zu liefern, sofort annehmen und ihre feindselige Propaganda, China sei der Verursacher der Corona-Krise, aufgeben!

- Aufhebung der Sanktionen, die "den weltweiten Austausch von Medizingeräten, Gesundheitsprodukten, Medikamenten, Erfahrungen und Vorgehensweisen behindern oder unmöglich machen" (s. Petition Patrik Köbele [1])

- Schutz der Geflüchteten! Alle jetzt von den Flüchtlingsverbänden geforderten Maßnahmen, wie etwa die Abschaffung der menschenunwürdigen Sammellager ("ANKER-Zentren"), die Aussetzung aller Behördentermine und ein sofortiger Abschiebestopp, müssen sofort umgesetzt werden. Das Elend auf den griechischen Inseln muss beendet werden und das Asylrecht wiederhergestellt werden!

Der sog. "Gesundheitsnotstand" darf nicht zum Notstand für die Grundrechte und die bürgerliche Demokratie werden! Er darf nicht dazu benutzt werden, um etwa Zwangsarbeit, weiteren Angriffen auf die bürgerliche Demokratie und dem Einsatz des Militärs im Inland den Anstrich der Legitimität zu geben!


Verweis:
[1] www.change.org/p/bundestag-alle-sanktionen-aufheben-die-den-kampf-gegen-die-pandemie-behindern

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 371, April 2020, S. 4 - 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2020

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