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MEGAFON/006: ... aus der Reitschule Bern, Nr. 340 - Februar 2010


megafon - Nr. 340, Februar 2010


INHALT

ENTREE
Carte blanche für mfg
Editorial
Die Reitschule verkaufen?
Tzüri-Deit
Entree

SCHWERPUNKT ÜBER DEN SINNEN
Über den Sinnen
Einleitung
Glaubenssache Aberglaube!?
Wenn Ängste geweckt werden
Übersinnliches aus dem Muotathal?
Das Wetter und seine Propheten
Geomantische Arbeit auf der Schützenmatte
Kraftzentrum Reitschule
Gschpürsch-mi?
Ein esoterischer Selbstversuch
Braune Splitter in der bunten Esoterik
Wenn Neonazis Ufos sichten
Ein Dutzend wundersame Plätze in deiner Umgebung
Kraftorte rund um Bern

INTERNATIONLISTISCHE
Unerfüllte Versprechen in Nahr al-Bared
Libanon
Woche der internationalen Solidarität mit dem Baskenland
6.-13. Februar 2010

INNENLAND
Der Idealfan
Fragwürdige Gewaltprävention in Stadien
Autonome Schule geräumt
Zürich

KULTUR ET ALL
- Comix
- Buchtipp
- Scheiben

AUS GUTEM HAUSE
- 2010 - Jahr des Antisexismus

STORY OF HELL

Raute

Carte blanch für mfg

EDITORIAL

DIE REITSCHULE VERKAUFEN ?

Liebe megafon-LeserInnen,

Kommt euch dieses tolle Logo bekannt vor? Wir ziehen es wieder mal aus der Schublade, steht doch voraussichtlich nächsten September eine fünfte Abstimmung über die Reitschule vor der Türe.

Seit 1999 haben sich die Berner-Stimmberechtigten viermal gegen Ideen von "rechts aussen" gestellt, dass das Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule Bern umfunktioniert, umorganisiert oder geschlossen werden soll. Und doch gibts eine fünfte Initiative: Weil ein ähnlich lautender Vorstoss von Erich J. Hess der Jungen SVP im Stadtrat erfolglos blieb, hatte er eine Volksinitiative lanciert, die nun voraussichtlich am 26. September 2010 zur Abstimmung kommt... "Verkauf der Berner Reitschule im Baurecht (Baurechtdauer 99 Jahre) auf den 31. März 2012 an den Meistbietenden. Die Liegenschafft ist bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen, damit sie nutzungsfrei übergehen werden kann."

Mit den seit Jahren immer wieder gleichen Plattitüden über die Reitschule, die nur für einen nach aussen hin positiven Eindruck ein "einseitig, alternatives Kulturprogramm" präsentiere (sic!), tatsächlich aber "ein Hort für linke Aktivisten, Gewalttäter und Drogendealer" sei, sowie mit bösartig falschen Behauptungen über die finanzielle Unterstützung der Stadt an die Reitschule, probiert sich nun schon die dritte Generation Jung-SVPler auf unserem Rücken mit populistischer Zwängerei gegen ihr Lieblingsfeindbild. Dabei ist ihnen keine Idee zu absurd - und keine Unterschriftensammlung zu teuer.

Die Reitschule steht in 23 Betriebsjahren nun im fünften Abstimmungskampf: Am 18. Januar haben deshalb gut fünfzig politisch und kulturelle engagierte Personen im Restaurant SousLePont ein Solidaritätskomitee "Reitschule bietet mehr" gegründet. Davon respektive über die Abstimmungskampagne bekommt ihr in den nächsten Wochen sicher noch einiges zu hören: Unterstützt uns gegen diese jüngste Initiative, nicht zuletzt weil wir sicher sind, dass sich nicht alles kaufen lässt - und die Reitschule schon gar nicht!

- ANS -

Weitere Infos:
www.reitschulebietetmehr.ch
E-Mail: abstimmung@reitschule.ch

Raute

TZÜRI-DEIT

Verfluuuucht!! Mich hatte eine Grippe erwischt, leider nicht so schlimm, dass ich nur noch röchelnd im Bett liegen konnte, nein! Etwas Husten, etwas Kopfweh und Rückenbeschwerden vom vielen Liegen. Ausserdem war Samstag und ich hatte schon alles gelesen und nur noch Bock auf etwas, was ich selbst nicht so recht wusste... Alle CDs schon durchgehört (soweit es das Kopfweh zuliess), nur noch der TV versprach etwas Abwechslung. Versprach. Hölle und Teufel, alles Scheisse! Und das Tüpfchen auf dem Eisberg neben dem Fernsehprojekt Züriplus ist und bleibt das Swissdate von Telezüri... Was für ein Scheiss! All diese Tussen und Penner, welches so was von spontan und easy von ihrem Life in einem Kurzfilm erzählen. Alle verkehren nur in Fitnesszentren und alle sind ja sooo cool auf ihrem Weg ins Glück, fehlt ja nur noch das Gegenüber, welche sie auch im Fitnessclub hätten treffen können. Aber nein, es muss ja im TV sein!

Würg!

Und dann diese kreativen Fragen! Alle im Niveau von: "Ich liege mit meiner Ex im Bett, du ertappst uns, wie reagierst du?" Und dann die Antworten erst: "Wenn du mich dann siehst, vergisst du sogar deine Ex!!".

Himmelhilf!

Und dann die Preise, was für ein Hohn! Kaufleuten, Sixty-one und solche Scheisse. Alles Juppieclubs! Zum Glück brauch ich das echt nicht... Somit schalte ich den Fernseher aus und verkrieche mich wieder in mein noch warmes Bett, welches freundlich knackt und knarrt und hält, was es verspricht. In meinen fiebrigen Gedanken wühlte es, wie mensch die Dateshows alternativer gestalten könnte.

Lustige Gedanken träumte ich: Wie würden die Alternativen-, Chaoten-, Schwarzblöckler- und Autonomen-Dating-Shows aussehen? Langhaarige Freaks, Punk-, Rastatypen und -Frauen zeigen einem in einem kurzen Filmbeitrag über ihr Leben ein von ihnen bewohntes Squat, dazu die Hasskappensammlung, ein Ausflug führt zu einer MacDonalds-Glasscheibe an einem Samstagnachmittag und natürlich erzählen sie von ihrem Engagement an einer Demo-Vorbereitungssitzung...

Später treffen sich die zu Verkuppelnden wieder im Ziegel au Lac, um zusammen geführt zu werden mit Fragen wie zum Beispiel: "Wir sind an einer Demo und der Bulle ballert eine Tränengaspetarde in unsere Richtung, wie reagierst du?" Die Antwort natürlich wie immer politisch korrekt: "Ich zeige dir die nächste illegale Bar und dort werden wir uns einen O-saft gönnen oder Naturperle trinken."

Und wenn sich dann ein glückliches Paar gefunden hat, werden sie vom Veranstalter zu einem gigantisch-romantischen Nachtessen ins Zähringer eingeladen, hernach gehts an eine Sauvage oder an einen Abendspaziergang, um sich die Beine zu vertreten oder von Herren in Blau vertreten zu lassen. Den krönenden Abschluss bildet dann noch eine unfreiwillige Besichtigung der Urania-Polizeiwache.

Das ganze übrigens gesponsort von WWF und Radio LoRa und die Moderatorin eingekleidet vom Barbar-Secondhand-Laden im Niederdorf. Das gäbe Einschaltquoten!

- KARHU -

Raute

Einleitung Schwerpunkt

ÜBER DEN SINNEN

Was ist über was ist drüber. Bei uns geht es drauf und runter, wir gehen queerbeet durch und die Sinnen wie es uns grad in den Sinn kommt.


Unsere Welt, wie wir sie uns eingerichtet haben, richtet sich nach Zahlen und Fakten, Spass, Erfolg und Besitz. Im Alltag, zwischen Schule oder Arbeit, Party, Konsum und Steuererklärung hat das Übersinnliche wenig Raum. Nur selten, wenn unsere Aufmerksamkeit auf etwas fällt, das quer zu unserem Weltbild steht, kommt uns zu Bewusstsein, dass es Dinge gibt, von denen wir keinen blassen Schimmer haben.

Besessenheit, Visionen, Nahtoderlebnisse lassen sich handhaben, indem wir diese Phänomene der menschlichen Vorstellungskraft zuschreiben. Wenn jemand Gespenster sieht, ist das kein Beweis dafür, dass es Gespenster gibt. Wer Gespenster sieht, dem spielt mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Unterbewusstsein Streiche. Für viele so genannt übersinnliche Phänomene lässt sich eine psychologische Erklärung finden.

Ein weiterer grosser Brocken von dem, was wir unter Übersinnlichem verstehen, zerfällt, wenn wir die ganzen Betrügereien entlarven, die sich Menschen ausdenken, um andere über den Tisch zu ziehen. Ob angebliche Wahrsager, die den Orientierungslosen und Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche ziehen, allerlei Gurus und Führer, oder Leute, die aus Jux oder Mediengeilheit alles Mögliche anstellen, um die Illusion von Übersinnlichem zu erschaffen. Der Mensch ist manipulierbar, denn wir glauben, was wir sehen.

Und der Mensch ist Willens zu glauben. So legt er Ereignisse nur zu gerne als göttliche Fügungen, Schicksal oder sonst was Grossartiges aus, wenn es in sein Weltbild passt.

Da können wir schnell den Eindruck gewinnen, dass es für alles in der Welt bei genauerem Betrachten eine einfache, vernünftige Erklärung gibt. Und die ganze Übersinnlichkeitskiste ist was für Hippies, Esoteriker und frustrierte Hausfrauen. Dabei sind wir alle ständig umgeben von Dingen, die weder wir, noch unsere Wissenschaft erklären können.

Heb den Kopf und sieh in den Himmel. Da hast du das Übersinnliche!

Wie geht es da oben weiter? Hinter den Wolken, hinter den Sternen, hinter der Milchstrasse? Es geht immer weiter und weiter... Der Himmel kann nicht irgendwo zu Ende sein, denn wenn da eine Grenze wäre, eine Mauer, an der das Universum aufhört - was zur Hölle wäre dann hinter der Mauer?

Wissenschaftler sagen, das Universum habe keine feste Grösse, sondern dehne sich beständig aus. OK. Das Universum dehnt sich aus.

Wohin?

Das sind einfache, naive Überlegungen. Kinderfragen. Aber ich habe bis heute keine Antwort auf diese Fragen gefunden. Was die ganze Zeit über unseren Köpfen existiert, können wir weder mit Sinnen noch Verstand wirklich erfassen. Wir sehen die Sonne auf- und untergehen, wir fluchen, wenn der Himmel verhangen ist, und bestaunen den Sternenhimmel. Aber was kommt hinter den Sternen? Und hinter dem, was dahinter kommt?

Und dann...?

Unser Verstand stösst an seine Grenzen. An den Rändern des Universums verschmilzt unsere rationale, materielle Welt mit dem Unvorstellbaren.

Der Himmel ist dauernd über unseren Köpfen, während wir damit beschäftigt sind, ob wir den Zug noch erwischen oder wie wir die verdammten Steuern bezahlen sollen. Wir blicken in die Unendlichkeit und überlegen uns, wie unsere Frisur gerade sitzt. Wahnsinn.

Und genauso wie unser Verstand angesichts des Universums versagt, bemerken wir unsere Unwissenheit auch beim Blick nach Innen. Obwohl wir Gehirnströme messen und DNA-Stränge entschlüsseln, ist die Menschheit bei der Frage nach dem Bewusstsein, das uns unsere Person im Hier und Jetzt wahrnehmen lässt, genauso weit wie vor Tausenden von Jahren.

So gesehen haben wir kaum mehr Ahnung von der Welt als eine Kuh. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass wir das Universum und die Existenz jemals verstehen werden. "Wissen ist begrenzt", meinte schon Albert Einstein.

- HARRY V. -

Raute

Wenn Ängste geweckt werden

GLAUBENSSACHE ABERGLAUBE!?

In den Jahren 2006 bis 2008 wurden in Deutschland an einem Freitag den 13. durchschnittlich drei bis fünfmal mehr ArbeitnehmerInnen krankgeschrieben als an allen anderen Tagen. Was hat es also mit der Zahl 13 auf sich und warum wird sie zu einer gefürchteten Kombination, wenn sie auf einen Freitag trifft? Warum laufen viele nicht gerne unter einer Leiter durch und was ist los mit den schwarzen Katzen?


"Aberglaube" wurde oftmals den offiziellen, religiösen Glaubensformen entgegengesetzt und wird heute als irrational, "verkehrt" und überholt bezeichnet. Historisch bezeichnet er eine der christlichen Glaubenslehre entgegengesetzte Glaubensform und galt lange als ketzerisch (mittelhochdeutsch aber = wider, gegen). Nicht selten setzt sich der Aberglaube aus tradierten Vorstellungen und Praktiken zusammen. Eine Legende ist jene um die Zahl 13, die in einigen Kulturen als Unglückszahl gilt. Als eine Primzahl und v.a. das geschlossene Zwölfersystem überschreitend ist sie suspekt. Als "übersteigerte 12" wurde sie in Deutschland als das "Dutzend des Teufels" bezeichnet, welche die göttliche Ordnung (symbolisiert durch die Nummer 12) überschreitet. Dies führte dazu, dass bis heute Hotels teilweise auf die Beschriftung der 13. Etage oder Zimmernummern verzichten oder die 13. Reihe in Flugzeugen nicht angeschrieben wird. Seit den 1950er-Jahren wird die 13 auch gerne mit einem Freitag (dem Todestag Jesu) kombiniert und ergibt so den Unglückstag par exellence - und dies, obwohl sich gezeigt hat, dass sich an einem Freitag dem 13. nicht mehr Katastrophen ereignen als an anderen (Frei-)Tagen. Die 13 ist aber lange nicht in allen Religionen und Kulturen eine Unglückszahl - so etwa im Judentum oder in der japanischen Tradition, wo sie als Glückszahl gilt.

Auch die Leid bringende Leiter hat ihren Ursprung im Christentum. So besagt etwa eine Legende, dass das Kreuz, an dem Jesus gekreuzigt wurde, mit einer Leiter aufgestellt werden musste und Leitern deswegen Unglück bringen. Warum mensch aber nicht unter einer Leiter durchgehen sollte, bleibt unklar.


Glück im Unglück

Während schwarzen Katzen magische Kräfte zugesprochen wurden, weil sie lange als Begleiterinnen von Hexen angesehen wurden, gelten farbige Katzen als Glücksbringerinnen.

Auch Hufeisen bringen Glück: An manchen Türen hängen gar zwei davon - eines mit der Öffnung nach oben, ein anderes mit der Öffnung nach unten. Wenn es gefunden und mit der Öffnung nach oben aufgehängt wird, werde - gemäss der Legende - das Glück darin gesammelt. Hängt es mit der Öffnung nach unten, sagt der Volksmund, halte es böse Geister zurück, weil diese nicht unter einem Eisenbogen durchgehen können. Eine andere Lesart suggeriert aber, dass es Unglück bringe, wenn die Öffnung gegen unten hängt, weil dadurch das Glück herausfalle. Grundsätzlich gilt das Hufeisen aber als magisches Symbol, weil Eisen ab dem 12. Jahrhundert mit Feuer und Hammer behandelt werden konnte und ihm daher magische Kräfte zugesprochen wurden.

Und dann gibts ja noch das Kleeblatt. Auch dies repräsentiere das Kreuz Jesu - oder aber die vier Evangelien. Ausserdem besagt eine Legende, Eva habe bei ihrer "Vertreibung aus dem Paradies" ein vierblättriges Kleeblatt mitgenommen. Es verkörpere daher das Paradies schlechthin und sei deswegen so selten auffindbar. An Erklärungsansätzen für verschiedene Glaubenssachen scheint es offenbar nicht zu mangeln...


Krank machender Aberglaube?

Paraskavedekatriaphobie - ein von PsychologInnen kreierter Zungenbrecher - bezeichnet die Angst vor dem Freitag, dem 13. Sie gilt als eine Zwangserkrankung, die in extremen Fällen dazu führen kann, dass PatientInnen an einem Freitag dem 13. ihr zu Hause nicht verlassen (können) oder ein Unglück befürchten, sollten sie etwas Bestimmtes tun oder unterlassen - zum Beispiel mit einem bestimmten Fuss aus dem Bett steigen. Grund hierfür sei oftmals ein sich hineinsteigern in ein "magisches Denken" und nicht erlebte Erfahrungen - Aberglaube also. Linderung für Menschen, die unter dieser Phobie leiden, soll's aber in Südafrika geben: Um die Erkrankung zu überwinden, erhalten Reisende, die an einem Freitag dem 13. von Johannesburg oder Kapstadt abfliegen, eine glücksbringende Medaille geschenkt. Die Münze im Wert von 70 Euro wird gratis an Leute verschenkt, die mit Paraskavedekatriaphobie diagnostiziert wurden.

- LSC -

PS: Der nächste Freitag, der auf einen 13. fällt, ist übrigens im August dieses Jahres.


Literatur:
- Erika Derendinger: Aberglaube, in: Historisches Lexikon der Schweiz, online Version auf www.hls-dhs-dss.ch
- Dieter Harmeing: Wörterbuch des Aberglaubens, Stuttgart 2009
- n-tv Dossier, Donnerstag, 12.1.2006, www.n-tv.ch

Raute

Das Wetter und seine Propheten

ÜBERSINNLICHES AUS DEM MUOTATHAL ?

Seit Jahrtausenden versuchen Menschen, das Wetter in eine logische Abfolge zu bringen und es zu prophezeien. Wie trocken wird der Sommer? Wie streng der Winter? Heute werden Wetterprognosen mit Modellen generiert - aber nicht nur: Im Muotathal werden noch immer Natur- und Tierbeobachtungen, örtliche Wind- und Wetterlagen gedeutet.


Seit über 250 Jahren deuten im Muotathal Propheten das Wetter. 1947 schlossen sie sich zum "Meteorologen-Verein Innerschwyz" zusammen, damals noch unter dem Namen "Katholischer Meteorologen-Verein Innerschwyz" (welcher Zusammenhang wohl zwischen dem katholischen Glauben und den Wetterverläufen bestand?). Einer der Gründe für die Entstehung des Vereins war die Sorge, dass mit dem Aufkommen des Radios das Prophezeien des Wetters und somit das Wissen um die Naturbeobachtungen verloren gehen würde. Heute zählt der Verein 2500 zahlende Mitglieder. Zweimal jährlich geben die sechs "Muotathaler Wetterfrösche" ihre Langzeit-Wetterprognosen für das kommende Halbjahr ab. Der Prophet mit der grössten Trefferquote wird an der Generalversammlung von einer Jury zum "Wetterkönig" ernannt.*


Insekten als Indikatoren

Um zu ihren Prognosen zu kommen, beobachten die Hobbymeteorologen Wildtiere, Wasserquellen, Winde und Pflanzen. Zum Beispiel geben die grossen Waldameisen Auskunft über das kommende Wetter: Schön wird es, "wenn die Ameisen normal arbeiten". Regen ist hingegen zu erwarten, "wenn die Ameisen nicht arbeiten, die Tannennadeln liegen lassen und wild umherlaufen". Bewegen sich "nur noch einzelne Tiere über den Haufen und werden bei schönstem Wetter die Ausgänge eilig geschlossen, dann kommen Kälte und Schnee" erklärt der Wetterprophet Peter Suter. Auch sind die Ameisen bei schönem Wetter "viel weniger hässig" und "beissen viel weniger scharf" als wenn das Wetter rau wird, weiss Martin Horat, Wettermissionar und Sensehändler. Er fühlt den Ameisen auf den Zahn, indem er sich an einen Ameisenhaufen lehnt, die Hand darauf liegen lässt und sich die Insekten den Hals hochkrabbeln lässt.

Neben der genauen Beobachtung von Pflanzen, Tieren und Winden studieren die Wetterpropheten klösterliche Wetteraufzeichnungen aus mehreren Jahrhunderten und suchen nach Wiederholungen in der Klimageschichte. Ebenso wird der hundertjährige Bauernkalender immer wieder konsultiert. Dieser gilt aber nicht als besonders verlässlich. Wichtige Quellen bieten ebenso die alten Bauernregeln, welche auf Naturbeobachtungen und Erfahrungen unserer Vorfahren beruhen und manchmal erstaunlich genaue Wettervorhersagen erlauben.


Ein drittes Auge für das Wetter?

"Man braucht dazu schon etwas überirdische Kraft von mir aus gesehen. Die Muotathaler Wetterpropheten sind zu vergleichen mit den philippinischen Geistheilern", meint Martin Horat. Realität ist, dass sich gerade die Bauernregeln teilweise mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Meteorologie decken: "Wenn der Tag beginnt zu langen, kommt der Winter erst gegangen", lautet eine alte Bauernweisheit. Dies entspricht der Tatsache, dass rund um Weihnachten meist Tauwetter herrscht: Statt dem viel erhofften weissen Kleid bis in die Niederungen bringen Westwinde feuchte und milde Luftmassen und lassen den allenfalls gefallenen Schnee wieder schmelzen - das berüchtigte Weihnachtstauwetter. Im Dezember liegt Europas Wetterküche meist über dem Nordatlantik. Angetrieben vom Luftdruckgegensatz zwischen den Azoren und Island strömt milde Meeresluft nach Europa. In dieser Westwindlage saugt sich die Luft über dem Ozean mit Wasserdampf voll, bevor sie in die Schweiz gelangt und hier trübes Regenwetter verursacht. Der winterliche Kälteeinbruch kommt erst nach dem Jahreswechsel, wenn der starke Hochdruck über Asien die atlantischen Tiefs blockiert und die eisige Luft über Sibirien nach Westen gelangt. Die kältesten Wintertage gibt es jeweils meist Ende Januar oder Anfang Februar. Allerdings beobachten MeteorologInnen, dass sich diese Regelmässigkeit mit dem Klimawandel verändert und die Kälteperiode zunehmend später einsetzt.

Ob es sich bei den Prognosen der Muotathaler Wetterschmöcker um Übersinnlichkeit, genaue Naturbeobachtungen und uralte Erfahrungen, um Populärwissenschaft oder um Zufall handelt, sei hier offen gelassen. Fest steht, dass wenigstens eine Bauernregel dem Klimawandel und den damit verbundenen Veränderungen meteorologischer Regelmässigkeiten standhalten wird: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert das Wetter oder es bleibt wie's ist"...

- RAP -

(*) Prognose für den Winter 2009/2010 siehe: www.gasthaus-kreuz.ch/files/wetterschmoecker_Mitteilungen_Innerschwyzer_Meteorologen.pdf

Raute

Kraftzentrum Reitschule

GEOMANTISCHE ARBEIT AUF DER SCHÜTZENMATTE

Vor einem knappen Jahr nahm die Geomantiegruppe Bern den Fluss der Kräfte in der Reitschule genauer unter die Lupe. Nach der Erläuterung von Fachbegriffen werden hier die Untersuchungsergebnisse vorgestellt und die getroffenen Massnahmen beschrieben.


Am 18. März 2009 erforschte die Geomantiegruppe Bern verschiedene Kraftlinien in der Altstadt Bern. Sie entdeckte unter anderem zwei Kraftlinien, die durch die Reitschule fliessen sowie ein Kraftzentrum bei der jungen Linde vor dem Gebäude. Zwei junge Frauen des Reitschulteams interessierten sich für deren Arbeit und luden sie ein, die Reitschule aus geomantischer Sicht zu untersuchen. Sie nahmen diese Einladung gerne an und trafen sich am 21. April 2009 mit zwei Reitschule-BetreiberInnen.


Was ist Geomantie? Vorab einige Begriffe

Die Geomantie geht davon aus, dass die Erde ein vielschichtiger, lebendiger Organismus ist. Die Weltsicht der Vorfahren beinhaltete die Idee, dass alles in der Natur belebt und von Geist durchdrungen ist. Sie kommunizierten mit all diesem Leben: mit Steinen, Bäumen und anderen Pflanzen, Tieren und Orten. Sichtbare und unsichtbare, materielle und geistige Ebenen der Realität standen gleichberechtigt nebeneinander. Diese Philosophie ist auch heute eine der massgeblichen Grundlagen der Geomantie. Die Geomanten betrachten sowohl die sichtbaren wie auch die unsichtbaren, energetischen oder geistigen Ebenen eines Ortes und ihre Wirkung auf das Leben. Sie kombinieren die unterschiedlichen "Kräfte", reduzieren die "schlechten Einflüsse" für den Menschen und aktivieren die "positiven", sie ergreifen Massnahmen, um Gleichgewicht und Harmonie herzustellen. Sie bedienen sich auch radiästhetischer Hilfsmittel.

Was ist Radiästhesie?
Radiästhesie bedeutet Strahlenfühligkeit. Radiästheten benutzen Pendel oder Ruten, um zum Beispiel Wasseradern, Verwerfungen, Kraftlinien, Kraftzentren usw. zu suchen. Die Pendelbewegungen und Rutenausschläge entstehen durch Reize im Nervensystem des Menschen.

Was sind Wasseradern?
Wasseradern sind unterirdische Wasserläufe, die in verschiedenen Tiefen zu finden sind, die ihren Lauf auch verändern können. Durch das Fliessen eines unterirdischen Wasserlaufes entsteht eine relativ starke Grundreibung an der Wasseroberfläche. Durch diese Reibungen entsteht eine Energie, die an die Erdoberfläche gelangt. Diese ist auch verantwortlich für gesundheitliche Störungen bei Mensch und Tier. Die meisten Wasseradern sind linksdrehend, d.h. die Strahlung ist abladend, sie entzieht dem Menschen Energie. Er wird müde und kann sich nach einer gewissen Zeit kaum mehr richtig konzentrieren. Ein lange dauernder Aufenthalt auf einer linksdrehenden Wasserader (zum Beispiel schlafen, arbeiten), kann zu Krankheit führen.

Was sind Verwerfungen?
Eine Verwerfung (auch Bruch, Sprung, Verschiebung oder Störung im engeren Sinne) ist eine Zerreiss- oder Bruchstelle im Gestein. Verwerfungen sind durch Vulkantätigkeit oder Eisgletscher, die riesige Mengen Erdreich bewegten, entstanden. Je tiefer die Verwertung ist, umso stärker sind die Erdenergien, die sich bis zur Erdoberfläche fortsetzen können. Die Strahlung von Verwerfungen ist ebenfalls abladend und entzieht dem Menschen Energie. Auswirkungen siehe Wasseradern.

Was sind Kraftlinien?
Kraftlinien transportieren Energien. Sie verlaufen in der Regel geradlinig, manchmal auch leicht mäandrierend. Es gibt verschiedene Arten von Kraftlinien mit unterschiedlichen Merkmalen, auf die wir hier nicht eingehen. Die Kraftlinien der Landschaft sind aufladend und entsprechen den Meridianen des Menschen. Hält man sich auf Kraftlinien auf, kann man Energie tanken - ein Daueraufenthalt ist aber nicht zu empfehlen.

Was sind Kraftzentren?
Kraftzentren sind Orte mit stark aufladender Energie, wo Menschen ihre Batterien wieder aufladen können. Unter anderen sind Chakrapunkte so genannte Kraftzentren. Chakren sind nicht nur bei den Menschen vorhanden. Man kann sie auch in der Landschaft oder in einem Gebäude entdecken. Sie werden im Vergleich zum Menschen wie folgt bezeichnet:

1. Chakra: Wurzelchakra beim Menschen, Erdungspunkt in der Landschaft/bei Gebäuden.
2. Chakra: Sexualchakra beim Menschen, Yin-Zentrum und Yang-Zentrum in der Landschaft/bei Gebäuden.
3. Chakra: Solarplexus beim Menschen, Vitalenergetisches Zentrum in der Landschaft/bei Gebäuden.
4. Chakra: Herzchakra beim Menschen, Herzzentrum in der Landschaft/bei Gebäuden.
5. Chakra: Halschakra beim Menschen, Einatmungszentrum und Ausatmungszentrum in der Landschaft/bei Gebäuden.
6. Chakra: Drittes Auge beim Menschen, Engelfokus in der Landschaft/bei Gebäuden.
7. Chakra: Kronenchakra beim Menschen sowie in der Landschaft/bei Gebäuden.

Die Chakren einer Landschaft oder in einem Gebäude können wie beim Menschen blockiert sein. In der Geomantie entwickelte man verschiedene Methoden, um solche Blockaden zu erkennen und sie bei Bedarf zu lösen, damit die Energien wieder fliessen können.


Welche Phänomene befinden sich bei der Reitschule?

Bei der jungen Linde vor der Reitschule befindet sich ein vitalenergetisches Zentrum (3. Chakra).

Durch den Hauptkorridor der Reitschule fliessen zwei Kraftlinien. Eine davon ist eine Leylinie, eine unsichtbare Kraftlinie, welche verschiedenste prähistorische Kultstätten und sog. Orte der Kraft (zum Beispiel Kirchen, Megalithen) miteinander verbindet. Diese Leylinie fliesst vom Schwarzen Meer bis zum atlantischen Ozean, in der Stadt Bern durch die französische Kirche und das Münster.

Zwei Verwerfungen: Die erste Verwerfung verläuft parallel zur Leylinie auf der Korridorseite der grossen Halle. Ihre Strahlung ist mehrere Meter breit und stark abladend. Die zweite Verwerfung verläuft ebenfalls durch die grosse Halle von der parkplatzseitigen unteren linken Ecke nach einem Punkt etwas unterhalb der oberen rechten Ecke. Sie ist ebenfalls stark abladend, aber bedeutend schmaler als die erste.

Drei Wasseradern: Alle Wasseradern verlaufen quer durch das Gebäude Richtung Aare. Eine verläuft im oberen, eine im mittleren und eine im unteren Drittel des Gebäudes. Die mit dem Pendel gemessenen Werte wie Chi (Lebenskraft), Yin/Yang-Gleichgewicht und durchschnittliche Schwingung in Boviseinheiten sind relativ niedrig.


Massnahmen und ihre Wirkungen

Da die beiden Verwerfungen enorm stark abladend sind, harmonisierte die Geomantiegruppe sie mit speziell dazu erstellten Klötzchen, die an den Aussenwänden des Gebäudes platziert wurden. Diese transformieren die abladenden Schwingungen, sodass sie leicht auf ladend werden.

Sie nahm eine Energiearbeit in der Reitschule vor mit dem Ziel, die Energien innerhalb der Reitschule besser zum Fliessen zu bringen. Die beiden Verwerfungen konnten so harmonisiert werden, dass sie keine Belastung mehr für die sich in der grossen Halle aufhaltenden Menschen bedeuten. Die Wasseradern hingegen konnten mit diesen Massnahmen nicht harmonisiert werden. Die Messung des Chi (Lebenskraft), des Yin/Yang-Gleichgewichts und der durchschnittlichen Schwingung in Boviseinheiten zeigte eine markante Verbesserung.


Schlussbemerkungen

In der Reitschule wurden aufladende Kraftlinien wie auch abladende Verwerfungen und Wasseradern entdeckt. Ferner stellte die Geomantiegruppe fest, dass die mit dem Pendel gemessenen Werte relativ niedrig sind. Die mit geringem Aufwand getroffenen Massnahmen, verbesserten die Situation markant. Diese könnte mit zusätzlichen Massnahmen, die aber aufwändiger wären, weiter verbessert werden.

- WALTER EGGENBERGER -


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Plan der Reitschule. Die Lage der eingezeichneten Phänomene entspricht ungefähr der Realität. (W.E.)

Raute

Ein esoterischer Selbstversuch

GSCHPÜRSCH-MI?

Der Himmel ist grau und fleckig wie ein verwaschenes T-Shirt. Es ist kalt, der Schnee liegt schleimig auf den Trottoirs, der Schlitz für die Mehrfahrtenkarte der Billet-Automaten ist zugefroren - und meine Laune mies.
Aufstehen - blöd. Frühstücken - blöd. In die Schule gehen - blöd. Es ist höchste Zeit für Licht und Wärme.


Es ist Zeit für ein Sich-im-Einklang-mit-sich-selber-Befinden. Für ein gutes Stündchen voller sphärischer Empfindungen und Gefühlen, die aus dem All auf uns einwirken. Es ist Zeit für Übersinnliches. Es ist Zeit für Esoterik. Und für einen Selbstversuch.

Eine Woche lang "übersinnlich! esoterisch" leben. Mit allem was dazu gehört. Werde ich als Spötterin und bekennende Zweiflerin mein blaues Wunder erleben? Oder werde ich meine Wiedergeburt treffen? Halte ich das überhaupt aus?


Schritt 1: Equipment beschaffen!

Ich habe mit Esoterik nichts am Hut. Wenn ich Esoterik sage, dann meine ich all das, was mit Kristallen, Auramessungen, Pendeln, Karten und Kaffeesatz zu tun hat (mit der Materie vertraute Personen verzeihen mir jetzt bitte diese Oberflächlichkeiten, ich weiss es einfach nicht besser). Aber da ich ja eine Woche lang mein Esoterik-Programm durchziehen will, um "Licht, Leben und Leidenschaft" in mein Leben zu bringen (und der Winter-Tristesse zu entgehen), brauche ich also Hilfe. Merkwürdigerweise kennen die meisten der um Hilfe Gebetenen erstaunlich viele verschiedene Techniken und Rituale, die für meine Woche wie angegossen zu passen scheinen. Ich kann also beherzt den Selbstversuch starten...


Montag: Das Elfen-Orakel und Ecksteine

Am Sonntagabend habe ich mir aus meinem neuen "Elfen-Orakel"-Kartenset namens "Botschaften aus dem Reich der Naturgeister" blind eine Karte gezogen, die ich am nächsten Morgen ansehen und damit den bevorstehenden Tag deuten werde. In alle vier Ecken meines Zimmers sollte ich ein Halbedelstein legen, um so ein positives elektrisches Schutzfeld um mich herum aufzubauen, das sich unter anderem auch positiv auf meinen Schlaf auswirken sollte. Ich stelle mir mein Zimmer gefüllt mit der Art von blauen Strahlen vor, die es in der Mikrowelle gibt, wenn man Metall darin wärmt. Aber das sollte ja eigentlich harmlos sein mit ein paar Rosenquarzen und Bergkristallen. Auf den Fernseher sollte ich auch einen Amethyst legen, damit man strahlenfrei TV-junken kann. Habe keinen Fernseher. Darum kommt der Stein auf den Laptop. Sieht blöd aus. Aber ich will ja strahlenfrei arbeiten, oder?

Und jetzt die erste Karte: "In die Freiheit ausbrechen". Aha. Das Begleitbuch sagt: "Die Feen sagen, dass wenn wir für uns verantwortlich sind, dann sind wir auch für die anderen verantwortlich. Dann sind Familie und Freunde glücklich." Und wo ist jetzt das mit der Freiheit? Ich habe ja schliesslich nicht die Karte "Selbstaufopferung" gezogen. Moment, da steht noch ein Mantra zu der Karte: "Ich bin frei und ich bin mächtig. Und ich erlaube mir, diese Freiheit und Macht zu geniessen." Aha. Könnte auch ein Zitat von einem politischen Führer sein. Was soll's, ich bin ja jetzt frei und mächtig und muss jetzt auf den Bus.


Dienstag: Bitte stabil pendeln

Heutige Karte "Lachen - Jede Wolke hat ein silbernes Leuchten und eine humorvolle Seite" (auf der Karte ist eine hysterisch lachende Elfe in blauem Negligee abgebildet. Um sie herum kosmische Strahlen in blau und weiss. Die sollte auch mal Steine auslegen).

Mantra für heute: Ich finde den Humor im Leben und lache schnell.

Eine weitere, sehr verbreitete Technik soll heute mein Essen bestimmen. Ich pendle meinen Einkauf aus und muss alle gependelten Zutaten heute brauchen. Ich habe mir aus einem Glasklunker eines alten Kronleuchters und einem Stück Nylonfaden mein persönliches Pendel gebastelt und nehme es mit in die Migros.

Ich frage mein Pendel, was ich in meinen Einkaufswagen lege, indem ich es über den Produkten pendeln lasse. Schwingt es linksrechts heisst das Nein, wenn vorzurück Ja.

Beim Gemüse siehts noch einigermassen gut aus. Das Pendel hätte gerne Karotten, Auberginen, Tomaten, Knoblauch... sieht nach einem Ratatouille oder Spaghettisauce aus. Dann kommen Milch, Butter und Gorgonzola dazu. Und dann Himbeerquark, Ingwer, hartgekochte Eier, ein 12er-Pack Kaffeebohnen (ungemahlen), 1 Kilo Mehl, getrocknete Aprikosen, getrocknete Bohnen, Borlotti-Bohnen, grüne Bohnen und weisse Bohnen. Und eine Dose Schuhwichse und einen Sloggi-Slip for Men. Ich beschliesse, den Einkauf abzubrechen, bevor mich mein Pendel Bankrott pendelt oder ich meine Umwelt gasös belästigen muss. Ich hätte ja nie gedacht, dass professionelle Pendler nur Hülsenfrüchte essen. Muss ja furchtbar sein!


Mittwoch: Auf Du & Du mit der Kristallkugel

Heutige Karte: "Visualisierung - Deine Träume und inneren Bilder werden klarer und mächtiger. Vertrauen sie ihnen" (auf der Karte diesmal eine Meerjungfrau von hinten, deren Fischschwanz unter dem Po anfängt. Wäre ja langweilig, wenn die so eingepackt wäre).

Mantra für heute: Es ist sicher für mich zu sehen. Ich bin eine sehr visuelle Person.

Heute werfe ich ausserdem einen Blick in die Zukunft durch die Kristallkugel. Eine Freundin lieh mir ihre aus, und als ich sie fragte, ob denn die Kugel merke, dass sie die Besitzerin gewechselt hatte, sagte sie nur: "Es ist Rauchquarz!" Also Obacht, liebe/r Leser: unterschätze nie den Rauchquarz! Der merkt im Fall alles!

Zuhause konzentriere ich mich, hoffe, dass der Quarz einen Kanal einschaltet, der mir den Ablauf der nächsten zwanzig Jahre aufzeigt. Aber er war wohl noch beleidigt von vorher. Meine Zukunft wird gräulich, mit Schlieren durchzogen und kleinen, eingeschlossenen Luftblasen gespickt. Hoffe, die Luftblasen zeigen nicht die Anzahl Kinder an. Sonst werde ich die nächsten 200 Jahre mit Kinderkriegen beschäftigt sein.


Donnerstag: Der brütende Steinbock

Heutige Karte: "Schlagen sie aus - Deine Seele verzehrt sich nach Feiern und Spass haben. Die Feen empfehlen dir dringend, deine Freunde anzurufen und mit ihnen auszugehen". (Na endlich, mal eine verständliche Karte. Ob bei den Feen auch ein Bier drinliegt?)

Mantra für heute: Ich bin inspiriert, verspielt und eine gute Begleitung. Ich finde Wege, um mit meinen Freunden zu feiern.

Auf www.astrologen24.ch gibt es ein Tool, das sich Partner-Analysis nennt. Da kann man also überprüfen, welches Sternzeichen zu einem passt. Ich bin ein Skorpion, mein Freund ein Steinbock. Und das meint die Partner-Analysis: Skorpion mit Steinbock: Beide sind ehrgeizig, willig und sie kommen hervorragend miteinander aus. Es dürfte sich nur ein Mindestmass an Problemen ergeben. Der Skorpion neigt zum Emotionellen, was gut ist für das brütende und introvertierte Wesen des Steinbocks. Dem Steinbock tut die Geborgenheit gut, die durch die Besitzsucht des Skorpions gewährleistet ist. Der Skorpion hat nichts gegen Erotik ohne Gefühlsbetonung und das ist auch dem Steinbock recht. Ein sehr enges Verhältnis, eine starke Ehe.

Alles klar: Ich bin eine besitzsüchtige, kaltschnäuzige Emotionswalze. Aber das ist ja noch gar nichts gegen den brütenden Steinbock! Dann ist ja schon mal klar, woher die vielen Kinder in unserer so starken Ehe kommen werden!

Hier noch ein paar weitere Kostproben: Stier mit Schütze: Hier besteht die Gefahr darin, dass der Stier versuchen wird, den freiheitsdurstigen, unabhängigen Schützen an die Kette zu legen. Das kann nicht gut gehen auf Dauer Der etwas triebhafte Stier wird an der wollustbetonten Natur des Schützen seine Freude haben, aber an dessen Drang, Liebe zu suchen, wo immer sie sich finden lässt, Anstoss nehmen. Sie werden sich im Bett gut vertragen, doch der unbekümmerte, leichtfüssige Schütze ist gewöhnlich ein besserer Liebhaber als Ehepartner.

(...)

Löwe mit Löwe: Im Erotischen und generell überall denkt der Löwe in erster Linie an sich selbst. Die Frage ist: Können zwei "Ich" ein "Wir" ergeben? Aber ja! Könige und Königinnen sprechen von sich selbst im Plural warum also nicht? In sämtlichen Hinsichten passen sie sehr gut zueinander Jeder muss den anderen glänzen lassen und, wenn nötig, das Scheinwerferlicht mit ihm teilen. Das ist natürlich nicht immer möglich, wenn es aber klappt, dann heisst es: Lang lebe der König! Lang lebe die Königin!


Freitag: Hör dein Karma husten!

Heutige Karte: "Magische Heilung - Erwarte ein Wunder. Du ersehnst seit langem Beistand, und dein Sehnen wird ein Ende haben". (Tatsächlich, ich ersehne seit langem eine Bücherlieferung aus dem Ausland... mal sehen, ob das heute was wird.)

Mantra für heute: In Wahrheit, alles und jeder, mich eingeschlossen, ist geheilt in diesem Moment.

Das Räuchern soll das Bewusstsein in höhere Sphären dringen lassen, da komme ich ja nicht drum herum. Die Entscheidung fällt auf eine Räuchermischung namens "Lebenslicht-Energie und Weisheit" mit Tonka-Bohnen, Kräutern, Harzen und sonstigem Allerlei. Ich kenne Räuchern eigentlich nur aus der Kirche oder mit Räucherstäbchen, die Lebenslicht-Mischung muss man allerdings auf eine spezielle Räucherlampe streuen, die oben ein Drahtnetzchen und unten ein Kerzchen hat. So weit, so gut. Langsam fängt die Mischung an zu rauchen, schmort auf dem Netzchen zusammen, noch mehr Rauch. Ein leichter Duft nach Harz und Weihrauch, würzig und nicht unangenehm. Doch das verändert sich schneit mit zunehmender Rauchentwicklung.

Ab dann riechts in der Wohnung fürchterlich. Nach kokelnder, toter Ratte. Nach brennendem Fisch, in Plastik verpackt. Nach Müllkippe in Brand. Und der Gestank sollte auch noch die nächsten zwei Tage in meiner Wohnung hängen bleiben. Lebenslicht-Energie und Weisheit habe ich mir ein wenig anders vorgestellt. Wobei; gescheiter bin ich jetzt schon ein bisschen geworden: Nicht in der Wohnung räuchern! Einfach! Nicht!


Samstag: Aurafühlen

Heutige Karte: "Mach Musik - Drück dich durch Musik aus, die Feen empfehlen dir dringend Singen, mit den Fingern schnippen oder die Anlage laut aufzudrehen".

Mantra für heute: Tief in meiner Seele, weiss und akzeptiere ich die heilende Wirkung von Musik.

Als letzte Disziplin nehme ich mir heute das Aura-Fühlen vor. Man könne die eigene Aura fühlen, wenn eine Zweitperson langsam mit den Händen um den Körper mit einer Distanz von ca. 30 cm fährt. Luftgestikulieren also. Man muss die Augen geschlossen haben und sollte dann bald eine Art elektrisches Kribbeln empfinden können. Gesagt, getan, nix gespürt. Entweder meine Aura ist so verbockt und hat einfach keine Lust, sich bemerkbar zu machen, oder ich habe keine?! Eine Freundin, die mir in dem Experiment assistiert, behauptet, sie spüre etwas an den Handflächen. Vielleicht ist es die Reibung zwischen meiner faulen und ihrer aktiven Aura... Auf jeden Fall eine Disziplin, die bei der Ausführung recht bescheuert aussieht und vielleicht etwas Feingefühl voraussetzt.


Sonntag: Ach was solls...

Keine Karte heute. Auch keine Experimente mehr. Jetzt reicht es erst mal fürs Erste. Was ist mein Fazit? Schwer zu sagen...für die einen ist es was, für die anderen nicht. Den einen ist es zu viel Firlefanz, zu viel "Gschpürsch-mi", zu viel Theater. Die anderen können sich ein Leben ohne nicht vorstellen. Auch ich bin nicht viel schlauer geworden. Man beschäftigt sich vielleicht etwas bewusster mit sich selber, praktiziert man täglich. Die kleinen Momente der Ruhe, auch wenn es nur Orakel-Karten lesen ist, tun gut. Aber es müssen alle für sich selbst herausfinden, ob und wie das Übersinnliche und Esoterische für sie funktioniert. Einfach ausprobieren...

- NAFU -

Raute

Wenn Neonazis Ufos sichten

BRAUNE SPLITTER IN DER BUNTEN ESOTERIK

Die Berührungspunkte zwischen Neonazismus und Esoterik finden sich den jeweiligen Denkwelten. Damit wird auch erklärbar, warum sich Neonazis für Ufos interessieren und warum Holocaustleugner in Esoterikkreisen zu Stars avancieren können.


Am 31. Oktober 2009 wurde die Olma-Halle in St. Galten zum Stelldichein "weltkritischer" Geister. Die Anti-Zensur-Koalition hatte zur ersten grossen Konferenz geladen und rund 1500 Personen waren dem Ruf gefolgt. Angereist war ein bunter Haufen von UFO-interessierten VerschwörungstheoretikerInnen bis hin zu Jüngern der Ivo-Sasek-Sekte OCG (Organische Christus Generation). Stundenlang reichten sich Impfgegnerinnen, Zensurgegner und BiotechnologiegegnerInnen das Wort. Es wurde der Casinokapitalismus verschrien, die Regionalwirtschaft hochgelobt und ein Loblied auf die naturnahe Medizin angestimmt.


Von der Mobilfunkantenne zur Rassentheorie

Und dann, zwischen einem Film gegen Psychopharmaka und dem Vortrag gegen die Mobilfunkantennen, stand der Überraschungsgast Bernhard Schaub am Rednerpult. Auch er ein "Kritiker". Seit Jahren kritisiert Schaub die "Holocaustlüge" und ist deswegen bereits mehrfach verurteilt worden. Er sprach an diesem Nachmittag über das seiner Meinung nach völlig unnötige Anti-Rassismus-Gesetz (ARG) und begab sich damit gleich im Selbsttest auf die juristische Gradwanderung. im Dialog mit dem Publikum lotete er die Grenzen des ARGs aus. Immer dann, wenn Schaub hart an dieser Grenze des juristisch Sagbaren entlang scheuerte, kam ihm das Publikum mit frenetischem Applaus zu Hilfe. Ihr Händeklatschen bedeutete jeweils soviel wie: "wir-wissen-alle-wovon-wir-reden-aber-sagen-es-nicht-laut".

Es war eine dümmliche, rassistische Rede, die von völkischer und nationalsozialistischer Rhetorik nur so triefte. Von wegen Volk und Kampf und Deutschland sei nicht mehr deutsch, wie auch die Schweiz nicht mehr schweizerisch sei. Blablabla. Schliesslich wurde das braune Gesülze vom Publikum mit stehenden Ovationen und lange anhaltendem Beifall verdankt. Von den rund 1500 Anwesenden äusserte sich keine einzige Person kritisch zu Schaubs Ausführungen - und so was ausgerechnet an einer "Anti-Zensur-Tagung". Dieses gespenstische Schauspiel vom 31. Oktober 2009 in der Olma-Halle St. Gallen wirft viele Fragen auf. Warum wurde Schaub überhaupt zur esoterisch-verschwörungstheoretisch-urchristlich angehauchten Veranstaltung eingeladen? Und warum waren die Leute dort von seinem Rassismus so begeistert? Sind das alles Neonazis, oder wie sind diese Berührungspunkte zwischen Schaub und dem Kongresspublikum zu deuten?


Esoterik als Sammelbegriff

Wir bewegen uns hier also an der Schnittstelle zwischen Neonazismus und Esoterik. Dabei kann weder gesagt werden, dass Esoterik als Ganzes rassistisch und antisemitisch sei, noch kann man bei diesen Berührungspunkten von einem aussergewöhnlichen Randphänomenen sprechen. Die Verbindungslinien zwischen neonazistischer und esoterischer (beziehungsweise okkulter) Weltanschauung reichen historisch weit zurück und nähren sich in ihrem Irrationalismus gegenseitig.

Unter Esoterik verstehen wir dabei ein weites Spektrum an Heils- und Weltanschauungslehren, die sich mit dem "geheimnisvollen", "unsichtbaren", "inneren" und "dunklen" Wissen über Geist, Natur, Umwelt und Gesellschaft beschäftigen. Schon allein weil Esoterik als Sammelbegriff für unterschiedlichste Strömungen und Praktiken dient, dürfen keine Pauschalverurteilung vorgenommen werden. Wir wollen aber aufzeigen, welche esoterischen Konzepte eine Nähe zur völkischen und neonazistischen Denkweise aufweisen. Damit lässt sich einerseits erklären, weshalb sich Neonazis auffällig häufig mit Ufologie, Naturmedizin, keltischen Bräuchen und Verschwörungstheorien auseinandersetzen. Anderseits wollen wir damit auf die oft nicht einmal beabsichtigten Berührungen von Esoterikinteressierten mit neonazistischen Denk- und Handlungsweisen hinweisen.


Hitlers Bezug zum Okkultismus

Die historischen Wurzeln der braunen Esoterik verweisen auf die Begründerin des modernen Okkultismus: Helena Blavatsky. Diese gründete 1875 die Theosophische Gesellschaft, welche bis heute beträchtlichen Einfluss auf religiöse, esoterische Bewegungen weltweit genommen hat und weiterhin nimmt. Aus der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft ging 1912/13 die Anthroposophische Gesellschaft unter Rudolf Steiner hervor. Blavatsky erfand in ihrem 1888 publizierten Buch "Geheimlehre" den Mythos des reinen Nordens, wo die arische Rasse geboren worden sei. Andere, angeblich niedere Rassen wie "Rothäute, Eskimos und Papuas" müssten verlöschen, während die arische Rasse zum Führen erkoren sei. Der österreichische Okkultist und Rassentheoretiker Jörg Lanz von Liebenfels entwickelte solche Ansätze in seiner kruden Rassenlehre weiter. So wollte er "niedere Rassen" sterilisieren oder als Gottesopfer verbrannt sehen. Seine Zeitschrift, die Ostara, wurde vom jungen Hitler regelmässig gelesen. Einmal besuchte Jörg Lanz diesen sogar in der Wiener Redaktion. Obschon Hitler die Okkultisten verspottete, hat ihn deren Rassismus geprägt. Ihre Symbolik wurde in der nationalsozialistischen Ikonographie detailgetreu übernommen, so auch das Hakenkreuz.


Unheilvolle Denkverwandtschaften

Schwierig wird die Auseinandersetzung mit esoterischen Denkweisen immer dann, wenn nicht mehr begründet, sondern nur noch gespürt, geglaubt und schliesslich gewusst wird. Das war bei Helena Blavatsky nicht anders als bei heutigen Weltanschauungslehren. So lassen sich innerhalb der Esoterik bestimmte Denkmuster feststellen, die allen Arten von Ideologien Tür und Tor öffnen können - und dies nicht selten gerade für antisemitische und rassistische Ansätzen auch tun.

Dies betrifft erstens die Vorstellung von der Überwelt. So herrscht in esoterischen Kreisen vielfach die Überzeugung vor, dass die sichtbare Welt von einer grösseren, nicht direkt zugänglichen Welt umschlossen werde. Meist gilt die sichtbare Welt als verdorben und profan während in der anderen die Erlösung wohne. Der Zugang zu dieser "wahren, sinnlichen Welt" ist aber nur dem erlauchten Kreis von Erleuchteten und Erkennenden möglich. Dieses Denkgebäude ist auch im Rechtsextremismus prägend. In neonazistischen Kreisen dominiert eine vergleichbare Vorstellung von der kranken, kaputten Welt. Diese gelte es zu erlösen, indem man durch den politischen Kampf zurück zu den Wurzeln des eigenen Volkes gelange, um dieses in den wahrhaften und natürlichen Zustand zurückzuführen.

Zweitens ist ein mit dem Glauben an eine spirituelle Evolution verbundenes Elite-Denken auszumachen. So fühlen sich Esoterikerinnen und Esoteriker nicht selten dazu auserwählt, die noch nicht erleuchtete, restliche Menschheit zu ihrem Heil zu führen. Damit eng Verbunden ist die Vorstellung vom Meister-Schüler-Verhältnis. Dies impliziert die Überzeugung, dass das wahre Wissen nur über den Weg der Vermittlung via spirituell Berufene gelingen könne. Die Erkenntnisfreiheit der esoterisch Suchenden reduziert sich dabei weitgehend auf die Wahlfreiheit des Meisters oder der Meisterin: Ob Kartenlegerinnen, Orakel, Geistheiler, Jesus, Yogis, Gurus oder doch lieber Erzengel Michael.

Schliesslich verunmöglicht das Denken in Analogien alle Kritik; beispielsweise indem "alte Bräuche", kosmische Regeln oder Verschwörungsmythen zur "natürlichen Gesetzlichkeit" erklärt werden. Gleichzeitig werden Begründungen aus der sichtbaren Welt, etwa wissenschaftliche Erkenntnisse, als Unwissenheit, Irrlehre oder bewusste Manipulation abgetan. Und dort wo die Kritik endet, können sich bekanntlich Willkür und Unvernunft paaren.

- ANTIFA BERN -

Raute

Kraftorte rund um Bern

EIN DUTZEND WUNDERSAME PLÄTZE IN DEINER UMGEBUNG

Ein Kraftort ist ein Ort mit besonderer Ausstrahlung und Wirkung. oft stand an solchen Stellen einmal eine Burg, oder Ausgrabungen förderten frühgeschichtliche Funde zu Tage. Hier eine Auswahl von zwölf magischen Orten.


Wer kennt es nicht, das Gefühl, einen einzigartigen Flecken auf unserem Planeten entdeckt zu haben? Ein überraschend vor uns liegender Findling, ein Jahrhunderte alter, knorriger Laubbaum, sonderbare Formationen im Gestein, kunstvoll aufgetürmte Steinbrocken, die von einer einstigen Burg oder einem ehemaligen Kloster zeugen - oder auch nur ein Rastplatz mit befreiender Weitsicht? Es gibt sie, diese Orte, an denen wir uns sofort wohl und geborgen fühlen. Plätze, die uns faszinieren und uns mit ihrer Eigenheit in ihren Bann ziehen.

Solche "Kraftorte", wie sie gerne genannt werden, bieten jedoch auch Anlass für spekulative Hobbygeschichtsforschung und esoterische Gedankenspiele, denen kaum Grenzen gesetzt sind: An dieser Quelle haben schon unsere Ahnen ihr Wasser geholt. Auf jenem Felsvorsprung brannte einst ein Opferfeuer der Germanen. Druiden trafen sich in dieser Höhle zu ihren Ritualen... Wie natur- und erdverbunden die Menschen in früheren Jahrtausenden doch gewesen sind. Wie viel Freizeit sie hatten, um ihren Göttern zu huldigen und sich ihren Ritualen zu widmen. Ja, diese Kelten spürten noch, wo die positiven Schwingungen sind - ohne Pendel! Ganz im Gegensatz zu uns abgestumpften und der Natur entfremdeten StädterInnen. Kein Wunder, dass die Erde krankt. Höchste Zeit, dass die Energien wieder ordentlich fliessen. Die GeomantInnen, die laut Eigenwerbung "Hilfestellungen für das tägliche Leben" geben wollen, tun dies für uns im Seeland mit 28 exakt platzierten zweimeterhohen Steinquadern. Akupunktur der Landschaft nennen sie ihr Prinzip. Sicher ist: Ungestillt bleibt die Sehnsucht nach Magie und Wunder in unserer stets bestens erklärten Welt.

Romantisierung und Mystifizierung der Vorfahren und geomantische Schwingungsoptimierungen zum Trotz: Viele der Geschichten, insbesondere die überlieferten Sagen, sind schön. Und seien es Lindenbäume, Druidenaltare, Zwergenhöhlen oder Riesengräber, die hier beschriebenen kraftvollen Orte sind allemal einen Ausflug wert auch für Menschen, die mit ganz rationalem Geist unterwegs sind.

- REL -


1. Ruine Grasburg
Auf der Felsnase über der Sense befand sich seit Urzeiten eine heilige Stätte mit Opferfeuer, Nach einem bitteren Kampf mit einem Drachen errichtete der Römer Crassius hier ein Kastell. Von diesem heroischen Sieg profitierten auch Kelten, Alemannen, Burgunder, Zähringer und bernische Vögte, die die Grasburg behausten. Heute ist die Ruine ein beliebter Ort für Lagerfeuer und Schulreisen.

2. Druidenheiligtum Schlosschälen
Bei Hinterfultigen, an steilstem Abhang zum Schwarzwasser, befindet sich ein vergessenes Keltenrefugium: ein geheimnisvoller Sandsteinbogen und ein Druidenaltar, von Menschenhand erschaffene Gemäuer und Felsnischen. Aber aufgepasst: Das antike Heiligtum ist nur auf halsbrecherischem Pfad zu erreichen!

3. Klosterruine Rüeggisberg
Cluniazensermönche erbauten im 12. Jahrhundert an einmalig schöner Lage ein Kloster. Laut Dorfchronik sass in nebligen Nächten oft ein gruseliger Mönch auf der Ruine - seinen Kopf unter dem rechten Arm haltend. Er verstörte nicht nur manches Mädchen der Erziehungsanstalt, welche später im Klostergebäude einquartiert war. Seit dem Brand von 1875 ist der Kopflose nicht mehr gesehen worden.

4. Pfaffenloch bei Gutenbrünnen
Glaubt man der Sage, so hatte die Höhle in den Sandsteinflühen oberhalb von Kaufdorf einst neun Kammern und führte unterirdisch bis zum Kloster Rüeggisberg. Zwerge wohnten darin. Ab und zu feierten auch Mönche - der Klostertugenden überdrüssig - in der Höhle wilde Feste. Zwei der magischen Felskammern können noch heute besucht werden.

5. Linden von Ballebüel
Auf dem Hügel oberhalb von Konolfingen stehen zwei prächtige Lindenbäume. Das sonnige und aussichtsreiche Plätzli lädt zum Verweilen ein - dies nicht von ungefähr: Der Altertumsforscher und Chronist Albert Jahn verortete hier eine Kultstätte, die dem keltischen Sonnengott Belenus geweiht war.

6. Turmruine Geristein
Im Wald hinter dem Bantiger liegt die Ruine Geristein. Der Rundturm wurde mit einer Sanierung vor dem Zerfall gerettet. Westlich davon endet der Sandsteinrücken mit einem Torbogen, der sich bei genauem Hinsehen als Elefanten mit Rüssel und Stosszahn entpuppt. Naturkräfte oder das Werk von Steinhauern? Es bleibt ein Mysterium.

7. Bottis Grab
Der starke Riese Botti lebte im Grauholz und konnte mit seinen Fingerspitzen Steine zermahlen. Trotz seiner Friedfertigkeit fürchteten sich die Menschen vor ihm. Botti starb vor Kummer. Sein Grab mass 7.5 Meter von Kopf bis Fuss und musste wegen der Autobahn verlegt werden. Der seither ruhelose Botti legt sich ab und zu quer über die Fahrbahn und provoziert Verkehrsunfälle.

8. Reitschule Bern
Der Ort der autonomen Kräfte. Die Reitschule wurde kürzlich geomantisch vermessen. Dabei erpendelten die ExpertInnen eigentlich erstaunt es nicht viele Ecken mit intensivsten positiven Schwingungen.

9. Heilquelle Glasbrunnen
Das Quellwasser kommt direkt vom Jungfraugebiet und wirkt heilend, was schon die Kelten wussten. Es erscheint dort der Geist von Magdalena Nägeli, welche rund zwanzig Kinder gebar das Wasser verhilft daher zu Fruchtbarkeit. Heute wird das Quellwasser gar in Petflaschen verkauft.

10. Tüfelsburdi
Im Wald des Jolimonts bei Erlach liegen drei grosse, mysteriöse Felsblöcke die laut Gesteinsproben aus dem Wallis stammen. Der Teufel hat sie - so die Sage - platziert, um sich eine Burg zu bauen und die Menschen zu beobachten. Wie ausgegrabene Scherben und Tonskulpturen verraten, fanden hier bereits in der Jungsteinzeit kultische Handlungen und Rituale statt. Die Militärbunker aus dem letzten Jahrhundert vermögen die Schwingungen des Orts in keiner Weise zu beeinträchtigen.

11. Stele in Kreisel
An 28 auserlesenen Orten im Seeland haben zeitgenössische GeomantInnen Lithopunktursteine aufgestellt. Diese rund zwei Meter hohen Steinpfähle bringen - analog der Akupunktur - die natürlichen Kräfte der Erde optimal zum Fliessen. Eine dieser Stelen steht mitten in einem Verkehrskreisel bei Müntschemier - safe drive!

12. Oppidum auf dem Mont Vully
Auf dem Seeländerhügel befand sich einst ein helvetisches Oppidum, eine Fluchtburg mit Schutzwall. Wegen seiner aussergewöhnlichen Energie und der einmaligen Lage wurde der Hügel immer für kultische Feiern genutzt. Dies bis in die Gegenwart: Plastiker Bernhard Luginbühl zündete hier im Expo-Jahr 2002 seine Skulptur "Signal" an.


Quellen:
- Pascale Hofmeier in: Der Bund vom 30.072008, S. 23.
- Kari Grunder, Sage zwüsche Gürbe u Sense, Audio CD 2003.
- Rahel Meile in: Berner Zeitung vom 25.10.2004, S. 24,
- Pier Hänni, Magisches Bernbiet, 2008.
- www.wikipedia.de

Raute

Libanon

UNERFÜLLTE VERSPRECHEN IN NAHR AL-BARED

Nachdem das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared in einem Krieg 2007 völlig zerstört wurde, versprach die libanesische Regierung den 30.000 Flüchtlingen einen schnellen Wiederaufbau und die Rückkehr ins Camp. Zweieinhalb Jahre danach hat sie noch immer nicht Wort gehalten, und das Flüchtlingslager ist nach wie vor im Griff der libanesischen Armee.


"Nahr al-Bared wurde nicht zerstört, um wieder aufgebaut zu werden. Es wurde zerstört und das war's. Ich will auswandern!" Das sind die Worte von Marwan Hamed, einem 30-jährigen Palästinenser, der gegenwärtig in einer 18 Quadratmeter grossen Baracke, einem sogenannten temporary shelter am Rande des Flüchtlingslagers Nahr al-Bared im Nordlibanon wohnt. Nachdem er im Mai 2007 in eine Schule im nahen Beddawi Camp geflohen war, kehrte er im Frühjahr 2008 nach Nahr al-Bared zurück. Nach knapp zwei Jahren hat Hamed die Hoffnung verloren, dass das Camp wieder aufgebaut wird, seine Lebensbedingungen sich verbessern und er einen Job findet.

Im Mai 2007 brach in Nahr al-Bared eine 15-wöchige Schlacht zwischen der nicht-palästinensischen militanten Gruppe Fatah al-Islam und der libanesischen Armee (LAF) aus. Die Kämpfe kosteten 54 ZivilistInnen sowie rund 400 Soldaten und Militanten das Leben. Das Flüchtlingslager wurde komplett zerstört und als es unter ausschliesslicher Kontrolle der LAF war, wurden Häuser niedergebrannt, in die Luft gesprengt und systematisch geplündert.

Bereits während des Kriegs machte der frühere libanesische Ministerpräsident Fouad Siniora den Flüchtlingen drei Versprechen: "Euer Exil wird temporär, eure Rückkehr definitiv und der Wiederaufbau Nahr al-Bareds sicher sein." Die Bereitschaft der Regierung für den Wiederaufbau ist angesichts der konfliktreichen Vergangenheit der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon bemerkenswert. Flüchtlingslager wie Tell az-Zataar oder Jisr al-Basha, im Bürgerkrieg zerstört, wurden nie wieder aufgebaut und die Ablehnung der permanenten Ansiedlung der palästinensischen Flüchtlinge im Land bleibt nach wie vor einer der wenigen Konsense in Libanons politischer Arena.


Militarisiertes Modell

Nachdem die Regierung im Februar 2008 gemeinsam mit der UNO-Agentur für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) und der grassroots-Kommission für den Wiederaufbau Nahr al-Bareds (NBRC) einen Masterplan für den Wiederaufbau präsentierte, wurde im Juni desselben Jahres in Wien eine Geberkonferenz abgehalten. In einem Dokument skizzierte die libanesische Regierung ihre Strategie und betonte, das Flüchtlingslager werde "nicht zu seinem vorherigen sozialen und politischen Status zurückkehren, welche seine Übernahme durch Terroristen begünstigte."

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versicherte Ministerpräsident Siniora, das einst wieder aufgebaute Camp werde langfristig unter Kontrolle des libanesischen Staats und seiner Sicherheitskräfte kommen und zu einem "Modell-Camp" für die anderen elf palästinensischen Flüchtlingslager im Land werden. In der Barackensiedlung Nahr al-Bareds ist derweil Zynismus und Frustration greifbar. Marwan Hamed etwa fragt zornig: "Nahr al-Bared soll ein Modell werden? Ein Modell für was denn? Für Arbeitslosigkeit, Depression und Verweigerung?"

Etwa zwei Drittelder EinwohnerInnen des Flüchtlingslagers lebten einst im Kern Nahr al-Bareds, der total zerstört wurde. Nach der Räumung des grössten Teils des Schutts wurde im Frühling 2009 der Grundstein für den Wiederaufbau gelegt. Dieser begann effektiv aber erst im November, da im Sommer ein Moratorium des libanesischen Staatsrats alle Arbeiten blockierte. Damals, als politische Machtspiele die Bildung der neuen Regierung verzögerten, missbrauchte der Chef der "Freien Patriotischen Bewegung", Michel Aoun, den Fund antiker Ruinen unter Nahr al-Bareds Schutt und reichte Einsprache ein. Der Wiederaufbau verspätete sich zudem wegen den unzähligen Blindgängern und aus weiteren Gründen.

Charlie Higgins, Projektmanager für den Wiederaufbau Nahr al-Bareds der UNO-Agentur für Palästina-Flüchtlinge warnt: "Wir haben gerade die Startlinie überquert und es dauerte lange, um überhaupt zur Startlinie zu gelangen." In den improvisierten Büros der NBRC tönt es ebenso vorsichtig. Abu Ali Mawed, ein Mitglied der Kommission, sagt, die Leute seien alles andere als optimistisch. "Es gab zu viele unerfüllte Versprechen und der Prozess kommt kaum voran." Mawed ergänzt, optimistische Gefühle kämen ihm erst hoch, wenn er die ersten Menschen in ihren neuen Häusern wohnen sehe.

In der streng bewachten Operationsbasis der UNRWA in Tripoli sagt Projektleiter Higgins, nicht das Lösen technischer Probleme sei das Schwierigste, sondern die Bewältigung administrativer, rechtlicher und politischer Hürden. "Der Wiederaufbau Nahr al-Bareds ist hierzulande keineswegs ein von allen akzeptiertes Unterfangen. Es gibt Leute, die das Projekt ablehnen", sagt er und warnt vor weiteren Komplikationen in der Zukunft.

Eines der anstehenden Probleme ist finanzieller Art. Der UNRWA ist es bislang bloss gelungen, einen Drittel der für den Wiederaufbau benötigten 328 Millionen US Dollar einzutreiben. "Dies überrascht uns nicht und hält uns auch nicht davon ab voranzuschreiten", sagt Charlie Higgins. Er ist optimistisch, dass der UNRWA mehr Geld zufliessen werde, sobald die Sponsoren die ersten Häuser stehen sehen.

Für Amr Saededine, der als unabhängiger Journalist die Entwicklungen in Nahr al-Bared verfolgt, stellt die Armee das Hauptproblem dar. "Die Regierung erlaubte dem Militär sogar, in den Planungsprozess einzugreifen." Er fühlt sich an das 19. Jahrhundert erinnert, als der französische Baron Haussmann auf Anweisung von Napoleon III den Umbau Paris' entwarf: Die LAF betrachten Nahr al-Bared bloss aus dem Blickwinkel der Sicherheit. Saededine sagt, die LAF hätten erfolglos versucht, den Bau von Balkonen zu verbieten, doch - wie Israel es im Flüchtlingslager tat - darauf insistiert, dass die Strassen breit genug würden, damit sich Panzer problemlos bewegen könnten. Der Journalist beschuldigt die involvierten zivilen Stellen auf der libanesischen Seite sich hinter den LAF zu verstecken. "All diese Planer und Architekten müssen alles von der Armee absegnen lassen. Aber es geht hier doch um ein ziviles Gebiet und um nichts anderes!"

Die LAF haben Nahr al-Bared zur Militärzone erklärt. Die Armee hat den planierten Kern des Flüchtlingslagers abgeschottet und kontrolliert und beschränkt den Zugang in das umliegende Gebiet, wo sich mittlerweile 20 000 Flüchtlinge temporär aufhalten. Ohne Spezialbewilligungen des Armeegeheimdienstes ist es nicht möglich, Nahr al-Bared zu betreten. JournalistInnen bleibt der Zugang entweder verwehrt, oder sie werden auf Schritt und Tritt von Soldaten begleitet - selbst während Interviews verlassen sie den Raum nicht.

Die Trennung Nahr al-Bareds von den umliegenden libanesischen Dörfern beeinträchtigt nicht nur die interkommunalen Beziehungen negativ, sondern behindert auch die wirtschaftliche Erholung des Flüchtlingslagers. LibanesInnen bildeten vor dem Krieg etwa die Hälfte der Kundschaft. Sie profitierten von den tiefen Preisen und der Möglichkeit, bei den palästinensischen HändlerInnen Schulden zu machen. Seit Herbst 2007, als die ersten Flüchtlinge ins Camp zurückkehren durften, haben viele Kleinbetriebe eröffnet. Diese oberflächlich positive Erscheinung täuscht allerdings.


Libanesische Souveränität vs. palästinensische Selbstverwaltung

In Jar al-Qamr, einem Quartier am südlichen Endes des Camps, beschwert sich eine ältere Frau, die einen kleinen Lebensmittelladen betreibt: "Am Anfang war ich alleine. Jetzt haben in dieser Strasse mehrere Läden eröffnet und ich verkaufe viel weniger." Ähnliche Klagen können überall in Nahr al-Bared gehört werden, da es Lebensmittelläden, Strassencafés, Bäckereien und Sandwich-Restaurants im Überfluss gibt. Die palästinensisch-arabische Frauenliga (PAWL) unterstützt Händlerinnen mit Sachleistungen. Sahar Itani, die Projektkoordinatorin, weist darauf hin, dass der Markt mittlerweile gesättigt und die Kundenbasis auf jene beschränkt sei, die innerhalb des eingezäunten Flüchtlingslagers lebten.

Am Ende der Strasse in Jar al-Qamr verbrachten Rima Ghannam und ihr Ehemann die letzten beiden Jahre mit dem Wiederaufbau ihrer zerstörten, völlig geplünderten und teilweise abgebrannten Schreinerei. Kleine Unternehmen wie dieses waren in Nahr al-Bared weit mehr verbreitet als in anderen Flüchtlingslagern. Vor dem Krieg gab es keine Zugangsrestriktionen und der Handel war ertragreich. Ghannam zeigt stolz auf die neuen Maschinen in der Werkstatt und sagt: "Wir haben es so wieder aufgebaut wie es früher war. Das Problem ist aber, dass wir unsere Erzeugnisse in einer grossen Galerie und nicht in einem kleinen Raum ausstellen sollten, um zu warten, bis jemand kommt und etwas kauft."

Rima Ghannam erklärt, die Verwendung billigerer Rohmaterialien und der stückweise Verkauf sei problematisch. "Wenn es möglich wäre, zur Produktion ganzer Kollektionen von Betten und Möbeln zurückzukehren, würde sich unsere Lage sicherlich verbessern." Unter grossen Schulden leidend und von der Kundschaft abgeschnitten hofft sie, dass die Armee die Checkpoints öffnen und den Verkehr zur nahen Autostrasse, welche Tripoli mit der syrischen Grenze verbindet, erleichtern wird.

Die LAF lassen derweil verlauten, ihre Sicherheitsmassnahmen "dienen vor allem dem Schutz der Leute durch die Prävention der Infiltration durch Terroristen oder zur Verhaftung ausgeschriebener Personen und der Unterbindung des Schmuggels von Waffen, Sprengstoff und illegalem Material." In Kontrast dazu bezeichnet Charlie Higgins von der UNRWA die Sicherheitsmassnahmen der libanesischen Armee als ein "signifikantes Hindernis hinsichtlich des Wiederaufbaus des Camps in jedem Sinne." Er beschreibt die wirtschaftliche Situation als "festgefahren."

Im Oktober hoben die LAF die Bewilligungspflicht für libanesische StaatsbürgerInnen auf. Sie können das Flüchtlingslager nun mit ihrem normalen Ausweis betreten. Trotzdem hat die Anzahl libanesischer KundInnen kaum zugenommen, weil sie lange Wartezeiten, Kontrollen und Befragungen am Abdi-Checkpoint, dem einzigen den sie passieren dürfen, erdulden müssen. Mehrere LibanesInnen berichteten, dass sie wieder ihre alten Bewilligungen verwenden, da damit der Zugang schneller und einfacher sei.

In Nahr al-Bared schalten und walten Armee und Geheimdienst nach eigenem Belieben. Die Flüchtlinge vermeiden es mittlerweile, öffentlich und ausführlich über die Sicherheitskräfte oder den libanesischen Staat zu sprechen. Der Geheimdienst hat die schwierige Situation der Flüchtlinge dazu missbraucht, zahlreiche InformantInnen zu rekrutieren - vor allem Frauen - deren Dienste vor allem mit Telefonkarten vergolten werden.

Neulich haben die ISF, die libanesische Polizei, am nördlichen Endes des Camps einen Posten errichtet. Die gegenwärtige Rolle der ISF scheint aber auf Strassenpatrouillen beschränkt zu sein. Marwan Abdulal, Chef der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und Verantwortlicher für den Wiederaufbau Nahr al-Bareds der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sagt, "das Problem ist, dass die libanesische Armee trotz der Ankunft der ISF präsent geblieben ist." Er verlangt den Abzug der Armee und dass Nahr al-Bared nicht länger als Militärzone gilt, sondern als ziviles Gebiet betrachtet wird.

Die zukünftigen Sicherheitsmassnahmen in Nahr al-Bared werden gegenwärtig heftig debattiert. Die libanesische Regierung beabsichtigt, das Camp unter staatlicher Obhut zu behalten und das angelsächsische Modell des community policing einzuführen. Die USA sponsern zurzeit ein 6-Millionen US Dollar teures Programm zum Training der ISF. Der Journalist Amr Saededine findet die Idee absurd. "Es kommt aus heiterem Himmel und sie wollen Nahr al-Bared zu einem Testfeld machen. Das Konzept wird weder im Libanon noch sonst wo in der Region angewendet." Er argumentiert, die Regierung priorisiere die Umsetzung des community policing, anstatt einen Dialog mit den PalästinenserInnen zu führen und ein Abkommen auszuhandeln.

Derweil zieht es die PLO vor, die palästinensische Selbstverwaltung aufrecht zu erhalten und das Volkskomitee des Camps zu reformieren. Sie schlägt vor, eine eigene Polizei zu bilden, welche mit dem Volkskomitee und den ISF koordiniert, während letzterer aber ausserhalb des Flüchtlingslagers stationiert ist. Der PLO-Delegierte Abdulal, der selbst in Nahr al-Bared wohnt, glaubt nicht, dass direkte libanesische Sicherheitskontrolle über das Camp funktionieren würde. "Solange das Gesetz diskriminierend bleibt, aber angewandt werden soll, ist das Experiment zum Scheitern verurteilt."

In der Tat, die Anwendung des gegenwärtigen libanesischen Gesetzes in Nahr al-Bared würde bedeuten, dass die ISF sozusagen alle Leute zu verhaften hätte, sagt Saededine. "PalästinenserInnen ist es untersagt, Eigentum zu besitzen, in vielen Berufen tätig zu sein, Geschäfte zu eröffnen usw." Offensichtlich würde die Anwendung libanesischen Rechts in den Flüchtlingslagern bedeuten, dass eine seriöse Diskussion über Bürgerrechte für PalästinenserInnen im Libanon geführt werden müsste. In keinem anderen arabischen Land werden PalästinenserInnen rechtlich derart stark diskriminiert wie im Libanon.

Für Abdulal ist klar, "es ist unmöglich, Sicherheit im Libanon (State Security) zu erreichen, ohne den PalästinenserInnen menschliche Sicherheit (human security) zu garantieren. PalästinenserInnen müssen Bürgerrechte erhalten." In einem positiven Schritt wurde 2005 das libanesisch-palästinensische Dialogkomitee (LPDC) vom libanesischen Ministerrat ins Leben gerufen. Das Mandat dieser Institution besteht aus der Verbesserung der Lebensbedingungen der 250.000 palästinensischen Flüchtlinge im Libanon. Bis heute blieb der Einfluss des LPDC allerdings marginal und Schlüsselthemen wie die Abschaffung der Diskriminierung von PalästinenserInnen auf dem libanesischen Arbeitsmarkt wurden nicht ernsthaft angepackt.

Nahr al-Bareds Wiederaufbau ist ein enorm politisches Unterfangen und alle involvierten Parteien betrachten es als eng verknüpft mit der Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon und deren Beziehungen zu ihrem Gastland. Es gibt Chancen und tatsächlich scheinen einige libanesische politische Akteure für einen Paradigmenwechsel bereit. Trotzdem verbleiben zahlreiche Hindernisse, und die Entwicklungen in Nahr al-Bared während der letzten zweieinhalb Jahren deuten auf eine fortwährende Hegemonie von Sicherheitsdenken hinsichtlich der PalästinenserInnen hin - entgegen all den netten Worten und schönen Versprechen.

- HANS-KASPAR SCHULER -


Hans-Kaspar-Schuler ist freischaffender Journalist und Aktivist des anarchistischen Medienkollektivs "a-films". Die Gruppe dokumentiert die Nachkriegs-Entwicklungen in Nahr al-Bared seit zweieinhalb Jahren und hat zahlreiche Reportagen, Radiobeiträge und Kurzfilme veröffentlicht: http://a-films.blogspot.com


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Ein Fischer verkauft seinen Fang am Strassenrand in Nahr al-Bared.
- Links das eingeebnete "alte Camp" Nahr al-Bareds, rechts das zerstörte.
- Zwei Jungs im zerstörten Corniche-Quartier in Nahr al-Bared.

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6.-13. Februar 2010

WOCHE DER INTERNATIONALEN SOLIDARITÄT MIT DEM BASKENLAND

Unter dem Motto "Freiheit für das Baskenland - für den Sozialismus" ruft die baskische Organisation Askapena auch dieses Jahr wieder zur Woche der internationalen Solidarität mit dem Baskenland auf. In vielen europäischen und lateinamerikanischen Ländern organisieren Freundeskreise "Euskal Herriaren Lagunak" Gegenöffentlichkeit und Solidarität.


"Panik vor demokratischen Verhältnissen im Baskenland" habe die spanische Regierung, erklärt Tasio Erkizia, ein Veteran der Linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Denn auf die neue Initiative zur friedlichen und demokratischen Lösung des spanisch-französisch-baskischen Konflikts, die die abertzale Linke(1) im November 2009 vorgestellt hat, antwortet die spanische Regierung mit Massenverhaftungen.

Während der internationale Moderator in Konfliktlösungsfragen Brian Currin, "die Tragweite und Aufrichtigkeit" der Initiative lobt, verhaftet die spanische Polizei deren Initiatoren, u.a. den ehemaligen Sprecher von Batasuna Arnaldo Otegi und den ehemaligen Chef der Gewerkschaft LAB, Rafa Díez, beide über das Baskenland hinaus für ihre jahrzehntelangen Bemühungen bekannt, den Konflikt auf demokratischem, politischem Weg zu lösen.

Die spanische Regierung hat Angst, dass ihr über Jahre sorgsam aufgebautes Netz aus Verboten, willkürlichen Verhaftungen und Illegalisierungen reisst, mit dem sie immer noch hofft, die Forderung vieler Basken nach Selbstbestimmung und nach einer anderen Gesellschaft zu unterdrücken. Deshalb ignoriert sie die sich häufenden Proteste der UNO Menschenrechtskommission, der UN-Anti-Folter-Kommission, der Arbeitsgruppe der UN gegen willkürliche Verhaftungen, von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen. Denn das Zauberwort "Terrorismus" ermöglichte der spanischen Regierung in den letzten Jahren den Einsatz ihres Sondergerichts mit einer Fülle an Sondergesetzen. Es ermöglichte Folter, willkürliche Verhaftungen, jahrelange "präventive" Haft und die nachträgliche Verlängerung von Haftstrafen. Alles mit der Komplizenschaft der Medien und der Duldung durch die anderen europäischen Staaten.

Was, wenn aber auf Grund der neuen Friedensinitiative der abertzalen Linken der Einsatz des spanischen Polizeiapparats gegen politische Aktivisten und demokratisch legitimierte Volksvertreterinnen und Volksvertreter nicht mehr einfach als Terrorbekämpfung kaschiert werden kann? Die Weigerung der spanischen (und französischen) Regierung, die baskische Bevölkerung demokratisch entscheiden zu lassen, ist eine der Ursachen dieses Konflikts.

Ein bedeutender Teil der insgesamt 750 politischen baskischen Gefangenen ist "präventiv" oder auf Grund ihrer politischen und sozialen Aktivitäten in Haft. Immer mehr Baskinnen und Basken fordern ein Ende der Repression und ernsthafte Anstrengungen für die Beendigung des Konflikts. Sie wollen demokratische Verhältnisse, um über ihre Zukunft selbst zu entscheiden.

Auch wir beteiligen uns an der Solidaritätswoche. Hinweise zu den Veranstaltungen findet Ihr auf unserer Webseite
www.info-baskenland.de.

Bisher bekanntes Programm der Soliwoche, weitere Veranstaltungen folgen...

Freitag, 5. Februar 2010: Infoveranstaltung zum Baskenland, im Centro Sociale Autogestito Molino Lugano.
Mittwoch, 10. Februar 2010: Spezialitätenabend "Baskisches Essen" im SousLePont, Reitschule Bern.
Freitag, 12. Februar 2010: Das Kino in der Reitschule zeigt den Film "La hija del mar" (siehe Kinoprogramm).
Samstag, 13. Februar 2010: Kino in der Reitschule: Infoveranstaltung zum Baskenland 19.30 Uhr.
Samstag, 13. Februar 2010: Im SousLePont, Reitschule Bern: Solikonzert mit der baskischen Band "Berri Txarrak".

- SIMON & CATH -


Anmerkung

(1) Die Bedeutung des baskischen Begriffs "abertzale" in "abertzale Linke" ist verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen-, Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben.

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Fragwürdige Gewaltprävention in Stadien

DER IDEALFAN

Unter dem Vorwand, Ausschreitungen an Fussball- und Eishockeyspielen unterbinden zu wollen, ist die Politik seit einigen Jahren daran, immer neue repressive Gesetze zu kreieren, welche weit über das Ziel hinausschiessen. Hier das allerneuste Beispiel:


Wenn PolitikerInnen - in diesem Falle die kantonalen Justiz- und PolizeidirektorInnen - die Fussball- und Eishockeystadien von ihren gelegentlichen Besuchen in den VIP-Logen oder durch das frühere Ausüben eines ehrenamtlichen VR-Mandates bei einem Verein (was als ausgezeichnetes Karrieresprungbrett gilt) kennen, zusammenkommen, um mittels Gesetz und Verordnungen ihren Idealfan und ihre Idealfankultur für Schweizer Sportstadien zu kreieren, so kann dies nichts Gutes verheissen. Trotzdem, oder gerade deshalb, wartete der begeisterte Fussball- und Eishockeyfan am 13. November letzten Jahres gespannt auf die neuesten Ideen aus dem Hause der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Was dann aber der Öffentlichkeit präsentiert wurde, übertraf die ohnehin schon bösen Vorahnungen bei weitem. So standen nach einem ersten Durchlesen der 18 erarbeiteten Punkte nicht nur dem treuen Supporter, der treuen Supporterin eines Clubs die Haare zu Berge, sondern noch so mancher Funktionärin, Vereinsleitungen, Stadionbetreibern und Sicherheitschefs der oberen Spielligen der Schweiz. Leute und Gremien, die gerade in grösseren Schweizer Städten ansonsten sehr gerne die wilden und teils unzähmbaren Fankurven etwas mehr in die Schranken weisen würden. Denn der gesamte Massnahmenkatalog beschränkt sich nicht mehr wie noch die Schaffung der Hooligandatenbank darauf, mittels repressiven und teils rechtsstaatsunwürdigen Methoden Leute im Umfeld der aktiven Fanszenen zu fichieren und sie bei Verdacht auf gesetzeswidriges Verhalten mit Rayonverboten, Meldeauflagen und präventiver Haft zu belegen. Die neusten Vorschläge zielen jetzt darauf ab, die heutigen Fankurven, welche vorwiegend von jungen Leuten zwischen 16 und 30 Jahren gestaltet und dominiert werden, verschwinden zu lassen und die für ihre hitzigen Atmosphären bekannten Fussball- und Eishockeystadien vollständig mit einem sogenannten Tennispublikum zu ersetzen.


Fankurven sind heute nicht mehr erwünscht

Das bedeutet also weg mit einer 25-köpfigen Fangruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in tagelanger mühseliger und kostspieliger Arbeit zahlreiche Doppelhalter und Fahnen mit den Vereinsfarben gebastelt haben; her mit einer 25-köpfigen Event-Besuchergruppe, welche brav die Fähnchen schwenken, die am Eingang verteilt wurden und auf denen das Logo des Sponsors grösser zu sehen ist als jenes des Vereins. Weg mit biertrinkenden Studierenden, Lehrlingen, jungen ArbeiterInnen oder (im ganz schlimmen Fall sogar) Arbeitslosen, hin mit Cüplischlürfenden VertreterInnen der Cervelatprominenz. Weg mit jungen Nichtsnutzen, deren Cliquen regelmässig die Fankurven bevölkern, die dort singen, schreien, feiern, pogen, saufen und kiffen. Her mit Familien, die brav auf ihren Plätzen sitzen bleiben, klatschen und konsumieren. Weg mit den aufmüpfigen Ultras, die es wagen, mittels Spruchbändern die Vereinsleitung oder die gesamte Liga zu kritisieren, her mit den braven und naiven Mitmenschen, die den Vereins-Präsidenten mit einer Standing Ovation ehren und ihn zum Dank für seinen ach so selbstlosen Einsatz bei den nächsten Wahlen auf den Wahlzettel schreiben oder ihr Haarausfall-Mittel nur noch von jenem Pharmakonzern beziehen, der ihm nebenbei auch noch gehört.


Ein Gefühl der Sicherheit und der Freude

Natürlich wird seitens der Politik nicht so offen darüber gesprochen. Vielmehr soll mit den Massnahmen die Gewalt (die es im Zusammenhang mit den beiden Sportarten unbestrittenerweise gibt, wenngleich niemals in dem Ausmass, wie einige sagen) aus den Stadien vertrieben werden, und jeder "Besucher" soll ein Gefühl der Sicherheit und der Freude bekommen. "Aus einem Fussball- und Eishockeyspiel soll ein friedliches Fest mit einer positiven Stimmung werden", so St. Gallens Sicherheits- und Justizdirektorin Karin Keller-Sutter, welche sich bei der KKJPD als federführende Bekämpferin des Hooliganismus und des Chaotentums hervorgetan hat und auch schon als potentielle Nachfolgerin ihres Parteifreundes Hansruedi Merz gehandelt wird. Daneben geht es ihr auch darum, die explosiven Polizeikosten, welche jedes Wochenende im Zusammenhang mit Fussball- und Eishockeyspielen entstehen, zu senken. Doch ob die folgenden 18 Punkte wirklich zur Kostensenkung beitragen sowie dazu, dass alle MatchbesucherInnen ein Gefühl der Sicherheit und der Freude bekommen, ist massiv zu bezweifeln.

Hier der angesprochene Massnahmenkatalog:

1. Ab 2011/12 soll eine Fancard eingeführt werden. Damit müssen sich MatchbesucherInnen identifizieren. Wer keine Fancard besitzt, kommt nicht ins Stadion.

2. Der Gastclub soll pro hundert Fans zwei SicherheitsbegleiterInnen stellen und der Gastkanton drei polizeiliche Szenenkenner ("Spotter"). Diese sollen auch die organisierten Fanreisen begleiten.

3. Die Clubs und Polizei sollen mehr Ressourcen bereitstellen zur Identifizierung von Übeltätern mittels Videoaufnahmen, Fotos und Zeugenaussagen. Die Stadien und das Umfeld seien zudem mit hochauflösenden Videokameras auszustatten. Eine Internetfahndung soll wenn nötig eingesetzt werden. Einträge in die Hooligan-Datenbank "Hoogan" sollen immer mit Foto erfolgen.

4. Bei Vorfällen im Gästesektor sollen fehlbare Fans nach Spielende zurückbehalten, kontrolliert und identifiziert werden.

5. Polizei und Staatsanwaltschaft sollen enger zusammenarbeiten, damit Verfahren möglichst rasch abgeschlossen werden. Die Strafen sollen in der Schweiz zudem harmonisiert werden.

6. Zusätzlich zu den strafrechtlichen Sanktionen sollen einheitliche Kriterien für Stadion- und Rayonverbote, Meldeauflagen und Ausreisebeschränkungen entwickelt werden.

7. Jeder Club muss die Stadionordnung und das Sicherheitskonzept von den zuständigen Behörden vor Saisonbeginn genehmigen lassen. Ohne Genehmigung soll die Lizenz entzogen werden.

8. Stehplätze sollen abgeschafft werden. Alle Stadien sollen nur noch Sitzplätze haben.

9. Für jedes einzelne Spiel sollen die Behörden je nach Sicherheitsrisiko die notwendige Zahl der Sicherheitskräfte, die Anspielzeiten, die Vorschriften bezüglich Zutrittskontrollen, die baulichen Massnahmen und den Alkoholverkauf genehmigen sowie entscheiden, ob Megaphone, Vorsänger (genannt Capos), Choreografien und Transparente erlaubt sind.

10. Bei Verstössen gegen die Stadionordnung können die Behörden die Schliessung einzelner Sektoren, die Erhöhung des Sicherheitspersonals oder höhere Abgeltungen für den Polizeiaufwand beantragen.

11. In Gästesektoren gilt ein Alkoholverbot. In den übrigen Sektoren darf nur Leichtbier und Getränke mit höchsten 3 Prozent Alkoholgehalt ausgeschenkt werden, wobei bei Hochrisikospielen ein generelles Alkoholverbot verfügt werden kann. Ausnahmen seien für einzelne, kontrollierbare Bereiche (oder etwas direkter formuliert: Logen und VIP-Bereiche) möglich.

12. Stark alkoholisierten Personen wird der Zutritt zum Stadion verweigert. Dazu können Alkoholtests eingesetzt werden.

13. Die Polizei kann in Stadien einschreiten, wenn es aus Sicherheitsgründen nötig ist. Für die Sicherheit in Stadien bleibt aber in erster Linie der Stadionbetreiber verantwortlich.

14. Für Gästesektoren können nur noch Kombitickets mit organisierten Fantransporten gekauft werden. Transporte sollen direkt bis zum Eingang des Gästesektors organisiert sein. Eine individuelle Anreise ist nicht mehr möglich. Gästefans sollen nicht mit Fans des Heimclubs in Kontakt kommen.

15. In den Fantransporten gilt Alkoholverbot. Das begleitende Sicherheitspersonal der Clubs kontrolliert die Fans unter Beobachtung der Polizei und nimmt Alkohol, pyrotechnische und sonstige im Stadion nicht erlaubte Gegenstände ab.

16. Die Clubs müssen sich an den Sicherheitskosten durch die Polizei beteiligen, wobei die Höhe auch davon abhängig gemacht wird, wie gut der Club die "Policy" umsetzt. Das Bundesamt für Polizei schätzt die jährlichen Kosten (ohne Vor- und Nachbearbeitung) auf 25 Millionen Franken.

17. Bei wiederholten Vergehen sollen nicht nur Rayonverbote ausgesprochen werden, sondern auch Meldeauflagen, wenn nötig Polizeigewahrsam sowie bei Spielen im Ausland Ausreisebeschränkungen verfügt werden.

18. Die polizeiliche Einsatzleitung kann "in Absprache mit den Sicherheitsverantwortlichen des Clubs" bei Gefährdung der Sicherheit einen Spielunterbruch oder -abbruch erzwingen.

Mit diesen 18 Punkten soll also die Gewalt, die im Zusammenhang mit den betreffenden Sportveranstaltungen stattfindet, unterbunden werden. Einige dieser Massnahmen sind keineswegs neu, so etwa die "Hooligandatenbank". Bei anderen Massnahmen stellt sich die Frage, inwiefern sie im Zusammenhang mit der Gewaltbekämpfung stehen. So etwa das Verbot von Stehplätzen in allen Stadien oder auch die Bewilligungspflicht für einen Vorsänger mit Megaphon in der "Kurve", für Choreographien oder Spruchbändern. Mal abgesehen davon, dass all diese Aktivitäten ein Bestandteil der Fankultur sind und wohl kaum irgendwie gewalttätiges Verhalten fördern, spielen sich die gewalttätigen Szenen ohnehin meist vor- und nicht im Stadion ab. Was also wird genau mit diesen Schikanen bezweckt, wenn nicht die Vertreibung der heute gelebten Fankultur aus den Stadien?


Ein Auswärtsspiel wird zum Spiessrutenlauf

Bei zahlreichen weiteren Massnahmen stellt sich schlicht die Frage der Verhältnismässigkeit und des gesunden Menschenverstandes. So will mit Punkt 14 die individuelle Anreise von Gästefans unterbunden werden. Alle haben gemeinsam in einem organisierten Fantransport ans Auswärtsspiel zu reisen, damit sie auch ja gut genug kontrolliert werden können. Wie aber sieht das nun in der Praxis aus? Demnach müsste ein in Lausanne lebender FC Zürich Fan, der das Auswärtsspiel seiner Mannschaft in Bern mit den anderen FCZ Fans geniessen möchte, zuerst individuell nach Zürich reisen, da er nur mittels Kombiticket und der Anreise im organisierten Fantransport Einlass im Gästesektor findet. Anschliessend müsste er zurück nach Zürich und erst von dort aus wieder nach Lausanne. Immerhin dürfte er sich auf der individuellen Rückreise von Zürich nach Lausanne ein Bierchen genehmigen, was ihm während der gesamten Zeit, in welcher er sich unter der Beobachtung von Big Brother befindet, nicht erlaubt wäre. Auch wäre es ihm in der Halbzeitpause untersagt, mal kurz einem Kollegen, der YB Fan ist, draussen "Hallo" zu sagen, da ja Heim- und Auswärtsfans nicht in Kontakt miteinander treten dürfen. So also stellt sich Frau Regierungsrätin Karin Keller-Sutter eine "friedliche Atmosphäre" vor.


Ein neuer Anlauf für die Fancard

Eine weitere bekannte Forderung der Politik ist die Schaffung einer Fancard. Alte, der/die in der Schweiz ein Eishockey- oder Fussballspiel besuchen möchten, ist gezwungen, sich zu registrieren und diese Fancard beim Besuch im Stadion vorweisen zu müssen. Bereits 2006 versuchte die Swiss Football League, die Gästefans dazu zu zwingen, sich beim Kauf eines Tickets zu registrieren. Vereint und entschlossen setzten sich alle Fankurven der Schweiz dagegen zur Wehr. Auch die StadionbetreiberInnen protestierten gegen diese Schikane. Nach wenigen Spielen wurde das Projekt erfolglos aufgegeben. Grund für den Widerstand der Fans war, dass sie sich weder von der Polizei noch von privaten Sicherheitsdiensten fichieren und sich so allfälliger Willkür aussetzen lassen wollten. Diese Befürchtungen haben sich bis heute nicht geändert, was einen neuen Anlauf der Fancard wohl auch zum Scheitern bringen wird.

Wieweit in den nächsten Jahren tatsächlich versucht wird, dieses "Schreibtischattentat" in die Praxis umzusetzen, wird sich zeigen. Was den betreffenden PolitikerInnen und den Mainstream-Medien aber schon jetzt gelang, ist ein weiterer Rufmord gegen zahlreiche friedliche junge Leute, die sich einer Fankurve angehörig fühlen und Fussball resp. Eishockey lieber auf ihre unkommerzielle Art und Weise leben, und nicht wie es ihnen von Oben vorgeschrieben wird.

- MIKE -

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AUTONOME SCHULE GERÄUMT

Medienmitteilung der Autonomen Schule Zürich (ASZ) und des Vereins Bildung für Alle zur Räumung des Schulhauses Allenmoos II


Heute Morgen, 7. Januar 2010, um 9:00 Uhr wurde im Rahmen einer polizeilichen "Bildungsoffensive" das Schulhaus der Autonomen Schule Zürich (ASZ) an der Ringstrasse 57 in Zürich Unterstrasse unangekündigt und gewaltsam geräumt. Ein Grossaufgebot von circa 30 Polizisten, zum Teil in voller Kampfmontur, drang in das Gebäude ein, umstellte es anschliessend und sperrte das Gelände ab. Ein Abrisskommando räumte das Gebäude aus und demontierte die Fenster des Pavillons. Verhaftungen fanden keine statt. Innert kürzester Zeit versammelten sich vor dem abgesperrten Gebäude Dutzende Sympathisanten, weitere Polizisten und Medienvertreter.

Mit dieser repressiven Aktion wird ein autonomes Bildungsprojekt schwer beeinträchtigt, ein Projekt, das nicht etwa der Selbstverwirklichung Einzelner diente, sondern der gesamten Bevölkerung offen stand. Seit Sommer fanden im besetzten Schulhaus Kurse zu verschiedensten Themen statt: u. a. Informatikkurse, Nachhilfeunterricht, philosophische Seminare. Auch dem Verein Bildung für Alle, der Deutschkurse für illegalisierte MigrantInnen (Sans-Papiers) und Asylsuchende anbietet, diente die ASZ als Dach.

Wir verurteilen das Vorgehen der Stadt und Polizei in aller Form. Die unangekündigte Aktion ist unverhältnismässig und in keiner Weise gerechtfertigt. Die Stadt Zürich und die Polizei begründete ihr Vorgehen mit der mangelnden Kooperation seitens der BesetzerInnen und einem damit zusammenhängenden Zwischenfall mit einer illegal verlegten Stromzuleitung. Die ASZ sei nicht bereit gewesen, eine geregelte Strominstallation und den Stromverbrauch zu bezahlen.

Die Behauptungen und Vorwürfe der Behörden entsprechen nicht der Wahrheit. Seit Beginn der Besetzung im April 2009 stand die ASZ mit der Stadt Zürich betreffend Wasser- und Stromzufuhr in Kontakt. Nach einigen Abklärungen wurde schnell klar, dass eine Wasserzuleitung nicht realisierbar ist, eine Stromzuleitung mittels Provisorium allerdings schon. Von Anfang an kommunizierten die BesetzerInnen klar und deutlich ihre Bereitschaft, für die provisorische Installation sowie für den gesamten Stromverbrauch aufzukommen. Im September 2009 sicherte die Stadt Zürich eine provisorische Stromzuleitung zu. Leider blieb es bei der Zusage und nichts passierte, trotz mehrfacher Kontaktaufnahmen und Terminangeboten der ASZ. Dies ist durch unseren Mailverkehr mit dem Hochbaudepartement, den wir der Presse gerne zur Verfügung stellen, eindeutig belegbar:

Aufgrund dieser eindeutigen Obstruktionspolitik sahen sich einige BesetzerInnen dazu veranlasst, sich mit einer eigenen Stromzuleitung zu versorgen. Denn eine minimale Stromversorgung ist für die Aufrechterhaltung eines Schulbetriebs unbedingt notwendig, gerade im Winter. Im Dunkeln kann man nicht lernen. Die bereits installierten Generatoren und Solarpanels reichten für den Notfall, konnten aber keine dauerhafte Lösung sein.

Leider ereignete sich im Zusammenhang mit der verlegten Stromleitung kurz vor Weihnachten ein höchst bedauerlicher Unfall, für den sich die ASZ umgehend bei allen Betroffenen entschuldigte: Eine mangelhaft isolierte Stelle fügte dem Hauswart einen Stromschlag zu, der zum Glück keine gesundheitlichen Folgen mit sich brachte. Aufgrund dieses Vorfalls versuchte das Hochbaudepartement die längst gefällte Entscheidung für eine offizielle Stromzufuhr zusammen mit den BesetzerInnen zu forcieren. Doch trotz offizieller Abmachungen und allgemeinem Konsens zwischen Hochbaudepartement und ASZ weigerte sich das EWZ aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, das benötigte Material zur Verfügung zu stellen. Aufgrund grösstem Unverständnis gegenüber dieser, aus der Sicht der BesetzerInnen bewussten Verweigerungstaktik wurde eine erneute Stromleitung gelegt. Die Installation war einwandfrei. Für niemanden bestand je eine Gefahr. Aus Sicherheitsgründen bestand also keinerlei Anlass zu einer Räumung.

Dass die Räumung aus Sicherheitsgründen erfolgt sei, scheint uns nicht viel mehr als ein Vorwand zu sein. Die Aktion, die den Steuerzahler schätzungsweise 500.000 Franken kosten wird, steht vielmehr im Kontext einer in diesem Ausmass neuen Repression gegenüber der Zürcher HausbesetzerInnenszene. Waren wir zu erfolgreich? 80-120 Flüchtlinge besuchten allein die Deutschkurse, daneben fanden weitere Kurse statt. Nächsten Montag ist der Start der Frühjahrskurse, mit ausgebautem Angebot. Ob, wie und wo diese stattfinden können, ist zurzeit völlig offen. Falls die Kurse nicht weitergeführt werden können, geht für zahlreiche Sans-Papiers und Asylsuchende die einzige Bildungsmöglichkeit verloren, die ihnen zur Verfügung stand. Die Autonome Schule war für viele von ihnen eine Heimat, ein Ort, wo sie ihr Leben selbst gestalten und bestimmen konnten. Dieser Ort wurde heute von der Polizei zerstört.

Für das Recht auf Bildung! Für mehr selbstverwaltete Kultur-, Begegnungs- und Bildungsräume! Gegen Polizeiwillkür und Repression! Gegen Rassismus, Unterdrückung und Diskriminierung! Zum Unterschreiben bitte Link folgen. Vielen Dank. http://www.ipetitions.com/petition/bildung-fuer-alle/

Alles wird gut

- VEREIN "BILDUNG FÜR ALLE" -

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COMIX im Februar

Manuele Fior
"Mademoiselle Else"
Delcourt Mirages 2009

Literarische Adaptionen sind eine heikle Sache, Was soll übernommen, was ausgelassen werden? Nicht selten scheitern sie an dieser Frage und die Komplexität des literarischen Textes geht verloren. Das Können des Autors, der einen Text adaptiert, äussert sich als Erstes in seiner Auswahl. Der italienische Comic-Autor Manuele Fior hat sich für eine Comic-Adaption von Arthur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" entschieden und damit eine gute Wahl getroffen. Denn vor allem Fiors eleganter Zeichenstil passt zu den künstlerischen Strömungen, die Schnitzlers Werk repräsentiert.

Die 1924 erschienene "Monolognovelle" handelt von der jungen Else, die einige Tage Urlaub in einem italienischen Kurort verbringt. Dort erhält sie einen Eilbrief von ihrer Mutter, in dem sie erfährt, dass ihr Vater wegen Veruntreuung ins Gefängnis muss, wenn er eine ausgeliehene Geldsumme nicht innert drei Tagen zurückbezahle. Die Tochter soll deshalb den reichen Kunsthändler Dorsday um ein Darlehen bitten. Dieser willigt zwar ein, doch unter der Bedingung, Else nackt sehen zu dürfen. Else - hin und her gerissen zwischen der Loyalität zur Familie und ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit - bricht nach und nach unter dieser Verantwortung zusammen.

Schnitzlers Glanzleistung - und gleichzeitig die Knacknuss für die Adaption - ist Elses innerer Monolog, aus der die Novelle zum grössten Teil besteht. Der Leser wird vom immer frenetischeren Wortschwall, der sich in Elses Kopf unendlich um den Konfliktpunkt dreht, mitgerissen und kann den aufkommenden Wahn der jungen Frau regelrecht spüren. Für diese Eigenheit der Novelle fehlt es auf den 87 Seiten des Comics schlicht an Platz. Fior wählt zwar eine gute Zusammenfassung des Textes, die Stärke des Buches liegt aber in seinen Bildern.

Er bezieht sich - passend zur Zeit des Geschehens - auf Künstler der Wiener Sezession wie Schiele oder Klimt und auf Expressionisten wie Munch und schafft so eine zugleich klassische wie auch moderne Eleganz. Eises Gemütszustand wird weniger über ihre Gedanken als mittels Bildkomposition und einer eindrücklichen Farbwahl dargestellt. Und dennoch wünscht man sich, dass die Adaption ein wenig mutiger ausgefallen wäre. Gerade bei einer Novelle, die derart vom Wort getragen wird, könnte ein grösseres Zusammenspiel zwischen Text und Bild erwartet werden. Trotzdem bleibt "Mademoiselle Else" eine sehr gelungene Adaption und eine ergänzende Lektüre für alle Schnitzlerliebhaber. Vorerst leider nur auf Französisch.

- GIOVANNI PEDUTO -

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BUCHTIPP IM FEBRUAR: KÖNIG KONG

Beginn letztes Jahrhundert, im modernen, sich im Aufbau befindenden industrialisierten Amerika: Ein verwegener und erfolgloser Regisseur heuert einen Tross zweitrangiger SchauspielerInnen und FilmstudentInnen an, um einen Abenteuerfilm zu drehen. Dazu fahren sie auf einem Himmelfahrtskommandokahn zu einer bisher unbekannten Insel namens Skull Island. Nur mit Mühe bringen sie bepackt mit Sack und Pack den Felswandgürtel, der sich um das Festland herum schlängelt, hinter sich. Viele bis zu diesem Zeitpunkt unbewohnte Tempel mit Voodostatuen und andere Behausungen begrüssen die Filmcrew bei der Ankunft. Später treffen sie auch auf einen urzeitlichen Stamm (sorry die Ausdrucksweise). Nach einigen Versuchen der Kontaktaufnahme und mehreren Metern gedrehtem Filmband, gibt es eine Auseinandersetzung, bei der einige Männer verletzt und die einzige Filmschauspielerin von den Wilden entführt wird. Die Eingeborenen kidnappen die Frau, um sie King Kong zur Opfergabe zu bringen. Kong ist ein riesiger Primat. Doch dieser frisst das leckere Häppchen komischerweise bei der Auslieferung nicht. In der Folge entsteht die schönste Liebesromanze, die je in der Filmgeschichte gezeigt wurde. Weg mit "Romeo und Julia", weg mit "Tristan und Isolde". Es wird nicht gelacht! Und ich will jetzt auch nichts vom Stockholm-Syndrom(1) hören. King Kong hat das Mädchen nicht entführt. Im Gegenteil, es wurde von der Filmcrew für einen Hungerlohn ausgebeutet und später von den Stämmen gewaltsam gefangengenommen. Erst King Kong hat sie aus diesen unterdrückenden Verhältnis gerettet und in das Dickicht des Dschungels mitgenommen. Und wie wir uns selbst vergewissern können in der Version von Peter Jackson 2005; die Frau entscheidet sich für King Kong. Sie schreitet am Ende des Films Seite an Seite mit ihm, bis er dem Kugelregen der Armee erliegt. Und die Szene auf dem Tower, worauf sich King Kong klammernd geflüchtet hat: wie sich die Frau und Kong noch das letzte Mal tief in die Augen schauen, bis sein letztes Lebenszeichen schwindet und Kong langsam in die Tiefe absinkt. Sanft hin und her wiegend, wie ein Blatt im Herbst. Die Schlussszene von "Titanic" ist ein Scheiss dagegen.

Und da fragen mich meine WG-Freunde vor dem Fernseher, ins Sofa eingesunken und umgeben von einer Unmenge Nüssen, Chips und Pop-Corn: Was will den die Frau schon mit einem King Kong? Was für eine Frage?! Was will die Frau schon mit einem King Kong...

Aber kommen wir zurück zu Virginie Despentes King Kong-Filmbesprechung: Nach ihr ist King Kong eine Metapher für eine Sexualität in der Zeit vor der Unterscheidung der Geschlechter. King Kong ist jenseits vom Männlichen und Weiblichen. Der Primat ist eine Mischung zwischen Mensch und Tier, Erwachsenen und Kind, Gut und Böse, primitiv und zivilisiert, schwarz und weiss. Der Hybrid steht symbolisch für eine polymorphe Sexualität. Als die Schiffs- und Filmcrew die Frau retten wollte, zögerte die Frau verständlicherweise. Erstens will der Trupp vor allem Kong gefangen nehmen und in ihr Ausbeutungssystem einfügen. Zweitens bedeutet die Rettung auch den Rückgang in die Situation einer übernormierten Heterosexualität. Gedrängt vom Moment entschliesst sich die Frau, Kong zu verlassen und sich retten zu lassen. Ein Fehler, wie sich später herausstellen wird.

King Kong wird gefangen genommen und wie die Frau ins System des Kapitalismus eingeführt.

Ihre Entscheidung für die Heterosexualität und das Leben in der kapitalistischen Stadt ist gleichzeitig der Entschluss, zu opfern, was ihr wild und mächtig ist, lacht und sich auf die Brust klopft.(2)

King Kong wird in New York ausgestellt. Er soll den Menschenmengen Angst einjagen und gleichzeitig an Ketten gebunden sein. Man soll das Ding berühren dürfen, dabei erschaudern - aber ohne Gefahr. Kong repräsentiert die Komplexität, Unlinearität und das Unsystematische. Unser gesellschaftliches System versucht immer wieder, die Widersprüche zum Verschwinden zu bringen und Menschen, Dinge etc. in eine Ordnung einzufügen. Erst diese Ordnung ermöglicht die Herrschaft und die Ausbeutung.

Kong entwischt dem Spektakel und zerstört in Windeseile Teile der modernen Stadt. King Kong sucht die Frau und findet sie. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Virginie Despentes, ist Autorin des Buches "Baise-moi". Ihr neues Buch "King Kong-Theorie" handelt vom "Bevor and after" und der Moment dazwischen, als sie mit 17 Jahren von drei Männern vergewaltigt wurde. Das Buch ist eine Kritik am Männlichkeitswahn und der Doktrin des Feminismus.

- SAT -


Anmerkungen
(1) Das Stockholm-Syndrom bezeichnet das Phänomen, dass Opfer einer Entführung mit ihren Entführern sympathisieren.
(2) Virginie Despentes: King Kong Theorie, Berliner Taschen Buch Verlag.
(3) King Kong: Regie Peter Jackson, 2005/Universal

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Neue Scheiben fürs neue Jahr

APRÈS-SKI UND ANDERE SPORTARTEN

Der Scheibenmann ist momentan im Engadin unterwegs. Tagsüber auf kurvigen Skiern und nachts auf krummen Beinen. Viel Pulver, wenig Schlaf. Auf Umwegen und wie so oft unverhofft kam mir auch etwas Musik entgegen. Gefunden auf einem gestohlenen i-Pod.


SPORT FÜR DIE GLIEDER:

TRICKY meets SOUTH RAKKAS CREW "Tricky meets South Rakkas Crew" (Indigo)
Das mag Musik für Ruffnecks und Druffheads sein. Aber hey, das geht so was von ab. Jamaicamässiger Dancehall vom Feinsten ist das hier. Tricky kann schon seit langem auf meine Sympathie zählen, nur leider fand ich seine letzten Platten nicht so toll. Jetzt hat er sich Hilfe von einem amerikanischen Soundsystem geholt und macht voll uptempo, mit tribalistischen Beats und modernsten Breaks weiter. Das haut voll rein. Sogar das Kylie Minogue-Cover, das überhaupt nicht mehr als solches erkennbar ist, kommt mit Dreadlocks daher. Das macht Stimmung, der Schnee schmilzt einem dabei unter den Füssen weg und die Tüte, gerade erst angeraucht, ist schon wieder in der Menge verschwunden. Doch die nächste kommt bestimmt.


SPORT FÜR DAS HERZ:

DOLLY PARTON "Dolly" (Sony)
Die arme Dolly Parton war viel zulange als White Trash-Blondchen verschrien, die sich mit Pillen, Alk und Silikon vollpumpt. Hier ist eine Art Best Of-Zusammenstellung ihrer Hits seit den 1960er-Jahren. Und soll mir keiner blöd kommen, ich hab was auf Dolly und ihren schmalzigen Country-Pop. Diese Stimme und diese Songs gehen direkt ins Herz, sind immer gut gezielt, genau getimt und auch lyrisch auf den Punkt gebracht. Mich macht das so schön sentimental wie ein alter Fado oder ungarische Zigeunermusik. Wie gesagt, wer etwas dagegen hat, soll sich mit mir anlegen.


SPORT FÜR DEN BAUCH:

DANIEL JOHNSTON "Is And Always Was" (Cargo)
Der Schizo-König meldet sich zurück. Für einmal nicht im Homerecording-Verfahren, sondern voll orchestriert. Hat sich nach all den langen Jahren also doch eine Plattenfirma gefunden, die das kindliche Genie Johnston vorfinanziert. Dass er die Kohle wieder einfahren wird, ist mittlerweile ja auch klar. Unklar bzw. unsicher machen das Ganze einfach seine Widerspenstigkeit und Unberechenbarkeit. Ich finde es immer wieder unglaublich und berührend wie dieser lispelnde Fettwanst mit seiner brüchigen Stimme in total einfachen Worten von Abgründen spricht, die wir uns selber verwehren. Dem ist nichts peinlich, schon klar, aber es geht darüber hinaus: der Mann ist ein Poet und ein Clown zugleich. Und egal wie beschissen er klingt, er bleibt immer sich selbst.


SPORT FÜR DEN KOPF:

TOCOTRONIC "Schall & Wahn" (Universal)
Wenn bei Daniel Johnston Widerspenstigkeit der Ausdruck eines geistigen Zustands (bipolare Störung in diesem Fall!) ist, dann wird hier die Widerspenstigkeit zum Prinzip, ja zur Politik erhoben (Punk in diesem Fall). Der Zweifel, das Dagegensein, die Revolte, der Stolz - das sind die Insignien der hohen Poesie von Tocotronic. Die neue Scheibe macht dort weiter, wo sie vor 2 Jahren mit dem Meisterwerk "Kapitulation" aufgehört haben. Damit institutionalisieren und kanonisieren sich Tocotronic gleich selber, in der deutschen Sprache kommt eh keine Rockband mehr an ihnen vorbei. (Ausser sie heissen Silbermond oder Juli oder so - für die etwas einfacheren Gemüter).


SPORT FÜR DIE SEELE:

THE KILLIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE "Here Be Dragons" (A-Musik)
Das hier war mir zuvor völlig unbekannt. Ich weiss nicht, wer diese Band ist oder woher sie kommen. Für mich ist es einfach tolle, atmosphärische Musik mit einem bedrohlich-brodelnden Unterbau. Doomiger Ambient, schräger Jazz und eine Wahnsinnsstimme geben der Musik einen trippigen Anstrich. Ich glaube, etwas von der letzten Portishead und von Bohren & Der Club Of Gore rauszuhören. Alles in allem aber sehr eigen. Weltuntergangsmusik könnte man es auch nennen. Aber mit Emmerichs Machwerk "2012" hat das gar nichts gemein, eher mit einem Science Fiction-Thriller à la Philip K. Dick.

- TOMI KUJUNDZIC -

Raute

Neue Reitschule-Kampagne

2010 - JAHR DES ANTISEXISMUS

Warum ist Hausarbeit Gratisarbeit?
Warum sind 86% der Linksautonomen Männer?
Warum müssen sich Betroffene von sexuellen Grenzüberschreitungen rechtfertigen?
Warum möchten 70% der jungen Frauen abnehmen?
Warum bezahlen Krankenkassen Viagra, aber keine Antibabypillen?
Warum befindet sich weltweit 99% des Vermögens in Männerhand?

"Kein Sexismus keine physischen oder sexuellen Übergriffe" - so lautet das Bekenntnis zu einem respektvollen Umgang der Geschlechter im Manifest der Reitschule. Leider bleibt es noch viel zu oft beim schönen Vorsatz. Um diesen wichtigen Grundsatz mit Inhalt zu füllen, wird 2010 zum Jahr des Antisexismus erklärt.

Mehr Infos zur Antisexismus-Kampagne@Reitschule Bern findet ihr im nächsten megafon!

Kontakt zur Kampagne/Kleber bestellen via Infoladen:
infoladen@reitschule.ch

Raute

STORY OF HELL - CA. fensterloseste Folge

PRÄSENTIERT VON DER VEREINIGUNG DER MONADEN AUF DER AMOEBIUSSCHLEIFE

Wird das Ende gut, ist alles gut, heisst es, und so bereiten sich alle darauf vor. Die Belegschaft hat sich im Konzertsaal der Burg versammelt, die Welt neu zu erfinden. Dabei braucht es ein gewisses Mass an Zerstörung, um etwas Neues aufzubauen. So ist beschlossen worden, mit Tabus zu brechen, einige neue Schwerpunkte zu setzen, mit Althergebrachtem aufzuräumen, Alternativen zu säen, kaputt zu machen, was kaputt macht, in der Existenz bedroht. Die Einsicht ist da, dass damit ein Kampf gegen Windmühlen angesagt ist, eine Auseinandersetzung mit Mächten, welche die menschliche Vorstellungskraft übersteigen, oder ihrer Fantasie entspringen, dabei aber sehr real sind in ihrer Unmenschlichkeit. Sie führt zu Debatten, ob denn nun dieses oder jenes, oder jedes Wesen an dem Debakel die Schuld mittrage, mit welchen Mitteln dem Ungemach etwas entgegengesetzt werden könnte, wo die Angriffspunkte liegen. Verhältnismässig schnell, und das will nicht heissen nach kurzer Zeit, wird der Schluss gezogen, dass eine einhellige Entscheidung in dieser Frage wohl ausserhalb des Rahmens der Veranstaltung liegt, in diesem Sinne auf eine Resolution verzichtet werden muss. Beim Kampf gegen Windmühlen ist von einiger Wichtigkeit, woher der Wind weht, und wie stark.

Aber warum gerade Windmühlen? Offensichtlich, objektiv gesehen, ist der Mann von La Mancha einem Trug erlegen, hat im Eingericht zur Mehrwertschöpfung durch das Ausnützen der Kraft von Luftströmungen einen Riesen gesehen, der mit Armen wie Dreschflegeln auf ihn einschlägen wollte. Wie die Bevölkerung von Troja, welche das hölzerne Pferd das ihnen gegeben gutgläubig als Geschenk betrachteten, ist er einer fatalen Fehleinschätzung erlegen. So ist das auch mit der Burg, bisweilen, welche kaum einmal als das gesehen wird, was sie wirklich ist. Ihr ganzes Wesen erschliesst sich wohl nur den Beteiligten, doch daneben gibt es auch abgesehen von den gezielten Verleumdungen reihenweise falsche Wahrnehmungen, wobei der Konsum von Narrenkraut oder anderen Substanzen nur in den seltensten Fällen eine Rolle spielt. Viel eher geht das einher mit einer allgemein stattfindenden Wahrnehmungsverschiebung, einer Bewusstseinsveränderung, welche schleichend von Statten geht, indem die Sinne sich an den sich ständig verändernden äusseren Gegebenheiten orientieren.

Dann ist da noch die Beschleunigung der Zeit, und der Umgang mit dem, was als Information bezeichnet wird, mehr und mehr als Wegwerf-Produkt angesehen, schnell entsorgt. Der Konsum ist die Kultur, die übrigbleibt, nachdem die Dadaisten ihren Siegeszug vollendet haben. Bei aller Verehrung, aber so haben wir uns die Vernichtung der Kultur nicht vorgestellt. Da hätte noch mehr Sinn bleiben dürfen. Dennoch passen wir uns an, und reden genau so hohl daher wie alle anderen. Ein einziger Schall- und Rauch-Körper, eine Steinstatue hat mehr Persönlichkeit, ganz zu schweigen von den besseren Umgangsformen.

Womit wir bei den Beziehungen zwischen einzelnen Wesen gelandet sind. Somit in einem Territorium, welches wir getrost einschlägigeren Publikationen überlassen können, welche sich zweckbestimmt der Übermittlung von wissenswerten Inhalten verschreiben, wie wer mit wem was und nicht mehr oder doch wieder oder nicht. Der neuste Streich ist der Anspruch, dass wir alle dafür aufkommen, dass das ganze, die Burg umgebende Stadt umgebende Land mit der genannten Inhaltsleere überzogen wird. Da es kein Ausweichen gibt, sollen auch alle dafür zahlen, dass sie darüber Auskunft erhalten, was sie nie wissen wollten. Klar, auch Gratisblätter sind nicht umsonst, im Gegenteil, gerade die kosten viel. Soviel bringen die offensichtlich ein, dass es immer noch den Geist lohnt, der mit ihnen verlustig geht.

Die Anstrengung, positiv zu denken. Tanz dich frei. Meditiere dich zum Sanftmut. Bete dich in Furor. Tanze deinen Namen, an der Stange. Versinke in der Leere, die zu kennen für ein erfülltes Dasein unerlässlich ist. Lass mich fallen. Nimm mich auf. Hau mich nicht. Schlag mich zum Ritter, ohne Furcht und Tadel. Vergib mir meine Sünden, wie ich denjenigen vergeben habe, welche gegen mich gesündigt haben. Stelle dich nicht über mich, auch während du die höchsten Berge erklimmst, unterwerfe dich nie, geh neben mir, nicht vor mir, schon gar nicht hinter mir.

Du wirst sagen, so viele verschwendete Worte, du wirst sagen, soviele Inhalte, die nicht zur Sprache gekommen sind. Du wirst sagen, da hat jemand nicht wirklich was zu sagen gewusst, da täuscht jemand darüber hinweg, dass die Einfälle ausgeblieben sind. Richtig. Mir hat es die Sprache verschlagen, ich kann es kaum fassen. Ich kann kaum mehr glauben. Ich bin am Boden, beinahe zerstört. Die geringste Rolle dabei spielt ein Lastwagenfahrer. Immerhin transportieren solche mitunter auch Inhalte, hoffentlich. Leerfahrten wie diese hier schaden der Konjunktur, auch zu hoffen. In diesem Sinne haben wir zu einem guten Ende gefunden, oder etwa nicht?

In der nächsten Folge: Wir bauen auf den höchsten Wolkenkratzer.

Raute

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REDAKTIONSSCHLUSS 13. Januar 2010, näxter 10. Februar 2010

ERSCHEINT monatlich, Auflage ca. 1000 Ex.; JAHRESABO (mind. 72 Franken auf PC 30-34495-5 einzahlen, Abo bei obenstehender Adresse).

Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen.

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Quelle:
megafon - Nr. 340, Februar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2010